5. Leseabschnitt: Buch Zwei, Dritter Teil (Seite 267 bis 316)

Barbara62

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19. März 2020
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Nun lässt der Autor uns tief in mystische Traditionen eintauchen, zwischen 1938 und 1940 sterben alle, die sich jemals kritisch über Das Labyrinth des Unmenschlichen geäussert haben. Magische Kräfte, die jemanden in den Selbstmord treiben können? Uralte Gedankenkräfte, über die nur wenige Menschen verfügen?
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es Elimane nicht um kritische Rezensionen ging, sondern um die, die ihn nicht verstanden und vor allem, die in ihm nicht den Schriftsteller, sondern den Schwarzen sahen. Vaillant, der zur Vernichtung des Buches am meisten beitrug, blieb verschont (falls Elimane wirklich etwas mit den Selbstmorden zu tun hat, das ist für mich noch nicht ausgemacht).

Das ist mir auch wieder aufgefallen (das heißt schon was!). Seine Sprachbilder sind zuweilen recht ausufernd, so dass ich seiner Poesie nicht immer folgen kann.
Glücklicherweise verzichtet er hier auf die Masse an Fremdwörtern wie im 1. LA. :party

Ohne Bezug zur Realität bleibt allerdings die Geistwanderung als Mbar Ngor von Ousseynon dazu verführt wird, zu sterben. Strange.
Selbst Siga sagt von sich, dass sie nicht an Mythen glaubt, obwohl sie damit aufgewachsen ist. Die Geschichte um Mbar Ngom lag vor ihrer Geburt und ist eine mündlich weitergegebene Heldenerzählung über ihren Vater O. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie zu wörtlich zu nehmen ist, wie wir sie lesen, sondern eher symbolisch?

Allerdings werde ich auch immer nervöser, wie dieses Buch nun ausgehen wird. Ich hoffe inständig, dass das Ende hier nicht offenbleibt.
Mir geht es ebenso. Ich habe überhaupt keinen Plan, wie das Buch enden könnte. Stattdessen vergnüge ich mich mit den einzelnen Episoden, die oft für sich eine Geschichte bilden. Und natürlich mit dem Hinterfragen von Literaturkritiken. Hier wüsste ich eigentlich doch gerne mehr über "Das Labyrinth des Unmenschlichen", um genau zu beurteilen, ob die Thematisierung des Autors eine legitime Grundlage hat. Wenn es autobiografisch wäre, der Senegal, die Migration, der Rassismus in Frankreich usw. Themen des Buches wären, wäre eine Bezugnahme auf die Herkunft des Autors nämlich in meinen Augen legitim. Wenn es aber ein Buch wäre, das auch jeder weiße Urfranzose genau so geschrieben haben könnte, nicht.

Übrigens: Hat eigentlich jemand "Tod eines Kritikers" von Martin Walser gelesen? Wird darin nicht auch ein unliebsamer Literaturkritiker (= Marcel Reich-Ranicki) um die Ecke gebracht? Ich kenne es leider nur vom Hörensagen.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Genau. Die Identität sollte weder im Negativen (wie zu Zeiten Elimanes) noch im Positiven (wie heute) den Ausschlag geben. Es sollte das Werk als solches gewertet werden.
Was natürlich schwer ist, wenn man den Autor kennt, weil in dem Moment subjektive Wahrnehmung Einfluss nimmt. Oft ist es aber auch die gesellschaftliche Strömung, die beeinflusst.

So habe ich das auch verstanden.

Aber überraschend fand ich, dass es eine Art Rundumschlag gab. Sprich: Egal, ob die Kritiken positiv oder negativ waren - solange sie sich nicht auf das Wesentliche reduzierten, nämlich die literarischen Qualitäten des Romans, mussten ihre Verfasser:innen dran glauben.

Das ist schon sehr drastisch. Aber wenn ich selbst Autorin wäre und ständig nur nach Parallelen zu meinem persönlichen Leben gesucht werden würde, wäre ich irgendwann sehr genervt, denke ich.

Dass du die Sendung immer noch guckst, verwundert mich. Durch Frau Vinkens Kommentare/Spoiler ist die Sendung bei mir komplett vom Radar gestrichen. Aber das weißt du ja schon längst... :p

Bei so was könnte ich platzen. :mad: Da gibt es kostbare Sendezeit für Literatur und dann Besprechungen voller Spoiler… Aber das ist nicht nur bei dieser Sendung so - leider.

Übrigens: Hat eigentlich jemand "Tod eines Kritikers" von Martin Walser gelesen? Wird darin nicht auch ein unliebsamer Literaturkritiker (= Marcel Reich-Ranicki) um die Ecke gebracht? Ich kenne es leider nur vom Hörensagen.

Bei mir ist es genauso - sorry.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Ich habe "Tod eines Kritikers" vor vielen Jahren gelesen und kann mich im Moment nur daran erinnern, dass es wohl eine Art Schlüsselroman war - der tote Kritiker war so beschrieben, dass jeder Leser an MRR denken musste - und dass dieser Kritiker einer Gewalttat zum Opfer fiel, ich weiß nicht mehr, ob es Mord oder so etwas wie Notwehr war.
Von Rimbaud habe ich bisher nie etwas gelesen, eben gerade habe ich mir sein angeblich berühmtestes Gedicht angesehen, das in einer Übersetzung von Paul Celan online steht - es geht dabei um ein Schiff -, und ich finde es zwar ein hübsches, phantasievolles Bildergeklingel, aber irgendwie hört es sich an wie auf einem Trip geschrieben. Vielleicht sind Sigas See-Metaphern im Zusammenhang mit ihrer Tüte irgendwie mit diesem Gedicht verwandt. Es steht hier: Das trunkene Schiff .

Ich habe vor Jahren mal den phantastischen Film mit Leonardo diCaprio gesehen, in dem Rimbauds schwule Beziehung zu Paul Verlaine thematisiert wurde: Total Eclipse . Danach hat Rimbaud sein künstlerisches Schaffen mit 21 beendet. So etwas trägt natürlich zur Legendenbildung bei.

In diesem Abschnitt hat mich alles an den Thrillerschreiber Grangé erinnert, der in seinen Büchern viele Afrika-Bezüge hat, vor allem zum Kongo (er hat mal für National Geographic und andere Magazine gearbeitet). Die Reihung der Selbstmorde, der Tod Denise', die Geistreise des blinden Sehers - passt eigentlich alles in einen schwurbeligen Mysterykrimi. So richtig ernst nehmen kann ich die Geschichte immer noch nicht; ich bezweifle so langsam, dass es Elimane überhaupt gibt. Aber ich mag Bücher dieser Art. Was die Selbstmord-Epidemie angeht, sehe ich das allerdings auch so - es wird irgendwie mit der fürchterlichen Zeit zusammenhängen.
 
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luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Sehr gut gefällen mir auf seite 295 die kritischen Überlegungen in Bezug auf Literatur, wie sie in der modernen Zeit immer mehr mit den Persönlichkeiten der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sie geschrieben haben in Verbindung gebracht wird. Personenkult, das spricht mir aus der Seele, da mich schon im banalen Alltag die enorme Präsenz und Einfluss der sogenannten Influencerinnen (meistens sind es *innen) und auch Influencer wirklich verstört und meinen Glauben an die jetzt junge Generation etwas erschüttert.
Auch ich finde es spannend, dass verschiedene Identitäten der Schreibenden zu unterschiedlichen Ergebnissen und Leseerlebnissen führen, nur sollte die Literaturkritik nicht daraus ein pauschales "gut" oder "schlecht" bezogen auf den entsprechenden Text schließen.
Es sollte das Werk als solches gewertet werden.
So: S. 295 - für mich der ABSOLUTE HÖHEPUNKT des Romans! Und dann in einem Werk, dass selbst einen renommierten Preis gewinnt! Großartig, den nervösen Hype um Identität und Selbstinszenierung und Performance mal so überspitzt (und leider, leider sehr zutreffend) auf den Punkt zu bringen. Es ist völlig egal, wer oder was der Autor ist, gemacht hat oder zu tun gedenkt - leider lässt sich die breite Masse ja gern davon blenden und mitreißen. Der Text muss für sich sprechen können und seine Bedeutung liegt in ihm selbst. Für eine Analyse und Interpretation brauche ich keine Autorenbiographie. Allein für diese Passage von Sarr bin ich schon gewillt 5 Sterne zu geben (bin ich aber auch sonst). Für mich persönlich ist in der Literatur momentan zu viel Ego und Zeitgeist vertreten - da finde ich tatsächlich auch Diéganes Stimme mittlerweile ganz spannend, weil er ja auch zu einer sehr ausgereiften Selbstdarstellung neigt, die nun aber - im Kontrast zu den vorangegangen Episoden - sinnvoller und nachvollziehbarer erscheint.

Der Roman ist und bleibt absolut faszinierend. Selbst staubtrockene Kritikerbiographien lesen sich interessant. Ich sehe das Dahinsiechen der ganzen Kritikergarde tatsächlich metaphorisch als "Tod der Literaturkritik". Die Einbeziehung sämtlicher Aspekte, die gerade "en vogue" sind, wird hier von der Bühne gefegt und als irrelevant/tödlich gekennzeichnet (ich bin da übrigens absolut einer Meinung mit dem Text) und der Text wird wieder in das Zentrum der Betrachtung gerückt, so wie es sein sollte.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Der Text muss für sich sprechen können und seine Bedeutung liegt in ihm selbst. Für eine Analyse und Interpretation brauche ich keine Autorenbiographie. Allein für diese Passage von Sarr bin ich schon gewillt 5 Sterne zu geben (bin ich aber auch sonst). Für mich persönlich ist in der Literatur momentan zu viel Ego und Zeitgeist vertreten - da finde ich tatsächlich auch Diéganes Stimme mittlerweile ganz spannend, weil er ja auch zu einer sehr ausgereiften Selbstdarstellung neigt, die nun aber - im Kontrast zu den vorangegangen Episoden - sinnvoller und nachvollziehbarer erscheint.
Schade, dass ich nur einmal "Gefällt mir" drücken kann, sonst würde ich hier eine ganze Riege Daumen vergeben ...
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Der Text muss für sich sprechen können und seine Bedeutung liegt in ihm selbst
:thumbsup :thumbsup :thumbsup
Für eine Analyse und Interpretation brauche ich keine Autorenbiographie
:thumbsup:thumbsup:thumbsup
Ehrlicherweise nervt mich schon die ständige Frage, ob etwas autobiografisch oder autofiktional oder fiktional ist. In erster Linie muss der Text für sich stehen. Wenn ich dann im Nachgang erfahre, dass der Autor dieses oder jenes selbst erlebt hat, wirkt es natürlich glaubwürdiger. Aber den Hype um die ganzen autofiktionalen Schreiberlinge kann ich persönlich nicht nachvollziehen und halte mich davon fern.(Bitte nicht als Kritik auffassen, alles Geschmackssache).
Für mich persönlich ist in der Literatur momentan zu viel Ego und Zeitgeist vertreten
:thumbsup:thumbsup:thumbsup
Aber sowas von!!!