4. Leseabschnitt: S. 189 bis 240

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.442
49.883
49
Seite 215

Auch ich muss mir jetzt hier etwas Luft verschaffen!
In diesem Abschnitt nehmen wir Anteil am Niedergang der großen Schauspielerin O'Dell. Sie hadert mit dem Alter, mit dem Misserfolg. Sie schreibt unbrauchbare Drehbücher...
Diese Frau hat sich ihr ganzes Leben lang nur über ihren Beruf definiert, sie hat sonst nichts anderes. Leider hat sie es nie geschafft, Beziehungen zu anderen, nicht berechnenden, Menschen aufzubauen. Auch die Mutterrolle bringt ihr keine Erfüllung.

Schlimm, dass Menschen sie auf der Straße einfach ansprechen und kritisieren. Ich finde das übergriffig, aber öffentliche Menschen werden da schon einiges zu ertragen haben. Katherine macht das fertig. Sie kann damit nicht umgehen. Sie braucht einen Therapeuten. Der Pater erscheint mir auch als extrem windige Person, der sich zu berühmten Menschen hingezogen fühlt: Klar, in deren Kielwasser lässt es sich schmarotzen. Psychische Probleme mit LSD anzugehen - sehr bedenklich.

Auch Boyd macht keine gute Figur. Bei diesem Vorsprechen scheint er K. ja wirklich demontieren zu wollen. Für K. trägt er die Verantwortung am Niedergang. Das kann Ursache für den Schuss sein, wir kommen der Sache näher.

Was ich nun überhaupt nicht verstehe und was mich regelrecht empört, ist der erneute Sex Norahs mit diesem Duggan. Habe ich etwas überlesen? Warum liefert sie sich ihm erneut aus, lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes benutzen und beschmutzen?!?
Der Mann ist alt und hässlich, als "Ficker" bekannt. Ist es ihr Vaterkomplex? Warum wollte er sie innerlich brechen (S.214)? Vielleicht stellvertretend für die Mutter?

Als Norah heim kommt, ist er weg, kommt nie mehr ins Haus. Ihre Mutter ist genau da verrückt geworden....:eek:

Ist Duggan ihr leiblicher Vater? Ist K. deshalb so geschockt (bestimmt hat der Macho es ihr erzählt)?

Dieses zweite sexuelle Abenteuer mit diesem Mann hat für mich etwas von Prostitution.
[zitat]Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich womöglich für den Sex mit Duggan bezahlen musste, indem ich noch einmal mit ihm schlief... (S. 208)[/zitat]

Irgendwas habe ich nicht verstanden. Könnt ihr helfen?
 
  • Like
Reaktionen: KrimiElse

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.526
24.552
49
66
arum liefert sie sich ihm erneut aus, lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes benutzen und beschmutzen?!?
Der Mann ist alt und hässlich, als "Ficker" bekannt. Ist es ihr Vaterkomplex? Warum wollte er sie innerlich brechen (S.214)? Vielleicht stellvertretend für die Mutter?
Diese Szene tat mir beinahe körperlich weh. Es ist erschreckend faszinierend, wie Anne Enright diese „ Vergewaltigung“ beschreibt. Die Szene ist nicht voyeuristisch, nein, man möchte garnicht so genau hinschauen. Aber die Frage bleibt. Warum lässt sich Norah darauf ein ? Und was sind die Beweggründe von Duggan.
 

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
Es kann sein, dass Duggan Norahs Vater ist. Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen. Ich denke eher, dass man nie erfahren wird, wer der Vater war....
Ich reime mir diesen zweiten schrecklichen Sex von Norah mit dem Ficker folgendermaßen zusammen:
Der erste Sex mit Guggan war so eine Art Abenteuer, ein verrückter Streich, mit einem Stadtbekannten alten Ficker zu schlafen. Sie hatte danach ja den Drang, damit zu prahlen.
Das zweite mal empfand ich dann auch als Prostitution. Es hat mit ihrer Mutter zu tun. Aber ich sehe da keine Konkurrenz. Eher macht sie es für ihre Mutter. Ihre Mutter braucht den Dozenten für ihre Drehbücher bzw. für ihre angestrebte Karriere als Autorin. Duggan hat es auf Norah abgesehen. Wenn sie ihn jetzt zurückweist, wird er dann noch ihrer Mutter helfen? Sie kann ihn ja nicht zurückweisen mit dem Argument, dass sie nicht auf ihn steht, schließlich hat sie schon mal mit ihm geschlafen. Wie soll sie ihn zurückweisen, ohne dass er ernstlich sauer ist und auch mit der Mutter nichts mehr zu tun haben will?

Die Szene mit der verschütteten Milch war sehr symbolisch finde ich. Ich dachte an Sperma. Das Holz glänzte danach nicht mehr so wie früher aber Kitty bringt es wieder auf Hochglanz. Kitty scheint Ruhe und Verlässlichkeit in Norahs Leben zu bringen.
Als Norah sich weigert die Milch aufzuwischen wird K. klar, dass Duggan auf ihr Kind steht und nicht auf sie. Es wird ihr klar, dass sie Duggan als Unterstützer verloren hat. K. scheint sehr viel von Duggan und auch von Boyd zu halten und ihr Selbstwertgefühl vom Urteil dieser Männern abhängig zu machen. Andererseits haben diese Männer auch tatsächlich Macht über sie.

Das sind alles Spekulationen, sicher kann man es auch anders interpretieren. Man muss das Buch zu Ende lesen um Genaueres zu sagen.

Zu der Frage warum Duggan das macht.? Warum hat Harvey Weinstein Dutzende von Frauen gequält. Aus Sadismus, um sich mächtig zu fühlen. Der eigene Spaß zählt, um den Anderen macht man sich keine Gedanken. Warum auch...man tut es weil man es kann...man muss nicht mit negativen Folgen rechnen.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.442
49.883
49
Es kann sein, dass Duggan Norahs Vater ist. Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen. Ich denke eher, dass man nie erfahren wird, wer der Vater war....
Ich reime mir diesen zweiten schrecklichen Sex von Norah mit dem Ficker folgendermaßen zusammen:
Der erste Sex mit Guggan war so eine Art Abenteuer, ein verrückter Streich, mit einem Stadtbekannten alten Ficker zu schlafen. Sie hatte danach ja den Drang, damit zu prahlen.
Das zweite mal empfand ich dann auch als Prostitution. Es hat mit ihrer Mutter zu tun. Aber ich sehe da keine Konkurrenz. Eher macht sie es für ihre Mutter. Ihre Mutter braucht den Dozenten für ihre Drehbücher bzw. für ihre angestrebte Karriere als Autorin. Duggan hat es auf Norah abgesehen. Wenn sie ihn jetzt zurückweist, wird er dann noch ihrer Mutter helfen? Sie kann ihn ja nicht zurückweisen mit dem Argument, dass sie nicht auf ihn steht, schließlich hat sie schon mal mit ihm geschlafen. Wie soll sie ihn zurückweisen, ohne dass er ernstlich sauer ist und auch mit der Mutter nichts mehr zu tun haben will?

Die Szene mit der verschütteten Milch war sehr symbolisch finde ich. Ich dachte an Sperma. Das Holz glänzte danach nicht mehr so wie früher aber Kitty bringt es wieder auf Hochglanz. Kitty scheint Ruhe und Verlässlichkeit in Norahs Leben zu bringen.
Als Norah sich weigert die Milch aufzuwischen wird K. klar, dass Duggan auf ihr Kind steht und nicht auf sie. Es wird ihr klar, dass sie Duggan als Unterstützer verloren hat. K. scheint sehr viel von Duggan und auch von Boyd zu halten und ihr Selbstwertgefühl vom Urteil dieser Männern abhängig zu machen. Andererseits haben diese Männer auch tatsächlich Macht über sie.

Das sind alles Spekulationen, sicher kann man es auch anders interpretieren. Man muss das Buch zu Ende lesen um Genaueres zu sagen.

Zu der Frage warum Duggan das macht.? Warum hat Harvey Weinstein Dutzende von Frauen gequält. Aus Sadismus, um sich mächtig zu fühlen. Der eigene Spaß zählt, um den Anderen macht man sich keine Gedanken. Warum auch...man tut es weil man es kann...man muss nicht mit negativen Folgen rechnen.
Sehr interessante Ausführungen, Leseglück! Ich glaube, da ist viel Wahres dran. An Weinstein habe ich während der letzten Seiten auch denken müssen. Ich glaube wirklich, man braucht jetzt das Ende, um alles einigermaßen einordnen zu können.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.606
21.866
49
Brandenburg
Es passieren so viele Dinge auf einmal!

Die Zeitsprünge stören mich im Prinzip nicht, führen allerdings dazu, dass ich mir nicht alles merken kann.

Sehr seltsam die Vergewaltigung von Nora. Hier hätte es ein Richter enorm schwer. Es gab ein Opfer, aber das Opfer war auch wieder keins. Gab es nicht einvernehmlichen Sex, wenn sie mit ihm nach Hause geht und sich selber auszieht? Es war wohl mehr so ein sublimes Machtspielchen, bei dem Nora verloren hat. Sie ist eh ein sehr merkwürdiger Mensch.

Die enge Beziehung zwischen Tochter und Mutter kommt wieder einmal dadurch zum Ausdruck, dass die Mutter Nora "ansieht" (anmerkt), was passiert ist und sie in eine Depression verfällt, weil sie der Tochter nicht hat helfen können.
Reden wäre eine bessere Option gewesen.
Auch als Nora das erste Mal Sex hat, hat die Mutter dies gemerkt.
Es geht, solange es um Nora geht, mir zu oft um Sex. Sonst nichts?
Ich mag Nora nicht. Ja, ich weiß, ich habs tausendmal gesagt.

Ich mag besonders die Schilderungen der Stücke nicht, in denen die Mutter auftritt. Allerdings gibt es dem Buch natürlich seine Glaubwürdigkeit. So wäre es, wenn es wäre.

Der Sinn einer fiktiven Schauspielerinnenbiografie erschließt sich mir nicht.

Dann die geheime Beziehung zum Pater. Oh je. Die absurden Messen in Ks. Haus. Extrem.

S. 198 gings um Schuld.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.606
21.866
49
Brandenburg
Schlimm, dass Menschen sie auf der Straße einfach ansprechen und kritisieren.

Haha. Vergleichen mit der Belästigung der Stars heute, ist das nichts. Aber du hast selbstverständlich recht. Das ist unverschämt, damals wie heute. Es fängt schon damit an, dass man sich berichtet, ich hab den und die gesehen. So what? Ich hab für Fans und die Fankultur nix übrig.


Als Norah heim kommt, ist er weg, kommt nie mehr ins Haus. Ihre Mutter ist genau da verrückt geworden.

Für Nora ist es eine Vergewaltigung gewesen.
Irgendwas habe ich nicht verstanden. Könnt ihr helfen?

Nora ist sehr schwer zu fassen, finde ich.

Aber Enright hat sehr schön beschrieben, wie der Niedergang eines Stars aussehen kann und weshalb er überhaupt stattfindet. Vllt ist das, das Allgemeingültige dran und wird damit für mich endlich sinnvoll(er).
Schläft Norah ein zweites Mal mit ihm, damit er über das erste Mal schweigt?

So sehe ich es nicht. In Noras Kopf spielen sich die seltsamsten Fantasien ab. Ich könnte mir eher ein solches Szenario vorstellen. "Oh Gott, schon wieder dieser alte Sack, der sich mordsmässig was einbildet. Weil ich einmal mit ihm im Bett war, denkt er, er hat ein Anrecht auf mich. Der wird mich nie in Ruhe lassen. Vllt lässt er mich in Frieden, wenn ich noch einmal mit ihm.. "
 
  • Like
Reaktionen: KrimiElse und RuLeka

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
Was mir hier gefallen hat, war, dass recht gut herausgearbeitet wird, dass Katherine eine narzisstische Problematik, also eine Selbstwertproblematik, hat.
Und zwar in pathologischem/krankheitswertigem Sinn. Nicht im Alltagsjargon. (Die Problematik führt ja letztlich zu Depression und Psychose)

An 3 Beispielen möchte ich das festmachen,

1)Ein instabiles Selbst, das beim kleinsten Windhauch zusammenbricht:

Die Autorin präsentiert uns eine schöne Beschreibung einer narzisstischen Person (Katherine): „Und obwohl sie ihr Leben lang von der Liebe all jener getragen wurde, die sie vom dunklen Zuschauerraum aus bewunderten, reichte eine einzige Gehässigkeit aus, und sie rannte weinend nach Hause.“ (S. 201)

2)Die Unmöglichkeit bzw. Schwierigkeit, Ablehnung einzustecken.

Das Motiv für das Verbrechen rückt nochmal in den Fokus.
Boyd wurde eig. erst interessant für Katherine, nachdem er sie für „Meine dunkle Rosaleen“ ablehnte. Das ist ja erstmal nicht sooo ungewöhnlich.
Ab da war sie aber „besessen von dem Mann.“ (S. 194)
Es wurde von da an ihr Ziel, ihn zu erreichen. Jagen als Motiv.
Den Misserfolg, die Zurückweisung und die Demütigung konnte sie nicht hinnehmen. Nicht aushalten, nicht ertragen.
Es muss ein gutes Ende nehmen, darum muss er interessant, erreicht und mit Ehrgeiz gejagt werden.

Es ging also - aufgrund ihrer narzisstischen Problematik - darum, die persönliche Blamage umzukehren in einen Sieg/Triumpf.
(Sie war darüberhinaus aber auch beruflich abhängig von ihm, dem „Hauptverantwortlichen für den irischen Film“ (S. 197))

Er „trieb sie in den Wahnsinn.“ (S. 198)... so gelitten hat K. unter seiner Ablehnung.

(Nicht B. oder D. trieben sie in den Wahnsinn, sondern ihre narzisstische und histrionische Struktur)

3)Nachdem N. ein zweites Mal mit D. geschlafen und K. es herausgefunden hat, stürzt diese in eine Depression. Der Grund: sie ist gekränkt.
Einerseits, weil D. ihr das Liebste (ihren Besitz) weggenommen hat, andererseits aber auch, weil N. ihr ihr Alter und ihre abnehmende Anziehungskraft und Attraktivität vor Augen gehalten hat. D. ist eig. Teil von K.‘s Jagdrevier. Auch N. hat ihr etwas weggenommen.
Beide haben ihr etwas weggenommen und etwas vor Augen gehalten. Das konnte sie mit ihrer narzisstischen und histrionischen Struktur, mit ihrem zerbrechlichen und instabilen Selbst nicht ertragen.

N. weiß, was sie ihrer Mutter angetan hat. Deshalb geht es ihr danach so schlecht. Sie spricht von Selbsthass, Verachtung, Reue.
Wichtige Passagen in diesem Zusammenhang sind;

„Das hat man davon, wenn man seinem Daddy hinterher läuft, dachte ich. Man hat mehr davon, als man wollte.“ (S. 211)

„Ich sagte, zunächst einmal hätte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mit Duggan geschlafen hatte. Es fühle sich an, als hätte ich ihn meiner Mutter ausgespannt. Als konkurrierten wir um den alten Ficker, wo wir doch das Gegenteil von Rivalinnen seien.“

Duggan habe sie ihrer Mutter weggenommen. „Er begehrte, was meiner Mutter am meisten liebte: mich.“ (S. 223)

„Ein Mann hatte sie gestohlen. Er hatte ihr die einzige Freude und das beste auf der Welt genommen.“(S. 240)

„Selbstverständlich gebe ich mir die Schuld, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich die Aufgabe eines Kindes ist, für die seelische Gesundheit seiner Eltern zu sorgen.“ (S. 198)
(Endlich mal eine verhaltene Gefühlsäusserung!)
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.442
49.883
49
@SuPro
Deine Ausführungen sind sehr aufschlussreich. Ich glaube Allerdings, dass es mir das Buch etwas verleidet Hätte, wenn ich soviel Fachwissen hätte wie du. Es ist schon alles sehr psychologisch, was da passiert....

Die genannten Textstellen habe ich mir auch alle notiert. Manches erschließt sich wirklich zum Ende hin.
 
  • Like
Reaktionen: KrimiElse und SuPro

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
So weit muss man gar nicht gedanklich gehen.
'there's no use crying over spilt milk' – d. h. über Dinge, die bereits geschehen sind, braucht man keine Träne mehr zu vergießen..
Meinst du Norah soll sich keine Gedanken machen über den Sex mit Duggan?
Die Szene ist sehr aufgeladen mit sexueller Bedeutung. Als Norah die Milch verschüttet ist Duggan "erregt" er lässt seinen Spruch los, den er offensichtlich immer nach dem Sex loslässt "Schwester Margaret.."
Norah sieht das Flackern in seinen Augen und weiß, dass Duggan genau wusste was er ihr angetan hat (als er das zweite Mal mit N. geschlafen hat)...
Ich denke das Sprichwort mit der verschütteten Milch greift hier ein bisschen zu kurz
 

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Meinst du Norah soll sich keine Gedanken machen über den Sex mit Duggan?
Ich sehe es als generellen Auftrag an Norah, Vergangenes sein zu lassen.

Aber is euch aufgefallen, welche Affinität Enright zu Milchprodukten hat.

Gleich auf der ersten Seite "Die meisten Leute wollen wissen, wie sie war, bevor sie verrückt wurde, gerade so als könnte auch ihre eigene Mutter über Nacht schlecht werden wie ene Flasche Milch, die nicht in den Kühlschrank zurückgestellt wurde."

oder S. 41 "Sie hätte nicht so tun müssen, als wäre sie meine Mutter, dnn das war sie schon. Es war wie Doppelrahm"

Die Straße in London, wo Katherine geboren wurde,heißt Milkwood Road.
"Ja, es ist nur Butter!" und manchmal ist Milch einfach nur Milch.
 

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Was mir hier gefallen hat, war, dass recht gut herausgearbeitet wird, dass Katherine eine narzisstische Problematik, also eine Selbstwertproblematik, hat.
Und zwar in pathologischem/krankheitswertigem Sinn. Nicht im Alltagsjargon. (Die Problematik führt ja letztlich zu Depression und Psychose)

An 3 Beispielen möchte ich das festmachen,

1)Ein instabiles Selbst, das beim kleinsten Windhauch zusammenbricht:

Die Autorin präsentiert uns eine schöne Beschreibung einer narzisstischen Person (Katherine): „Und obwohl sie ihr Leben lang von der Liebe all jener getragen wurde, die sie vom dunklen Zuschauerraum aus bewunderten, reichte eine einzige Gehässigkeit aus, und sie rannte weinend nach Hause.“ (S. 201)

2)Die Unmöglichkeit bzw. Schwierigkeit, Ablehnung einzustecken.

Das Motiv für das Verbrechen rückt nochmal in den Fokus.
Boyd wurde eig. erst interessant für Katherine, nachdem er sie für „Meine dunkle Rosaleen“ ablehnte. Das ist ja erstmal nicht sooo ungewöhnlich.
Ab da war sie aber „besessen von dem Mann.“ (S. 194)
Es wurde von da an ihr Ziel, ihn zu erreichen. Jagen als Motiv.
Den Misserfolg, die Zurückweisung und die Demütigung konnte sie nicht hinnehmen. Nicht aushalten, nicht ertragen.
Es muss ein gutes Ende nehmen, darum muss er interessant, erreicht und mit Ehrgeiz gejagt werden.

Es ging also - aufgrund ihrer narzisstischen Problematik - darum, die persönliche Blamage umzukehren in einen Sieg/Triumpf.
(Sie war darüberhinaus aber auch beruflich abhängig von ihm, dem „Hauptverantwortlichen für den irischen Film“ (S. 197))

Er „trieb sie in den Wahnsinn.“ (S. 198)... so gelitten hat K. unter seiner Ablehnung.

(Nicht B. oder D. trieben sie in den Wahnsinn, sondern ihre narzisstische und histrionische Struktur)

3)Nachdem N. ein zweites Mal mit D. geschlafen und K. es herausgefunden hat, stürzt diese in eine Depression. Der Grund: sie ist gekränkt.
Einerseits, weil D. ihr das Liebste (ihren Besitz) weggenommen hat, andererseits aber auch, weil N. ihr ihr Alter und ihre abnehmende Anziehungskraft und Attraktivität vor Augen gehalten hat. D. ist eig. Teil von K.‘s Jagdrevier. Auch N. hat ihr etwas weggenommen.
Beide haben ihr etwas weggenommen und etwas vor Augen gehalten. Das konnte sie mit ihrer narzisstischen und histrionischen Struktur, mit ihrem zerbrechlichen und instabilen Selbst nicht ertragen.

N. weiß, was sie ihrer Mutter angetan hat. Deshalb geht es ihr danach so schlecht. Sie spricht von Selbsthass, Verachtung, Reue.
Wichtige Passagen in diesem Zusammenhang sind;

„Das hat man davon, wenn man seinem Daddy hinterher läuft, dachte ich. Man hat mehr davon, als man wollte.“ (S. 211)

„Ich sagte, zunächst einmal hätte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mit Duggan geschlafen hatte. Es fühle sich an, als hätte ich ihn meiner Mutter ausgespannt. Als konkurrierten wir um den alten Ficker, wo wir doch das Gegenteil von Rivalinnen seien.“

Duggan habe sie ihrer Mutter weggenommen. „Er begehrte, was meiner Mutter am meisten liebte: mich.“ (S. 223)

„Ein Mann hatte sie gestohlen. Er hatte ihr die einzige Freude und das beste auf der Welt genommen.“(S. 240)

„Selbstverständlich gebe ich mir die Schuld, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich die Aufgabe eines Kindes ist, für die seelische Gesundheit seiner Eltern zu sorgen.“ (S. 198)
(Endlich mal eine verhaltene Gefühlsäusserung!)
Das ist äußerst aufschlußreich, danke dafür. Ich habe beim Lesen auch deutlich gespürt, dass K. In Depression verfällt weil sie selbstverliebt und narzisstischer ist, aber deine klare Aufschlüsselung bringt es für mich auf den Punkt. Bravo!
Was Norah angeht hat sie mich in diesem Abschnitt fast verloren, so wie sie Situationen ausreizt. Ich habe wie ihr kein Verständnis für den erneuten Sex mit D. Die von euch angegebenen Erklärungen allesamt einleuchtend, machen es aber nicht besser...
Sprachlich ist die Szene sehr gelungen, wie nahe man beim Lesen ist...Bravo.
 

KrimiElse

Bekanntes Mitglied
26. Januar 2019
2.861
5.110
49
buchmafia.blogspot.com
Diese Frau hat sich ihr ganzes Leben lang nur über ihren Beruf definiert, sie hat sonst nichts anderes. Leider hat sie es nie geschafft, Beziehungen zu anderen, nicht berechnenden, Menschen aufzubauen. Auch die Mutterrolle bringt ihr keine Erfüllung.
Ich denke, dass das bei großen Künstlern/Schauspielern normal ist. Man kann sicher ab einem gewissen Punkt nichts mehr trennen, und wer groß ist hat sowieso keine Zeit für anderes. Um zu überzeugen muss man anderes aufgeben und es bleibt nur noch ein Weg, keine Trennung der Privatperson vom Beruf.