4. Leseabschnitt: Seite 189 bis Ende

otegami

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17. Dezember 2021
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Gerade bin ich wohl fertig geworden mit dem Buch, aber nachdem ich mit dem Anfang dieses Leseabschnitts meine Probleme habe, werde ich diesen Teil nochmal lesen. Aber dafür brauche ich den nötigen Abstand! Vielleicht morgen! ;)
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Bemerkenswerte Gedanken und Rückblenden:
„Wer weiß, vielleicht bestehe ich ja aus drei Frauen. Nur ich wusste es noch nicht.“
Die Lehrerin, die ohne ihren Mann nicht weiterleben konnte.
Die „Entendiebin“.
„Wohl uns, wir haben eine Margret.“
Die Barlach-Figuren Buchleser und Flötenspieler.
Die Vorahnung vom schwerkranken Zustand ihres Mannes.
Die Hospiz-Station hinter der Neugeborenen-Station.
Unwirsche Reaktionen, wenn es ihr zu viel wird.
Eine gewisse Distanz, um seelisch weiter leben zu können.
Die Autorin sieht ihr Leben in Anlehnung an das Evangelium, als einen Kreuzweg, der auf das Ende zugeht. Der größte Teil des Lebens liegt hinter ihnen.
Eine große Hilfe ist ihre stabile Liebe im Alter, die bei ihr durch die Fürsorge für ihn stärker geworden ist.
Welch tröstlicher Schlusssatz: „… bei ihm sitzen wie ein alter treuer Hund.“
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Tatsächlich macht mir der Anfang dieses LA Schwierigkeiten, aber ich möchte ihn nicht noch einmal lesen. Das sind Gedankengänge, die ich der besonders fordernden Situation der Protagonistin zuschreibe. Auch wenn sie von Glauben und LIebe getragen wird und sie die Pflege ihres Gatten gerne übernimmt, wachsen ihr die Anforderungen doch zeitweilig über den Kopf. Was man verstehen muss! Die Dame ist 83 Jahre alt, hat mit Sicherheit ihre eigenen Baustellen, die nur in ihrem Leben keinen Platz haben. Alles dreht sich um Derden. Will sie mal ein paar Stunden fort, muss sie Klinken putzen - mit ungewissem Ausgang. Andere Frauen in dieser Situation können auf Familie zurückgreifen, sie nicht. Sie ordnet ihre Bedürfnisse komplett unter.
Da "möchte sie manchmal tot sein. Endlich ohne Verantwortung und Pflichten."
Kann man ihr das verübeln? Es sind ja nicht nur die Tagespflichten, auch die Nächte sind kurz und werden mehrfach brutal gestört. Das machen schon jüngere Menschen nicht lange mit.

In dem Zusammenhang erwähnt sie erneut ihre Krebserkrankung, denn auch sie hat sie nahe an den Tod geführt. Man setzt sich zwangsläufig mit dem "Was wäre wenn..." im Angesicht einer schweren Erkrankung auseinander. Frau Becker, Barbara, die Zwillingsmenschen (incl. des 7. Sinnes Derden gegenüber), Saugnäpfe am Leben. Die Selbsthilfegruppe, der viele Frauen eine Absage erteilten. Der Sonntagskaffee in der Scheune.
Der Tod hatte bei ihnen nicht mehr das letzte Wort. 220
Der Suizid einer Witwe, sehr bewegend. Was will uns Schubert damit sagen? Ist auch sie gefährdet, wenn ihr Mann nicht mehr ist? Man erlebt es ja häufiger, dass aufopfernd Pflegende nach dem Tod des Partners eben keinesfalls aufblühen, sondern im Gegenteil in sich zusammenfallen. Helgas eigene Bedürftigkeit (und Schwäche) schimmert immer wieder durch. Derden wird immer ich-bezogener in seiner eigenen Malaise (S. 261)

Die letzten zwei Seiten wirken auf mich wie eine Bilanz: Ich sitze wie ein treuer Hund.
Und ein Satz, den man prima als Rezensionsüberschrift verwenden könnte:
Und der morgige Tag wird für das Seine sorgen.
Das könnte ein Bibelvers sein. Der Satz koloriert sehr eindrücklich, wofür Helga Schubert steht. In ihrem Buch hat sie uns tiefgreifende Eindrücke in ihr Leben und ihre Gedankenwelt beschert.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ja, dieser letzte Abschnitt erlaubte keine Rückblicke in eine bessere Zeit. Hier steht der Tod im Zentrum der Überlegungen und der erzählten Geschichten.
Man spürt, wie sehr sie das alles beschäftigt.
Die Geschichte von dem Lehrerehepaar hat nicht mehr die Leichtigkeit und den Humor, mit dem uns die Autorin am Anfang von der Beerdigung einer Freundin erzählte. Hier merke ich eine Bitterkeit, wenn Helga Schubert von diesen Leuten schreibt, die sich für andere eingesetzt haben und dann Hassangriffen ausgesetzt waren.
Einzig die Episode mit der Loriot- Ente zeigt noch den vorherigen Witz.
Wie wichtig ihr das Schreiben ist, zeigt sie. Aber auch wie mühsam sie sich die Zeit dafür zusammenstehlen muss. Ich glaube, ohne das Schreiben wäre die Situation für sie kaum auszuhalten. Das sind ihre Freiräume.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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In diesem letzten Teil ist mir einiges unverständlich:​

Zwar finde ich es interessant, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn man tot ist, aber mir war das zu ausführlich. Was mich gewundert hat: anscheinend hat sie früher schon Suizid-Gedanken gehabt. Ich verstehe nicht, warum. Hab' ich da etwas überlesen?

Sie ist sehr gläubig, was ihr sicher Kraft und Trost gibt, ihr schwieriges Leben auszuhalten. Aber ich kann nicht glauben, dass man merkt, wenn die Seele von jemand nicht mehr im Raum ist (245).​

Gefallen hat mir die Geschichte, wo Leute im Dorf, die sich einsam oder traurig fühlten, in eine Scheune eingeladen wurden. So etwas geht wohl nur in einer kleinen Ortschaft.

Sie überlegt mit anderen: Wie brennt man nicht aus, wie bleibt man liebevoll, wie viel Distanz muss sein (248), aber ich habe keine Antwort entdeckt. Vielleicht muss das auch jeder für sich selbst herausfinden? Dennoch hätte ich dazu gerne ein paar mehr Gedanken gelesen. Bei ihr ist es wahrscheinlich auch das Schreiben, das sie stark macht und aufrecht erhält.

Im Ganzen lässt mich das jetzt etwas unbefriedigt zurück.​
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Sie ordnet ihre Bedürfnisse komplett unter.
Da "möchte sie manchmal tot sein. Endlich ohne Verantwortung und Pflichten."
Kann man ihr das verübeln? Es sind ja nicht nur die Tagespflichten, auch die Nächte sind kurz und werden mehrfach brutal gestört. Das machen schon jüngere Menschen nicht lange mit.
Unter diesen Umständen kann man diese Gedanken verstehen, jetzt. Aber ich verstehe nicht diese Suizid-Anmerkungen von früher.
Der Suizid einer Witwe, sehr bewegend. Was will uns Schubert damit sagen? Ist auch sie gefährdet, wenn ihr Mann nicht mehr ist?
Letztlich kann man das als Außenstehender und schon gar nicht als Leser einschätzen. Sie hat ja auch mal davon geschrieben, dass sie nur noch ein Zimmer für sich will. War das nicht in der Stadt (Berlin?). Das deutet dann eher auf Zukunftspläne hin.
Ich glaube, ohne das Schreiben wäre die Situation für sie kaum auszuhalten. Das sind ihre Freiräume.
Das glaube ich auch. Es ist ihr Anker, ihr Schutz, ihre Berufung. Bei anderen liest man auch Ähnliches.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich glaube, ohne das Schreiben wäre die Situation für sie kaum auszuhalten.
Das wird sehr deutlich. Wie traurig eigentlich, dass sie sich diese kleinen Freuden überwiegend nur nachts gönnen kann. Ihr fehlt auch eine Freundin. Wahrscheinlich schon weggestorben :sad
mir war das zu ausführlich
Mir auch.
Aber ich kann nicht glauben, dass man merkt, wenn die Seele von jemand nicht mehr im Raum ist (245).
Nach dem, was ich von meiner christlichen Freundin schon alles gehört habe, schiebe ich solche Erfahrungen nicht mehr ins Nirvana, sondern nehme sie einfach hin;)
Aber ich verstehe nicht diese Suizid-Anmerkungen von früher.
Ich auch nicht. Ich glaube, Helga lässt bewusst einiges offen. Das Buch ist in Summe sehr privat, zu detailliert will sie sich dann doch nicht bloßlegen.
Dasselbe gilt für ihre Kinder, mit denen wir sehr unzufrieden sind. Wir wissen nichts darüber, was Derden für eine Art Vater war. Die Generation war ohnehin oft wenig väterlich im heutigen Sinn. Bei Patchwork könnte er auch komplett abgetaucht sein, so dass die Bande wenig eng sind. Dass Helga mit ihrem eigenen Kind Schwierigkeiten hat, wurde in "Vom Aufstehen" deutlich. Das war lieber bei der Oma, die es verwöhnte, wenn (!) ich es richtig erinnere.
Die Schuld an Entfremdung tragen oft beide Seiten, das wollte ich damit sagen und manches ist uns diesbezüglich unbekannt.
 

Literaturhexle

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RuLeka

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30. Januar 2018
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In der aktuellen Eatreadsleep Folge ist Helga Schubert zu einem ihrer seltenen Interviews gereist. Bestimmt hörenswert!

Daniel ist im Fanfieber: Helga Schubert ist zu Gast. Jan entdeckt japanische Klassiker. Und dazu gibt es zweierlei Kaffee - und einen Kuchen, wie er hätte sein sollen. https://www.ardaudiothek.de/episode...uchen-mit-helga-schubert/ndr-kultur/94501800/
Den Newsletter von Eatreadsleep habe ich auch erhalten. Beim Kochen nachher werde ich mir die Folge anhören.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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In der o.g. Lesung präsentierte sich Schubert als humorvolle, lebenskluge Frau, die über ihre plötzliche Berühmtheit erstaunt ist.
Humor und Distanz sind das Wichtigste in ihrem Pflegealltag. Sie als ungelernte Kraft ist mit der Pflege immer vertrauter geworden. Auch hat sie gelernt, sich Ungeduld und Verzweiflung zu verzeihen. Bei der alltäglichen Arbeit überlegt sie, was sie abends schreiben wird, und freut sich darauf. Das Schreiben, der Glaube und natürlich ihre große Liebe geben ihr Kraft.
Die Pflege im Altersheim mit in der Regel stattfindender Ruhigstellung ist für sie keine Alternative. Mit ihrer häuslichen Pflege ist sie nur eine unter sehr vielen, wie sie in vielen Briefen, Mails und Gesprächen erfährt. Inzwischen hat sie eine verrentete examinierte Krankenschwester gefunden, die sie bei der Pflege Derdens unterstützt. So hat sie Zeit für Lesungen bei kirchlichen und in der Pflege tätigen Gruppen.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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In der o.g. Lesung präsentierte sich Schubert als humorvolle, lebenskluge Frau, die über ihre plötzliche Berühmtheit erstaunt ist.
Ich hab's auch gerade gehört und empfand die Autorin ebenso! Was mir auch sehr gut gefiel: wie sie von der Unvollkommenheit erzählte und auch dazu stand. Genau, das ist es! Und dadurch haben auch viele ( die ihr schreiben) Vertrauen zu ihr. Dass dies einfach menschlich ist!
Ich freue mich auch riesig für sie, dass sie die verrentete examinierte Krankenschwester gefunden hat, dass sie ein wenig mehr Zeit für die Lesungen hat.
Interessant fand ich außerdem, wie sie sagt, dass ihr Mann sie dauernd um sich haben will. (Dass das aber keine Kontrolle sein soll.) Ja, das kenne ich auch: sobald meine Mutter nur in den Keller ging, stand mein Vater schon an der Treppe und meinte: "Wo bleibt sie denn?"

Nachdem mein Vater mit Alzheimer hyperaktiv war und schon früh um 5.00 Uhr auf den Beinen, meine Mutter ihn nicht alleine lassen konnte, war sie natürlich nach dem Mittagessen platt (und brauchte etwas Ruhe). Ich fuhr also zu ihnen raus (->anderes Ende unserer Kleinstadt) und setzte mich mit meinem Vater ins Wohnzimmer, damit meine Mutter in Ruhe ein Mittagsnickerchen machen konnte.

Nach ein paar Tagen meinte mein Vater zu ihr: "Was macht die dauernd hier? Hat die nix daheim zu tun?" :rofl

Ich unterhielt mich mit ihm, massierte seine Füße und dann wollte er auf die Toilette. Ja, o.k., konnte er alleine. Auf einmal höre ich, dass er ins Schlafzimmer geht. Fassungslos sah er, dass meine Mutter im Bett lag - er konnte es nicht glauben und zog zweifelnd ihre Augenlider hoch, um zu sehen, ob sie wirklich schlief. :rofl
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich hab's auch gerade gehört und empfand die Autorin ebenso! Was mir auch sehr gut gefiel: wie sie von der Unvollkommenheit erzählte und auch dazu stand. Genau, das ist es! Und dadurch haben auch viele ( die ihr schreiben) Vertrauen zu ihr. Dass dies einfach menschlich ist!
Ich freue mich auch riesig für sie, dass sie die verrentete examinierte Krankenschwester gefunden hat, dass sie ein wenig mehr Zeit für die Lesungen hat.
Interessant fand ich außerdem, wie sie sagt, dass ihr Mann sie dauernd um sich haben will. (Dass das aber keine Kontrolle sein soll.) Ja, das kenne ich auch: sobald meine Mutter nur in den Keller ging, stand mein Vater schon an der Treppe und meinte: "Wo bleibt sie denn?"

Nachdem mein Vater mit Alzheimer hyperaktiv war und schon früh um 5.00 Uhr auf den Beinen, meine Mutter ihn nicht alleine lassen konnte, war sie natürlich nach dem Mittagessen platt (und brauchte etwas Ruhe). Ich fuhr also zu ihnen raus (->anderes Ende unserer Kleinstadt) und setzte mich mit meinem Vater ins Wohnzimmer, damit meine Mutter in Ruhe ein Mittagsnickerchen machen konnte.

Nach ein paar Tagen meinte mein Vater zu ihr: "Was macht die dauernd hier? Hat die nix daheim zu tun?" :rofl

Ich unterhielt mich mit ihm, massierte seine Füße und dann wollte er auf die Toilette. Ja, o.k., konnte er alleine. Auf einmal höre ich, dass er ins Schlafzimmer geht. Fassungslos sah er, dass meine Mutter im Bett lag - er konnte es nicht glauben und zog zweifelnd ihre Augenlider hoch, um zu sehen, ob sie wirklich schlief. :rofl
Manchmal ist es auch witzig, was man mit den alten Leuten erlebt.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Und ein Satz, den man prima als Rezensionsüberschrift verwenden könnte:
Das könnte ein Bibelvers sein.
Ist es - steht als Zitat am Anfang des Romans ;)

Ich empfand den letzten Abschnitt auch als etwas langatmig, v.a. die Schilderung ihres eigenen Todes bzw. ihrer Beerdigung.
Jetzt bin ich neugierig auf das Interview mit Daniel und Jan und höre es mir gleich mal an.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Aber 'etzerdla' (nach nochmaligem Lesen des Anfangs dieses Leseabschnitts):

Bedingt durch ihre Krebserkrankung stellt sich die Autorin ihre eigene Beerdigung vor, was wäre wenn. (O.k., ich finde immer noch, dass sie da 'a weng' abdriftet.)
Interessant finde ich wieder den Gedanken des 'Zwillings': haben wir ja auch schon alle erlebt, dass wir völlig fremde Menschen trafen und uns sofort vertraut fühlten. (Und das ist völlig unabhängig vom Alter, vom Geschlecht........) Schön deshalb auch der Satz auf S. 195 'An den gleichen Büchern in den Regalen haben wir uns ja sogar gegenseitig erkannt, wenn wir uns zum ersten Mal besuchten.' (Drum finde ich auch Wohnungen ohne ein Buch so entsetzlich leer!)

Aufschlussreich war für mich wieder der Satz auf S. 202: "Schönen Dank, ich sag Ihnen schon, wenn ich eins borgen möchte, das ich mir nicht besorgen kann." Eindeutig DDR! Da gehörte es zum Image, dass manche an Bücher rankamen und andere nicht diese Möglichkeit hatten. (Unsere Ost-Berliner Freundin erzählte z.B., dass sie seit der Wende kein Interesse mehr am Lesen hätte - jeder könne ja alle Bücher bekommen. :monocle )

Sehr aufschlussreich auch die Absagebriefe bezüglich Teilnahme an der Selbsthilfegruppe! Ja, es geht halt jeder anders mit Krankheiten um: für manche helfen Selbsthilfegruppen, für andere sind sie eine zusätzliche Belastung.

Maßlos traurig fand ich die Suche nach einer Vertretung für sie an dem Tag in Berlin zum Euthanasie-Gedenktag! Da fiel mir der Spruch ein: 'Wenn jemand will, dann sucht er Möglichkeiten, wenn jemand nicht will, nach Ausreden!'
Und total fassungslos machte mich der Grund der einen, die zwar Zeit hatte, aber 'frisch verliebt war und an den Tag für ihren verh. Geliebten reservieren musste, falls der sich überraschend loseisen könnte.'
Das muss man sich mal vorstellen: die 'hockt' also den ganzen Tag daheim in Lauerstellung, ob jetzt ihr Geliebter kommt, falls er überhaupt kommt! Und die Autorin hätte dringend jemanden gebraucht! (Vielleicht hatte sie aber ob ihrer Vergangenheit da etwas mehr Verständnis dafür als ich! )

Nachvollziehen kann ich ihre Sorge um Derden vor 17 Jahren, wo sie so dahinter war, dass etwas im KH getan wird und dies seine Lebensrettung war. (Oh ja, auch schon erlebt, aber andersrum! Da war's mein Mann, der dahinter war!) Gut fand ich aber auch die Reaktion der Ärztin der Notaufnahme - viele wären ohne das mit einem Wort zu erwähnen zur Tagesordnung übergegangen. Deshalb meinen Respekt!

'Und der morgende Tag wird für das Seine sorgen', finde ich auch einen schönen Abschluss des Buches!
 

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
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Ihr fehlt auch eine Freundin. Wahrscheinlich schon weggestorben
Die hätte ich ihr auch gewünscht.
Dass Helga mit ihrem eigenen Kind Schwierigkeiten hat, wurde in "Vom Aufstehen" deutlich. Das war lieber bei der Oma, die es verwöhnte, wenn (!) ich es richtig erinnere.
Oh, interessant; ich werde es lesen.
Die Schuld an Entfremdung tragen oft beide Seiten, das wollte ich damit sagen und manches ist uns diesbezüglich unbekannt.
Das stimmt und wenn es so war, wollte sie es sicher nicht ausbreiten.
 

dracoma

Bekanntes Mitglied
16. September 2022
1.706
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anscheinend hat sie früher schon Suizid-Gedanken gehabt. Ich verstehe nicht, warum. Hab' ich da etwas überlesen?
Nein, Du hast bestimmt nichts überlesen.
Wenn ich das richtig sehe, hat sie nicht einen singulären Grund dafür, sondern es ist die Gemengelage (oder wie man das nennt, ich bin kein Psychiater).

Sie spricht von "Menschen mit durchbrochenen Horizonten" (sehr schönes Bild...), das sind Menschen, die Grenzerfahrungen gemacht haben, die über das Übliche hinausgehen: eine evtl. tödliche Krankheit kann das sein, das Erlebnis der politischen Verfolgung und anderes. Offenbar macht das Erlebnis dieser Grenzerfahrungen den Menschen freier, und so fühlt sie sich nur noch "mit seidenem Faden" an das Leben gebunden. Dieses Gefühl hatte sie aber schon immer; sie schreibt, dass sie immer quasi neben sich selber gestanden ist, ständig reflektiert hat und immer "Herrin über mein Leben" (S. 211) sein wollte. Damit hat sie sich das Leben erschwert und sich selber dem Leben entfremdet.

Im Lauf der Jahre mit ihrem Mann stellt sie sich auf das Leben ein, sie sucht auf seinen Rat hin das Gespräch mit "normalen" Leuten (was immer das ist?), und sie entwickelt "Saugnäpfe", die sie ans Leben binden. Sie sagt, dass ihr Mann sie geerdet hat.

Ich habe das so verstanden, dass sie ihren Suizid als Entgrenzung empfindet (Goethes FAUST lässt grüßen!), und sie hat dieses Gefühl des nahenden Todes bei dem Autounfall als rundum schön und befreiend in Erinnerung, und das würde sie gerne wiederholen.

Da kommt auch die Sache mit den Zwillingen hinein: das sind die Menschen, die wie sie diese Entgrenzung suchen, und sie erkennt sie sofort an ihrem Blick.

Bisschen lang, entschuldige, aber ich kriege es nicht gebündelter hin.