4. Leseabschnitt: Seite 225 bis 301

Federfee

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13. Januar 2023
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Und jetzt ist Drusts doch verstärkt wieder da und das Ende erst! Doch von Anfang an:

'Der Bär'
wieder großartig bildhaft vorstellbar beschrieben. Zuerst ordentlich Kritik am Stadtrat; die Verkleideten torkeln und werden als 'alberne Hampelmänner' beschrieben. Dann ein Seitenhieb auf alle Deutschen, die die Ordnung verehren und Befehle haargenau erfüllen ;) Und dann wird es – so finde ich – furchtbar traurig. Der kleine Heinz ist so stolz, der Bär zu sein und bloß, weil er nicht will, dass seine geliebte Großmutter Angst vor ihm hat, verstößt er gegen ungeschriebene Regeln und verliert seine Rolle, wird quasi schrecklich erniedrigt. - Keiner hat ein tröstendes Wort für ihn, nicht mal seine Mutter, aber es kommt noch schlimmer. Selbst als er den größten Kringel von der Stange holt und ganz stolz ist, kriegt er noch eine Ohrfeige von ihr, weil es nicht die Wurst war. Was wird aus einem Kind, das so lieblos erzogen und behandelt wird?!
 
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Federfee

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13. Januar 2023
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'Melusine Frick'

Köstlich fand ich die in meinen Augen meisterhaft geschriebene Geschichte mit der schönen Metzgerstochter Melusine Frick, in die sich Drusts verliebt. Sie hat nicht nur einen mythischen Namen, sondern wirkt auch so zart und ätherisch, dass Drusts kaum glauben kann, dass sie die Tochter der drallen, bodenständigen Metzgersleute ist. Einfach umwerfend originell, wie er ihre Schönheit beschreibt, immer gepaart mit Vergleichen die aus der Metzgerei stammen: frische Rinderleber, Filet, Räuchersalamis, Finger wie geräucherte Würstchen. Auch als ihr Blick ihn trifft, wird das im Metzgerjargon beschrieben (285 u.) Köstlich! Aber dann die Sache mit dem Kaninchen. Die engelsgleiche Melusine ist gar nicht so zart und zimperlich und Drusts ist so schockiert, dass er nicht mehr in die Metzgerei geht und sie nicht mehr sehen will.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Das Ende

Und dann war ich ganz überrascht, dass die einzelnen Geschichten doch einen Rahmen und Zusammenhalt haben, denn als Drusts im Begriff ist, Pfifferlingen in Richtung Amerika zu verlassen und sich überall verabschiedet, kommen alle vorher beschriebenen Personen nochmal vor und wir erfahren sogar in aller Kürze, wie es mit ihnen weitergegangen ist. Und der Clou: da ist sie, die richtige Frau Bitzer!​
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Und jetzt ist Drusts doch verstärkt wieder da und das Ende erst! Doch von Anfang an:

'Der Bär'
wieder großartig bildhaft vorstellbar beschrieben. Zuerst ordentlich Kritik am Stadtrat; die Verkleideten torkeln und werden als 'alberne Hampelmänner' beschrieben. Dann ein Seitenhieb auf alle Deutschen, die die Ordnung verehren und Befehle haargenau erfüllen ;)
Ich fand die Beschreibung der verkleideten Krüppel im Festzug entsetzlich. Wie geschmacklos!

Was wird aus einem Kind, das so lieblos erzogen und behandelt wird?!
Höchstwahrscheinlich ein Erwachsener, der seinerseits seine Kinder schlägt. Leider.

'Melusine Frick'
Einfach umwerfend originell, wie er ihre Schönheit beschreibt, immer gepaart mit Vergleichen die aus der Metzgerei stammen: frische Rinderleber, Filet, Räuchersalamis, Finger wie geräucherte Würstchen.
Fantastisch! Vor allem die Farbvergleiche!

Entlarvend ist, dass Drusts zwar mit Appetit bei "Die Einladung" ein Kaninchen verspeist, Melusine aber das fachmännische Schlachten eines solchen verübelt.

Das Ende
Und dann war ich ganz überrascht, dass die einzelnen Geschichten doch einen Rahmen und Zusammenhalt haben, denn als Drusts im Begriff ist, Pfifferlingen in Richtung Amerika zu verlassen und sich überall verabschiedet, kommen alle vorher beschriebenen Personen nochmal vor und wir erfahren sogar in aller Kürze, wie es mit ihnen weitergegangen ist. Und der Clou: da ist sie, die richtige Frau Bitzer!​
Dieses letzte Kapitel war für mich noch einmal ein Höhepunkt. Der Rahmen, aber auch sein Nachsinnen über seine Zeit in Pfifferlingen, eine runde Sache und eben doch auch ein Ganzes bzw. ein ganzer Roman, bestehend aus Miniaturen. Er lässt, analog zum "Koffer in Berlin", eine Kiste mit lettischen Zeitungen in Pfifferlingen, obwohl er kaum aus Amerika zurückkehren dürfte.

Die Einladung
Hier habe ich mich gefragt, ob es sich tatsächlich nur um ein Problem der Sparsamkeit handelt. Aus meiner Erfahrung mit Einladungen meiner schwäbischen Oma kann ich sagen, dass es immer mehr als reichlich zu essen gab, wegen der fanatischen Bemühungen um Perfektion aber die Leichtigkeit fehlte. Besonders schlimm war ihr "Kaffeekränzle" mit den Damen des Ortes. Es wurde Tage im Voraus gewienert, gebacken, vorbereitet, damit keine der Damen etwas zu meckern hatte - mit den entsprechenden Erschöpfungszuständen. Die Lästerei untereinander war grauenhaft.
Frau Ott scheint mir unter großem Druck ihres Mannes zu stehen, wohl auch unter ihrem selbstgemachten, daher der Jeanne-d'Arc-Blick und die Schwermut. Deshalb hat die Einladung auch so lange auf sich warten lassen. Nein, ich bin mir sicher, hier ist nicht Geiz das Hauptproblem, obwohl sicher etwas davon mitschwingt.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Entlarvend ist, dass Drusts zwar mit Appetit bei "Die Einladung" ein Kaninchen verspeist, Melusine aber das fachmännische Schlachten eines solchen verübelt.
Er hatte sich die schöne Melusine wohl ganz anders vorgestellt, engelhaft ätherisch und nicht so pragmatisch als Metzgerstochter. Ein typischer Fall von Desillusionierung.
, eine runde Sache und eben doch auch ein Ganzes bzw. ein ganzer Roman, bestehend aus Miniaturen
Sehr schön zusammengefasst!
 

dracoma

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16. September 2022
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Zu "Die Einladung":
Hier habe ich mich gefragt, ob es sich tatsächlich nur um ein Problem der Sparsamkeit handelt.
Nein, den Eindruck habe ich auch nicht. Ott möchte mehr scheinen als sein - das schon, er möchte großzügig sein und sich für die vielen Einladungen bei D. revanchieren.
Aber wir befinden uns in der Nachkriegszeit, die Lebensmittel sind rationiert. Man kann es seiner Frau kaum verdenken, dass sie bei dieser opulenten Einladung - sogar Schlagsahne! Der Traum der deutschen Hausfrau! - "verbissen" (S. 270) reagiert.
Eine sehr traurige Geschichte, weil er seine Eitelkeit erkennt.
Aber mit schön verstecktem Sarkasmus erzählt. Da schreibt er, dass die Schwaben außergewöhnlich feine Schneidemaschinen" (S. 265) haben, d. h. der sprichwörtliche Geiz der Schwaben wird hier thematisiert.

Zu " Melusine Frick":
in meinen Augen meisterhaft geschriebene Geschichte mit der schönen Metzgerstochter Melusine Frick,
Ja, finde ich auch! Ich habe lachen müssen bei ihrer Beschreibung: wie sich die schöne Melusine "unter fetten Schweinebäuchen" und "gespaltenen Schweinsköpfen" so engelhaft bewegt. Aber noch sieht er sie durch die berühmte rosarote Brille.

Und sprachlich einfach wunderbar: S. 290 oben, als er seine Desillusionierung, sein Liebes-Aus, seine Ernüchterung beschreibt.

Ich sagte es schon mal zu Beginn: der Autor kennt sich recht gut aus in der deutschen Literatur.

Der Polizeioberwachtmeister:
Mit der Episode habe ich nicht so viel anfangen können. Aus Feindschaft oder Gegnerschaft wird eine Art Männerbund, und der wird zusammengehalten durch gemeinsame Kriegserlebnisse und jede Menge Alkohol. Und eine kleine Information über das schwierige Los der lettischen Soldaten, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können.
Über "die unselige deutsche Gewohnheit" (S. 245) zu gestikulieren, da muss ich mich selber morgen strenger beobachten.

Zu "Der Abschied":
Sehr schön angeordnet: erst kommt die Geschichte der missglückten Liebes-Beziehung und dann der endgültige Abschied. Das passt zusammen.
Der Rahmen, aber auch sein Nachsinnen über seine Zeit in Pfifferlingen, eine runde Sache und eben doch auch ein Ganzes bzw. ein ganzer Roman, bestehend aus Miniaturen. Er lässt, analog zum "Koffer in Berlin", eine Kiste mit lettischen Zeitungen in Pfifferlingen, obwohl er kaum aus Amerika zurückkehren dürfte.
Du hast es auf den Punkt gebracht. Ich finde diese Ringkomposition wunderschön gelungen. Da ist nichts Bemühtes oder Gewolltes, nichts Sperriges. Beim Abschiedsgang durch die Stadt nimmt er seinen Leser mit, und auch der Leser verabschiedet sich jetzt von den dramatis personae.
Und der Clou ist wirklich, dass er Frau Bitzer aus dem 1. Kapitel endlich trifft, und wie freundlich sie ist: sie wollte ihm seine Illusionen nicht rauben, aber jetzt hilft sie D. dabei, den Aufenthalt in Pfifferlingen abzuschließen. Da bleibt nun nichts Offenes zurück.
Und auch das wird uns mit einer Leichtigkeit erzählt, die mir sehr gut gefallen hat.
Dieses letzte Kapitel war für mich noch einmal ein Höhepunkt.
Mir ging es ähnlich. Ich habe zwischendurch innerlich schon leicht geknottert, weil mir eine Reihung von schwankhaften Geschichten bisschen wenig für war. Auch wenn er sie immer in der Nachkriegszeit verortet und die Probleme dieser Zeit spiegelt: die Rationierung, der Schwarzmarkt, die Erfahrungen der Geldentwertung, das Hamstern, die Armut und so fort.
Aber dieses Schlusskapitel bindet alles zusammen.
 

dracoma

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16. September 2022
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"Sonntagsstatt": kennt Ihr das Wort? Ich kenne "Sonntagsstaat" (und in dem Sinn ist hier auch immer gebraucht), aber nicht "Sonntagsstatt".
Ist es ein Druckfehler?

SPOILER]Auch S. 227 "Bärenfall" statt "Bärenfell" und S. 300 Mitte "Sie" statt "sie".[/SPOILER
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Der Bär
Ihr habt schon so viel Schönes über diese Geschichten geschrieben, hoffentlich wiederhole ich mich nicht.
Mir gefällt es, dass manche Figuren erneut auftauchen. So haben wir Heinz bereits bei der Episode "Die Schuhe" kennengelernt und wissen, dass er kein großes Selbstbewusstsein hat, dass er darunter leidet, wenn andere schlecht von ihm denken.
Er ist stolz darauf, im zweiten Jahr in die Rolle des Bären schlüpfen zu dürfen - und dann das! mit einem Mal wird klar, warum der Junge kein Selbstbewusstsein haben kann. Er macht alles falsch, bekommt immer die Prügel. "Was für eine Schande! Für dich und für uns alle!" Armer Kerl! Eine solche Mutter braucht kein Mensch!

Der Polizeioberwachtmeister
Hier geht es mir wie dracoma: Männerbesäufnis, Männerverbrüderung...
Gut eingefangen die Heimatlosigkeit der lettischen Soldaten:
Gerade waren die Männer noch Kämpfer für die gerechteste Sache der Welt gewesen, nun irrten sie wie Symbole für die vielen Torheiten der Nachkriegszeit umher, ohne irgendwo Asyl zu finden. 237
Drusts sorgt dafür, dass die Sache nicht eskaliert und der Polizist am Ende seinen Ruf nicht verliert. Eine Schelmengeschichte. "Trinken wir auf die Torheit. Prost." Dem schließe ich mich an.

Die Einladung
Hier finde ich den Arzt natürlich dickfällig und geizig. Man kann ja nicht ewig Einladungen annehmen ohne Revanche. Allerdings kennen wir nur Drusts personale Perspektive. Es könnte auch sein, dass Drusts den anderen genötigt hat. Trotzdem kann man die Figuren vor dem Hintergrund der kargen, zugeteilten Lebensmittel verstehen. Letztlich gibt das Arztehepaar alles, um sein Gesicht nicht zu verlieren und organisiert einen fulminanten Festschmaus.

Melusine Frick
Hier hört man in jedem Satz die Verliebtheit des Protas heraus. Die Eigenschaften einer Frau mit dem Angebot in der Metzgertheke zu vergleichen - ich habe mich amüsiert. Die Desillusionierung war vorprogrammiert.

Der Abschied
Wie von euch schon angemerkt, schlägt der Autor hier einen schönen Bogen zum Anfang, Drusts bricht wieder auf, verlässt Pfifferlingen. Längst geplant, gibt Melusine den endgültigen Anlass.
Der Alltag wickelte den Menschen ein wie ein warmes Wollgewand und dämpfte schonungsvoll die Größe und die Schrecken der Welt, während man sich selbst in seiner Winzigkeit warm und geborgen fühlte. 292
Einer von vielen wunderbaren Sätzen!

Der Eindruck, den ich längst gewonnen habe, dass Drusts sich in der Provinz gut eingelebt hat, wird bestätigt: Er hatte auch viel Gutes erlebt, heimatlos, wie er sich fühlt.

Sehr gut konzipiert, dass wir zu einigen Geschichten die Fortsetzung erfahren. Ganz nebenbei, wie hingetupft wirkt das auf mich. Aufklärung auch im Eingangsfall "Frau Binzer". Schön und einfach gelungen!

Ich habe den Roman von Anfang bis Ende sehr gerne gelesen. Unkomplizierte Unterhaltung mit Niveau!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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wegen der fanatischen Bemühungen um Perfektion aber die Leichtigkeit fehlte.
Das ist tatsächlich ein Punkt, der mir im Ländle anfangs aufgefallen ist: diese Super-Hausfrauen, die unter 20 Plätzchen-Sorten die Weihnachtsbäckerei nie beginnen würden, die immer alles passend zur Jahreszeit dekoriert haben und wöchentlich alles durchfeudeln. Bei Einladungen muss es das Besondere sein, spontan geht nichts...
Mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt und lasse mich nicht unter Druck setzen. Aber im Anfang...
obwohl sicher etwas davon mitschwingt.
Er nimmt Drusts Gastfreundschaft ja gerne und reichlich in Anspruch, ohne eine Gegeneinladung auszusprechen. Das zeigt schon einen gewissen Geiz. Als es dann aber endlich so weit ist, lässt er sich nicht lumpen. (Wobei er sich währenddessen offenbar vollstopft, damit der Gast nicht mehr soviel bekommt.)
 

dracoma

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16. September 2022
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Einer von vielen wunderbaren Sätzen!
Ja. Das Lesen war für mich ein täglich neuer Genuss, allein wegen der Sprache. Diese feine Ironie, die Vergleiche etc. - all das ist so elegant und leicht und hat Witz, aber Gott sei Dank nicht von der Schenkel-Klopfer-Art.
Ich fand die Beschreibung der verkleideten Krüppel im Festzug entsetzlich. Wie geschmacklos!
Ja, fand ich auch. Fände ich auch heute geschmacklos, aber damals erst recht, direkt nach Kriegsende!
Wobei er sich währenddessen offenbar vollstopft, damit der Gast nicht mehr soviel bekommt.)
Das ist mir auch aufgefallen. Der Arzt kam auch immer zur Essenszeit, und wenn noch nicht aufgetischt war, wartete er. Und dann diese gierige Art bei seiner eigenen Einladung. Die ganze Familie zeigte aber diese Gier nach Essen, wenn sie ratzfatz über das Kaninchen herfällt.
Kann es sein, dass sie hungern? Sich beim Essen zurückhalten müssen? Die Kinder wirken auf mich so verhuscht, und die Frau eher verbittert. Sind sie aus Not so?
Mir ist die sog. Fresswelle nach dem Krieg zu dieser Geschichte eingefallen, die aber in dieser Geschichte noch nicht eingesetzt hat (woher auch!), aber die sich andeutet.
 
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Federfee

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13. Januar 2023
3.183
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49
Ist es ein Druckfehler?
Da waren noch ein paar mehr Stellen, wo etwas nicht in Ordnung war, z.B. einmal ein Wort zu viel. Aber ich wollte nicht kleinlich nach Fehlern suchen, weil mich das Buch ansonsten sehr begeistert hat.
Armer Kerl! Eine solche Mutter braucht kein Mensch!
Nein, wirklich nicht. Aber leider gibt es das. Ich hatte einen Vetter, dem es so ging. da war es allerdings der Vater.
Unkomplizierte Unterhaltung mit Niveau!
Und mehr als das! Die feine Kritik, die überall drin steckt.
Das Lesen war für mich ein täglich neuer Genuss, allein wegen der Sprache. Diese feine Ironie, die Vergleiche etc. - all das ist so elegant und leicht und hat Witz, aber Gott sei Dank nicht von der Schenkel-Klopfer-Art.
Das trifft es genau. Wie schade, dass es nicht mehr von Eglitis zu lesen gibt.
P.S. Nur noch 'Homo novus', seh' ich gerade.
 

dracoma

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16. September 2022
2.503
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Da waren noch ein paar mehr Stellen, wo etwas nicht in Ordnung war, z.B. einmal ein Wort zu viel. Aber ich wollte nicht kleinlich nach Fehlern suchen, weil mich das Buch ansonsten sehr begeistert hat.
Ja, das sehe ich auch so. Ich habe auch nicht gesucht, sondern es fiel mir unterwegs auf.
Jedenfalls scheint "Sonntagsstatt" kein schwäbisches Wort zu sein. Hätte ja sein können.
Die feine Kritik, die überall drin steckt.
Ich habe gerade mein Fazit geschrieben, und auch darauf abgehoben. Das Capriccio ist nicht nur lustig meiner Meinung nach.
 

dracoma

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16. September 2022
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Armer Kerl! Eine solche Mutter braucht kein Mensch!
Ja - aber ich muss dabei immer an die Zeit denken, Lebensmittelrationierung...
Heinz schafft das, was die anderen bisher nicht geschafft haben, und stellt damit quasi seine Ehre wieder her. Und er holt sich den Zuckerkringel: er ist halt ein Kind, und er will den süßen Kringel.
Die Mutter aber erwartet von ihnm, dass er nicht nur an seine Lust auf den süßen Kringel denkt, sondern an die Familie - und die Familie kann die Wurst besser gebrauchen.
ich will die Mutter bisschen in Schutz nehmen, ich kann sie verstehen.
Das heißt aber nicht, dass ich ihr Verhalten gut finde.
 

Renie

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19. Mai 2014
6.214
13.630
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
'Melusine Frick'

Köstlich fand ich die in meinen Augen meisterhaft geschriebene Geschichte mit der schönen Metzgerstochter Melusine Frick, in die sich Drusts verliebt. Sie hat nicht nur einen mythischen Namen, sondern wirkt auch so zart und ätherisch, dass Drusts kaum glauben kann, dass sie die Tochter der drallen, bodenständigen Metzgersleute ist. Einfach umwerfend originell, wie er ihre Schönheit beschreibt, immer gepaart mit Vergleichen die aus der Metzgerei stammen: frische Rinderleber, Filet, Räuchersalamis, Finger wie geräucherte Würstchen. Auch als ihr Blick ihn trifft, wird das im Metzgerjargon beschrieben (285 u.) Köstlich! Aber dann die Sache mit dem Kaninchen. Die engelsgleiche Melusine ist gar nicht so zart und zimperlich und Drusts ist so schockiert, dass er nicht mehr in die Metzgerei geht und sie nicht mehr sehen will.
Das ist neben der letzten Geschichte ebenfalls eines meiner Lieblinge in diesem Buch. Herrlich, wie der Autor das zarte Pflänzlein der Zuneigung in die brutale Welt aus Blut, Schweinebäuchen und Rinderhälften einbettet. Eine filmreife Szenerie :rofl
Der Name Melusine ist sehr passend gewählt. Wer weiß, welcher Geist sich hinter der holden Erscheinung verbirgt!
 

Renie

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19. Mai 2014
6.214
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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Nein, ich bin mir sicher, hier ist nicht Geiz das Hauptproblem, obwohl sicher etwas davon mitschwingt.
Ich bin mir genauso sicher. Für mich hat die Einladung etwas mit Statusdenken zu tun. Drusts ist ein ausländischer Flüchtling, der trotz seines niedrigen gesellschaftlichen Status, den Arzt regelmäßig bewirten kann. Wie stünde der Arzt denn da, wenn er als angesehener Bürger von Pfifferlingen, nicht in der Lage wäre, mindestens ebenso opulent wie der Flüchtling aufzutischen.
 

Barbara62

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19. März 2020
4.633
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Ich bin mir genauso sicher. Für mich hat die Einladung etwas mit Statusdenken zu tun. Drusts ist ein ausländischer Flüchtling, der trotz seines niedrigen gesellschaftlichen Status, den Arzt regelmäßig bewirten kann. Wie stünde der Arzt denn da, wenn er als angesehener Bürger von Pfifferlingen, nicht in der Lage wäre, mindestens ebenso opulent wie der Flüchtling aufzutischen.
Und das wiederum bringt die Hausfrau so in Stress, dass sie völlig die Stimmung verdirbt. Nichts wirkt natürlich, alles gezwungen.
Ich bin hier überzeugt, dass ich als Schwäbin die Gründe für das Desaster eher verstehe als Drusts. Geiz spielt hier nur die zweite Rolle.