5. Leseabschnitt: ANTON (Seite 293 bis Ende)

Literaturhexle

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Deswegen finde ich auch nicht, dass er gute Voraussetzungen hatte.
Ja, das stimmt auch wieder. Insofern dürfen wir Ma auch nicht glorifizieren. Als sie starb, war Anton immerhin 19. Der Stinkstiefel, als der er sich später noch entpuppt, ist bereits angelegt. Die Geschwister hatten von jeher wenig Bindungen untereinander. Dafür ist auch Ma zuständig gewesen. Ob sie wirklich die liebende Mutter gewesen ist, die wir uns zeitweise vorgestellt haben? Die Kinder haben sich ziemlich von ihr und ihrer Krankheit fern gehalten bis auf Amor. Wir wissen es nicht. Aber diese Familie ist an vielen Stellen dysfunktional. Sie krankte nicht nur an Pa und dem System. Alle Kinder sind irgendwie psychisch gestört.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Aber diese Familie ist an vielen Stellen dysfunktional. Sie krankte nicht nur an Pa und dem System. Alle Kinder sind irgendwie psychisch gestört.
Die Ehe der Eltern war ja auch nicht gut. Das hat ebenfalls Auswirkungen auf die Kinder.
Vielleicht will uns Galgut mit dieser Familie auch einfach sagen, dass eine Gesellschaft, die so sehr auf Unterdrückung und Missachtung einer ganzen Bevölkerungsgruppe ausgerichtet ist, nur seelisch verkrüppelte, empathielose und egozentrische Menschen hervorbringt.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Hm. Vielleicht. Gestörte Familien gibt es allüberall und bewusst wird der Autor hier überzeichnet haben, was sein gutes Recht ist, um Dinge deutlich zu machen. Viele Erlebnisse wirken nach. Insofern lohnt es sich unbedingt, die einzelnen Abschnitte zu verzahnen und in Verbindung zu stellen.

Allerdings darf man die Apartheit nicht für alles verantwortlich machen. Ich gehe andererseits jedoch davon aus, dass die Menschen, die dort ihre Farmen unterhielten, auch aus besonderem kolonialen Holz geschnitzt waren, das sich durch Erziehung/Sozialisation über die Generationen fortgesetzt hat. Man hatte für alles Dreckige seine Leute, hatte (gestohlenes?) Geld und musste sich um NICHTS kümmern. Auf diese Art verliert man vielleicht auch seine Nächsten aus dem Blick?

Eine ähnliche Dekadenz durften wir ja kürzlich auch in "Die Schönen und Verdammten"von Fitzgerald lesen. Auch ohne Apartheit gerät da ein Yuppie Paar mangels Sinn und Aufgaben in eine Abwärtsspirale aus Party und Suff. Zum Glück hatten sie keine Kinder...
 

wal.li

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Die Geschichte mit dem unvollendeten Roman hat mich traurig gemacht, auch der Roman selbst. Hier sind seine Selbstzweifel, ist sein Scheitern sehr gut zu spüren.
Es hieß ja, der Beginn sei sehr gut gewesen und dann war es nur noch fragmentarisch. Das hat mich irgendwie an das Buch erinnert, wo mich der erste Teil am meisten mitgerissen hat und dann die Familie immer mehr zerfasert und zerfällt und schließlich nur noch das Amor-Fragment übrig bleibt.
 
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wal.li

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Außerdem lebt sie in extrem bescheidenen Verhältnissen, verzichtet auf das (ihr zustehende) Erbe, das ihre eigenen Verhältnisse deutlich bessern würde. Ich sehe da schon, gerade im Vergleich zu den anderen Weißen, die wir kennenlernen, eine große Bereitschaft zu verzichten und zu helfen.
Ja, genau. Sie verlangt auch nichts dafür, denn sie lässt sich nur die Bankverbindung geben und verrät weder, dass sie die ganze Zeit auf die Einnahmen verzichtet hat, noch wie hoch der Betrag ist. Es wird nur irgendwo gesagt, dass es eigentlich egal ist, ob das Haus etwas wert ist oder ob andere darauf Anspruch erheben. Salome ist versorgt. Ich hatte den Eindruck, sie freut sich diebisch.
 

Barbara62

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Leider ist Anton dann doch die tragische Figur geblieben, zu der er sich schon in den Jahren davor entwickelt hatte. Schade, er hätte so viel Potenzial gehabt, wie auch Payne es richtig erkannte.
Das ist die Parallele zu Lukas. Auch er hat nichts aus seinem Leben gemacht. Geld für eine höhere Ausbildung hatte er ja von den Swarts.

Und zeigt die Art von Humor, die Galgut an den Tag legt. Große, theatralische Gesten versanden in der kläglichen Realität.
Apropos Humor: Eine der besten Nebenfiguren (oder die beste) ist die Anwältin. Ich musste einige Male laut auflachen über ihre Charakterisierung.

Amor kann zumindest ein wenig ihren Frieden machen, aber ich hatte eher das Gefühl, selbst das Finale misslingt ihr - das Verstreuen der Asche.
Sie scheint ihre seit der Kindheit vorhandenen Zwangsstörungen besser unter Kontrolle gebracht zu haben. Immerhin.


Und wieder offenbart sich jemand Amor gegenüber: Desirée. Auf Seite 340/41 wird auch genau beschrieben, welche Eigenschaften Amor auszeichnen, damit alle sich ihr ungeplant anvertrauen: still, aufmerksam, stellt die richtigen Fragen.... Das sagt schon sehr viel über sie aus. Ihre Patienten haben Glück, soviel Empathie und Einfühlungsvermögen!

Ein Satz über den unfertigen Roman passt genau auf Anton: "Ein starker Anfang, der in die Irre geht." Besser kann man es nicht sagen.
 
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RuLeka

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Zusammen mit der Asche-Szene und der Begegnung mit Payne und diesem Dialog (Der Roman ist fast fertig...) macht das aus Anton eine der tragischsten Figuren der Gegenwartsliteratur. Mensch, Anton, ey!!! Ich fand ihn gar nicht zu 100 Prozent sympathisch, aber die Figur lässt mich nicht mehr los
Das stimmt. Galgut hat hier Figuren geschaffen, die zum Großteil nicht sympathisch sind, aber er macht aus ihnen keine skrupellosen Bösewichte. Sie sind tragische Figuren, schwach, egozentrisch, doch in ihrem Scheitern zutiefst unglücklich. Keine Sympathie, aber Mitleid.
 

kingofmusic

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Das Haus selbst versinnbildlicht den Verfall der Familie Swart sehr gut. Alles verkommt, verfällt, letztlich wird es eventuell ganz verschwinden wie die Familie selbst.
Wunderbar gesagt, @Christian1977 !
Sie ist Krankenschwester. Das ist ein ganz normaler Beruf.
Ist es das? Nicht jeder kann diesen "ganz normalen" Beruf ausüben. Ich wäre zum Bespiel völlig ungeeignet als Krankenpfleger. :cool:
 
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ulrikerabe

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14. August 2017
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Ich bin gestern Abend fertig geworden. Hier steht schon sehr viel Schönes, was sich mit meinen Eindrücken deckt.

Ich halte Galgut für einen begnadeten und ungewöhnlichen Erzähler. Bei Antons Tod durch das Gewehr, ist mir (fast hätte ich jetzt gesagt eingeschossen) Cechovs Gewehr eingefallen.

Schon im ersten "Akt" haben wir Anton und ein Gewehr, als er die Frau erschießt, später schießt Anton auf Schakale. Es ist nur konsequent, dass Anton sich selbst auch erschießt. (Dass er im letzten Kapitel stirbt, hat sich sowieso schon abgezeichnet).
 

Literaturhexle

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Ich wäre zum Bespiel völlig ungeeignet als Krankenpfleger.
Deshalb gibt es eine freie Berufswahl und jeder darf nach seinen Neigungen entscheiden;)

Das Gesundheitspersonal in KKH muss gerade wirklich extrem viel leisten, keine Frage. Dennoch halte ich die Unterscheidung in systemrelevante und andere Berufe (unwichtige?!) für kritisch. Ich möchte keinem arbeitenden Menschen suggerieren, seine Tätigkeit wäre überflüssig. Alles hat seine Berechtigung.
 

Sassenach123

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Die Ehe der Eltern war ja auch nicht gut. Das hat ebenfalls Auswirkungen auf die Kinder.
Vielleicht will uns Galgut mit dieser Familie auch einfach sagen, dass eine Gesellschaft, die so sehr auf Unterdrückung und Missachtung einer ganzen Bevölkerungsgruppe ausgerichtet ist, nur seelisch verkrüppelte, empathielose und egozentrische Menschen hervorbringt.
Das ist gut vorstellbar, dass er genau das im Sinn hatte. Allerdings wird kaum ein Weißer dies erkennen, er wird seine Probleme wieder auf andere Umstände schieben.
 

Sassenach123

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Das ist die Parallele zu Lukas. Auch er hat nichts aus seinem Leben gemacht. Geld für eine höhere Ausbildung hatte er ja von den Swarts.
Hier konnte man deutlich erkennen wie unterschiedlich Salome und Lukas waren. Salome hat sich Amor gegenüber nicht beklagt, doch ihr Sohn, der durchaus Chancen hatte etwas aus seinem Leben zu machen, lässt seinen Unmut an Amor aus. Natürlich verstehe ich, dass es hart gewesen sein muss auf das Einlösen des Versprechens zu warten, nicht zu wissen, ob es jemals stattfindet. Die Ungerechtigkeit hat ihn aufgezehrt, er war nicht in der Lage das zu nutzen was machbar war, nämlich ein Studium, eine Ausbildung.
 

Sassenach123

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Der letzte Abschnitt schließt eigentlich mit fast allem ab. Amor hat endlich das Versprechen eingelöst, und sich dadurch auch komplett von den alten Banden gelöst, in dem sie das Geld verschenkt und die Farm Desire überschreibt.

Anton hat sich in seinem Roman gut dargestellt, ein junger Mann der viel hätte erreichen können, der am Ende aber nur noch verwirrt und desillusioniert war. Der Alkohol konnte seine Scham wegen seines verkorksten Lebens wohl nur kurz verschleiern und gab ihm letztendlich den Rest.

Ein Roman der anders ist als alles was ich bisher gelesen habe. Ich denke sehr viel über das Gelesene nach, er klingt nach, definitiv
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Gut gesehen! Und wie ein Mann die Hitzewellen beschreiben kann! Für alle (noch) Unwissenden: genau so fühlen sie sich an;)

Mich hat der Roman diesbezüglich etwas erschreckt. Schon mit 44 Jahren Hitzewallungen und die letzte Periode? :eek:Das wäre schon früh, oder? Ich möchte das zumindest glauben.

Aber diese Familie ist an vielen Stellen dysfunktional. Sie krankte nicht nur an Pa und dem System. Alle Kinder sind irgendwie psychisch gestört.

Definitiv. Ich finde auch, dass alle drei Kinder psychische Probleme haben, nicht nur Anton.
 

milkysilvermoon

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So, ich habe den Roman nun ein wenig sacken lassen. Ich muss sagen, dass mich der letzte Teil nicht sonderlich überrascht hat, weder Antons Tod noch sein unvollendeter Roman noch die Schenkung von Haus und Geld an Salome. Alles sehr erwartbar. Und ein wenig hat sich der Inhalt nun gedoppelt. Aber für mich haben diese Ereignisse eben auch gepasst. Es wirkt schlüssig und glaubwürdig.