4. Leseabschnitt: S. 241 bis S. 340

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Gottschalk wird auch bewusst, dass das, was man in Deutschland gedacht hatte, hier nicht passte. „ Gottschalk hatte in Warmbad oft darüber gegrübelt, dass vieles, was man dachte und wie man dachte, nicht mit dieser Landschaft zusammenpasste. Es war, als hätte man solche Gedanken und Sätze wie Reisegepäck, das sich dann aber als unzweckmäßig erwies, in dieses Land geschleppt. Eine Zeit lang ging Gottschalk dem verrückten Gedanken nach, aus der Landschaft und von den Einwohnern ein neues Denken zu lernen, mit dessen Hilfe man alles anders sehen könnte, tiefer und genauer.“
Mit diesen Überlegungen hebt er sich aus seinen Kameraden heraus. Das war es ja, was oft so lächerlich wirkte, dass die Missionare, Händler und Soldaten mit ihrem deutschen Denken versuchen, hier Probleme zu lösen .

Und diese Lächerlichkeit kolonialen Denkens wird von Timm hier in den Fokus gerückt, so dass man sich auch unwillkürlich fragt, wie dieses Thema Kolonien geschehen und funktionieren konnte. Was eine technische Überlegenheit alles möglich macht, denn mental waren die Eroberer den Eingeborenen definitiv nicht überlegen, was die lächerlichen kolonialen Typen und auch ein Morenga bezeugt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Dieser Brief Harings an seine Frau in Deutschland: zuerst berichtet er vom Schlachtfeld, beschreibt detailliert die Toten , alles sehr abstoßend und endet den Brief mit der Idylle, wie er unter dem afrikanischen Himmel liegt und er dabei an seine Frau und seine Kinder denkt. Der Kontrast wird ihm garnicht bewusst. Nein, die Toten, die Grausamkeiten müssen sein, damit es Morenga und seinen Leuten an den Kragen geht und Ruhe hier einkehrt.

Ein verqueres Denken, definitiv. Aber wie viele Menschen können und wollen nicht einsehen, dass ihr eigenes Tun und Handeln Folgen hat? Für die ist eben immer die Umgebung schuld und eben nicht ihr eigenes Denken und Handeln. Aber vielleicht lebt es sich dann einfacher. :confused::confused:
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Ich frage mich immer mehr wann denn endlich wieder Wenstrup auftaucht. Die Handlung schreitet voran und von Wenstrup ist keine Spur zu vernehmen???
Inzwischen zweifle ich, ob er überhaupt noch vorkommt. Vielleicht war seine Funktion im Roman nur die, Zweifel bei Gottschalk zu säen und ihm das Buch zu hinterlassen?
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Ich denke schon, dass es einige Deutsche gab die keine Rassisten waren. Ich könnte mir auch vorstellen, dass dies der Hintergedanke von Timm war, diesen Aspekt durch seine Charaktere hervorzuheben.
Das Buch könnte doch nicht aktueller sein, oder?
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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@Sassenach123

Eigentlich weiß man ja aus der langen Geschichte der Menscheit, zu was Menschen fähig sind, aber es ist immer wieder schockierend.

@Anjuta

Mir gefällt, in welche Richtung sich Gottschalk bewegt: er fängt an, zu denken und zu hinterfragen, und er beginnt zu begreifen, was vor seinen Augen alles passiert.

@Barbara62

Gottschalk alleine kann sicher wirklich nichts dagegen unternehmen, was geschieht. Es bräuchte mehr Menschen, die sagen: Nein, da machen wir nicht mit... Er steht im Moment wirklich vor einem schrecklichen Dilemma. Wenn er desertiert, wird er wahrscheinlich sterben, und wird das irgendetwas ändern?

Aber vielleicht gibt es noch andere, die heimlich solche Gedanken hegen, aber nicht handeln, weil sie glauben, die Einzigen zu sein?

@RuLeka

Hinbiegen, im Grunde heißt das ja nur "Wir werden Sie schon wieder so abrichten, dass Sie alles mitmachen und nichts hinterfragen"...

"Eine Zeit lang ging Gottschalk dem verrückten Gedanken nach, aus der Landschaft und von den Einwohnern ein neues Denken zu lernen, mit dessen Hilfe man alles anders sehen könnte, tiefer und genauer." – das habe ich mir auch angestrichen, weil es zeigt, wie weit Gottschalk in seiner persönlichen Entwicklung gekommen ist. Hoffentlich erkennt er noch, dass der Gedanken gar nicht so verrückt ist, und dass nicht ER derjenige ist, der den falschen Blick auf das Ganze hat.

@Wandablue

Ja, die Deutschen waren SO kurz davor, durch ihre eigene Überheblichkeit und ihren Größenwahn gegen 300 "Wilde" zu verlieren... Und was lernt man daraus? Nichts.

@renee

Ich hatte mich auch schon gefragt, wann Morenga mehr ins Zentrum rückt!

Er muss eine beeindruckende Gestalt gewesen sein, charismatisch und intelligent – der wandelnde Beweis dafür, wie falsch ein Großteil der Deutschen damit lag, die Ureinwohner als minderbemittelt und fast schon tierhaft zu betrachten.

Wenn es Menschen wie Gottschalk nicht gäbe, dann wäre die Menschheit nicht mehr zu retten. Aber ich leide mit ihm, weil er keinen Weg sieht, einen Zweifeln Taten folgen zu lassen.

Ja, es ist unglaublich überheblich und dumm, Menschen Faulheit vorzuwerfen, die mit ihrer Energie haushalten MÜSSEN.

@Barbara62

Nein, aktueller könnte das Thema von Rassismus wirklich nicht sein... Mich beschäftigt zur Zeit quasi pausenlos der Gedanke an Georg Floyd, die Proteste und wie in den USA damit umgegangen wird. Mit Polizeigewalt auf Menschen reagieren, die gegen Polizeigewalt protestieren.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
[zitat]Nein, aktueller könnte das Thema von Rassismus wirklich nicht sein... Mich beschäftigt zur Zeit quasi pausenlos der Gedanke an Georg Floyd, die Proteste und wie in den USA damit umgegangen wird. Mit Polizeigewalt auf Menschen reagieren, die gegen Polizeigewalt protestieren. [/zitat]

Liebe @Mikka Liest ,

mir geht es genauso. Ich habe gestern ein Beitrag in der Carolin Kebekus Show gesehen, wo es darum ging, dass eben dieser Rassismus nicht so weit weg ist und Afrodeutsche zu Wort kamen und erschreckendes berichteten. :confused::confused:
 

kingofmusic

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[zitat]Nein, aktueller könnte das Thema von Rassismus wirklich nicht sein... Mich beschäftigt zur Zeit quasi pausenlos der Gedanke an Georg Floyd, die Proteste und wie in den USA damit umgegangen wird. Mit Polizeigewalt auf Menschen reagieren, die gegen Polizeigewalt protestieren. [/zitat]

Liebe @Mikka Liest ,

mir geht es genauso. Ich habe gestern ein Beitrag in der Carolin Kebekus Show gesehen, wo es darum ging, dass eben dieser Rassismus nicht so weit weg ist und Afrodeutsche zu Wort kamen und erschreckendes berichteten. :confused::confused:
Das habe ich auch gesehen, liebe @renee . Es braucht mehr solcher Beiträge im Fernsehen und überall. Irgendwann muss dieser Irrsinn doch mal ein Ende haben. Aber da ist wohl der Wunsch Vater des Gedanken...
 

Anjuta

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Essen
Die Erkenntnis über die Absurdität des Tuns wird bei Gottschalk in diesem LA immer stärker. Besonders gut ist das für mich ausgedrückt auf S. 285:
[zitat]Er dachte, man verteidige das Vaterland, aber genau genommen seien es die Hottentotten, die ihr Vaterland verteidigten.[/zitat]
Aber dennoch ist da auch weiter das immerschwärende Herrendenken, von dem abzurücken in diesen Zeiten so ungemein schwer erscheint:
[zitat]...er sei davon überzeugt, dass dieses Gesetz gilt: Der eine ist Amboss, der andere Hammer. Das ist ein universelles Gesetz: Der Wille zur Macht. Alles andere Philanthropie. die aber bewege nichts.[/zitat]
Tut man es, dann wird man unvermeidlich zum Außenseiter und zum Spinner. Das zu werden bzw. so zu erscheinen ist für Gottschalk immer noch sehr abwegig. Aber er rückt in diese Position immer mehr:
[zitat]Man kann sein Verhalten allenfalls als absonderlich bezeichnen, als eine übertriebene Interessenahme für alles Hottentottische, was sich auch daran zeigt, dass O. Gottschalk versucht, die höchst komplizierte Namasprache zu erlernen[/zitat]
In einer militärisch geprägten Welt, in der das Individuum so gar nicht zählt, sondern nur durch sein unwidersprochenes Mitwirken am Gruppenhandeln seine Bedeutung hat, ist Aussteigen und Abweichen wirklich eine Heldentat. Das hat mir dieser LA und das ganze Buch wieder einmal vor Augen geführt.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Das Kapitel "Landeskunde 3" hat mich sehr gefesselt, zum Beispiel die Geschichte über die "Voodoopuppe", die die Landgesellschaft darstellt. Einiges am Vorgehen der Landgesellschaft hat mich an Asturias' Trilogie aus Guatemala erinnert, wo die Bananengesellschaft z.T. in ganz ähnlicher Weise mit den landbesitzenden Indios umging wie die "Landgesellschaft" in Namibia mit den Einwohnern.
Ich bin trotzdem froh, dass die Lektüre dem Ende zugeht. Ich fühle mich zunehmend bedrückt davon, zumal ich auch gerade hier zu Hause eine aufregende Phase habe.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Das Kapitel "Landeskunde 3" hat mich sehr gefesselt, zum Beispiel die Geschichte über die "Voodoopuppe", die die Landgesellschaft darstellt. Einiges am Vorgehen der Landgesellschaft hat mich an Asturias' Trilogie aus Guatemala erinnert, wo die Bananengesellschaft z.T. in ganz ähnlicher Weise mit den landbesitzenden Indios umging wie die "Landgesellschaft" in Namibia mit den Einwohnern.
Ich bin trotzdem froh, dass die Lektüre dem Ende zugeht. Ich fühle mich zunehmend bedrückt davon, zumal ich auch gerade hier zu Hause eine aufregende Phase habe.

Übrigens habe ich über die Bildersuche nach Hermann Schultz' Fotos gesucht, aber leider nichts gefunden. Ein weit früher (im Kapitel "Der Prophet") beschriebenes Foto des Missionars Wandres mit seiner Frau kann man im Netz finden.
 

kingofmusic

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Die Erkenntnis über die Absurdität des Tuns wird bei Gottschalk in diesem LA immer stärker. Besonders gut ist das für mich ausgedrückt auf S. 285:
[zitat]Er dachte, man verteidige das Vaterland, aber genau genommen seien es die Hottentotten, die ihr Vaterland verteidigten.[/zitat]
Aber dennoch ist da auch weiter das immerschwärende Herrendenken, von dem abzurücken in diesen Zeiten so ungemein schwer erscheint:
[zitat]...er sei davon überzeugt, dass dieses Gesetz gilt: Der eine ist Amboss, der andere Hammer. Das ist ein universelles Gesetz: Der Wille zur Macht. Alles andere Philanthropie. die aber bewege nichts.[/zitat]
Tut man es, dann wird man unvermeidlich zum Außenseiter und zum Spinner. Das zu werden bzw. so zu erscheinen ist für Gottschalk immer noch sehr abwegig. Aber er rückt in diese Position immer mehr:
[zitat]Man kann sein Verhalten allenfalls als absonderlich bezeichnen, als eine übertriebene Interessenahme für alles Hottentottische, was sich auch daran zeigt, dass O. Gottschalk versucht, die höchst komplizierte Namasprache zu erlernen[/zitat]
In einer militärisch geprägten Welt, in der das Individuum so gar nicht zählt, sondern nur durch sein unwidersprochenes Mitwirken am Gruppenhandeln seine Bedeutung hat, ist Aussteigen und Abweichen wirklich eine Heldentat. Das hat mir dieser LA und das ganze Buch wieder einmal vor Augen geführt.
Ja, das Buch wimmelt nur so von tollen Zitaten; ich habe mir auch ganz viel angestrichen.
 

Emswashed

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Gottschalk hingegen wandelt sich immer mehr, verändert sich immer mehr in Richtung Wenstrup, wird sympathischer. Man merkt wie dieses Geschehen in Deutsch-Südwest an ihm nagt.
Wobei ich mich natürlich immer noch frage, ob die Anmerkungen Wenstrups in dem Kropotkin Buch sarkastisch gemeint waren. Gottschlak und Wenstrup gehen doch sehr verschiedene Wege.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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"

Insgesamt fühlt sich das Buch ein bisschen wie Arbeit an. Aber ich bin sehr froh, dass ich auf diese Weise so viel über die deutsche Kolonialgeschichte erfahre.

Mir geht es ähnlich. Ich stelle fest, dass nach einem Arbeitstag nur seitenweise voran komme. Nun kommt ein verlängertes Wochenende, da kann ich es bestimmt beenden.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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An der Bürokratie hat sich irgendwie nicht viel geändert in über hundert Jahren. Die Schwierigkeiten, einen Orden zurückzugeben, sprechen für sich. :)

Interessant fand ich, dass Morenga offensichtlich sehr intelligent und auch ein guter Stratege war, der die Deutschen mit ihren eigenen Waffen schlug oder in Schach hielt.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Wobei ich mich natürlich immer noch frage, ob die Anmerkungen Wenstrups in dem Kropotkin Buch sarkastisch gemeint waren. Gottschlak und Wenstrup gehen doch sehr verschiedene Wege.

Die Frage hat mich auch länger umgetrieben – rein gefühlsmäßig tendiere ich dazu, es als Sarkasmus zu sehen, aber vielleicht ist Wenstrup ja auch insgeheim ganz anders, als ich dachte...?
 

MRO1975

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[zitat]Nein, aktueller könnte das Thema von Rassismus wirklich nicht sein... Mich beschäftigt zur Zeit quasi pausenlos der Gedanke an Georg Floyd, die Proteste und wie in den USA damit umgegangen wird. Mit Polizeigewalt auf Menschen reagieren, die gegen Polizeigewalt protestieren. [/zitat]

Liebe @Mikka Liest ,

mir geht es genauso. Ich habe gestern ein Beitrag in der Carolin Kebekus Show gesehen, wo es darum ging, dass eben dieser Rassismus nicht so weit weg ist und Afrodeutsche zu Wort kamen und erschreckendes berichteten. :confused::confused:
Den Beitrag habe ich auch gesehen. Es ist schon schockierend, was da so berichtet wurde. Klasse fand ich auch, dass die aneinandergereihten Aussagen genau so lang dauerten, wie der Todeskampf von Herrn Floyd dauerte. Grausam...