4. Leseabschnitt: S. 154 bis Ende

Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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"Der Sommer enthält alle Sommer, die frühreren und diejenigen, die wir nie erleben werden." (Seite 197) Unterschiedliche Feste, ein Kindergeburtstag, der misslingt, Serge versucht über deren Sohn Marzio doch wieder mit Valentina zusammenzukommen, Jean möchte Luc eine Freude machen, nimmt ihn mit, für mich wieder eine dieser Alltagsepisoden, die auftauchen und wieder verschwinden, ohne tieferen Grund. Ist der Kran ein Symbol für irgen etwas, dann habe ich das nicht erkennt. Das nächste Familienfest, Victors Schulabschluss, ein Fest der Ochoas und Serge ist nicht eingeladen, was Victors Schwester Margot idiotisch findet, aber dennoch ein Fest der im Zentrum dieses Romans stehenden Großfamilie, Jean . Doch dann kommt Serges Krankheit und die drei Geschwister sind wieder zusammen, ein leises, offenes Ende, das hier passt und irgendwie auch positiv ist.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Das war es nun. Ich bin froh durch diesen dünnen, aber anstrengenden Roman durch zu sein.
Die Figuren gehen mir fast bis zum Schluss alle auf den Senkel ebenso wie ihre Befindlichkeiten.
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Zitate, die ich mir für meine Reiz aus diesem LA gemerkt habe, die auch für mich gut das Buch beschreiben:

S.156:
"Er fragt mich, ob unsere Reise [nach Auschwitz] mich genährt hat. Dieses Wort verwendet er. [...] Ich antworte, ich hätte mir nichts Bestimmtes von dieser Reise erwartet und sei noch unschlüssig, was sie gebracht habe."
Dito, so geht es mir mit dem gesamten Buch.

Und S. 167:
"André Ponchon [man setze hier den Namen einer beliebigen Romanfigur ein] ist dorthin zurückgekehrt, wo er hergekommen war, eine konturlose Form, die wegbröselt wie grauer Sand."
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Dann kommt diese schöne Sequenz mit Luc und Jean im Museum, wie sich Luc wieder fängt. Da gibt es ja fast wieder eine interessante Beziehungszeichnung. Aber nein, im Absatzwechsel unten mal wieder ein beliebiges Telefonat mit Marion... Ich könnt aufschreien...

Tja und das Ende: Fand ich dann noch einmal zu aufgesetzt mit dem Geschwisterzusammenhalt im Angesicht des Karzinoms. Konnte mich auch nicht mehr in meinem Eindruck vom Buch umstimmen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Für mich hat das Buch stimmig geendet. Die Reise nach Auschwitz hat die Familie nicht zusammengebracht. Wie auch? Alles andere wäre unglaubwürdig gewesen.
Dazu sind die Figuren zu selbstbezogen. Es gab nichts, was sie an diesem Ort hätten finden können. Niemand, den sie kennen, ist dort umgekommen. Und hier zeigt sich, dass man zwar erschrecken kann angesichts von Millionen Ermordeter, aber berührt wird man von dem Tod eines Einzelnen. ( Oder vom Bild der alt gewordenen Schwester.)
Der Besuch in Auschwitz ist eine Episode im Leben der Familie Popper ( zwar eine zentrale im Roman )und sie kehrt zerstrittener zurück als sie hingefahren ist.
Die Schwester kannte zwar schon die Sticheleien der Brüder über ihren Mann und ihren Sohn. Doch was sich bei einem Besuch noch ertragen lässt, erträgt man nicht mehr, wenn man tagelang zusammen ist.
Es ist keine sympathische Familie, die Yasmina Reza uns hier präsentiert und die titelgebende Figur ist die unangenehmste.
Das zeigt sich ganz deutlich bei diesem Kindergeburtstag. Serge will Valentina zurück, das ist der einzige Grund für sein Kommen. Für ihren Sohn interessiert er sich überhaupt nicht. Beweis: das protzig aussehende, aber billige und völlig unangebrachte Spielzeug. Jean kommt da viel empathischer rüber. Er weiß, das Luc unpassend angezogen ist für so ein Fest, er kümmert sich um den Jungen usw. Schade, dass er keine Familie hat.
Zum Ende hin wird der Roman düsterer: der Tod von Maurice, der Jean beinahe mehr beschäftigt als der Tod der Mutter ( wobei er sich da schon fragt, warum niemand der Kinder ihren Sommerurlaub abgebrochen hat, um in den letzten Tagen bei der Mutter zu sein), die Begegnung mit dem schwarzen Raben und die Diagnose, die Serge bekommt.
So offen ist das Ende nicht, zum Schluss bleiben zwei der Geschwister übrig und Serge hinterlässt eine Lücke.
Alle drei Popper- Kinder sind interessante Figuren. Serge, ein Kotzbrocken, der einem trotzdem leid tun kann. Nichts bekommt er richtig auf die Reihe; beispielhaft dafür ist die Wohnungssuche für seine Tochter.
Jean, der Mittlere, der gute Freund, erfolgreich, liebenswert , aber letztendlich allein.
Nana, die Jüngste, hat als einzige eine funktionierende Familie vorzuweisen. Doch so ganz zufrieden wirkt sie auch nicht. Zu sehr muss sie ihre „ Erfolge“ betonen.
Der Roman kommt vielleicht geschwätzig daher, hat aber untergründig viel zu sagen.
 

GAIA

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Von Zusammenhalt sehe ich da wenig. Sie sitzen ziemlich verloren nebeneinander und als Serge aufsteht, ist der Abstand zwischen ihnen noch größer.

Es ist keine sympathische Familie, die Yasmina Reza uns hier präsentiert und die titelgebende Figur ist die unangenehmste.
Und jetzt wissen wir auch, warum Serge den die Titelfigur und eben nicht „Jean“ diese geworden ist. Das ist jetzt durchaus schlüssig nachvollziehbar. Ich musste grad an ein schwarzes Loch denken, was alles einsaugt.

Och maaaann, das Zitieren macht grad Blödsinn... Eigentlich sollte hier dein Zitat „Von Zusammenhalt sehe ich da wenig stehen. Gut, am besten du denkst dir jetzt dieses Schachtelzitat da oben mal weg... ;)
Was ich antworten wollte. Wahrscheinlich wirkte es da für mich einfach anders nachdem ich so begierig dem Ende des Romans entgegen gesehen habe. Für mich wirkte es schon so: „Im Angesicht des potentiellen Todes“ kommen jetzt doch die Geschwister wieder alle zusammen, obwohl sie eigentlich nicht viel zusammenhält. Die anderen müssten diesen äußerst egozentrischen, wenn nicht gar narzisstischen, Menschen auch nicht dort im Krankenhaus unterstützen. Immerhin hat bei der Mutter ja auch keiner dran gedacht/bzw. es nicht gemacht. Ja, tatsächlich bleibt eine Lücke im praktischen Sinne, wenn dies aber auch metaphorisch bedeuten sollte, dass Serge eine Lücke zwischen den Geschwistern hinterlassen würde, sollte er versterben, ist mir das zu viel. Zu wenig nachvollziehbar. Mir scheint es so als ob sie ganz gut ohne ihn dran wären und die Tatsache, dass sie ihm Unterstützung geben, die der Mutter verwehrt wurde, zeigt für mich eine Art Zusammenhalt, die sich für mich nicht herleiten lässt aus dem Roman zuvor.

Irgendwie wirkt meine Erklärung wirr. o_O Ist sie irgendwie nachvollziehbar geworden?
 

kingofmusic

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Übrigens: der für mich herausragendste Absatz im ganzen Buch oder vielmehr in diesem Abschnitt findet sich auf S. 161/162, als Jean sich über die Ruhe- und Rastlosigkeit von Vögeln Gedanken macht und dabei zunächst an Thomas Bernhard (österreichischer Schriftsteller) und dann an Serge denkt
[...] der außerstande ist, sich an irgendeinem Ort zu erfreuen, ohne sogleich darauf zu hoffen, ihn wieder zu verlassen, unter dem Vorwand, er müsse sein Leben lang fliehen. Unser Vater sagte, er hat Hummeln im Hintern, immer ist es irgendwo anders besser! In seinen Augen war das kein gutes Omen. Er sah in dieser Ruhelosigkeit nur Eitelkeit, er sah darin nur Irrsinn oder Krankheit. Ich habe nie geglaubt, dass es sich um schlichte Ruhelosigkeit handelte. Die Vögel sind weder ruhelos noch verrückt. Sie suchen den besten Ort und finden ihn nicht. Alle Welt glaubt an einen besseren Ort.
Ja, das sind Passagen, die Spaß machen, an denen ich mich festbeißen kann. Wäre doch nur der Rest auch so gewesen...:rolleyes:;)
 

Renie

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Ich stimme dir zu und: Mir fehlt hier jeglicher Grund für irgendwas... o_O
Genauso habe ich diesen LA, der für mich der schwächste in diesem Buch ist, auch erlebt. Hier passiert alles und nichts. Die einzelnen Szenen sind für sich genommen, ganz hübsch, tragen aber überhaupt nicht zum Gesamtverständnis des Romans bei. Was habe ich denn jetzt gelesen? Einen Roman, der den Auschwitz-Tourismus anprangert? Einen Familienroman? Einen Roman über die Identitätsfindung moderner Juden?
Dieser Leseabschnitt drückt meine positive Einstellung gegenüber "Serge" nach unten.
 

Renie

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Die Reise nach Auschwitz hat die Familie nicht zusammengebracht. Wie auch? Alles andere wäre unglaubwürdig gewesen.
Dazu sind die Figuren zu selbstbezogen. Es gab nichts, was sie an diesem Ort hätten finden können. Niemand, den sie kennen, ist dort umgekommen. Und hier zeigt sich, dass man zwar erschrecken kann angesichts von Millionen Ermordeter, aber berührt wird man von dem Tod eines Einzelnen. ( Oder vom Bild der alt gewordenen Schwester.)
Da wäre ich nicht draufgekommen. Das ist ein stimmiger Erklärungsansatz, der mir hilft, den Roman zu verstehen. Bisher fehlte mir ein verbindendes Element zwischen den einzelnen Themensträngen. Das könnte es sein.
 

Barbara62

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Jean kommt da viel empathischer rüber. Er weiß, das Luc unpassend angezogen ist für so ein Fest, er kümmert sich um den Jungen usw. Schade, dass er keine Familie hat.
Es geht mir genau wie dir. Allerdings hat Jean als Ich-Erzähler auch alle Mittel in der Hand, um sympathisch rüberzukommen.

Von Zusammenhalt sehe ich da wenig. Sie sitzen ziemlich verloren nebeneinander und als Serge aufsteht, ist der Abstand zwischen ihnen noch größer.
Aber in der Not sind sie immer füreinander da, beispielsweise als Serge keine Wohnung hat oder dann bei seiner Krankheit. Irgendetwas hält sie doch zusammen, Blut ist eben doch dicker als Wasser...

Genauso habe ich diesen LA, der für mich der schwächste in diesem Buch ist, auch erlebt. Hier passiert alles und nichts. Die einzelnen Szenen sind für sich genommen, ganz hübsch, tragen aber überhaupt nicht zum Gesamtverständnis des Romans bei. Was habe ich denn jetzt gelesen? Einen Roman, der den Auschwitz-Tourismus anprangert? Einen Familienroman? Einen Roman über die Identitätsfindung moderner Juden?
Dieser Leseabschnitt drückt meine positive Einstellung gegenüber "Serge" nach unten.
Ich fand den Abschnitt auch schwächer als die anderen, trotzdem habe ich den Roman gerne gelesen. Schwierig ist allerdings, dass ich nicht sagen kann, warum. Es fällt mir auch schwer, darüber zu diskutieren. Eines allerdings trifft bei mir definitiv nicht zu: nämlich dass ich die Episoden in großer Zahl überflüssig fand. Sie ergaben nach und nach ein Gesamtbild der Familie und der Zusammenhänge.

Angesprochen ja, aber nicht sehr tiefsinnig und weitergehend weiterverfolgt.
Ja, aber so, dass ich schon ins Nachdenken gekommen bin. Viel mehr kann man von so einem dünnen Bändchen auch nicht erwarten. Und ja, es ist vor allem ein Geschwisterroman für mich. Irgendetwas hält die drei zusammen, obwohl Jean sich nicht erklären kann, wie sie ins gleiche Nest finden konnten. Letztlich wird jede/r für die anderen einstehen, wenn sie Hilfe brauchen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Eines allerdings trifft bei mir definitiv nicht zu: nämlich dass ich die Episoden in großer Zahl überflüssig fand. Sie ergaben nach und nach ein Gesamtbild der Familie und der Zusammenhänge
Ja, diese Episoden ergeben ein stimmiges Bild dieser Familie. So ist das ganz normale Leben. Wir beschäftigen uns tagtäglich eher mit den banalen Schwierigkeiten unseres Alltags. Das wirkt von außen natürlich trivial. Erst wenn uns existenzielle Dinge zustoßen, Krankheit, der Tod lieber Menschen, sehen wir das große Ganze. Um aber bald wieder im Alltagsstreß zu versinken.
Dazu passt das Zitat ganz am Anfang. Als die Korrespondentin sagt, nach dem Anschlag wird nichts mehr so sein wie zuvor und Serge sehr rüde widerspricht. Aber so ist es. Das Leben ändert sich für die direkt Betroffenen, alle andern wursteln weiter wie bisher.
 
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luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Leute, Leute - das war wirklich sehr öde. Durch den letzten Abschnitt habe ich mich komplett durchgelangweilt. Und ich muss auch ehrlich sagen, was ich gar nicht haben kann, ist, wenn man am Ende des Romans mit einer potenziellen Krebs-Diagnose noch Schwere, Bedeutsamkeit, Zusammenhalt und Sympathie erzeugen will. Dazu war mir der ganze Roman einfach zu inhaltsarm. Der letzte Abschnitt hat doch wirklich gar nichts mehr zu bieten: einen unsäglichen Kindergeburtstag, einen Besuch im Modellmuseum, eine Topfpflanze, die wieder in die Schranken gewiesen werden muss, einen toten Maurice und natürlich Geschwister, die sich erst im Angesicht von einer Krebserkrankung für eine halbe Seite zusammenraufen - was soll das Ganze eigentlich? Nee, das war zu viel Belangloses und Uninteressantes auf einmal. Ich fand es noch nicht einmal gut geschrieben...
Alltagsepisoden, die auftauchen und wieder verschwinden, ohne tieferen Grund.
Wenn sie denn jedenfalls noch in sich interessant wären...
Tja und das Ende: Fand ich dann noch einmal zu aufgesetzt mit dem Geschwisterzusammenhalt im Angesicht des Karzinoms. Konnte mich auch nicht mehr in meinem Eindruck vom Buch umstimmen.
Für mich tatsächlich der Tiefpunkt in diesem an Tiefpunkten reichen Text...
 
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