Rezension (5/5*) zu Ein Engel an meiner Tafel: Eine Autobiographie von Janet Frame

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“Die Zukunft legt sich wie ein Gewicht auf die Vergangenheit. Das Gewicht auf den frühesten Jahren ist leichter abzutragen, sodass diese Zeit zurückfedern kann wie Gras, das niedergedrückt war. Die Jahre, die auf die Kindheit folgen, werden angeschweißt an ihre Zukunft, schwer wie Stein, und oftmals kann die Zeit darunter nicht zurückfedern und weiterwachsen wie frisches Gras: sie liegt da in neuer Gestalt, ihr Grün ausgeblutet, mit diesen zarten, blutlosen Sprossen einer anderen, unvertrauten Zeit, die eine verwoben mit der anderen unter dem Stein.” (Zitat,S. 11)

Janet Frame wurde 1924 in Dunedin/Neuseeland geboren, wo sie im Jahre 2004 auch starb. Als drittes von fünf Kindern wuchs sie in einfachen Verhältnissen auf. Die Familie musste mit vielen Schicksalsschlägen zurechtkommen. So ertranken zwei ihrer Schwestern und der Bruder litt an Epilepsie. Bei Janet Frame wurde fälschlicherweise Schizophrenie diagnostiziert und so musste sie mehrere Jahre in geschlossenen Anstalten verbringen. Fast hätte man bei ihr eine Lobotomie, eine damals übliche Operation am Gehirn, durchgeführt; doch als sie einen Literaturpreis erhält, bleibt ihr dies zum Glück erspart.
Der autobiographische Roman beginnt mit dem Umzug nach Dunedin, wo Janet Frame an der Pädagogischen Hochschule und in der Freizeit an der Universität studiert. Ihre krankhafte Schüchternheit erschwert ihr das Bewältigen ihres Alltages und sie flüchtet sich in ihre Phantasie und in die Literatur. Als ihre erdachte Welt ins Schwanken gerät, unternimmt sie einen Selbstmordversuch, der misslingt. Daraufhin wird sie eingewiesen und verbringt insgesamt acht Jahre in verschiedenen Kliniken. Dort wird sie mit Elektroschocks behandelt und bekommt kaum einen Arzt zu sehen. In jener Zeit entstand aber auch "Wenn Eulen schrein", der sie letztendlich vor der Lobotomie bewahrt.
Nach der Entlassung verbringt sie einige Jahre im Ausland, bevor sie nach Neuseeland zurückkehrt.
"Ein Engel an meiner Tafel" gewährt einen sehr interessanten und sensiblen Einblick in das Leben und in die Gefühlswelt der Autorin. Dem Leser öffnet sich eine fremde, manchmal verstörende Welt.

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