5. Leseabschnitt: Kapitel 5 bis 7 (Seite 199 bis Ende)

Literaturhexle

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2. April 2017
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Verwirrlich empfinde ich vor allem das Verhältnis zwischen den Eheleuten. Sie schienen sich anfangs schon nahe zu sein. Besonders der Mann bestätigt seine Liebe zu ihr, kümmert sich um sie liebevoll. Das wirkte nicht aufgesetzt auf mich.

Die Krankheit lastet natürlich auf dieser Beziehung. Später erfahren wir, dass auch der Sex nie besonders erfüllend und eher Mittel zum Zweck war. Es lag also schon etwas im Argen. Dann bekommt die Frau Aufwind. Der Mann ist verwirrt, wünschte dann, die Frau wäre tot!!! Das hat für mich einen Sprung ergeben, dem ich nicht folgen konnte.

Die Frau geht zum Heiler und beschließt zu sterben. Sie will ihren Mann nicht mehr sehen!!! Nächster Sprung: So verabschiedet man sich nicht nach einem langen gemeinsamen Weg. Außerdem war der Umschwung (ich bin geheilt - ich muss sterben) innerhalb weniger Stunden schwer nachzuvollziehen.

Die Frau stirbt. Der Mann zeigt weder nennenswerte Trauer, noch will er den Leichnam sehen. Sprung!!! Er hat nur noch das Kind im Kopf. Als er es endlich hat, kriegt er wieder kalte Füße und will Livia am liebsten mitnehmen.... Männer halt;)

Dieses Beziehungs-Hin-und-Her empfinde ich nicht als völlig schlüssig. Es passt nicht richtig zusammen. Auch dass die Frau beschlossen hat nach so kurzem Bekanntsein mit dem Heiler dortzubleiben - skurril...
Wie die Frau im Angesicht des Todes ihre ganze gemeinsame Ehe brutal in Frage stellt: Will sie ihren Tod dem Mann leichter machen oder hat sie es tatsächlich so empfunden?

Die Todesszene hat mir gefallen. Schmerzlos darf die Frau dem Leben entgleiten.

Der Mann "hat keine Eier in der Hose", wie der Geschäftsmann nicht ganz zu Unrecht sagt. Er weiß nicht, wo er hin gehört. Nun wird er hoffentlich an der Verantwortung für das arme Kind wachsen. In den letzten Szenen hat sich Livia zu seinem lebenserfahrenen Gegenspieler entwickelt. Die Dialoge fand ich richtig stark.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Verwirrlich empfinde ich vor allem das Verhältnis zwischen den Eheleuten.
Ich danke dir für deine Ausführungen. Diese beschreiben besser, was ich in meinem Kommentar mit "dann ist das eben einfach so" bezeichnet habe. Hier gibt es einen Sprung zum nächsten und der ist dann einfach so, ohne, dass man dem Weg dorthin richtig folgen kann. Dass bei all der Liebe, die der Mann ganz zu Beginn gezeigt hat (Die Szene am verschneiten Bahnhof bei der Anreise war großartig!) und natürlich mit Belastungen durch unerfülltem Kinderwunsch und Erkrankung der Frau (das geht fast nie spurlos an Ehepartnern vorüber) dann der Mann so schnell von der Frau loslassen kann ist merkwürdig. Natürlich ist hier so einiges gewollt nicht plausibel im Buch. Aber es macht für mich einen Unterschied, wenn dies kuriose Szenarien in einem Hotel, Waisenhaus oder sonstwo angeht oder wenn dies innerhalb einer gewachsenen Beziehung geschieht. Alles auf wenige Tage zusammengefasst.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Aber es macht für mich einen Unterschied, wenn dies kuriose Szenarien in einem Hotel, Waisenhaus oder sonstwo angeht oder wenn dies innerhalb einer gewachsenen Beziehung geschieht. Alles auf wenige Tage zusammengefasst.
Genau so empfinde ich es auch. Das ganze kuriose Ambiente: geschenkt.
Aber diese Beziehung zwischen den Eheleuten zerfällt mir zu schnell...

"Wenn man etwas nicht pflegt, zerfällt es." Passt dieser Satz von Livia (in Bezug auf Bäume, Häuser) etwa auch auf die Ehe der beiden Protas???
(Fällt mir erst auf, als ich es schreibe)
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Denke auch dass sie ihn mit ihren Reizen bestochen hat. Mich hat es dennoch gewundert, dass der Autor uns diesmal nicht daran teilhaben ließ, wo er uns doch ansonsten immer mit den Infos versorgt hat. Ich denke da zum Beispiel an den Sex mit dem Geschäftsmann usw
Der Autor erzählt nur Dinge, die entweder der Mann oder die Frau erleben. Ich kann mich an keine Szene erinnern, die aus einer anderen als diesen beiden Perspektiven erzählt wird (wenn mich jemand verbessern kann, bitte gerne!).
Für mich ein weiterer wichtiger Aspekt der surrealistischen Welt, in der sich der Roman abspielt. Der Mann und die Frau sind beobachtende Gäste. Vielleicht (vermutlich) noch der "Geschäftsmann". Bezeichnenderweise wird er ja immer "der Geschäftsmann" genannt, obwohl wir seinen Namen kennen.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Da habe ich es so gelesen, dass sie ihrem Fanboy vielleicht ein wenig sexuelle Erregung verschafft hat und ihm in diesem Zuge zur Herausgabe des Babys überreden konnte.
Aber der Arzt wich vorher vor ihrer möglichen Berührung zurück. Deswegen glaube ich tatsächlich nicht, dass das die Vorgehensweise war. Außerdem ging doch eine Zigarette dafür vielleicht etwas zu schnell...
Ich denke, wir haben alle dieselbe Phantasie, oder :p ???
Neeeein ;)
Mich hat es dennoch gewundert, dass der Autor uns diesmal nicht daran teilhaben ließ, wo er uns doch ansonsten immer mit den Infos versorgt hat. Ich denke da zum Beispiel an den Sex mit dem Geschäftsmann usw
Der Geschäftsmann hatte ja eine Sonderrolle im Roman, er diente der "Abwechslung". Ansonsten war die Erzählweise ja doch recht elegant.
Auch dass die Frau beschlossen hat nach so kurzem Bekanntsein mit dem Heiler dortzubleiben - skurril...
Ich hatte es so gedeutet, dass sie dem Mann und Simon einen Neuanfang ermöglichen und nicht im Weg stehen möchte. Und hatte sie die vermeintliche Heilung nicht im Inneren sowieso schon verworfen, als sie mit dem Baby sprach?
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Und hatte sie die vermeintliche Heilung nicht im Inneren sowieso schon verworfen, als sie mit dem Baby sprach?
Ja, aber.....
Mir ging das zu schnell, zu rapide.
Die Aussprache musste sich der Mann erkämpfen. Sie wollte ihn nicht mehr sehen. An der Stelle fehlen mir einfach Übergänge. Manches dagegen hat sich (Hin und Her) wiederholt.

Aber der Arzt wich vorher vor ihrer möglichen Berührung zurück. Deswegen glaube ich tatsächlich nicht, dass das die Vorgehensweise war.
Ah gut. Das Zurückweichen hatte ich nicht mehr auf dem Schirm. Dann bleibt der Satz von Julian Barnes: "Wir wissen es nicht." :think
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Und hatte sie die vermeintliche Heilung nicht im Inneren sowieso schon verworfen, als sie mit dem Baby sprach?
Gut möglich, sie wollte dort sterben, sich die ganzen Strapazen nicht mehr antun. Die Frau hat vielleicht die Heilung nur als Vorwand genutzt, um diesen Weg gehen zu können. Genau wie die Frau die sie zweimal gesehen hat, vielleicht schon der Vorbote ihres Todes gewesen sein könnte. Zu Beginn des Buches noch als Schreckgespenst getarnt, am Ende als rettender Engel auf dem Weg zu einem gnadenvollen Tod. Und das war er in meinen Augen tatsächlich, es hätte soviel leidvoller kommen können…….
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Wie kommst du darauf? Ich sehe sie als schillernde Figur, die es mit der Wahrheit nicht allzu genau nimmt. Sie ist mal so und mal so alt. Mal die weise Alte, mal die erfahrende Femme Fatale. Ich würde sie in den 60ern einordnen, aber als attraktive, künstlerisch ambitionierte und interessante Frau.
Immerhin behauptet sie auf Seite 33, sie sei mal beim Zirkus gewesen, das könne schon Jahrhunderte her sein. Und weiter unten sagt sie, sie habe mit Isadora Duncan getanzt. Duncan ist 1927 gestorben. Der Mann sagt dann, sie müsste Hundert sein, sie sagt, vielleicht bin ich das ja. Das ist für mich halt das Schräge an dem Roman, man weiß nicht genau, ob das Hotel in einer anderen Zeit ist oder ob die Leute dort zeitlos sind. Wenn man anfängt Informationen nachzuvollziehen, dann stimmen sie irgendwie und irgendwie nicht.
 

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Mmmh- ich hatte in diesem Abschnitt eigentlich auf einen richtigen Kracher gewartet. Der blieb meines Erachtens aus.
Vieles habt Ihr ja schon angesprochen und analysiert. Es gibt sehr viele Sprünge, die es mir erschwert haben, Entwicklungen nachzuvollziehen. Immer wieder wird auch von einem Extrem ins andere gewechselt: Sie glaubt, sie ist geheilt, dann begibt sie sich zum "Wunderheiler", um in Ruhe gehen zu können. Sie will das Kind, dann wieder nicht. Und so weiter.
Ich verstehe auch nicht diese Gleichgültigkeit in der Beziehung. Die Frau verweigert ihrem Mann, am Ende bei ihr zu sein. Er schließt quasi sofirt, da sie tot ist, mit ihr ab. Ja, mehr noch: Will sogar mit Livia und Baby neu starten. Das ist mir alles zu viel.
Ich kann den Roman auch schlecht einordnen. Ist es wirklich ein Phantastikroman? Vieles ist sehr skuril, auch spielen immer wieder Vorhänge eine Rolle, die normal ja oft einen Wechsel von Wirklichkeitsebenen anzeigen. Ich bekomme aber die Ebenen, so es sie denn gibt, noch nicht klar auseinander dividiert...
Und die Schlussszene mit der Frau... Diese lässt mich auch etwas ratlos zurück.
Ich muss die Geschichte nun erst mal sacken lassen, um etwas Ordnung in meine Eindrücke zu bekommen.
 

parden

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Plötzlich tauchen Babysachen auf
Am Anfang wurde aber geschildert, dass der Mann und die Frau für sich selbst kaum Sachen in ihren Koffern dabei haben, sondern dass diese vor allem mit Dingen für das Baby gefüllt sind. Diese Babysachen waren für mich eines der wenigen Details, die sich nicht unlogisch anhörten... :D
 

parden

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13. April 2014
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Puh, hier ist ja schon viel geschrieben worden, und so begeistert oder "versöhnt" wie @Christian1977 bin ich leider nicht. Verwirrt bleibe ich zurück. Ich glaube, hier in dem Roman gibt es viel versteckte Symbolik, von der ich nicht einmal die Hälfte verstehe oder auch nur erkenne. Was soll die Mesusa, was der Papagei, was die Vergewaltigungsszene mit Henk usw.? Ich würde dazu gerne mal ein Interview mit dem Autor lesen oder hören.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Die Station, bei der das Paar ausstieg, war also nur eine Zwischenstation. Das bestärkt mich, davon auszugehen, dass nichts, was sich im Hotel und rundherum abspielte, unserer Realität entspricht. Ich lese das Ende so, als die Frau wieder bei der Zwischenstation sitzt, dass sie auch auf einen Zug wartet, aber in eine andere Richtung.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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nein, eigentlich umgekehrt, dass es ihre "Todesfantasie" war, zwischen Leben und Sterben

Dann hat aber der Autor sich wenig Mühe gegeben, dieses zum Schluss aufzuklären. Es wären mir dann auch zuviele Gefühle des Mannes dabei gewesen, als er zusammengeschlagen, oder als er vergewaltigt wurde.
Der Fokus schwirrt wie eine nervöse Fliege über den Plot.
 
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