4. Leseabschnitt: Teil III. (Seite 187 bis 254)

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.184
49
Ich sehe aber, dass die Autorin, das Thema "Mädchen-Sein" sehr facettenreich angegangen ist und kann das als Leistung anerkennen.
Das sehe ich ähnlich. Allerdings hat sie alles eher aus der negativen Warte beleuchtet und m.E. zu viele Themen hinein gepackt.
Dennoch manche Passagen fand ich befremdlich, wie dass Alice möglicherweise ein Junge sein möchte, da ihre Mutter ihr vom Verlust des Jungen erzählt hat.
Völliger Unsinn! Gaia erläutert das weiter unten sehr kompetent und stimmig.
Laurence hat ihrer Tochter lange vermittelt, dass Jungen die besseren Menschen sind, dass Mädchen Angst haben müssen usw. Als Mutter finde ich es völlig schwachsinnig, einem Grundschulkind Selbstverteidigung gegen Jungen beizubringen. Damit schüre ich die Ängste doch erst! Dieses ganze: Pass hier auf, pass da auf. Schon der Weg zur Schule wird problematisiert. Natürlich: Es kommt vor, dass Mädchen verschleppt/entführt/vergewaltigt werden. Aber zum Glück sehr, sehr selten. Es ist wahrscheinlicher, vom Auto überfahren zu werden. Aber da bringen wir unseren Kindern auch "nur" ein paar Regeln bei und das war es. Ein Aufwachsen in Angst ist viel schädlicher, und wenn Mädchen in jedem Passanten einen potentiellen Verbrecher sehen.
Amen;)
was mich zunehmend gestört hat: Die Betonung, dass alle Frauen Angst haben.
Genau. Das ist übertrieben. Nicht jede Frau fühlt sich so und vor allem nicht immer.
dann ist Laurence und die ganze Geschichte aber nur der Aufhänger dafür, also man kann an Laurence alles aufhängen, was nur geht - aber die Story ist nicht - wie sonst - die Lebensgeschichte eines echten Menschens -
Ich bin auch für die Aufhänger-Theorie und habe das von Anfang an so empfunden.

Oho. Dann bilden sich Psychiater mordsmässig was ein und sehen auf Psychologen
Den Unterschied haben mir vor Jahren Kunden in der Bank beigebracht. Ein Psychiater-Ehepaar, das sich auch deutlich kompetenter fühlte als die Fast-Namensvetter. Da habe ich was fürś Leben gelernt.
Mich hat in der Hinsicht entsetzt, dass Laurence Mutter an den Missbrauch von damals schon gar nicht mehr gedacht hat. Das ist doch kein Ereignis, das einem mal eben entfällt. Es passt allerdings zu dem Verhalten von damals, totschweigen und Schwamm drüber. Der arme Onkel darf ja nicht mehr ran.
Für Laurence Mutter war das keine große Sache. Sie war doch nicht einmal vor Ort, meine ich. In den verklemmten Zeiten hat ihr vielleicht sogar niemand was erzählt. Die Frauen rund um den Onkel haben die "Sache geklärt" - was man so nennt.
Man hat damals über so viele Dinge nicht gesprochen. Mit Totgeburten/Fehlgeburten/ Übergriffigkeiten mussten die Frauen zumeist alleine klar kommen. Den Part finde ich realistisch.
Wenn man ein Leben lang eingetrichtert bekommt, dass man als Frau zweite Klasse ist? und dann gibt man es weiter. Diese Haltung eben.
Das ist der Punkt. Die paar Worte an das kleine Baby gerichtet machen gar nichts. Es versteht ja noch nicht. Aber die Überbehütung wird Alice wahrgenommen haben, die Verlustangst ihrer Mutter...
Bescheuert fand ich indessen, dass L. so große Schwierigkeiten mit der Jungen-Phase ihrer Tochter hatte. Warum kann man das nicht einfach akzeptieren? Unsere Tochter war auch zwei oder drei Jahre ein Junge. Wir haben Geld gespart, weil sie die Sachen ihres Bruders auftrug. Kurze Haare gehörten auch dazu und mit ihrem muskulösen Körper wurde sie regelmäßig für einen Jungen gehalten. Und? Hätte ich ihr ein Kleidchen für Oma aufgezwungen, mache ich die Sache doch nur wichtig. Es geht doch nur um Kleidung. (In unserem Fall ging es auch vorbei;))
Mit diesem Anspruch "Mädchen müssen hübsch sein, sich schminken, Kleidchen tragen, um zu gefallen", lege ich doch genau die falschen Werte!!!
Er fördert sie nicht in diese Richtung, da es ja für ihn wahrscheinlich „sowieso keinen Sinn hätte“. Und wie du sagtest, sind die Töchter dann tatsächlich nicht sehr gut in Mathe.
Die Mädchen nehmen dieses Vorurteil aber auch selbst allzu gerne auf. Irgendwann erfordert Mathe einen gewissen Zeitaufwand, Arbeit, Konzentration. Die wenigsten schaffen das Abi völlig ohne.
Die Damen sind sich ganz schnell einig, dass "sie Mathe nicht können". offenbar haben die Eltern Verständnis dafür... Nicht nur Eltern und Gesellschaft befeuern diesen Irrglauben, auch die Betroffenen selbst, weil man einfach keinen Bock drauf hat. Und iwann ist der Zug in Mathe dann abgefahren, weil alles aufeinander aufbaut. So zumindest meine Beobachtungen.
 
  • Like
Reaktionen: GAIA und Sassenach123

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.184
49
Die Protagonistin ist eine große Zweiflerin mit wenig Selbstbewusstsein. Niemand nimmt ihre Gefühle ernst.

Die Männer um sie herum sind überwiegend Machos. Wie sich Vater und Gatte auf S. 193 über die strammen Beinchen der Neugeborenen auslassen - bringt mich schon in Wallung. Auch Christian entwickelt sich zum Stinkstiefel. Jeder gibt L. die Verantwortung für alles, was aus deren Sicht schief läuft und sie zieht sich den Schuh an, fühlt sich als Versagerin. Schlimm!
Babys gewöhnen sich schnell an, alles durch Weinen zu reeichen. Besonders die Mädchen.194
Den Satz kennt jede Mutter unserer Generation - allerdings nicht auf Mädchen allein bezogen. Diese Einseitigkeit hat mich schon etwas genervt. Gleichfalls die Vulva-Zeichnung auf S. 208.
Desgleichen dieser stockkonservative Vater, der auf einmal nochmal Vaterfreuden entgegensieht und den ersehnten Sohn bekommt.

Die Gespräche mit der 17-jährigen Alice empfand ich einigermaßen gelungen. Allerdings müsste auch L. zu dem Zeitpunkt klar gewesen sein, "das man sich seine Sexualität nicht aussucht".
Dass nun in fast jeder Neuerscheinung queere Sexualität auftauchen muss, nun ja, das ist der Zeitgeist.
 
  • Stimme zu
  • Like
Reaktionen: GAIA und Sassenach123

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Ich stelle gerade mit Entsetzen fest, dass ich hier noch gar nicht kommentiert habe. Sorry…

Ich muss sagen, dass ich manches an diesem dritten Teil etwas abgehackt fand. Aber mich hat der Inhalt trotzdem bewegt.

Entweder ist "Das Mädchen" einfach genial gemacht und unsere Laurence ist ein Sammelbecken für allerhand, was einem weiblichen Leben widerfahren kann - dann ist Laurence und die ganze Geschichte aber nur der Aufhänger dafür, also man kann an Laurence alles aufhängen, was nur geht - aber die Story ist nicht - wie sonst - die Lebensgeschichte eines echten Menschens - aber die Autorin spielt mit dieser Erwartungshaltung der Leserin manchmal.

So interpretiere ich es, alle Formen, versteckt oder offen, von Misogynie, die Frauen damals und heute passieren können, vereint in einer einzigen Person, ich sitze gerade an meiner Rezension in diesem Sinne. Natürlich kann ich mich irren, aber es geht ja um meine persönliche Leseerfahrung.

Für mich ist eigentlich auch klar, dass dies kein klassischer Roman sein soll. Natürlich ist vieles übertrieben und in dieser Fülle auch unrealistisch. Aber ich sehe es so, dass es hier nicht um ein durch und durch authentisches Schicksal geht, sondern dass mehrere Frauenleben bewusst vermischt wurden, um all das abzubilden, was die Nachteile des weiblichen Geschlechts betrifft. Keiner Frau passiert all das zusammen, aber jede hat das eine oder andere so erlebt. Es ist plakativ, es ist viel, aber die einzelnen Aspekte sind an sich durchaus immer wieder Teil der Erfahrungen, die Frauen machen müssen. Die Autorin wollte vermutlich aufrütteln und sensibilisieren. Sie hätte auch ein Sachbuch schreiben können, aber das hätte wohl keine so große Reichweite gehabt.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: GAIA und Wandablue

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.184
49
Ich stelle gerade mit Entsetzen fest, dass ich hier noch gar nicht kommentiert habe. Sorry…
Ja, du hängst wirklich ziemlich hinterher. So zerfasern sollte eine Leserunde nicht. Diese begann am 11. Juni.
Bitte versuche, demnächst wieder pünktlicher bei uns zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Ja, du hängst wirklich ziemlich hinterher. So zerfasern sollte eine Leserunde nicht. Diese begann am 11. Juni.
Bitte versuche, demnächst wieder pünktlicher bei uns zu sein.

Ist halt blöd, wenn das Buch erst eintrifft, wenn die meisten schon mit dem Lesen aller (!) Abschnitte fertig sind (siehe Vorstellungsrunde). Ihr wart somit nicht mehr einzuholen. :(

Glücklicherweise sind die Bücher zu meinen nächsten Runden pünktlich angekommen.
 
  • Like
Reaktionen: Wandablue