Rezension (5/5*) zu The Cocktail Waitress (Hard Case Crime Novels) von James Cain

W

wal.li

Gast

Joan war erst 17 als sie schwanger wurde, Abtreibung kam für sie nicht infrage, heiraten schon. Und so hat sie es gegen den Willen der Eltern und Familien vier Jahre lang mit Ron Medford ausgehalten, der weder sie noch ihren gemeinsamen kleinen Sohn liebte. Ron, ein gewalttätiger Säufer, rast eines Abends mit dem Auto eines Freundes davon und kehrt nicht mehr lebend zurück. Joan gerät in Verdacht, etwas mit dem Tod zu tun gehabt zu haben, obwohl sie beteuert, sie habe ihren Mann nicht zum Trinken animiert und ihn auch nicht gebeten in seinem Zustand in ein Auto zu steigen. Frisch verwitwet steht Joan vor dem Nichts, kein Strom, kein Telefon, kein Gas, ihren Sohn hat die Schwester ihres Mannes zu sich genommen. Aufgrund eines Tips bewirbt sie sich um eine Stelle als Kellnerin in einer Cocktailbar und dort lernt sie den älteren Earl K. White kennen und den jungen Tom….

In den 70ern geschrieben hat dieses Buch einen ganz eigenen Charme. Joan selbst ist es, die von den Ereignissen berichtet. Also bekommt der Leser eine sehr subjektive Sicht der Dinge dargelegt, auch wenn Joan meint, sie nimmt alles genauso auf wie es war. Wie es scheint spielt das Buch eher in den 60ern, was für bestimmte Handlungsstränge wichtig ist, denn so waren einige Tatsachen noch nicht so allgemein bekannt wie heute oder überhaupt etwas später. Bis zum Ende weiß der Leser nicht, ob Joan so unschuldig ist, wie sie behauptet. Die Mittel und die Gelegenheit, die Ereignisse nach ihrem Willen zu beeinflussen hatte sie. Und um ihren geliebten kleinen Sohn selbst versorgen zu können, tut sie zumindest fast alles. Dennoch reißt sie mit ihrer Beschreibung von sich selbst, ihrem Charakter, den Begebenheiten einfach mit. Man kann sich ihrem Bann nicht entziehen und frisst das Buch förmlich in sich hinein. Manche ihrer Handlungen sind nur zu gut verständlich, denn scheint es so als stünden die Barmädchen manchmal auch für mehr zur Verfügung, kam Joan vor dem Bruch doch aus gutem Haus. Und einem alten Mann zu Willen zu sein, kann schon große Überwindung kosten. Bei der Vorstellung schüttelt es nicht nur Joan. Und so birgt dieser Roman weite Passagen großer Authentizität. Als Leser ist man dermaßen von Joan eingenommen, dass man dem Autor sogar verzeiht, dass man im Unklaren gelassen wird, ob Joans Aufzeichnungen der Wahrheit entsprechen, wahrscheinlich fesselt das Buch gerade dadurch noch mehr. Ein Hard Crime Case, der nach dem Tode des Autors entdeckt wurde und über dessen Entdeckung man nur froh sein kann.

wal.li

Zum Buch... (evtl. mit weiteren Rezensionen)