4. Leseabschnitt: Teil VIER (Seite 229 bis 274)

wal.li

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1. Mai 2014
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Der Krieg ist endlich vorbei, Lud hat ihn anders empfunden als den ersten. Schnell wird klar, dass nicht alle, die sich nicht gegen das Nazi-Regime gestellt haben, verurteilt oder aus den Arbeitsstellen entfernt werden können. Deshalb finden die Entnazifizierungen statt. Doch können Nazis entnazifiziert werden? Wenn sie überzeugt waren, wohl nicht. Keine schöne Vorstellung worauf letztlich wahrscheinlich beide deutsche Staaten aufgebaut wurden.
Manchmal ziehen nur die näheren Verwandten richtige Konsequenzen.
Die Täter scheinen auf die Füße zu fallen. Auch Lud kommt davon, obwohl er an Giftgas geforscht hat.
Wilhelm hat sich so durchlaviert, wie eigentlich immer.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Lud hat eine eigenwillige Haltung. Er ist kein Nazi, lehnt vieles dabei ab, doch Position dagegen will er nicht beziehen. Er lebt mehr in der Welt der Künste und für seine Arbeit. Die Welt drumherum nimmt er garnicht richtig wahr.
Seine Begründung, warum er sich nicht an dem Brief an die Alliierten beteiligen will, ist sonderbar. Empfindet er den Verrat als würdelos, unterstellt er den Unterzeichnern, dass es ihnen nur um ihren Ruf geht. „ Das deutsche Volk müsse in Gesamtheit die Buße tragen, in der Mitschuld aller.“

Bei seinen Selbstversuchen riskiert er sein Leben, doch es scheint ihm auch nicht mehr viel daran zu liegen.
Ich glaube, wirklich glücklich war er nur mit Gerhard. Diese Liebe konnte nicht gelebt werden, so hat er begonnen, den emotionalen Teil in sich wegzuschließen.

Herr Mesch hat eine unangenehme Entwicklung hingelegt. So wie viele Akademiker, Intellektuelle eine unrühmliche Rolle im Dritten Reich gespielt haben.
Auch Wilhelms Sohn bewegt sich auf gefährlichen Wegen. Bei dem ist manches schief gelaufen. Der Erziehungsberater war wohl doch nicht so gut. Ludwig bedauert, dass er hier nicht früher eingegriffen hat. Doch so wie das Verhältnis zwischen den Brüdern ist, hätte er eh wenig Einfluss gehabt.
Da Ludwig der Großonkel des Autors ist, ist dessen Neffe dann der Vater von Jo Lendle?

spannend finde ich die Exkurse in die Naturwissenschaften. Z.B. hat mich überrascht, dass die Nazis Tierversuche abgelehnt haben. „Tierversuche gelten als jüdisch, der germanische Mensch dagegen stehe der Natur zu nahe.“ Ein Problem mit Versuchen an Menschen hatten sie nicht.

Fräulein Gerner hat immer die richtigen Worte. „ Du kannst einen Nazi nicht entnazifizieren.“
Das Schicksal ihres Bruders ging mir nahe.

Ludwig nimmt nicht mal an der Beerdigung seiner Mutter teil. Ihr Desinteresse an ihm hat ihn zeitlebens gekränkt.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ludwig und sein allgemeines Desinteresse, das RuLeka oben auch treffend beschreibt, langweilen mich mittlerweile zutiefst. Bislang hat er mit seinem passiven Widerstand gegen das Nazi-Regime zumindest Charakter bewiesen. Nun beginnt der Krieg, er meldet sich freiwillig und rückt ein. Dadurch bekommt er Einblicke. Seine Gleichgültigkeit wird auch im Warschauer Ghetto deutlich:
Elend und Gleichgültigkeit. Wie kann ein Mensch trotz allem noch leben? 232
Ständig Ludwigs Befindlichkeiten. Er wirkt zuweilen fast lebensmüde, wahrscheinlich leidet er an Depressionen, was gerade das Ende des Abschnitts nahelegt.
Ein Zitat muss ich herausziehen:
Literatur ist die Fortsetzung des Traums mit den Mittels des Tages. 235
Ludwig lebt für seine Wissenschaft, macht Selbstversuche, berauscht sich gerne auch mal selbst.

Auch nach dem Krieg empfinde ich Ludwig als realitätsfern und irgendwie schwebend. Dass er seine Mutter offenbar weder am Krankenbett noch zur Bestattung besucht hat, ist schofelig, gefühlsarm. Ludwig macht sich die Welt zurecht, idealisiert seine Beziehung zu Gerhard, empfindet ein latentes Leiden, einen Überdruss. Das ist für ihn persönlich tragisch, es vermag mich aber in keiner Weise zu fesseln. Interessant sind die kleinen Szenen über die Schwierigkeiten der Nachkriegsordnung, der Bevölkerung im Allgemeinen. Auch Alma und Frau Mensch sind Prototypen einer neuen Frauenbewegung, die sich unabhängig von den Männern entwickeln will. Spannungs-/Interesseaufbau geht anders. Zu deutlich tritt hervor, dass sich die Fakten an fragmentarischen Tagebucheinträgen orientiert. Auch der lakonische, abgehackte Stil dürfte dem nachempfunden sein. Aus meiner Sicht ist das eine Schwäche des Romans. Man kommt in keinen Lesefluss.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Kaum habe ich etwas im vorangegangenen LA kritisiert, korrigiert der Autor seine Geschichte! Not und Elend sind jetzt auch bei Alma, Lud und Frau Gerner angekommen.
Aber jetzt rast der Autor durch den Krieg, als dürfe er in dieser Geschichte eigentlich nicht auftauchen. Lud bleibt in seinen philosophischen Gedanken verhafted... he stays sophisticated. Ab und an bricht es auch beim Autor durch und erschrickt mich zwischendurch mit unverständlichen Worten, die auch nach Recherche ein Fragezeichen hinterlassen. (Bsp. Remeduren S. 252)

Von Mal zu Mal wird mir auch die Absicht, oder der Anlass dieses Buches unverständlicher. Die ganze Geschichte wirkt wie aufgehängt an der Leine der Tagebucheintragungen Luds.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Auch nach dem Krieg empfinde ich Ludwig als realitätsfern und irgendwie schwebend
Der ganze Roman wirkt schwebend auf mich, weil ich nicht weiß, was der Autor will. Nur Ludwigs Leben darstellen? Unkommentiert? Das Ganze wirkt furchtbar blutleer, ohne Spannung, einfach Ereignisse aneinander gereiht. Einzig die Sprache gefällt mir gut.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ludwig und sein allgemeines Desinteresse, das RuLeka oben auch treffend beschreibt, langweilen mich mittlerweile zutiefst.
Ständig Ludwigs Befindlichkeiten. Er wirkt zuweilen fast lebensmüde, wahrscheinlich leidet er an Depressionen, was gerade das Ende des Abschnitts nahelegt.

Auch nach dem Krieg empfinde ich Ludwig als realitätsfern und irgendwie schwebend. Dass er seine Mutter offenbar weder am Krankenbett noch zur Bestattung besucht hat, ist schofelig, gefühlsarm. Ludwig macht sich die Welt zurecht, idealisiert seine Beziehung zu Gerhard, empfindet ein latentes Leiden, einen Überdruss. Das ist für ihn persönlich tragisch, es vermag mich aber in keiner Weise zu fesseln.

Du beschreibst ihn sehr gut. Ich werde mit Ludwig auch überhaupt nicht warm und finde ihn unsympathisch.


Spannungs-/Interesseaufbau geht anders. Zu deutlich tritt hervor, dass sich die Fakten an fragmentarischen Tagebucheinträgen orientiert. Auch der lakonische, abgehackte Stil dürfte dem nachempfunden sein. Aus meiner Sicht ist das eine Schwäche des Romans. Man kommt in keinen Lesefluss.

Das Ganze wirkt furchtbar blutleer, ohne Spannung, einfach Ereignisse aneinander gereiht. Einzig die Sprache gefällt mir gut.

Dito. Ich bin kein Fan von Episodenromanen und hatte mir einen zusammenhängenderen Text erwartet. Wenn der Autor seine Familiengeschichte realitätsnah nacherzählen möchte und es einfach Lücken gibt, ist mir verständlich, dass so etwas dabei herauskommt. Für mich ist es aber nichts Halbes und nichts Ganzes: keine Familienchronologie, keine Autobiografie und kein klassischer Roman. Mir ist es auch zu langweilig. Wenn es diese Leserunde nicht gäbe, hätte ich das Buch schon längst zur Seite gelegt.