Der letzte Abschnitt schließt sich nahtlos an den vorhergehenden an. Im Zentrum steht Hannes Gefühlswelt. Er ist ein junger Mann, die Mädchen zeigen ihm offen ihre Sympathien. Er hatte sich im Inneren für Mara von Heesen entschieden, die zwar nicht seiner Lebenswelt entstammt, ihm jedoch auf seelischer Ebene ebenbürtig scheint. Sie scheinen ihre Gedanken gegenseitig lesen zu können. Leider hat Mara trotz ihrer Jugend seelischen Schmerz, der sie zuweilen von der Bildfläche verschwinden lässt. Sie lässt in diesen Phasen kaum jemanden zu sich - auch Hannes nicht, der sie schmerzlich vermisst, woran der Leser Anteil nehmen darf.
Als nächstes erfährt Hannes von Maras Vater, dass jene nun beim Onkel in Itzehoe (weit weg) lebt, um dort an der Akademie zur Lehrerin ausgebildet zu werden. Die beiden jungen Leute konnten sich (natürlich) nicht voneinander verabschieden und schreiben sich jeweils einen relativ oberflächlichen Brief. Das war es an persönlichem Kontakt, der Rest folgt nur noch über andere. So erfährt Hannes alsbald, dass Mara sich verlobt hat (!) und damit für ihn verloren scheint.
Zum zweiten Mal in diesem Roman wird ein Konflikt dadurch gelöst, dass eine Figur aus dem Spiel genommen wird. Später eine dritte, nämlich Thies. Das empfinde ich als extrem unbefriedigend. Alle widersprüchlichen Empfindungen, Gewissensbisse, Liebeskummer erfahren wir nur und ausschließlich aus den Gedankengängen von Hannes. Immer wieder, extrem redundant: Ständig bezeichnet der sich als schlechten Freund, der einem anderen die Freundin wegnimmt und als Hahnrei, der sich schnell mit einer anderen tröstet. Diese Gedanken werden durchbrochen von Alltagsgeschäften und Vogelbeobachtungen, ich empfand diese Gedanken als omnipräsent und mochte sie irgendwann nicht mehr lesen... Obwohl mir die Naturbeschreibungen bis zum Schluss gefallen haben. Klar, Hannes ist 16 Jahre alt. Seine Gedanken dürfen sich um die Liebe drehen, er darf über diesen Kummer seine Arbeit vernachlässigen, doch ist mir das als Leserin in der zweiten Lebenshälfte (ich bin Optimist
) etwas wenig für die über 200 Seiten verbleibenden Text.
Die Episode am Anleger, als Hannes mit Pferd und Wagen unterging und eine Nahtoderfahrung machte, das hätte man unglaublich spannend ausbauen können. KLar, es ist nur eine Nebenhandlung. Trotzdem, die Szene ist sehr gut geschildert, so etwas konnte damals passieren: Ein Pferd ist kein Motor.
Hannes hat auch hier wieder ein schlechtes Gewissen (!). Zum Glück erteilt Ossenbrüggen Absolution, er hat die Schuld, weil die Pferde nicht zuverlässig waren. Würde der Großbauer das wirklich zugeben? Er, der zwei Pferde, einen Wagen und ein Fuder Mais verloren hat? Toller Mensch.
Zum Glück hat Hannes "nur ein paar Rippenbrüche" davongetragen. Die ihn kaum einschränken: Er kann kurz darauf melken, graben (!), schwimmen und mit Freunden im Meer toben. Nicht schlecht. Die Rippenbrüche, die ich kenne, sind unendlich schmerzhaft und zwingen zu absoluter Ruhe.
Insgesamt fällt immer wieder auf, wie gut sich die Menschen im Norden ohne Worte verstehen. Sie erspüren, erahnen, fühlen immer, wie es dem Gegenüber geht, was es gerade umtreibt. Erstaunlich ist das.
Ansonsten war es mir der Gefühligkeit rund um Lisa und Mara zuviel. Immer erscheint ihm Mara wieder in seinen Träumen, seinen Gedanken. Er wurde tief verletzt und verlassen. Trotzdem taucht sie immer wieder auf, auch während der unbeschwerten Segeltouren. Ist das realistisch? Jetzt, wo er sich in Lisa verliebt hat? Wo seine Hormone Tango tanzen müssten?
Mir kam es übrigens auch nie so vor, als ob Thies und Lisa ein richtiges Paar waren. Vielleicht habe ich aber auch nicht so darauf geachtet.
Auch die häufige Erwähnung des Glasröhrchens... Die Mutter ist doch erwachsen, der Sohn trägt keine Verantwortung für sie. Warum hat er nicht früher mit ihr gesprochen. Vor des Vaters Tod schienen sie sich doch nahezustehen? Als die Mutter dann auf S. 413 tatsächlich mal das Wort ergreift, fängt sie an mit "Mara war nicht die Richtige..." Das ist sehr unsensibel.
Am Ende kriegt er seine Lisa. Sie müssen sich gleich verloben, um den Mob zufriedenzustellen, obwohl sie erst 16 Jahre alt und gerade erst ein Paar geworden sind.
Wie habt ihr diesen letzten Abschnitt empfunden? Bin ich die einzige, die hadert?