4. Leseabschnitt: Seite 229 bis 331

Irisblatt

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15. April 2022
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Diesen Abschnitt fand ich zäh und anstrengend. Die Party definitiv zu lang.
Aber immerhin gibt es hier einen Hinweis auf die Kapitelüberschriften.
Ich habe mal nach Gustav Holst "Planeten Suite" gegoogelt. Es gibt insgesamt 7 Teile (hier 7 Kapitel).
1. Kriegsbringer (Mars)
2. Mrs. Aitch (Planet?)
3. Venus (Friedensbringer)
4. Merkur (geflügelter Bote)
5. Freudenbringer (Jupiter) passt zur Party
Das mit dem Kriegsbringer ist klar - damit ist Michael gemeint ... über die anderen Bedeutungsebenen muss ich noch nachdenken, aber erst muss ich mich von der Party erholen.
Weiteres im nächsten LA.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich halte dieses Kapitel über die Party für zentral.
Hier bekommen wir ein Gesellschaftsportrait von meist gut betuchten Amerikanern geliefert zu Beginn der 1950er Jahre. Der Krieg steckt allen noch in den Knochen, doch man will sich amüsieren.
Die Gesprächsschnipsel sind aufschlussreich, ein bisschen Geplauder, ein bisschen Renommee.
Die Jungs finden endlich ein wenig zueinander, mithilfe von Mr. Hopper.
Der fühlt sich zu Katherine hingezogen, d.h. in erster Linie sieht er sie als Modell für ein Bild. Aber eine gewisse sexuelle Anziehung ist auch spürbar. Allerdings macht ihm ihr Angebot auf nächtliche Treffen am Strand eher Angst.
Katherine wirkt lebenshungrig. Sie wird wissen, wie es um sie steht. Außerdem vermisst sie ehrliche Gespräche. In der Familie vermeidet man die , um nicht über ihre Krankheit sprechen zu müssen.
Mrs. Kaplan wirkt sympathisch und ihr gesellschaftliches Engagement ist lobenswert. Sie erträgt ihr Schicksal, den Sohn im Krieg verloren zu haben und die Tochter todkrank, nach außen hin gelassen. Allerdings lässt sie Feingefühl vermissen, als sie in ihrer Rede Michael vor allen Leuten wie eine Trophäe präsentiert. Für den Jungen ist es unangenehm und für ihren Enkel ist es eine Kränkung, so in den Hintergrund gestellt zu werden. Da zeigt das Ehepaar Hopper mehr Empathie.
Mrs. Aitch präsentiert sich hier nicht vorteilhaft. Sie kann es einfach nicht lassen, Menschen vor den Kopf zu stoßen und von ihrer Kunst zu reden. Sie macht sich dadurch nur lächerlich. Unschön, dass ihr Mann das mitansehen muss.
Der Roman zeigt uns eine Ehe in all seinen Schattierungen. Manche Paare sind so, dass sie nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander sein können. Die Beiden hier gehen nicht gerade zimperlich miteinander um, wobei sie, als die Impulsivere der Beiden, schon hart austeilt. Sie hat eine Art, immer jede harmonische Situation kaputtzumachen. War schon am Anfang ihrer Ehe so. Er versucht eher, die Wogen zu glätten, Auseinanderzusetzen zu vermeiden.
Trotzdem liegen sie nachts eng aneinander. Trotz all der Streitereien, Eifersüchteleien und Kränkungen verbinden sie viele gemeinsame Jahre.
Im Umgang mit den Jungs sind er und sie viel umgänglicher, feinfühlig und humorvoll.
 

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29. März 2022
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Mainz
@RuLeka Du hast diesen Abschnitt so gut zusammengefasst, dass ich eigentlich gar nichts mehr hnzufügen kann.
Ich habe die Party auch als etwas langatmig geschildert, empfunden. Dennoch erfahren wir hier aber viel über einzelne Gäste und insgesamt ergibt sich ein Gesellschaftsportrait der Zeit.
Ehepaar Hopper scheint tatsächlich eines dieser Paare zu sein, die weder mit noch ohne einander gut können. Das finde ich auch. Sie ist mir dabei recht unympathisch. Mmh, ob sie sich selbst glaubt, wenn sie behauptet, es mache ihr nichts aus, wenn ihr Mann weiter Kontakt zu den Damen pflege?
Dass Richie versucht, sich dem Partygeschehen zu entfliehen, ist verständlich. Er scheint ja zudem im Schatten von Michael zu stehen, der hier stolz präsentiert wird von Mrs Kaplan.
@Irisblatt Die Hinweise auf die Analogie zur Paneten Suite finde ich interessant. Ich müsste jedoch auch näher darüber nachdenken und mich mehr damit auseinandersetzen.
Ich hoffe, dass der letzte Abschnitt noch mal etwas an Fahrt aufnimmt und lese interessiert weiter...
 

Renie

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Die Party definitiv zu lang.
Die Party ging ja auch schon nachmittags los :party

Ich hatte Spaß. Die Art der Party hat mir gefallen: eine zwanglose Gartenparty, bei der für jeden etwas dabei war. Mir hat die Entspanntheit und Lockerheit gefallen. Abgesehen von Mrs. H und Richie haben sich alle wohlgefühlt, sogar Michael bis zu dem Moment, wo er für Mrs. Kaplan als leuchtendes Beispiel ihrer Wohltätigkeit herhalten musste.
Mrs. Aitch präsentiert sich hier nicht vorteilhaft. Sie kann es einfach nicht lassen, Menschen vor den Kopf zu stoßen und von ihrer Kunst zu reden. Sie macht sich dadurch nur lächerlich.
Trotz meiner Vorbehalte gegen Mrs. H. mochte ich sie in manchen Situationen. Gerade, wenn sie die Menschen vor den Kopf stößt, ist sie mir sehr sympathisch (vorausgesetzt, dass es bei diesen Kopfstößen nicht um ihr Geltungsbedürfnis geht). Das zeigt mir, dass sie ernsthafter ist, als es den Anschein hat, da sie mit manch oberflächlicher und dummer Plauderei nicht viel anfangen kann und will. Diese drei Jung-Hausfrauen (Klatschmohn, Nelke und Rosenrot) haben es nicht besser verdient, als sie sich Mrs. Hs Einstellung zum Thema "Frau in der Küche" anhören müssen. Aber zugegeben: an ihren Smalltalk-Fähigkeiten muss Mrs. H. noch arbeiten, partytauglich sind sie nicht. Ein bisschen Diplomatie und Zurückhaltung würden sicher nicht schaden.
Große Klasse war natürlich ihre Reaktion auf das Zurschaustellen von Michael durch Mrs. Kaplan. Zumindest scheut sie sich nicht, ihren Ärger auszusprechen - im Gegensatz zu Mr. H. . Die beiden ziehen zwar gedanklich an einem Strang, aber ein bisschen verbale Rückenstärkung durch Mr. H. wäre angebracht gewesen. Richtig gut wäre es natürlich gewesen, wenn sie die Kritik direkt an Mrs. Kaplan gerichtet hätte. Aber das wäre dann wohl gesellschaftlicher Selbstmord gewesen.
 

Renie

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Mir gefällt unheimlich gut, wie sich die Charaktere entwickeln. Bezogen auf das echte Leben empfand ich den Anfang des Romans als den sogenannten "Ersten Eindruck", den man von einem Menschen hat, wenn man ihm das erste Mal begegnet. Und mein erster Eindruck von Mrs. H. war kein guter.
Mittlerweile hat man die Figuren besser kennengelernt. Vieles aus dem ersten Eindruck hat sich bewahrheitet, anderes wiederum hat sich revidiert, da Eigenschaften zu erkennen sind, die anfangs nicht zu erahnen waren. Mrs. H fand ich bspw. anfangs ganz fürchterlich. Mittlerweile akzeptiere ich viele ihrer Allüren und sehe auch positive Dinge an ihr.
Das hat Mrs. Dwyer Hickey gut gemacht: keine eindimensionalen Charaktere sondern Figuren, die sich während der Handlung entfalten und immer komplexer werden.
 

Christian1977

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Diesen Abschnitt fand ich zäh und anstrengend. Die Party definitiv zu lang.
Fand ich gar nicht, für mich war dieser Teil bislang sogar der stärkste. Irgendwie war ich in ständiger Erwartungshaltung, weil ich immer die große Katastrophe befürchtete. Zunächst dachte ich, der Anruf während der Zubereitung der Eier könnte schreckliche Nachrichten für Michael bringen, weil alles gerade so harmonisch war und Mrs Kaplan nicht zurückkommt. Später fürchtete ich um Richie und dachte, er würde weglaufen und ihm passiert etwas Schlimmes, nachdem er von der Rede Mrs. Kaplans doch brüskiert wurde. Und letztlich wartete ich auf einen Eklat um Mrs. Aitch. Doch, siehe da, nichts davon passiert, weil Christine Dwyer Hickey völlig frei von Zynismus erzählt und ihre Figuren durchaus schützt. Das gefällt mir so gut. Andererseits frage ich mich, warum ich immer so pessimistisch bin und um die Figuren fürchte. Es zeigt jedoch auch, dass CDH es schafft, für große Empathie für die Figuren zu sorgen.
. Kriegsbringer (Mars)
2. Mrs. Aitch (Planet?)
3. Venus (Friedensbringer)
4. Merkur (geflügelter Bote)
5. Freudenbringer (Jupiter)
Dazu hatte ich ja schon meine Theorien geäußert. 2. kann ich nach wie vor nicht einordnen. 5. könnte für mich Mr. H sein. Auf der Party ist er überall gern gesehen und tut den Leuten gut.
Allerdings lässt sie Feingefühl vermissen, als sie in ihrer Rede Michael vor allen Leuten wie eine Trophäe präsentiert.
Das hat mich sehr enttäuscht. Unbedacht irgendwie. Und richtig blöd für Richie. Da hatte ich mir mehr Feingefühl erwartet.
Sie macht sich dadurch nur lächerlich. Unschön, dass ihr Mann das mitansehen muss.
Sehr traurig. Mrs. Aitch tut mir in dieser Szene sehr leid, weil sie irgendwie nicht anders kann, als anzuecken. Ich mag sie trotzdem noch immer, weil sie impulsiv und ehrlich ist.
Ich hatte Spaß. Die Art der Party hat mir gefallen: eine zwanglose Gartenparty, bei der für jeden etwas dabei war
Fand ich auch. Und dazu diese feinen Zwischentöne. Die kleinen Katastrophen spielen sich im Inneren ab. Bedingt durch Probleme in der Kommunikation. Ich fühlte mich sehr stark an Schulz von Thun und das Vier-Seiten-Modell erinnert. Wobei es noch darüber hinausgeht, denn hinzu kommen in diesem Roman auch kleinste Gesten und Mimiken.
keine eindimensionalen Charaktere sondern Figuren, die sich während der Handlung entfalten und immer komplexer werden.
Das stimmt, mit Ausnahme vielleicht von Olivia und Annette, die irgendwie nur negativ sind. Olivias Optik mal ausgenommen.
 

Christian1977

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Das Meiste habe ich eben schon ausgeführt. Ich konnte in diesem Abschnitt komplett im Roman versinken und fand ihn ungemein intensiv und melancholisch. Am besten gefallen hat mir in dieser Hinsicht das Sternegucken am Strand.

Michael und Richie finden erstmals etwas zueinander, Mr H entpuppt sich als wunderbarer und empathischer Lehrer, als väterliche Figur für die beiden einsamen Jungen. Das hat mich sogar zu Tränen in der S-Bahn gerührt. Zudem die todkranke und ebenfalls einsame Katherine.

Die oben angesprochenen Zwischentöne empfinde ich als meisterlich. Es steckt so viel in jedem kleinsten Detail, ob gesprochen oder beobachtet. Ich empfinde sehr viel für die Figuren, insbesondere die beiden Jungen und die Aitchs.
 

RuLeka

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Ich empfinde sehr viel für die Figuren, insbesondere die beiden Jungen und die Aitchs.
Geht mir genauso. Die beiden Jungs würde ich am liebsten in den Arm nehmen und ihnen sagen, dass sie richtig sind so wie sie sind. Ich leide mit beiden, jeder hat schon so viel Ballast auf seiner kleinen Seele.
Und auch um das Ehepaar Hopper tut es mir leid. Sehr traurig, dass sie sich gegenseitig das Leben so schwer machen.
Das hat Mrs. Dwyer Hickey gut gemacht: keine eindimensionalen Charaktere sondern Figuren, die sich während der Handlung entfalten und immer komplexer werden.
Große Kunst! Sie diffamiert keine ihrer Hauptfiguren sondern lässt sie mit ihren Ecken und Kanten sehr lebendig werden,
Ich mag sie trotzdem noch immer, weil sie impulsiv und ehrlich ist.
Schau sie Dir mal an auf dem Film, den ich unter Fazit verlinkt habe. Außerdem wirst Du dort mit der Kunst Hoppers vertraut gemacht. Ich liebe seine Bilder nach der Lektüre noch mehr als zuvor.
 

Literaturhexle

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keine eindimensionalen Charaktere sondern Figuren, die sich während der Handlung entfalten und immer komplexer werden.
Das ist wirklich irre und das habe ich bewusst noch bei keinem Autor so gekonnt wahrgenommen (oder zumindest lange nicht).
Fand ich gar nicht, für mich war dieser Teil bislang sogar der stärkste.
Wie kann einem auch nur eine Szene dieser Party langweilig sein?! Großes Kino für mich! So viele kleine Episoden, die geschickt durch verschiedene Perspektiven gezeigt und gespiegelt werden. Dadurch erfährt man nicht nur, wie Absender und Adressat etwas empfunden haben, sondern auch unbeteiligte Zuhörer. Dazwischen die Kinder. Immer wieder neue Begegnungen, die auf dem Bisherigen aufbauen und den Blick vertiefen. Erste Sahne!
Es zeigt jedoch auch, dass CDH es schafft, für große Empathie für die Figuren zu sorgen.
Das macht sie wirklich erstklassig. Ohne Effekthascherei erzählt sie ganz ruhig. Ich bin begeistert von der Detailfülle, mit der sie das Szenario ausstattet. Man kann sich die Räumlichkeiten, das Klima, die Lichtverhältnisse und alles andere visuell bestens vorstellen. Dazu dann das vielschichtige Personal. Die gesamte Stimmung latent melancholisch, nur ein paar Hühnchen scheren hier und da aus.
Unbedacht irgendwie. Und richtig blöd für Richie.
Zweifellos. Aber glaubwürdig. Die gute Mrs. Kaplan hat ihre Mission mit den deutschen Kindern gefunden. In dem Moment hat sie nur daran und an einen dicken Spendentopf gedacht. Nicht an ihren Enkel, nicht an dessen Eifersucht, die die Erwachsenen sowieso unangebracht finden würden.
Wobei es noch darüber hinausgeht, denn hinzu kommen in diesem Roman auch kleinste Gesten und Mimiken.
Genau!
Die oben angesprochenen Zwischentöne empfinde ich als meisterlich. Es steckt so viel in jedem kleinsten Detail, ob gesprochen oder beobachtet.
Ganz deiner Meinung!
Sie diffamiert keine ihrer Hauptfiguren sondern lässt sie mit ihren Ecken und Kanten sehr lebendig werden,
Sehr schön formuliert!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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So ganz große Sympathien kann ich mit Mrs H. nicht haben. Sie ist schon eine sehr egozentrische Person, die heftig austeilt und nicht einstecken kann. Manchmal bedauert sie ihre eigene Schroffheit, aber Zurücknehmen kann man Gesagtes eben nicht. Gut für sie, dass sie das Gespräch der drei Blumen belauscht.

Sie leidet seit Jahren darunter, dass sie künstlerisch nichts Brauchbares auf die Reihe kriegt. Bei anderen verkauft sie sich als große Künstlerin und gibt damit an. Sie muss teilweise die Leben anderer dafür diffamieren, damit ihr eigenes Licht heller leuchtet. Sie merkt gar nicht, wie lächerlich das ist. Ich bewundere ihren Mann, wie er immer die Ruhe bewahrt. Er ist der ausgleichende Charakter, der beschwichtigt und damit auch jegliche Selbstkritik seiner Frau im Keim erstickt. Ein interessantes langjähriges Paar!