5. Leseabschnitt: Juni bis Juli (Seite 298 bis 372/Ende)

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich habe das Buch eben ausgelesen. Entgegen meinen Erwartungen gibt es doch noch eine Art Kulmination, bei der die Fäden zusammenlaufen.

Das Ende kann man wohl unterschiedlich deuten. Ich will jetzt nichts weiter dazu sagen, sondern warte, was ihr anderen meint. Auch eine endgültige Einschätzung des Buches (für die Rezi) kann ich im Moment noch nicht vornehmen, es muss noch etwas sacken.
 
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Reaktionen: RuLeka und Xirxe

RuLeka

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30. Januar 2018
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Die letzten beiden Kapitel haben mir wieder sehr gut gefallen. Hier trifft die Mutter der beiden verschwundenen Mädchen auf Alla, die Mutter der ebenfalls verschwundenen Lilja bei einem Kulturfest der indigenen Gruppen . Nachvollziehbar wird die seelische Verfassung der beiden Mütter geschildert, eine Mischung aus Trauer, Schuldgefühlen und Wut, wobei jede etwas anders damit umgeht.
Das Ende kann man wohl unterschiedlich deuten. Ich will jetzt nichts weiter dazu sagen, sondern warte, was ihr anderen meint.
Hier warte ich auch auf eure Interpretation.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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So, ich bin auch durch. Der letzte Teil hatte es noch einmal in sich. Die Ermüdungserscheinungen haben sich aufgehoben.
Die Schilderung der Gemütszustände der Mutter Marina wirkte auf mich sehr lebensecht - man konnte richtig mitfühlen... Wie kann man weiterleben, wenn einem beide Kinder auf so schreckliche Weise genommen werden???

Warum hat die Polizei nicht anständig ermittelt? Warum deckte sie den vermeintlichen Täter? Will der Inspektor in 2-3 Stunden wirklich Hilfstruppen schicken oder will er Beweise vernichten? Eigentlich wirkte er ja ehrlich. Hat ja auch die Wasserleiche nicht als Kinderleiche anerkannt.
Haben wir nicht irgendwo den Namen Jegor schon gehört? Ich finde es nicht.

Ich interpretiere das Ende so, dass die Kinder noch leben und auf Befreiung warten. Aber jetzt gehe ich erst einmal schlafen. Das muss ich sacken lassen. Starkes Finale auf alle Fälle!
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
4.618
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Rhönrand bei Fulda
Jegor ist der Kerl, der mit Lada bei der Silvesterfeier ist, der sich übermäßig dicht neben sie setzt und ihr vor allem einen geschälten Apfel reicht. Ich bin nicht sicher, ob die Autorin diese Stelle ein wenig symbolisch gemeint hat. Bei D.H.Lawrence (entschuldigt bitte, wenn ich klugscheißerisch daherkomme; mir bleiben solche Dinge immer nachhaltig im Gedächtnis) gibt es eine Stelle, wo ein Mann die erotische Anziehung einer Frau quasi zurückweist, indem er ihr einen Apfel geschält und entkernt zurückgibt.

ps. Nicht nur die Kinder leben noch, auch Lilja scheint in Jegors Haus zu wohnen. Die Vorstellung ist ein bisschen komisch - wie sollte das funktionieren und warum? - aber ich habe es auch so verstanden.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Bei D.H.Lawrence (entschuldigt bitte, wenn ich klugscheißerisch daherkomme; mir bleiben solche Dinge immer nachhaltig im Gedächtnis) gibt es eine Stelle, wo ein Mann die erotische Anziehung einer Frau quasi zurückweist, indem er ihr einen Apfel geschält und entkernt zurückgibt.
Solche Symbolik zu entschlüsseln finde ich immer sehr spannend.
Ich werde das Kapitel nochmals lesen.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Am Ende ergibt sich also doch noch eine Spur zu den verschwundenen Mädchen. Und der andere, immer mal wieder angesprochene Fall, der der verschwundenen Julia aus Esso, steht doch damit in Verbindung, obwohl er auf den ersten Blick so anders gelagert war.
Die Juni-Episode führt uns auf ein Sonnwendefest und mitten hinein in die Gruppe der Ureinwohner, deren Schaffen aber nicht sehr urtümlich erscheint. Die Russifizierung/Sowjetisierung hat umfassend Raum gegriffen und die jegliche Natürlichkeit/Naturverbundenheit etwas überlagert. so jedenfalls habe ich das gelesen, denn so ein wirkliches Ureinwohner-Fest ohne den Einfluss von Tourismusorganisationen hätte ich mir "urtümlicher" vorgestellt. versteht Ihr, was ich meine? Trotzdem habe ich diesen Ausklang mit dem Fest, das immer wieder unterbrochen/verlassen wird, um eine Spur zum Entführer der Mädchen verfolgen zu können, sehr gut gefallen, denn er stellt noch einmal das in den Mittelpunkt, um was es der Autorin hier geht: diese Region und die Menschen darin zu zeichnen und ihnen ein literarisches Denkmal (huh, das ist wohl ein zu hoch gegriffenes Wort) zu schaffen.
Im Juli erfahren wir dann noch, dass die Kinder (einschließlich Julia) noch irgendwo leben. Es endet also mit Hoffnung. Der Faden zu dem Entführer ist aufgenommen, nun kann in Zukunft eine Rettung erfolgen, wenn der Faden konsequent weiterverfolgt werden wird. Immerhin!
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
So habe ich es auch verstanden. Sogar, dass die Befreier vor der Tür stehen. Denn Aljonja sagt: Egal, wer durch diese Tür kommt, wir sind tapfer. Dh. sie sind draußen und sie hören sie!

Warum heißt dieses Buch "Das Verschwinden der Erde"?

Am interessantesten ist einfach das Setting. Eine Gegend, die keiner kennt. Und die Sowjetisierung, wie @Anjuta es sagt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Warum heißt dieses Buch "Das Verschwinden der Erde"?
Das habe ich mich auch gefragt. Hängt das mit dieser Tsunami- Geschichte zusammen, die am Anfang und am Ende erzählt wird ( also im übertragenen Sinn)? Oder dass sich das Leben hier so verändert hat, dass also die ursprüngliche Lebensform, die der indigenen Völker und später die der Sowjets verschwunden ist?
Oder meint es eher das Verschwinden von der Erde?
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich vermute, es bedeutet einfach einen Verlust der Heimat. Wie auch immer man Heimat versteht - also sowohl der Verlust der traditionellen Lebensweise der indigenen Völker, als auch der Verlust des Sowjetsystems, das anscheinend viele Menschen doch als irgendwie sorgend empfunden haben im Vergleich zu den aktuellen Zuständen.

Zum Schlusskapitel: Wir lesen hier, was Aljona zu ihrer kleinen Schwester sagt (die Antworten der Schwester sind offenbar ausgelassen - es ist manchmal etwas schwer zu deuten, aber Aljona fordert ihre Schwester auf, sich mit ihr unter dem Bett zu verstecken, weil sich "Leute" nähern. Ich habe es tatsächlich so verstanden, dass die Rettung ins Haus kommt. Was ich nicht verstehe, ist, dass offenbar auch Lilja in der Nähe war bzw. ist, offenbar auch gefangen, da sie gegen die Tür schlägt und schreit. Jegor hat alle drei über den ganzen Zeitraum hinweg im Haus gefangen. Ich finde das schwer vorstellbar, aber anders kann ich das Ende nicht deuten.
 
Zuletzt bearbeitet:

Xirxe

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19. Februar 2017
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Das letzte Kapitel hat mir die Augen geöffnet ;): Das verbindende Element aller Personen ist die Verlassenheit, die alle empfinden. Und auch für Jegor gilt das.
Nicht nur die Kinder leben noch, auch Lilja scheint in Jegors Haus zu wohnen. Die Vorstellung ist ein bisschen komisch - wie sollte das funktionieren und warum?
Jegor hat alle drei über den ganzen Zeitraum hinweg im Haus gefangen. Ich finde das schwer vorstellbar, aber anders kann ich das Ende nicht deuten.
Er hat sich seine Familie zusammenentführt. Lilja als Frau und Mutter und zwei Kinder - eine Vorzeigefamilie. Auch wenn Lilja klein war (Jegor steht auf kleine Frauen, von Ladas Kleinheit ist er ja auch so angetan) und sehr jung (18 Jahre) - die Frauen dort auf dem Land bekommen sehr sehr früh ihre Kinder, das ist schon mehrfach aufgetaucht.

Ich finde das Ende ebenfalls sehr gelungen. Die Empfindungen Marinas fühlen sich unglaublich realistisch schmerzvoll an, ohne dass es ins Melodramatische kippt. Die letzten Seiten des vorletzten Kapitels habe ich immer wieder die Luft angehalten, weil ich befürchtete, der Verdacht könne sich doch noch in Luft auflösen - und wie weh würde das erst tun?
Und dann die Lösung zum Ende: wirklich gut gemacht und wie man ja offenbar auch hier sieht, herrlich vieldeutig :) Wobei ich natürlich meine, dass es doch ganz klar ist ...;):D:p
 

ulrikerabe

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Denke doch an den Kampusch-Fall!
Ich habe es so gewusst, dass das kommt!
Die letzten beiden Kapitel haben mir wieder sehr gut gefallen. Hier trifft die Mutter der beiden verschwundenen Mädchen auf Alla, die Mutter der ebenfalls verschwundenen Lilja bei einem Kulturfest der indigenen Gruppen . Nachvollziehbar wird die seelische Verfassung der beiden Mütter geschildert, eine Mischung aus Trauer, Schuldgefühlen und Wut, wobei jede etwas anders damit umgeht.
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Das finde ich auch sehr gut und stimmig beschrieben.
Ein bisschen hat mich dieses Kapitel (und auch das letzte) mit dem Buch versöhnt. Zwischendurch hatte ich echt arge Motivationshänger.
 

ulrikerabe

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Dass im dreizehnten Kapitel der Täter auftaucht, das erinnert mich an die dreizehnte böse Fee und dürfte nicht unbeabsichtigt sein. Dafür rücke ich den vierten Stern heraus.
und dass er im Kapitel Silvester erstmalig auftritt, welches außerhalb der Monatstitel läuft, damit es zu einem 13. Kapitel kommen kann!
 

ulrikerabe

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Jegor kommt übrigens im Kapitel März auch vor.
[zitat]"Das ist Jegor Gusakow", erklärte Ruslan. "Er hat mit Tschegga zusammen seinen Abschluss gemacht. "Er ist nicht ganz dicht"; sagte Tschegga. "Ein Spinner."[/zitat]
Ich wollte noch wissen, ob es derselbe ist wie im Silvesterkapitel, habe ihn aber nicht im Personenverzeichnis gefunden. DAS hätte mir wohl zu denken geben müssen.
(Das ist ja wie bei 7ieben, da stand Kevin Spacey auch nicht im Vorspann)
:D
 

Renie

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Und zack! Aus 3 Sternen wurden 4! Den letzten beiden Kapiteln sei Dank:)
Obwohl sich der Juni ein bisschen zog. Aber gut, so ein Folklore-Festival dauert halt.
Ich habe mich von Anfang an immer gefragt, wann die Mutter der beiden Mädchen ins Spiel kommt, und da ist sie. Irgendwie war das aber klar, dass sie als Schmankerl zum Schluss aufgehoben wird.
Ich bin dankbar, dass uns JP die Szenen erspart hat, die Marina direkt nach dem Verschwinden der Mädchen durchlebt hat. Das wäre nichts für mein empfindsames Mutterherz gewesen. Stattdessen zeigt sie eine Marina, die versucht, den Rat anderer zu beherzigen und ihr Leben weiterzuleben, was natürlich kaum zu bewältigen ist. Dieser Rat an sich ist ein blanker Hohn. Die Figur der Marina ist für mich perfekt getroffen. Keine Theatralik, kein Drama, dafür stiller Schmerz. Der Verstand sagt ihr, dass das Leben weitergehen muss. Aber ihre Gefühle sind übermächtig und es ist so brutal anstrengend gegen die Trauer anzugehen und sich nicht in die Knie zwingen zu lassen. Das ist mal ein trauriges Schicksal, so ganz anders als eine frustrierte Hausfrau, die knackigen Bauarbeitern mit Migrationshintergrund hinterher lechzt.

Und dann kommt der Moment, als Tschegga (personifizierte Enttäuschung von Nadja, Bruder von der volkstanzenden Studentin und Buddy von dem Russenmacho Ruslan) den entscheidenen Hinweis auf den Entführer gibt. Zuerst habe ich mich geärgert, wie schlecht und plump arrangiert diese Auflösung des Rätsels um die beiden Mädchen (eigentlich sind es 3) gemacht ist. Ein ganzes Jahr lang begleiten die Einwohner Kamtschatkas die Geschichte der beiden Mädchen, inklusive TV Interviews, Zeitungsberichte und Fahndungsplakate. Wo war Tschegga, dass er nichts von dem dunklen SUV mitbekommen hat? Unglaublich! Doch dann kommt der Hinweis, der die Szene wieder ins rechte Licht rückt: Es war in der Öffentlichkeit nie von einer Entführung mit einem dunklen SUV die Rede. Dieser kleine Kniff von JP gefällt mir ausgesprochen gut. Ich mache mir jetzt auch nicht die Mühe, zu prüfen, ob das auch seine Richtigkeit hat. Denn dafür gefällt mir diese Idee zu gut. :)
Dann das letzte Kapitel: endlich die Aufklärung. Und JP erspart uns eine Schlussszene, in der sich alle heulend vor Glück in den Armen liegen. Stattdessen sind wir wieder bei den Schwestern, genau wie am Anfang des Romans. Und somit schließt sich der Kreis.
Mit diesem letzten LA werde ich für die Ermüdungserscheinungen, die ich zwischenzeitlich hatte, entschädigt.
 

Renie

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Nicht nur die Kinder leben noch, auch Lilja scheint in Jegors Haus zu wohnen. Die Vorstellung ist ein bisschen komisch - wie sollte das funktionieren und warum? - aber ich habe es auch so verstanden.
Jegor wohnt auf dem Land. Wer weiß, wie weit es bis zum nächsten Nachbarn ist. Da kann Mann sich schon mal eine Familie halten, ohne dass es jemand merkt.
Mich hat mehr gewundert, wo Jegor war. Sein Auto stand vor der Tür. Mit dem Fahrrad wird er wohl nicht unterwegs gewesen sein.