4. Leseabschnitt: Sommer + Nachwort

GAIA

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2021
2.072
9.486
49
Thüringen
Cholly kommt wegen des Missbrauchs noch nicht einmal ins Gefängnis? Mag sein, dass das Armenhaus nicht besser ist, aber mein Rechtsempfinden ist getroffen.
Ich hatte es so verstanden, dass er irgendwie "entschwunden" ist. Wahrscheinlich ist er selbst abgehauen aus dem Haus, erst dachte ich, Pecolas Mutter hätte ihn vielleicht rausgeworfen, aber nachdem wir erfahren haben, dass sie Pecola nicht mal geglaubt hat, wird das wahrscheinlich nicht geschehen sein. Er ist abgehauen irgendwohin und die Strafverfolgung war damals ausschließlich mit Weißen besetzt. Die wird es wenig interessiert haben, was die Schwarzen da untereinander treiben (ich nehme mal eine formulierung, von der ich annehme, dass sie damals zum Gedankengut der Polzei gepasst hätte). Solange ein Schwarzer Mann nicht einem weißen Kind etwas angetan hat, wird sich die Polizei nicht interessiert haben. Und weiter ist ja die Frage, welche Version offiziell von der Familie vertreten wurde. Das mit dem Vater war ja in der Öffentlichkeit erst einmal nur getratsche. Wenn die Mutter es abstreitet, dass es ihr Ehemann war und die Tochter sich nicht traut es noch einmal zu erzählen, weil ja schon die Mutter es ihr nciht geglaubt hat, könnte selbst bei einer aktiven Strafverfolgung die Polizei wahrscheinlich wenig tun. Ich fand diese Stelle also durchaus realistisch.

Beispiel: Ijoma Mangold, deutsche Mutter, afrikanischer Vater, aufgewachsen in Deutschland. Seine Chancen kann man nicht mit dem eines Kindes senegalesischer Einwanderer vergleichen, das über Integrationskurse Deutsch lernt.
Aber dieser Vergleich innerhalb der Gruppe Schwarzer Menschen in Deutschland ist doch nicht Thema von Alice Hasters Nachwort gewesen oder? Also das Ausspielen von "wem geht es schlechter" zwischen ausgewanderten Afrikanern und Afro-Deutschen. Sondern es geht um die Wahrnehmung der Farbe an sich und nicht, wer hat die besseren Chancen, oder?
Mal außerhalb vom Zusammenhang mit dem Nachwort gesprochen: Ich weiß, was du meinst mit deinem Beispiel um Ijoma Mangold. Und trotzdem geht es ja um das Grundthema, dass auch Ijoma Mangold genügend ausgrenzende Diskriminierungserfahrungen in seinem Leben gemacht hat. Man könnte auf der anderen Seite sogar provokativ argumentieren, dass er vielleicht dahingehend noch andere Erfahrungen gemacht hat, als Eingewanderte, weil seine Mutter "mit einem Afrikaner" geschlafen hat, der dann abgehauen ist in sein Heimatland zurück und damit die Bürde eines zurückgelassen Kindes hatte. Ich merke gerade, dass ich argumentativ nicht ganz den Bogen kriege, aber ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Kurz gesagt: Es ist nicht so einfach, sondern kompliziert auf seine eigene Weise. ;)

Mich hat dieser letzte LA im Zusammenhang mit dem vorherigen als psychologisches Fallbeispiel unglaublich gut "gefallen". Sehr eindrücklich zeigt Morrison auf, welche schweren psychischen Folgen durch das Gesamtsystem des Rassismus entstehen können. Eins führte hier von einer Generation zur nächsten ineinander. Pecola ist bis an ihr Lebensende gezeichnet durch das Beschriebene. Da ja auch an eine hilfreiche psychiatrische Hilfe für Schwarze Menschen damals nicht zu denken war, wird sie bis ans Lebensende in ihrer eigenen Welt leben. Meine Vermutung bezogen auf diesen Lesefibeltext, denn wir zu Beginn und bis zum Ende hin immer wieder eingestreut bekommen haben, war außerdem meine Vermutung, dass vielleich Pecola in ihrer eigenen Welt diesen Text immer wieder vor sich hin singt/spricht. Für mich gibt es psychologisch keinen Zweifel daran, dass hier eine schwer erkrankte Person gezeigt wird. Sie ist am System, welches ihren Vater prägte und sie letztlich auch, zerbrochen. Mit der Suggestion des Soaphead Church konnte sie dann ihrer Vorstellung um die blauen Augen freien Lauf lassen und sieht sich im Spiegelbil sehr warhscheinlich mit den blauen Augen, auch wenn sie sie nicht im realen Leben haben kann. Also kein magischer Realismus, sondern Halluzinationen, Depersonalisierung und dissoziative Identitätsstörung mit einer für andere unsichtbaren Freundin. In dem Dialog ist sogar ganz hervorragend dargestellt, dass diese "Freundin", was ja im Unterbewusstsein von Pecola entsteht, sie sogar versucht sachte und auch drängender an Themen, die zu bearbeiten sind, heranzuführen. "Und warum hast du ihr (der Mutter) nicht vom zweiten Mal erzählt? - Sie hätte mir wieder nicht geglaubt." Solche andere Identitäten sind eine Art fehlgeleitete Bewältigungs- und Schutzstrategie. Leider kann Pecola sich daraus nicht befreien und bleibt gefangen. Ganz ehrlich? Wer kann es ihr verübeln, bei dem, was sie erlebt hat?
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.405
12.869
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
@GAIA

Ich verstehe Alice Hasters so, dass die Chancen, in Deutschland Erfolg zu haben oder in eine Talkshow zu kommen, mit dem Weißton der Haut steigen. Aber man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Wenn hellere Kinder all dies häufiger schaffen, liegt das mit Sicherheit auch daran, dass sie häufiger hier geboren sind, ein deutschsprachiges Elternteil haben usw., und die Startchancen sind damit völlig andere sind. Man kann für diesen Teil der Diskussion nur hellere Einwandererkinder mit dunkleren Einwandererkindern vergleichen und hier geborene Kinder verschiedener Hauttöne untereinander - und nicht beide Gruppen miteinander.

Übrigens beklagt Ijoma Mangold in meiner Erinnerung höchst erfreulicherweise kaum Rassismus. Wäre es doch immer so!
 
Zuletzt bearbeitet:

GAIA

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2021
2.072
9.486
49
Thüringen
Man kann für diesen Teil der Diskussion nur hellere Einwandererkinder mit dunkleren Einwandererkindern vergleichen und hier geborene Kinder verschiedener Hauttöne untereinander - und nicht beide Gruppen miteinander.
Okay, ich verstehe, was du meinst. Hier könnte ich dir bezogen auf allgemeine Aufstiegschancen recht geben.
Ich verstehe aber tatsächlich unabhängig von dem Ursprung (Einwandererkind oder Kind mit weißem Elternteil) Hasters Beispiele, wer in eine Talkshow kommt, bei der "Heute" Sendung moderieren darf etc., trotzdem noch wirklich auch nur auf das Äußere bezogen. Egal mit welchem Hintergrund, es werden für öffentliche Auftritte eher hellhäutigere Schwarze Personen gecastet als dunkelhäutigere. Hier wird häufig argumentiert, dass das deutsche Publikum diese besser "verträgt" (man könnte auch sagen "erträgt"). Sie stellen somit eine Light-Variante dar. Dabei wäre es zweitrangig, ob beide Elternteile aus einem afrikanischen Land stammen und hellhäutiger sind oder einer von beiden weiß. Auch bei uns in Deutschland würde ich das so sehen und rein bezogen darauf, wenn das Äußere den Ausschlag für ein Engagement z.B. im TV gibt.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.405
12.869
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Egal mit welchem Hintergrund, es werden für öffentliche Auftritte eher hellhäutigere Schwarze Personen gecastet als dunkelhäutigere. Hier wird häufig argumentiert, dass das deutsche Publikum diese besser "verträgt" (man könnte auch sagen "erträgt"). Sie stellen somit eine Light-Variante dar.
Wer maßt sich eigentlich diese Aussage über uns als Zuschauerinnen und Zuschauer an? Beim Sport (siehe unsere örtliche Basketball-Erstligamannschaft) interessiert es doch auch keinen, im Gegenteil! Wer pöbeln will, greift auch einen weißen Tagesschausprecher mit ausländisch klingendem Namen an und die anderen "ertragen" vielleicht jede Hautfarbe?
 

GAIA

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2021
2.072
9.486
49
Thüringen
Wer maßt sich eigentlich diese Aussage über uns als Zuschauerinnen und Zuschauer an?
Ich hab keine Ahnung. Umfrageinstitute, die die Stimmung der beim TV eher älteren Zuschauerschaft abfragen? Ich vermute, das hier auch ein Effekt wirkt, dass TV häufiger von der älteren Bevölkerung geschaut wird und die Jugend gar nicht mehr einschaltet, sondern sich auf Streamingdiensten und anderen Platzformen das heraussucht, was ihnen gefällt. Und ich vermute schon, dass ältere, weiße Personen (für die ja auch größere Parteien Politik machen, weil sie immer noch mehrheitlich Wahlen bestimmen und in Zukunft bestimmen werden) sich schwerer mit dunkelhäutigen Menschen in der Öffentlichkeit anfreunden können.
Beim Sport (siehe unsere örtliche Basketball-Erstligamannschaft) interessiert es doch auch keinen, im Gegenteil!
Auch das kommt sicherlich auf die Kreise an. Ich kenne durchaus bei Fußball-Events die abwertenden Aussagen, dass ja scheinbar immer weniger „richtige Deutsche“ (hier nur weiße gemeint) in den Mannschaften spielen. Dass die Spieler doch nur aus „ihren“ Ländern hierher kommen, um mehr zu verdienen und damit „deutsche“ (aka „weiße“) verdrängen. etc. pp. Basketball ist auch ein Sport der durch seine Geschichte „anerkannter“ für schwarze Sportler:innen ist. In anderen, siehe Fußball, gibt es auf allen Ligaebenen weiterhin Verbalattacken von Fans.
Übrigens ist das leider auch ein rassistisches Vorurteil, welches vor allem in den USA etabliert ist: Schwarze sind entweder sportlich oder im Entertainment gut, intellektuell und auf anderen Ebenen nicht. Ich habe mich zum Beispiel sehr darüber gefreut, als Joe Chialo als sehr dunkelhäutiger Mensch Berliner Kultursenator geworden ist. Weil dies mal eine Position ist, die herausstellt, dass dieser Job durchaus auch, und warum auch nicht?, von ihm gemacht werden kann.

Wer pöbeln will, greift auch einen weißen Tagesschausprecher mit ausländisch klingendem Namen an
Definitiv! Wird aber der Name nur am Anfang der Sendung eingeblendet und jemand schaltet zu, wird die Person nicht auf den ersten Blick dieses Herausstellungmerkmal erkennen, was bei Hautfarbe einfach immer sofort offensichtlich ist und deshalb häufig mehr Aggressionen befördert von denen, die pöbeln wollen.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
5.835
21.292
49
66
Es ist nicht so einfach, sondern kompliziert auf seine eigene Weise. ;)
Und ich glaube, wir als weiße Deutsche können das nicht beurteilen. Wenn ich sage, in unserem Ort wird doch niemand diskriminiert, werden mir die hier verwurzelten Einwohner zustimmen. Von Zugezogenen aus aller Welt, es müssen nicht mal Schwarze oder Geflüchtete sein, wird die Antwort eine andere sein.
Ich hab keine Ahnung. Umfrageinstitute, die die Stimmung der beim TV eher älteren Zuschauerschaft abfragen
Ich bin mir garnicht sicher, ob da empirische Umfragen dahinterstecken, sondern irgendwelche Menschen die glauben zu wissen, was der Mehrheit gefällt. Deshalb gibt es auch immer mehr Quizsendungen, Kochshows und Schlagersendungen, obwohl sehr viele dessen überdrüssig sind.
Auch ältere Schauspielerinnen werden seltener besetzt, weil angeblich niemand alte Frauen sehen will. In Wirklichkeit mag nur der alte Sack von Regisseur junge Frauen um sich haben.
Das führt zwar vom Thema weg, aber mich nervt, dass immer mehr Schrott gesendet wird, weil das Publikum das angeblich so will. Statt dass man das Niveau anhebt, weil man einen Bildungsauftrag hat als öffentlich- rechtliches Institut.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.405
12.869
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Wer sollte ihn anzeigen? Die Familie, die eigene Frau sicher nicht. Wollte Pecola vor Gericht aussagen?
Ich gehe mal davon aus, dass bei uns das Jugendamt im Falle einer Zwölfjährigen bei uns von alleine in Aktion treten würde? Aber klar, bei einer Schwarzen war es (damals) nicht von Interesse.
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.919
1.711
49
60
Nun ist es also wirklich so, das Pecola von ihrem eigenen Vater schwanger ist. Schrecklich ist das natürlich und das ihr Baby dann gestorben ist muss sicher schlimm für sie gewesen sein. Obwohl es sicher gut war, den oft sind diese Kinder ja schwerstbehindert.

Cholly hat ebenfalls kein schönes Ende genommen mit seinem Tod. Wahrscheinlich haben nur wenige davon gewusst, was er seiner Tochter angetan hat. Womöglich ist er auch deshalb abgehauen, weil ihn sein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Familie geplagt hat. Wenn es nur einmal passiert wäre, hätte ich es noch als Ausrutscher gedacht, aber nachdem er Pecola zwei Mal missbraucht hat, kann man davon nicht mehr ausgehen.

Mich erschreckt es immer, zu hören, dass auch in unserem Land Schwarze Menschen benachteiligt und angegriffen werden. Da gibt sich Deutschland immer so als Tolerant und Vorbildlich und hinterherum sind wir auch nicht anders wie alle anderen Länder. Ich dachte immer es wäre eher ein Problem der Amerikander, doch wir sind da alle nicht gefeit davor.
Berührend fand ich auch Claudia und Frieda, die extra ihr Geld vergraben haben, damit Pecolas Baby gesund zur Welt kommt. Leider hat auch dies nichts genützt.

Interessant fand ich auch das Nachwort der Autorin.

Meine Rezension werde ich erst am Wochenende schreiben, den ab da bin ich dann wieder zu Hause und habe besseres Netz und mehr Zeit.
 

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
719
2.912
44
Das dachte ich zuerst auch. Aber ich glaube viel eher, dass sie Wahrnehmungssötrungen bekommt; Realität und Traum nicht mehr auseinanderhalten kann.
So habe ich das auch gelesen. Wenn man lange genug hinschaut, wirken die Augen irgendwann blau.

Der Roman nimmt ein sehr tragisches Ende. Pecola bleibt zutiefst traumatisiert und verstört zurück. Ich habe den Dialog als Selbstgespräch gelesen, eine etwas rationalere Stimme, die sich gegen die wünschende, verblendete Pecola durchzusetzen versucht. Pecola geht letztlich an dem vergifteten Shirley-Temple-Schönheitsideal und der Vergewaltigung durch den Vater sowie der fehlenden Solidarität unter Müttern und Töchtern bzw. unter Frauen insgesamt zugrunde. Letztlich wird bei Morrison so hier für mich nicht nur der Rassismus, sondern insbesondere das Patriarchat als Wurzel des Übels angeprangert und sehr deutlich herausgestellt, wer unter dieser Kombination am stärksten zu leiden hat: Schwarze Mädchen und Frauen.
In dem Zusammenhang fällt mir ein Interview mit einer schwarzen Schauspielerin ein, die auf die Frage, in welcher Epoche sie gern gelebt hätte, mit der Gegenfrage reagierte: "Ich als schwarze Frau? Jede Zeit vor der jetzigen wäre eine deutliche Verschlechterung." und dabei ist die heutige immer noch keine gute.
Bei Pecola sieht man die negativen Einflüsse von Männern in der Vergewaltigung durch ihren Vater und in der Suggestion durch Soaphead, allerdings kann ich mir bei beiden Männern nicht helfen: auch wenn weiße Figuren in dem Roman keine tragenden Rolle spielen, sind sie in gewisser Weise doch für ihr Schicksal entscheidend. Der Vater entwickelt seinen Haß auf Frauen durch den erzwungenen Verkehr mit Darlene, Soaphead ist ein - durch den Einfluss weißer Vorfahren - selbstherrlicher Scharlatan, der sich wegen seiner helleren Haut und Ahnenlinie für überlegen hält.

Am Ende empfinde ich den Roman auch als ein Stück weit fatalistisch. Samen, die nicht aufgehen, die zu tief eingegraben sind = Veränderung ist nicht möglich, die Annahmen über Hautfarbe, Schönheit und Geschlecht sind zu stark internalisiert.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
5.835
21.292
49
66
Der Roman nimmt ein sehr tragisches Ende. Pecola bleibt zutiefst traumatisiert und verstört zurück.
Auch das Bild, das Pecola bietet, ist zutiefst traurig und verstörend. Wie ein kleiner Vogel, der nie fliegen wird.
Auch dass scheinbar niemand Mitleid hat mit dem Mädchen, das vom eigenen Vater geschwängert wird. Und bei dem Neugeborenen sind alle froh, dass es gleich stirbt.
wenn weiße Figuren in dem Roman keine tragenden Rolle spielen, sind sie in gewisser Weise doch für ihr Schicksal entscheidend.
Weiße müssen garnicht viel tun, der Rassismus ist allgegenwärtig, zeigt sich allen Lebensbereichen.
Samen, die nicht aufgehen, die zu tief eingegraben sind = Veränderung ist nicht möglich,
So lange der Boden der gleiche bleibt, so lange kann nichts Neues wachsen. Deshalb braucht es eine grundlegende Veränderung.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.096
9.757
49
49
Die letzten Seiten kommen nicht unerwartet, hauen beim lesen aber trotzdem von den Füßen. Die Szene, als Frieda und Claudia durch den Klatsch und Tratsch von der Schwangerschaft erfahren, ist entsetzlich. Mitleid scheint es nicht zu geben, eher noch Vorwürfe, dass ein junges Mädchen am Ende selbst Schuld sei. Man sollte doch meinen, dass man, wenn man selbst weiß wie es ist schwarz zu sein, nicht noch äußert, dass dieses Kind noch hässlicher werden muss. Wäre diese Situation für Pecola nicht erträglicher geworden, hätte sie Mitgefühl von der eigenen Mutter und dem Umfeld bekommen?

Die kindliche Naivität von Frieda und Claudia hat mich gerührt, den Samen einpflanzen um Pecolas Baby ebenfalls gut wachsen zu lassen. Die beiden hatten Mitleid, bringen es am Ende aber auch nicht fertig den Kontakt zu Pecola zu suchen, etwas was für sie sicher wichtig gewesen wäre, denn ihre Unterhaltung mit dem Spiegel wirkt auf mich so, als wenn sie sich damit eine Freundin herbeizaubert.
 
  • Like
Reaktionen: RuLeka und Barbara62

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.096
9.757
49
49
Ich lese das so, dass sie sich in ihre eigene Welt zurückgezogen hat, weg von der Realität, zwei Persönlichkeiten, die in ihr selbst Zwiegespräche führen, die anderen Menschen sehen nur ihre eigenartigen Bewegungen.
Habe dabei auch an eine imaginäre Freundin denken müssen, die ihr bestätigen kann wie blau ihre Augen sind.
Morrison wollte kein Mitleid für Pecola, sondern die Gründe für die Zerstörung eines schwarzen Kindes vermitteln.
Und sie wollte ein tiefergehendes Umdenken bewirken, dass über das kurze Mitleid hinweg etwas erreicht.
Cholly kommt wegen des Missbrauchs noch nicht einmal ins Gefängnis?
Schrecklich, allerdings wird auch niemand versucht haben ihn anzuzeigen
Bei Aunt Jimmy schien mir der Zusammenhalt unter den Frauen sehr eng zu sein, aber Pecola wird wie eine Aussätzige behandelt. Dass ihr sogar eine Mitschuld unterstellt wird, schlägt dem Fass den Boden aus.
Ja, das hat mich auch entsetzt. Anstatt zu helfen, wird getratscht und verurteilt.
Wahrscheinlich haben nur wenige davon gewusst, was er seiner Tochter angetan hat
Ich denke, dass wusste fast jeder. Wenn die Mädchen beim Samen verkaufen das überall mitbekommen haben, wird sich diese Neuigkeit überall verbreitet haben. Kennt man ja selbst, so was geht rum wie ein Lauffeuer. Nur werden sich alle rausgehalten haben, so dass Cholly dann nicht an seinem verschwinden gehindert werden konnte
 
  • Like
Reaktionen: RuLeka und Barbara62

Julea56

Mitglied
7. Juli 2023
68
284
22
46
Den Dialog mit den kursiven Sätzen habe ich beim ersten Lesen für real gehalten - beim zweiten dachte ich, es könnte eine imaginäre Freundin sein, mit der Pecola spricht. Ein Zeichen ihres Wahnsinns.
Ich dachte zu Beginn ebenfalls, das sei real, aber am Ende des Abschnitts wird für mich klar, dass sie wahnsinnig geworden ist und ich glaube auch nicht, dass sie im Sinne des magischen Realismus' wirklich blaue Augen hat, sondern dass dies Teil ihres Wahnsinns ist.
 
  • Like
  • Stimme zu
Reaktionen: Barbara62 und RuLeka

Julea56

Mitglied
7. Juli 2023
68
284
22
46
Das ist ein wichtiges Thema des Romans, aber selbst dieser Aspekt wird ja durch den Rassismus verschlimmert!

Ich denke, die Stärke des Romans liegt darin, dass zwar der Rassismus schon als die Wurzel all dieser negativen Erfahrungen herausgearbeitet ist, dass sich aber dennoch auch nicht unmittelbar von Rassismus betroffene Personen, die aus welchen Gründen auch immer Ausgrenzung erfahren haben (Geschlecht, sozialer Status, Krankheit o.ä.) mitfühlen können.
 

Neu in "gemeinsam lesen"