Rezension (4/5*) zu Der Circle: Roman von Dave Eggers

W

wal.li

Gast

Mae Holland ist überglücklich als sie bei dem Internet-Portal „The Circle“ arbeiten darf. Ihre Studienfreundin Annie, die bereits ein hohes Tier in der Firma ist, hat ihr den Job verschafft. Staunend geht Mae durch die Hallen, Räume und Büros. Die Firma bietet soviel. Freizeitaktivitäten, Konzerte, Lesungen, Ansprachen, fast könnte man das Arbeiten vergessen. Sogar Schlafräume gibt es, falls man mal vor dem Computer kleben geblieben ist, braucht man nicht einmal mehr zum Schlafen heimzukehren. Und die Bezahlung ist auch klasse. Was könnte Mae sich mehr wünschen. Und so kommt es ihr auch nur zu Beginn eigenartig vor, als ihre Chefs gleich nachfragen, wieso sie denn bei verschiedenen Veranstaltungen nicht aufgetaucht ist, als sie nur mal wegen eines Notfalls zu den Eltern gefahren ist. Sie ist etwas ganz besonderes für die Firma, sie soll einfach alles mit der Firma teilen.

An wen soll uns die Beschreibung dieser Firma erinnern? Amazon, Google und Facebook lassen grüßen, um nur die offensichtlichen Kandidaten zu nennen. Schüttelt es einen schon bei der Vorstellung, was für persönliche Daten diese den Kunden abverlangen, so treibt es diese Firma doch tatsächlich auf die Spitze. Der eigentlich nicht so schlechte Gedanke, vieles um nicht zu sagen alles über ein Account zu regeln, wird hier doch sehr für die Zwecke der Firma pervertiert. Die Kunden sollen nicht nur ihre Bankkonten, Adressdaten, Einkaufs- und Bewegungsprofile offenbaren und teilen, nein - sie sollen ganz und gar transparent sein. Wer nichts zu verbergen hat, kann alles teilen. Ein idealer Weg Verbrechen zu verhindern, denn wenn jeder in Echtzeit beobachtet werden kann, wird er sich genau überlegen, was er tut. Und wenn alles aufgezeichnet werd, kann auch jedes Fehlverhalten geahndet werden. Nach und nach wird Mae infiltriert, was ihr zunächst noch unheimlich erscheint, kommt ihr später gerade richtig vor und so wird sie zur transparenten Galionsfigur der Firma. Noch nicht einmal die vagen Zweifel, die ihr selber kommen, können sie zur Umkehr bewegen.

Schauderhaft, denkt man beim Lesen, so etwas darf doch nicht sein. Ein totalitäres System, dass die Menschen sich selbst aufoktroyieren, schöne neue Welt. Undifferenzierte Ja/Nein-Entscheidungen, die unerträgliche Kollateralschäden in Kauf nehmen, Menschenjagden unter dem Zeichen des Smileys. Nur mit Wiederwillen kann man dem Verlauf der Geschichte folgen, „Wach auf!“ möchte man rufen, „Hast du denn im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst?“ Es hilft nicht, die Firma und damit das System gewinnt. Ein Roman, der aufwühlt, der einem klarmacht, wobei überall man nicht die Hilfe des I-Nets braucht und diese auch nicht will, dass man auch überhaupt nicht alle Accounts verbinden möchte und sich genau überlegt, welche Wahrheiten man preisgibt oder ob überhaupt welche. Dennoch wird sie dich extensive Datensammelei nicht verhindern lassen und auch nicht die Nutzung der Daten. Als User kann man eigentlich nur versuchen, so intransparent wie möglich zu sein. Ein schrecklich fürchterlich und leider doch gutes Buch.

Diese Rezi entspricht natürlich zu 99% der Wahrheit und kann geteilt werden.

4,5 Sterne

wal.li

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