4. Leseabschnitt: Seite 192 bis Ende

parden

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13. April 2014
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Ein Happy End im Sinne von "Barbara wird wieder gesund" wird es wohl nicht geben - sie schläft fast nur noch und dämmert vor sich hin... Walter scheint es nicht länger leugnen zu können und widmet sich nun dem größten blinden Fleck in seinem Leben: Artur. Der Erstgeborene, dessentwegen Walter Barbara überhaupt erst heiraten musste, was er ja gar nicht wollte, ist behindert. Und offenbar hat Herr Schmidt von Barbara verlangt, dass Artur in ein Heim abgeschoben wird - erst danach wurden Sebastian und Karin geboren. Kennen sie ihren Bruder überhaupt? Wissen sie von ihm? Oder ist das solch eine Familienschande, dass überhaupt nicht darüber gesprochen werden durfte? Dass Walter Artur nun zu Barbara bringt, ist der letzte große Liebesdienst, den er noch leisten kann. Reichlich spät - aber irgendwie trotzdem berührend. Die Szene mit dem Obdachlosen fand ich irgendwie - schräg. Als ob sich Walter mit seinen Tupperdosen nun auf den wahren Sinn der Weihnacht besinnen würde. Als ob... Mit guten Taten wie der "Speisung der Armen" seine schlechten aus der Vergangenheit wieder gut machen? Dass Walter bei einigen Frauen solch einen Stein im Brett hat, ist jedenfalls für mich kaum vorstellbar: Hanne, Lydia...

Insgesamt fand ich den Roman weniger berührend und warmherzig als ich erwartet hatte, humorvoll war er dagegen an einigen Stellen schon. Nur blieb Herr Schmidt mir irgendwie fremd und auch nicht sonderlich sympathisch - da entpuppte sich doch einiges, was ihn in einem klar negativen Licht erscheinen ließ. Barbara blieb dagegen für mich überraschenderweise recht blass, auch wenn alle im Viertel sie kannten und offenbar auch mochten. Das Haus der Schmidts war zeitweise ja eine wahre Pilgerstätte.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Ein Happy End im Sinne von "Barbara wird wieder gesund" wird es wohl nicht geben
Ich habe damit gerechnet, dass Barbara stirbt und dass Walter das irgendwie nicht wahrhaben will. Überrascht war ich, dass es noch einen Sohn gibt und dass sie den in ein Heim gegeben haben. Ich habe den Eindruck, dass Walter Barbara zu etlichen Dingen gezwungen hat, auch wenn er behauptet, sie nie geschlagen zu haben. In dem er Arthur abholt, erfüllt er wohl einen letzten Wunsch. Ob Sebastian und Karin von Arthur wissen? So abrupt wie die Geschichte anfängt hört sie auch auf.
Ich vermutet, Walter ist kein Russe, er hat einen Akzent, aber er sagt, sie seien vor den Russen geflohen. Vielleicht ist er eher Schlesier oder Ostpreuße, die haben sicher auch einen Akzent.
Sympathisch ist mir Walter nicht geworden. Barbara ist durch die Krankheit so zurückgenommen, dass sie kein richtiges Profil bekommt.
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Nun ist es also raus. Es gibt einen behinderten Sohn. Der zudem noch Barbara wie aus dem Gesicht geschnitten ist.
Ich finde, die Stärke des Romans ist das viele Unausgesprochene.
Ein behindertes Kind, mit dem man nicht fertig wird, sprengt auch "normale" Familien.
Eine ganze Weile war das Kind wohl zu Hause. Dann aber ging es nicht mehr. Schade, dass die beiden das Ganze nicht in Ruhe besprechen konnten. Aber es war wohl ein Trauma für Walter.

Walter ist weder besser noch schlechter als andere Menschen.
Nachdem er Barbara erst einmal geheiratet hatte, stand er auch zu ihr.
Er verteidigte sie vor seiner Mutter. Seine Mutter war ihm wichtig. Deshalb war die Käsekuchenszene wichtig, Walter wollte seiner Mutter beweisen, dass er alles im Griff hat. Hatte er aber nicht.

Seine Kinder sind aus seiner Sicht keine Schlager. Karin lebt mit einer Frau zusammen und Sebastians Frau hat ihn verlassen. Woher kommt das schwarze Kind, adoptiert? Walter musste mancherlei durchmachen, Lydia und Hanne wissen das. Er ist wohl Hannes große Liebe gewesen. Aber Walter lernte Barbara zu lieben. Sehr versöhnlich.

Das offene Ende ist schlüssig. Es ist ja klar, dass Barbara stirbt. Vieles haben wir auch nicht erfahren, aber das ist in Ordnung.
 

parden

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13. April 2014
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Ich vermutet, Walter ist kein Russe, er hat einen Akzent, aber er sagt, sie seien vor den Russen geflohen. Vielleicht ist er eher Schlesier oder Ostpreuße, die haben sicher auch einen Akzent.
Ich denke eher, dass das Russlanddeutsche waren / sind, er und seine Mutter / Eltern. Der Akzent ist dann tatsächlich derselbe... Und das würde auch erklären, weshalb Walters Mutter so gegen die Ehe mit Barbara war: immerhin ist sie eine Russin, und genau vor denen sind sie seinerzeit ja geflohen. Geheiratet hat er sie ja auch "nur", weil ein Kind unterwegs war. Verantwortungsvoll...
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich weiß momentan gar nicht, was ich sagen soll. Dieses Buch bewegt sich so stark zwischen Humor und Tiefe, dass ich es gar nicht richtig einordnen kann. Dabei ist Walter ein extrem ambivalenter Protagonist: Manchmal fühlt man sehr intensiv mit ihm, kann seine Hilflosigkeit nachvollziehen, um im nächsten Moment von ihm vor den Kopf gestoßen zu werden...

Wie es zur Ehe mit Barbara kam, ist nicht ganz klar. Ich sehe in den Andeutungen, dass sich Walter da nicht ganz anständig verhalten und eine Situation zumindest "ausgenutzt" hat (er war jung, es war nur ein Spaß). Barbara war sanft und schwach (und wahrscheinlich unerfahren und naiv). Immerhin hat Walter allen Widerständen zum Trotz zu ihr gestanden und sie geheiratet.

Die Geschichte rund um Artur ist tragisch. Walter rechtfertigt es, dass er ihn in eine Behinderteneinrichtung abgegeben hat. Die Sorge für ein behindertes Kind ist Kräfte zehrend und zermürbend, zumal es damals noch sehr geringe staatliche Fürsorge gegeben haben dürfte. Walter wollte eine "normale" Familie, im Wegschieben unliebsamer Tatsachen scheint er schon immer versiert gewesen zu sein. Jetzt, wo es mit Barbara zu Ende geht, erinnert er sich plötzlich an seinen ältesten Sohn. Er will ihn zu Barbara bringen als letzten Liebesdienst, das habt ihr oben schön gesagt. Es ist eine Kurzschlusshandlung: Er meldet Artur nicht ab, zieht ihn nicht an, zerrt ihn in die Gaststätte, will ihm den Käsekuchen servieren lassen, wegen dem er ihn damals in Todesangst versetzt hat - er will etwas gutmachen...

Ebenso ambivalent ist Walters Verhalten dem Penner gegenüber. Einerseits zeigt Walter Weihnachtsgefühle, andererseits beschimpft er den Obdachlosen ziemlich übel als faule Socke. Walter kommt aus seinen Denkmustern nicht heraus. Ebenso verdrängt er, dass seine Tochter Lesbierin ist (er spricht von Mai als "bester" Freundin) und Sebastian geschieden ist.

Walter ist (neben Barbara) die tragische Figur des Romans. Seine Welt bricht zusammen, er tut sein Bestes, die neue Rolle des Versorgenden anzunehmen. Er wehrt sich gegen (auch ärztliche) Hilfe, will möglichst viel alleine schaffen - als Buße?

Zu schaffen macht mir die Schweigsamkeit. Wie schön wäre es gewesen, das Ehepaar hätte sich mal aussprechen können. Selbst die kleinen Zärtlichkeiten wirken spröde und völlig unselbstverständlich, selbst nach diesen vielen Jahren des Zusammenlebens. Da hat sich unter der Oberfläche eine Menge angesammelt, über das wohl nie gesprochen wurde. So schade, gerade im Angesicht des Abschieds sollte es doch vielleicht möglich sein.

Das offene Ende passt zur tiefen Seite des Romans. Ich kann es allerdings schwer mit dem Slapstick unter einen Hut bringen, der uns stellenweise serviert wurde. Ist Walter als Figur stimmig angelegt? Ich finde nicht. Er war eingangs so unselbständig, wie ich es mir bei einem Handwerker kaum vorstellen kann. Dann mutierte er relativ schnell zum Computer-Bediener und talentierten Koch, entdeckte seine weiche Seite und seine Liebe zu Barbara, die bislang wohl eher ein Inventar war, neu.

Auch die "Berühmheit" auf Medlinskis FB-Seite scheint mir überzogen zu sein, gleichfalls ist Lydia eine Figur, die nahtlos zur humorigen Seite der Geschichte passt, nicht aber zur ernsten Grundgeschichte.
 

hulahairbabe

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16. März 2020
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Uff, das Ende hätte ich so nicht erwartet. Barbara stirbt tatsächlich nicht (zumindest in der Timeline des Buches), dafür kommt ein behinderter Sohn ans Licht. Das hätte ich nicht erwartet.
Ich muss sagen, dass Walter wirklich viel in seinem Leben erlebt und sicherlich auch Falsch gemacht hat. Irgendwie finde ich es berührend, wie alles durch die Erkrankung seiner Frau reflektiert wird. Der Roman lebt von den Zwischentönen bzw. Dingen die man sich als Leser selber denken muss. Mich hat das Buch gut abholen können und irgendwie auch berührt.
Wie einige andere auch fand ich die Storyline rund um Medinski etwas übertrieben. Aber das hat dem Buch keinen Abbruch getan.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Wow, die Wendung mit Artur kam überraschend. Ich war gerade dabei, mich etwas mit Walter anzufreunden und dann das… Man merkt, dass er inzwischen einiges bereut und eigene Fehler erkennt. Eine 180-Grad-Wende macht er aber nicht. Er bleibt sich immer noch treu, ist nach wie vor unverschämt, unhöflich und beleidigend.

Was den Schreibstil angeht, muss ich mein Urteil etwas revidieren. Der Roman ist sprachlich einerseits nicht beeindruckend, aber ich bin andererseits doch erstaunt, wie es der Autorin gelingt, in wenigen Sätzen viel zu transportieren. Zwischen den Zeilen steht einiges.
 
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claudi-1963

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29. November 2015
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Das Ende bleibt im Grunde offen, doch jeder von uns kann sich denken das Barbara sterben wird. Mit einem erneuten Sohn der behindert ist hatte ich gar nicht gerechnet. Zumindest scheint Herr Schmidt sich auch hier verändert zu haben, selbst wenn ihm der erste Besuch bei Artur noch suspekt ist.
Das er ihn nun zu Weihnachten endlich seinen Geschwister vorstellen will finde ich toll. Den so wie ich das verstanden habe wissen die beiden nichts von ihrem Bruder.

Vielleicht sieht er nun, da er den Tod Barbaras vor Augen hat manche Fehler mit anderen Augen an. Trotzdem er sie eigentlich nie heiraten und seine Mutter Barbara nicht leiden konnte hatten die beiden wohl doch eine gute Ehe geführt. Wobei sie sicherlich noch besser gewesen wäre, wenn Walter sich schon früher geändert hätte.

Das offenen Ende hat mich schon ein wenig überrascht. Ansonsten ein gutes Buch, bei dem man wie milksilvermoon schreibt viel zwischen den Zeilen lesen kann.
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Dass Walter bei einigen Frauen solch einen Stein im Brett hat, ist jedenfalls für mich kaum vorstellbar: Hanne, Lydia...
Er sah früher wohl ziemlich gut aus und das ist wohl auch jetzt noch der Fall, wie Lydia auch direkt sagte.
Nur blieb Herr Schmidt mir irgendwie fremd und auch nicht sonderlich sympathisch
Ich denke, das ist auch die Absicht der Autorin gewesen. Sie will die Seiten eines Menschen zeigen, an den wir aufgrund seiner unsympathischen Art ansonsten keinen Gedanken verschwenden würden. Und nun lesen wir ein ganzes Buch über ihn :)
Barbara blieb dagegen für mich überraschenderweise recht blass,
Nun ja, Herr Schmidt ist die Hauptfigur des Buches, auch wenn er nicht im Titel steht.
So abrupt wie die Geschichte anfängt hört sie auch auf.
So abrupt finde ich das gar nicht. Barbara wird definitiv sterben (und wenn Herr Schmidt es noch so sehr verdrängt) und mit dem Abholen seines versteckten Sohnes wird Herr Schmidt ein sehr sehr unrühmliches Kapitel seines Lebens zu einem halbwegs versöhnlichen Ende bringen.
Ich sehe in den Andeutungen, dass sich Walter da nicht ganz anständig verhalten und eine Situation zumindest "ausgenutzt" hat
Hmm, glaubst Du ehrlich sie wollte nicht und er hat sie überredet/gezwungen? Die Beiden waren jung, er sah gut aus - da haben wohl Beide nicht viel über Verhütung nachgedacht, die zum damaligen Zeitpunkt wohl mehr darin bestand, sich körperlich überhaupt nicht zu nähern.
Ebenso ambivalent ist Walters Verhalten dem Penner gegenüber.
Erwarte nicht zu viel von ihm. Immerhin hat er ihn auch bemerkt, nicht nur den Hund ;) In seinem Alter eine 180°-Wendung - das braucht ziemlich sicher mehr Zeit als ein halbes oder ganzes Jahr. Von 'Perfektion' ist er noch weit entfernt, aber ich finde, seine Fortschritte sind sehr bemerkenswert.
Er wehrt sich gegen (auch ärztliche) Hilfe, will möglichst viel alleine schaffen - als Buße?
Glaube ich nicht. Er gehört zu einer Generation, die nicht um Hilfe bitten will (und es vielleicht auch nicht kann). Hilfe zu brauchen bedeutet Schwäche zu zeigen und das ist etwas, das Herrn Schmidt völlig fern liegt, wie ich ihn einschätze. Das zeigt auch seine Reaktion, wenn ihm Mitgefühl gezeigt wird: Ablehnung und Unverständnis. Er versteht nicht, warum, denn er erledigt doch nur die Aufgaben, die er zu tun hat. Und er will es nicht, weil er kein armer Mensch ist, der so etwas braucht.
Ist Walter als Figur stimmig angelegt?
Finde ich schon. Er ist offensichtlich einer der Russlanddeutschen, die es in Russland alles andere als leicht hatten. Aber lies mal selbst:
Unmittelbar nach dem deutschen Angriff am 22. Juni 1941 begann die Zwangsumsiedlung fast aller in der Sowjetunion lebenden Deutschen. Sie wurden entsprechend dem Erlass des Obersten Sowjets vom 28. August 1941 innerhalb weniger Wochen aus den europäischen Teilen der Sowjetunion nach Osten – vorwiegend Sibirien, Kasachstan und an den Ural deportiert. Die Sowjetunion wollte mit der Umsiedlung eine weitreichende Kollaboration der Russlanddeutschen mit Nazi-Deutschland verhindern.
Bis Weihnachten 1941 registrierten die sowjetischen Sicherheitsapparate 894.600 deportierte Deutsche, bis Juni 1942 1.209.430. Damit wurden gemessen an den Zahlen der Volkszählung von 1939 etwa 82 Prozent der deutschstämmigen Sowjetbürger deportiert. Familien wurden auseinandergerissen, die Menschen wurden mit Viehwaggons transportiert und irgendwo in den Steppen Kasachstans „abgekippt“, wo sie sich Erdhütten gruben und mit Entsetzen dem bevorstehenden Winter entgegensahen. Wieder andere wurden Kolchosen zugewiesen und mussten dort nach Überlebensmöglichkeiten suchen, die man den „Faschisten“ eigentlich gar nicht zubilligte. Gleichzeitig wurden ihre staatsbürgerlichen Rechte aberkannt und ihr Eigentum bis auf ein geringes Handgepäck eingezogen. Die meisten von ihnen waren im Alter zwischen 14 und 60 Jahren und mussten in Arbeitslagern unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Mehrere Hunderttausend – die nicht ermittelte Zahl schwankt um 700.000 – starben in dieser Zeit vor allem an schlechten Arbeits-, Lebens- oder medizinischen Bedingungen.
Die Deutschen wurden der Sonderverwaltung (Kommandantur) unterstellt und praktisch zu rechtlosen Arbeitssklaven gemacht, die dann im Herbst 1941 zusammen mit deutschen Kriegsgefangenen, darunter auch Zivilisten, in die sogenannte Trudarmee (von труд ‚Arbeit‘) interniert wurden. Unter militärischer Willkür mussten sogar Jugendliche bei unzureichender Ernährung und bei extremer Kälte körperliche Schwerstarbeit verrichten. Ein Großteil der Russlanddeutschen hat die vielfachen staatlichen Eingriffe in das vormals eigenständige dörfliche Leben nicht überlebt. Vor allem der Stalinismus zerstörte sowohl Menschenleben als auch die Dörfer und damit die eigenständige Kultur der Deutschen in Russland. Die Kinder der Russlanddeutschen hatten – wenn überhaupt – nur Zugang zu russischsprachigem Unterricht. Deutsch öffentlich zu sprechen blieb noch lange gefährlich und verstärkte die Gefahr, als angeblicher „Faschist“ angefeindet zu werden. Am 26. November 1948 verkündete der Oberste Sowjet, dass die Verbannung „auf ewig“ gelten solle. In Sibirien und Kasachstan wurden die Russlanddeutschen weitgehend von den anderen Sowjetbürgern getrennt in Sondersiedlungen angesiedelt. Diese unterstanden regelmäßig einer sog. Kommandantur mit strengen Meldepflichten, Ausgangsbeschränkungen und Diskriminierungen. Es herrschten lange Zeit lagerähnliche Zustände. Ein Erlass, die Kommandanturen aufzuheben, wurde am 13. September 1955 gefasst und ab Januar 1956 umgesetzt. (Wikipedia)
Ich glaube, all das was er dort erlebt hat, hat er tief in sich vergraben und darüber seinen Panzer angelegt. Er wollte nie mehr der Schwache sein, über den Andere bestimmen durften und ein behinderter Sohn hätte ihn zumindest wieder ansatzweise in eine solche Situation gebracht, wie er vielleicht dachte. Ich will sein Verhalten um alles in der Welt nicht gutheißen, aber ich kann es nachvollziehen und kann ihn deshalb nicht verurteilen, da ich nicht weiß, was er in seiner Kindheit durchmachen musste. Wer weiß, was aus mir geworden wäre ...
Auch die "Berühmheit" auf Medlinskis FB-Seite scheint mir überzogen zu sein,
Du bist einfach zu wenig im Internet ;) Da braucht es nicht viel um einen solchen Status zu erlangen. Und wenn es eine gute besuchte und viel vernetzte Webseite ist, bist Du schnell mal ein Star. Aber auch genauso schnell wieder vergessen ;)

Dieses Ende kam wirklich überraschend, aber letztlich ist es eine überzeugende Erklärung für die Distanz zwischen Barbara und Herrn Schmidt. Dass sie ihm an ihrem Lebensende noch verzeihen kann, zeigt von ihrer Großmut und dass sie weiß, dass er kein schlechter Mensch ist, aber einfach nicht aus seiner Haut konnte. Auch Herrn Schmidts Verdrängungskünste sind nun nachvollziehbarer: Wer seinen behinderten Sohn so aus seinem Leben verdrängt, als hätte er nie existiert, hat das Verdrängen wirklich perfektioniert. Aber um welchen Preis?
Ein wirklich bemerkenswertes Ende, das immerhin ein bisschen Hoffnung verspricht. Und vielleicht auch ein bisschen Glück für Barbara, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht mehr lange genießen können wird.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Nun ist es also raus. Es gibt einen behinderten Sohn. Der zudem noch Barbara wie aus dem Gesicht geschnitten ist.
... aber Walters Augen hat.

Ich glaube, all das was er dort erlebt hat, hat er tief in sich vergraben und darüber seinen Panzer angelegt. Er wollte nie mehr der Schwache sein, über den Andere bestimmen durften und ein behinderter Sohn hätte ihn zumindest wieder ansatzweise in eine solche Situation gebracht, wie er vielleicht dachte.
Einerseits kann das der Grund sein, andererseits wollten die Geflüchteten auch um nichts in der Welt anders sein und auffallen. Meine Mutter, die 1945 aus Mähren als Kind nach Deutschland kam, lernte sofort Schwäbisch und passte sich extrem an, um unbedingt wie alle anderen zu sein (was bei einer rothaarigen Katholikin nicht einfach war ;)). Der behinderte Sohn hätte Walter wieder zum Außenseiter gemacht, jedenfalls fürchtete er das.
 
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Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Interessant finde ich, wie das Ende von Herrn Schmidts Kochbegeisterung beschrieben ist: Er hat schlicht keine Lust mehr und findet es Zeitverschwendung. Wenn man allerdings genauer hinschaut, scheint Barbara genau zu dieser Zeit das Essen gänzlich eingestellt zu haben. Zuletzt ist sie nicht mehr ansprechbar, sie "spürt" die Gegenwart ihrer Familie höchstens noch.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Interessant finde ich, wie das Ende von Herrn Schmidts Kochbegeisterung beschrieben ist: Er hat schlicht keine Lust mehr und findet es Zeitverschwendung. Wenn man allerdings genauer hinschaut, scheint Barbara genau zu dieser Zeit das Essen gänzlich eingestellt zu haben. Zuletzt ist sie nicht mehr ansprechbar, sie "spürt" die Gegenwart ihrer Familie höchstens noch.
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