5. Leseabschnitt: Kapitel 18 bis Ende (S. 277 bis Ende)

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Kalman hat eine geistige Behinderung und in seiner kindlichen Naivität kann er nicht wirklich in der Lage sein, zu hinterfragen. Das passt einfach nicht zusammen.
Aber ich sollte aufhören, immer wieder darauf herum zu reiten.
Es ist ein Kritikpunkt, aber wie schon öfter betont, einer über den ich hier gut und gerne hinwegsehen kann. Für mich ist Kalmann ein ganz besonderer Lesegenuss gewesen
Auch mich hat das zunehmend gestört und hat meinen Lesegenuss gemindert, auch wenn ich die Geschichte -bis auf das Ende gut fand.
Daher bilden wir uns unsere eigene Wahrheit, die da lautet, er ist geistig zurückgeblieben und hat daher auch zu handeln und zu denken wie ein Geistigzurückgebliebener. Alles andere wird von uns in Frage gestellt. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass Kali in der Lage ist, komplex zu denken, aber nicht in der Lage ist, diese Gedanken komplex und seinem Alter entsprechend verbal zu äußern.
Da gebe ich dir Recht, wir wissen nicht, wie Kalmann wirklich denkt, trotzdem gibt es Brüche im Erzählverhalten...
Trotzdem fühle ich mich ein bisschen betrogen. Ich hätte mir eine logische Erklärung gewünscht, auf die man halt nicht gekommen ist. Diese hier wurde mutwillig konstruiert.
Du sprichst mir aus dem Herzen, es passt für mich nicht zu Kalmanns bisherigem Verhalten, dass er uns sozusagen an der Nase herumgeführt hat. Für mich war das nicht schlüssig, habe mich regelrecht geärgert. Lediglich die Erklärung mit der posttraumatischen Amnesie ist eine Möglichkeit, warum wir erst am Schluss die Wahrheit erfahren, oder ich nehme das alles nicht so schrecklich ernst :D.
Am Anfang findet Kalmann eine Blutlache, wundert sich und überlegt, ob er davon berichten soll. Auf die Idee, dass er beim Selbstmord des Blutlachenverursachers dabei gewesen sein könnte, kann man gar nicht kommen. Sein Verhalten ist auch nur mit einem kompletten Gedächtnisverlust zu erklären. Ja, es wird gesagt, Kalmann vergisst so manches, aber das ist trotzdem eine eher billige Lösung.
Sehe ich auch so.
 

nellsche

Bekanntes Mitglied
1. September 2018
1.044
652
49
Wow, das ist das erste, was mir zu dem letzten Abschnitt einfällt. Was für eine überraschende Entwicklung.
Dass Robert sich mit der Mauser erschossen hat, hätte ich nicht gedacht. Dass Kalmann ihm die Waffe gegeben hat, schreibe ich seiner Behinderung zu, denn diese Entwicklung konnte er wohl nicht vorhersehen.
Die Szene mit der Eisbärin war stark. Wie mutig von Kalmann, sich furchtlos zu opfern. Das hätte auch ganz anders enden können. Aber nun ist er ein Held. Das freut mich für ihn.
Kalmann ist ein ehrlicher Charakter, der nur das macht, worum man ihn bittet. Von selbst wäre er nicht auf die Idee gekommen, Robert als Fischfutter zu zerhacken.
 

nellsche

Bekanntes Mitglied
1. September 2018
1.044
652
49
Also gut, der Autor hat uns überrascht. Dieses Auflösung hatte niemand auf dem Zettel.
Trotzdem fühle ich mich ein bisschen betrogen. Ich hätte mir eine logische Erklärung gewünscht, auf die man halt nicht gekommen ist. Diese hier wurde mutwillig konstruiert.
Am Anfang findet Kalmann eine Blutlache, wundert sich und überlegt, ob er davon berichten soll. Auf die Idee, dass er beim Selbstmord des Blutlachenverursachers dabei gewesen sein könnte, kann man gar nicht kommen. Sein Verhalten ist auch nur mit einem kompletten Gedächtnisverlust zu erklären. Ja, es wird gesagt, Kalmann vergisst so manches, aber das ist trotzdem eine eher billige Lösung.
Ich finde das tatsächlich schlüssig, denn Kalmann weiß selbst, dass er wichtige Dinge einfach vergisst.
 

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Lediglich die Erklärung mit der posttraumatischen Amnesie ist eine Möglichkeit, warum wir erst am Schluss die Wahrheit erfahren
Das hat mir jetzt keine Ruhe gelassen, ganz zu Beginn gibt es tatsächlich einen Hinweis darauf:
Er will nichts erzählen, denn wenn er es erzählt, hätte er wirklich etwas mit Roberts Verschwinden zu tun.
"weshalb ich ersuchte, nicht mehr an die Sache zu denken." (35)
Die Szene mit dem Eisbär fand ich trotzdem stark ;)
 

nellsche

Bekanntes Mitglied
1. September 2018
1.044
652
49
Das hat mir jetzt keine Ruhe gelassen, ganz zu Beginn gibt es tatsächlich einen Hinweis darauf:
Er will nichts erzählen, denn wenn er es erzählt, hätte er wirklich etwas mit Roberts Verschwinden zu tun.
"weshalb ich ersuchte, nicht mehr an die Sache zu denken." (35)
Die Szene mit dem Eisbär fand ich trotzdem stark ;)
Sehr gut, vielen Dank für diese Verknüpfung!
Und jaaaa, die Eisbärszene war stark!!! :D
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.965
1.732
49
60
Das war mal ein spannendes interessantes Ende, besonders als der Eisbär da auf Kalmann zukam. Ich wüsste nicht ob ich da hätte so gelassen stehen bleiben können. Wahrscheinlich hat er selbst nicht damit gerechnet, dass er dies überlebt, er wollte einfach Birna das Leben retten.
Ich war kurz erschrocken als Birna mit Kalmann zu der Stelle gingen wo Roberts Blut war. Ich dachte erst jetzt hat er doch Robert getötet als er da so anfing alles zu erzählen. Dann war ich allerdings erleichtert, dass Robert sich selbst getötet hat und Kalmann nur seine Leiche entsorgt hat.
Das fand ich dann auch sehr makaber am Schluss als er Roberts anderen Arm verabschiedet hat.

Die Beschreibung als er da so unter dem Eisbär lag, da bekam ich echt Gänsehaut, als er das mit dem atmen und den Zähnen sagte. Was wenn der Eisbär da noch zugebissen hätte? Und als ich dann das Gewicht und die Größe las, war mir klar warum Kalmann keine Luft mehr bekam. Im Grunde konnte er froh sein, dass er das überhaupt überlebt hat, den so ein Gewicht kann einen schon erdrücken.

Ich fand es dann auch gut, das Birna das ganze Geschehen um Robert einfach als ihr Geheimnis fallen lässt. Zwar gibt es ja mit Bragi noch einen Mitwisser, aber ich denke das der kein Interesse hat irgendwas zu sagen.

Alle Achtung das seine Mutter immer wieder diesen Weg auf sich genommen hat, den ich habe mal geschaut, das sind über 3 Stunden Fahrzeit was sie da hatten. Aber ich fand es schön, dass sie Kalmann so gefeiert haben in der Halle. Und das er mit Perla nun vielleicht doch noch eine Frau gefunden hat.

Irgendwie ein schönes Ende, auch wenn man von Noi nun gar nichts mehr erfahren hat. Er war für mich so ein Charakter, den es jetzt nicht unbedingt gebraucht hätte.
 
  • Like
Reaktionen: Bibliomarie

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.769
14.402
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Kalmann ist ein ehrlicher Charakter, der nur das macht, worum man ihn bittet. Von selbst wäre er nicht auf die Idee gekommen, Robert als Fischfutter zu zerhacken.
Ich stimme dir vollkommen zu, aber das macht ihn in meinen Augen auch sehr gefährlich. Jeder, der Böses will, kann ihn instrumentalisieren, er müsste nur vorher nett zu ihm sein. Kalmann hat eben, trotz seines "Bauchgefühls", anscheinend keine Hemmschwelle, jedenfalls wenn es um die Zerstückelung von Leichen geht.
 
  • Like
Reaktionen: KrimiElse

nellsche

Bekanntes Mitglied
1. September 2018
1.044
652
49
Ich stimme dir vollkommen zu, aber das macht ihn in meinen Augen auch sehr gefährlich. Jeder, der Böses will, kann ihn instrumentalisieren, er müsste nur vorher nett zu ihm sein. Kalmann hat eben, trotz seines "Bauchgefühls", anscheinend keine Hemmschwelle, jedenfalls wenn es um die Zerstückelung von Leichen geht.
Ja, da hast du recht. Das ist mir auch durch den Kopf gegangen, dass er ein perfektes Werkzeug ist.
 
  • Like
Reaktionen: KrimiElse

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.769
14.402
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Im Interview betont der Autor, dass Kalmann der Dorftrottel sein sollte. Aber genau das ist ihm nur halb gelungen. Einerseits entspricht Kalmann dieser Rolle 1A. Andererseits aber eben überhaupt nicht. Für einen Dorftrottel ist er zeitweise viel zu differenziert und viel zu eloquent.

Ich muss immer wieder über die Widersprüche nachdenken, die in der Gestaltung des Charakters Kalmann gesehen werden. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass wir (ich auch) zum Schubladendenken neigen. Uns ist wichtig zu wissen, welche Behinderung Kali hat. Dem Autor scheinbar nicht...... So steht ein Protagonist im Mittelpunkt, der der liebenswürdige Dorftrottel eines Dorfes am Ende der Welt ist

Ich bin sehr zwiegespalten: Einerseits ist da das Wissen, dass Kalmann (warum auch immer) eine Behinderung hat. Andererseits ist diese nicht mal dem Autor wichtig. Vielen der Mitbewohner Kalmanns auch nicht.

Dann wird aus dem "Dorftrottel" schlicht ein "Trottel". Wenn ich mir seine Behinderung nicht mehr wichtig ist, sehe ich einen Mann, der mir eigentlich nicht sympathisch ist. Ganz so liebenswert finde ich ihn dann nicht mehr. Er neigt zur (auto)agression, hat aber geladene Waffen, seine Sheriffmontur ist reichlich anmaßend und sein Frauenbild einfach nur zum...
Da hift seine rührende Beziehung zum Großvater auch nicht mehr viel. Und die Abhandlung über Gefühle etc hat schon eteas sehr Schmachtiges an sich.

Aber über Island, Grönlandhaie, Fangquoten... habe ich einiges gelernt.
 

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Die Schilderungen der Landschaft, die gesellschaftskritischen Einwürfe, die Betrachtungen vom Verhältnis Mensch und Tier: großartig und nicht zu aufdringlich. Sie stupsen einen ins Nachdenken.
Das hat mir den Roman gerettet. Wobei ich das Jagen und Töten von Tieren gerne etwas kritischer beleuchtet gesehen hätte.
Dass der Grönlandhai, offenischtlich der Methusalem der Tierwelt, einfach so getötet wird, gefischt und erschossen(!) und dann zu Stinkefisch verarbeitet wird... "Tradition is a choice, not a factum"
 

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Mir stockte der Atem: also doch ein Eisbär??!!

Unglaublich eindringlich erzählt der Autor die Begegnung mit dem Eisbär. Hut ab!
Es ist fantasiereich und er treibt die Spannung ins Unermessliche (S. 326) und dann kommt ein Abschnitt, der einen immer wieder schmunzeln lässt. Erleichtert kann man aufatmen.
Bravourös. Steigerung zum Höhepunkt und dann Begleitung beim Runterkommen;-)
Mir hat das ausgesprochen gut gefallen, wie der Autor Spannung aufgebaut hat und uns dann alle wieder zurück auf den Boden holte. Und mit seiner Eisbärengeschichte gibt er Kalmann ein Stück mehr Glaubhaftigkeit, denn ich hatte ihn ein bisschen als unzuverlässigen Erzähler in Verdacht.
 
  • Like
Reaktionen: SuPro und kingofmusic

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Mich hat das nicht so gestört. Kinder ( und in eine solche Kategorie würde ich Kalmann einordnen) sprechen ja oft mal tiefere Wahrheiten aus, ohne dass ihnen das bewusst wird.
Aber ich bin keine Psychologin, die das Krankheitsbild besser einordnen kann und für den „ normalen“ () Leser hat der Autor ein weitestgehend stimmiges Bild geliefert.
Dasteht mir auch so, ich habe mich nicht daran gestoßen. U d wie zuvor schon geschrieben hätte mich eine authentische Erzählung, die zum Krankheitsbild passt, wohl eher nicht interessiert, zumindest nicht komplett aus der Sicht eines Menschen mit Behinderung.
 
  • Like
Reaktionen: Bibliomarie

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
... Ja, das glaube ich letztlich auch. Ich denke, dass ich da beruflich bedingt einen psychoanalytisch/psychiatrisch geschärften und kritischeren Blick habe.
Ich denke auch, allerdings ist es für uns in der Runde überaus interessant, wie du reflektierst. Das geht übrigens. Ich’s nur dir so, irgendwie kann niemand s9 recht aus seiner Haut. Vor vielen Jahren hat eine Tatort-Folge einen Einbruch in die Bundesdruckerei thematisiert, und meine Schwester, die dort arbeitet, hat sich nur über den mangelnden Realismus aufgeregt :D anstatt den Film zu genießen.
 
  • Like
Reaktionen: kingofmusic

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Das war für mich am anrührendsten: man musste das Tier töten, aber am Ende ist es schlimm und schrecklich. Es ist nicht die Schuld der Tiere .. man nimmt ihnen den Lebensraum, es bleibt ihnen nichts übrig als sich den Menschenwohnorten zu nähern, wo sie dann eine Gefahr sind.

Die im Roman enthaltenen kritischen Blicke auf das Verhältnis Tier-Mensch finde ich mit am besten.
Oh ja, das ist richtig gut umgesetzt.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: kingofmusic

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Ich glaube, man muss dem Autor ein gewisses Maß an Freiheit in der Gestaltung seines Charakters zugestehen. Hätte die Behinderung im Fokus gestanden, wäre der Roman ein anderer geworden. So steht ein Protagonist im Mittelpunkt, der der liebenswürdige Dorftrottel eines Dorfes am Ende der Welt ist (wie ist eigentlich die Definition von Dorftrottel?) und unfreiwillig in einen Vermisstenfall hineingezogen wird. Er ist anders als andere, hat Schwierigkeiten in der Kommunikation mit anderen und wächst am Ende trotz seiner Schwierigkeiten über sich hinaus. Und nebenbei vermittelt er noch Lebensweisheiten, die uns den Alltag versüßen, gerät in Slapstick-Situationen und gibt uns Lehrstunden in isländischer Landeskunde. Das ist doch toll!
Da kann ich nur applaudieren und zustimmen, so geht es mir auch mit dem Buch und mit Kalmann.
 

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
Ich denke auch, allerdings ist es für uns in der Runde überaus interessant, wie du reflektierst. Das geht übrigens. Ich’s nur dir so, irgendwie kann niemand s9 recht aus seiner Haut. Vor vielen Jahren hat eine Tatort-Folge einen Einbruch in die Bundesdruckerei thematisiert, und meine Schwester, die dort arbeitet, hat sich nur über den mangelnden Realismus aufgeregt :D anstatt den Film zu genießen.
... so ähnlich tickt mein Mann, Polizist, bei Krimis auch. Aber ich habe den Roman sehr genossen!!!;):)
 
  • Like
Reaktionen: KrimiElse und RuLeka