4. Leseabschnitt: Seite 148 bis zum Ende

RuLeka

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30. Januar 2018
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Jetzt weiß ich wieder ganz genau, warum es sich lohnt, an Leserunden teilzunehmen.
Die Erläuterungen des Knappen, der nun befördert werden sollte, haben mir weitergeholfen. Ich werde diesem Buch nicht gerecht, weil mich die Hauptfigur genervt hat ( ich, als alte, harte Frau kann nicht so viel Verständnis aufbringen für tragische und leidende Männer ).
Ich bin auch mehr bei Menschen, die es schaffen, aus ihrer Opferrolle herauszukommen.

Aber dank eurer Interpretationen empfinde ich das Buch nicht mehr so unstrukturiert. Mit ein paar losen Fäden kann ich leben. Die Zeiten der allwissenden Erzähler sind vorbei.
Ich werde mir vor der Rezension nochmals meine unterstrichenen Sätze anschauen und einige Abschnitte erneut lesen. Vielleicht kann ich dann aus meinen drei Punkten doch noch vier machen.
 

Literaturhexle

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Jetzt weiß ich wieder ganz genau, warum es sich lohnt, an Leserunden teilzunehmen.
Ich auch! Sie können von königlicher Zurückhaltung nicht leben. Sie brauchen den (mühevollen) Austausch.

ich, als alte, harte Frau kann nicht so viel Verständnis aufbringen für tragische und leidende Männer
Haha! Ja, das sind Männerbefindlichkeiten. Wobei es gewiss auch Frauen gibt, die sich ähnlich in ihrem vermeintlichen Schicksal suhlen können - Schau dich aufmerksam um...
So sehr wie dich hat mich Karsten nicht genervt, erst zum Ende hin. Aber dank Christian wurden meine dunklen Stellen doch noch erhellt.

Wäre tatsächlich schön, du könntest den Roman auch noch upgraden. Nochmal querlesen hilft tatsächlich beim Verständnis.
meine unterstrichenen Sätze anschauen
Jaaaaa!
Davon hat man viele! Und so schöne Wortschöpfungen:
Bittstellerhöflichkeit
Nebendirmensch
Erinnerungsgefängnis
Entzündungsfessel
uvm.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Man muss ihm hier aber zugute halten, dass die Hoffnungen der Eltern nach einem besseren Leben sich augenscheinlich nicht erfüllt haben. Es gibt für Karsten nichts auf der Habenseite zu verbuchen. Dadurch steigert er sich in diese Verlustgeschichte.
Ich glaube, es war mehr als der Wunsch nach einem besseren Leben. Ich meine mich zu erinnern, dass die Mutter abends Angst hatte, der Vater würde nicht nach Hause kommen und würde vor die Partei gezerrt. Vermutlich war die Flucht also eher Notwendigkeit.

Ist der emeritierte Professor Herbst der Vater des Revolutionärs? Oder ist das ein ganz anderer Vater? (Der Sohn kam beim Schwimmen in Irland ums Leben).I

Der Revolutionär war auf Sardinien.
 

Literaturhexle

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Barbara62

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19. März 2020
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Mich hat dieser letzte Abschnitt sehr enttäuscht. Eure Interpretationsversuche in allen Ehren, ich bewundere euch dafür und nehme sonst auch gerne daran teil, aber wenn fast alles einer Interpretation bedarf, ist mir das zu viel. Ich hatte im zweiten und dritten Abschnitt aufgeatmet, dass sich so einiges klärte und fügte, aber der vierte war für mich ein Absturz.

Mir liegt diese Geschichte viel zu sehr im luftleeren Raum. Eine einzige Jahreszahl konnte ich ermitteln, 1984, das war in Italien oder Irland. Die einzelnen Szenen sind wirklich gut geschrieben, teils sehr atmosphärisch, sprachlich wunderschön, aber sie bleiben für mich lose, wie ein Zettelkasten, durch den mich durcharbeite. Ab und zu findet sich eine Verbindung, aber oft eben auch nicht. Und so etwas verpufft bei mir, es bleibt mir nicht im Gedächtnis. Mir kommt es so vor, als wären hier einfach viele, viele Einfälle zusammengemixt worden, die letztlich unverbunden stehen bleiben.

Dazu kommt, dass ich mit Menschen wie Karsten überhaupt gar nichts anfangen kann. Er suhlt sich in seinem "Unglück". Ich will gar nicht bestreiten, dass er Traumatisches erlebt hat und dass Menschen unterschiedlich damit umgehen, aber nach 28 Jahren sollte man Abstand gewonnen haben. Das ist auch eine Frage des Willens in meinen Augen und willensschwache Menschen liegen mir leider nicht. Wie @RuLeka gehöre ich anscheinend auch zur härteren Fraktion.

Es ist mir schleierhaft, warum immer wieder Frauen auf Karsten hereinfallen. Irgendwann war er ja wohl auch verheiratet. Zum Glück erkennen alle ihren Irrtum früher oder später und korrigieren ihn. Das sind auch überlebensnotwendige Fluchten...

Sehr, sehr schade, aber es war nicht mein Buch. Ich lasse mir ein paar Tage Zeit für die Rezension und denke darüber nach, ob ich mich zu drei Sternen durchringen kann.
 

kingofmusic

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Sie können von königlicher Zurückhaltung nicht leben.
Ich bitte zu beachten, dass sich die Schlagzahl der Beiträge des Königs dieses Jahr schon (etwas/ deutlich) erhöht hat :p :D. Aber da die Politiker ihre Reden auch nicht selber schreiben, sondern Ghostwriter - warum sollte dann ein König auf die Beiträge seines wohlverdienten Knappen "verzichten" und sich in den Vordergrund drängen? :D
 

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„ Was, meinst du, frage ich ihn, ist in einer Welt voller Flucht besonderes an deiner Geschichte.“
Das habe ich mich auch beständig gefragt. Es gibt weitaus dramatischere Fluchtgeschichten. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass der Erzähler so viel zurückgelassen hat. Seine Großeltern, die Landschaft seiner Kindheit… das schon. Trotzdem!
Gert Loschütz entkräftet meinen Einwand: „ Dass es meine ist.“
Mit diesem Argument darf jede Geschichte erzählt werden, jedes Erleben ist individuell, subjektiv und einzigartig und wert erzählt zu werden.
Sollen wir jetzt wirklich glauben, dass der Abwurf des Koffers Heilung bringen kann? Ich weiß nicht.

RuLeka, ich bin ebenso ratlos wie du.
und da ist noch die verrückte Geschichte, Burkhardt habe ihn mit einem Stein geschlagen, was auch nicht stimmte. Warum diese Gewaltfantasien? Für mich blieben auch einige Fragen offen.
Danke an alle, die so wunderbare Interpretationsansätze geliefert haben :). Das mit dem Lynchmord kam mir auch in den Sinn. Aber auch bei mir überwog die Enttäuschung am Ende.
Vera hat hat den Erzähler jedoch wunderbar entlarvt, als Rückwärtsgewandter, der nicht im Hier und Jetzt zu leben vermag.
 

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Das habe ich mich auch beständig gefragt. Es gibt weitaus dramatischere Fluchtgeschichten. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass der Erzähler so viel zurückgelassen hat. Seine Großeltern, die Landschaft seiner Kindheit… das schon. Trotzdem!
Gert Loschütz entkräftet meinen Einwand: „ Dass es meine ist.“
Auch mich lässt dieses Buch ratlos zurück, obwohl ich es ein zweites Mal gelesen habe, diesmal ohne Unterbrechungen, dachte, ich hätte vielleicht irgend welche kleine Hinweise übersehen, die dann doch wenigstens einige der losen Enden verknüpfen, mir mit einigen offenen Fragen weiterhelfen. Doch nein, ich bleibe ratlos, aber mich versöhnt die Sprache. Gerade der hier zitierte Abschnitt, ab "Blieb ich aber an seiner Seite ...) von Seite 192 bis Seite 193, bis zu der Aussage "Daß es meine ist", ist eine meine Lieblingsstellen, malt Bilder und zumindest einige Erklärungen in meine Gedanken. Dennoch frage ich mich, kann wirklich nur der Zorn eines Zehnjährigen, nicht gefragt worden zu sein, bevor man ihn aus seinem gewohnten Leben reißt und in ein völlig neues Leben verpflanzt, dazu führen, ein gesamtes nachfolgendes Leben so nachhaltig zu beeinflussen? Die Flucht in Verbindung mit Krankheit und Tod der Mutter? In der Phantasie des Jungen wurde sie krank, weil sie auch nicht in dem neuen Leben (des Vaters neues Leben) ankommen wollte, reicht das aus, für die nachfolgendes Geschichte seines Lebens?
 

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Ist der emeritierte Professor Herbst der Vater des Revolutionärs? Oder ist das ein ganz anderer Vater?
Ich denke eher an Burckhardt, nach diesem zufälligen Wiedersehen in Inishmore, der Szene mit dem Stein, dann im Zirkus die neuerlichen Krämpfe von Burckhardt, vielleicht ist er später auf die Aran Islands zurückgekehrt, auf Insihmann, die wildeste, mittlere der Inseln, dort geblieben und dann, freiwillig oder nicht, ertrunken? Hier sehe ich doch einige Hinweise.
 

Literaturhexle

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kann wirklich nur der Zorn eines Zehnjährigen, nicht gefragt worden zu sein, bevor man ihn aus seinem gewohnten Leben reißt und in ein völlig neues Leben verpflanzt, dazu führen, ein gesamtes nachfolgendes Leben so nachhaltig zu beeinflussen? Die
Wir können es uns nicht vorstellen, weil wir einen ganz anderen Charakter haben. Es gibt Menschen, die nehmen ALLES schwer, sehen immer nur das Dunkle, leiden, bedauern, halten Rückschau, suchen Verantwortliche für das eigene Los.
Insofern finde ich Karsten als Figur stimmig.
 

wal.li

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Das war nicht nett von den Eltern, aber, wie @ Barbara schon angemerkt hat, völlig üblich und notwendig, wenn man aus der DDR flüchten wollte. Jede unbedachte Bemerkung hätte das ganze Unterfangen gefährdet. Als Kind konnte Karsten das nicht begreifen, aber als Erwachsener hätte er seine Eltern verstehen müssen.
Ich musste mir in Erinnerung rufen, dass der Roman schon 1990 erschien. Irgendwann wird erwähnt, dass die Flucht schon vor 28 Jahren stattfand. Das wäre 1962 so ungefähr, möglicherweise kurz vor dem Mauerbau und sie sind ja auch mit dem Zug nach Berlin gefahren. Ich glaube auch, dass die Eltern es geheimhalten mussten und dass vielleicht die letzte Chance genutzt werden sollte. Man konnte zwar den Mauerbau nicht ahnen, wusste aber vermutlich doch, dass immer mehr Menschen flohen und dass der Staat irgendwann etwas unternehmen würde.
 

Literaturhexle

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Ich bin auch unsicher. Das war eine Frau, die später keine Rolle mehr spielte. Die wichtige ist Vera.
 

Barbara62

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Ich bin auch unsicher. Das war eine Frau, die später keine Rolle mehr spielte. Die wichtige ist Vera.
Ich glaube gar nicht, dass Karsten ein Verhältnis mit ihr hatte. Sie war seine WG-Partnerin. Aber welche Bedeutung hat ihre Geschichte für den Roman? Es ist eine der Episoden, mit der ich überhaupt nichts anfangen kann. Ich dachte, ihr hättet vielleicht eine Idee.