4. Leseabschnitt: NEUN bis einschl. ZWÖLF (Seite 207 bis 273)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Reife zeigt Rachel auch, als sie erkennt, dass Calla sie liebt, was sie erst kann, seitdem sie selbst verliebt war. Dadurch kann sie deren Verhalten großzügiger betrachten und aus einer anderen Perspektive sehen. Das ist es, was mir an dem Roman gefällt: hier ist nichts bedeutungslos. Alles ist gut austariert und gesetzt. Ich würde auch alle Bücher der Autorin lesen wollen.
Ja, die Beziehung zu Nick hat Rachel enorm weitergebracht ( so vielleicht mehr, als wenn sie in einem Happy- End gemündet wäre. Beim ersten Kuss von Calla war sie abgestoßen und schockiert, jetzt erkennt sie den Kummer dahinter, weil sie diese Liebe ja nicht erwidert.
An diesem Roman sieht man wirklich, was große Literatur ausmacht: vielschichtige und glaubwürdige Figuren, nichts ist bedeutungslos. Auch beim mehrmaligen Lesen entdeckt man neue Bezüge usw.
Ich hoffe auf baldige Übersetzungen ins Deutsche. Wenn jemand vom Eisele- Verlag unsere Diskussion verfolgt, wird unserem Wunsch bestimmt nachgekommen werden.
 

Literaturhexle

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Wenn jemand vom Eisele- Verlag unsere Diskussion verfolgt, wird unserem Wunsch bestimmt nachgekommen werden.
Sie haben es sich zumindest vorgenommen, hier immer wieder vorbeizuschauen;)
Dass M. Laurence eine Perle ist, hat der steinerne Engel schon gezeigt. Ich gehe davon aus, dass sich Eisele die Rechte für das gesamte Werk gesichert hat. Jetzt wären doch alle deutschen Verlage dahinter her :p. Ich werde in der Abschlussmail einfach mal nachfragen.
 

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Das geht mir auch so. Ich muss mich und das Gelesene erst einmal ordnen. Ich kann in eure Lobeshymnen so recht nicht einstimmen und bin auch ein bisschen enttäuscht, dass mir keiner den tieferen Sinn des Glaubensgespräches zwischen Calla und Rachel erklärt hat. Oder hat es keine Relevanz (was ich aber angesichts des Buchtitels kaum glauben kann - Gott ist ein wiederkehrendes Motiv)? Vielleicht versteht ihr es auch nicht, das wäre okay, nur sagt es mir doch bitte.
Mir erging es ähnlich. Ein gutes und lesenswertes Buch - ja. Aber für mich kein highlight.
Die Themen Gott und Glaube - ja, da war ich auch unzufrieden mit den Informationen. Zumindest denke ich auch, es sind wichtige Themen, aber verstanden habe ich sie nicht wirklich. Schade!
 

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Zugegeben, so ganz verstehe ich in diesem Zusammenhang auch nicht alles. Aber Du hast recht, das Thema Gott ist ein immer wiederkehrendes Motiv. Rachel bezeichnet sich selbst als nicht gläubig. Trotzdem geht sie mit Calla mit in deren Kirche. Nicht nur aus Höflichkeit. Sie ist auf der Suche nach ihrer Bestimmung. Dass ihr Leben nur aus Zufällen bestehen soll, will sie nicht glauben.
Ich habe nochmals zurückgeblättert und bin über das Paulus- Zitat gestolpert. „ Wenn ihr in Zungen redet und nicht mit deutlichen Worten, wie kann man wissen, was gemeint ist. Ihr werdet in den Wind reden.“
Das kann man direkt auf Rachel beziehen. Sie sagt ja fast nie, was sie wirklich denkt. Wie soll ihre Umgebung verstehen, wie es in ihr aussieht.
Doch das führt etwas vom Thema ab. Auch die letzten Sätze zeigen, dass Gott ein Ansprechpartner für Rachel hat. Ihr Gottesbild weicht aber vom gängigen ab, wenn sie um Mitleid für Gott bittet. Kein allmächtiger, sondern ein sehr menschlicher Gott. Einer, der seine Scherze treibt mit der Menschheit.
Aber: „ Gott sei gnädig mit den unfreiwilligen Clowns. Gott hab Erbarmen mit den Narren.“ Das korrespondiert für mich mit den Schlusssätzen von Margaret Atwood in ihrem Nachwort.“ Wie man seine eigenen menschlichen und notwendigen Grenzen zur Kenntnis nimmt, seine eigene Torheit.“
Deine Ausführungen finde ich sehr interessant, insbesondere das Paulus-Zitat mit der Üvbertragung auf Rachel. Das hilft mir auf jeden Fall etwas weiter, was die Bedeutung des Glaubens für die Geschichte und Rachel selbst betrifft.
 

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Das ist es, was mir an dem Roman gefällt: hier ist nichts bedeutungslos. Alles ist gut austariert und gesetzt. Ich würde auch alle Bücher der Autorin lesen wollen.
Literarisch steckt schon sehr viel drin, das denke ich auch. Alles scheint irgendwie von Bedeutung zu sein, auch wenn es sich für mich persönlich nicht immer erschlossen hat.
Die Autorin finde ich sehr interessant und würde ebenfalls weitere Werke von ihr lesen wollen.
Ich bleibe jedoch dabei, dass manche Auflösungen bzgl. Rachel und ihrer Probleme mir hier nicht schlüssig ist und die Autorin mir insofern nicht weit genug geht.
 

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Sie haben es sich zumindest vorgenommen, hier immer wieder vorbeizuschauen;)
Dass M. Laurence eine Perle ist, hat der steinerne Engel schon gezeigt. Ich gehe davon aus, dass sich Eisele die Rechte für das gesamte Werk gesichert hat. Jetzt wären doch alle deutschen Verlage dahinter her :p. Ich werde in der Abschlussmail einfach mal nachfragen.
Jetzt bin ich natürlich auf den steinernen Engel neugierig...
 
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Reaktionen: RuLeka und otegami

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Das zwölfte Kapitel habe ich so nicht kommen sehen, aber es ist meines Erachtens ein grandioser Abschluss für den Roman. Eine Frau, die ein einschneidendes Ereignis brauchte (und viele kleine bis dahin), um endlich erwachsen zu werden und eigene Entscheidungen zu treffen.
Wenn 3/4 eines Romans so klasse waren, überkommt mich immer eine gewisse Angst, die Begeisterung könnte durch einen enttäuschenden Schluss noch gemindert werden.

Ja, das ist ein ganz großer Schluss, den ich sehr zu schätzen weiß. Es gibt tatsächlich so viele Roman, die leider so schlecht über die Ziellinie gebracht werden und da ist es eine absolute Wohltat, wen man dann einen lesen darf, der es nicht nur gut macht, sondern außergwöhnlich und wirklich grandios.
Insgesamt habe ich das Gefühl, eine Art Coming-of-Age-Roman mit einer Erwachsenen gelesen zu haben, bei der Entwicklung, die Rachel durchmacht. Das finde ich toll und weiß gar nicht, ob ich Ähnliches schon einmal gelesen habe.
Ja, absolut: eins sehr gelungenes, sehr spätes Coming-of-Age. Ich habe so etwas schon öfters gelesen, aber es ist hier einfach phänomenal umgesetzt - auch alle Elemente, die ein Coming-of-Age-Roman so braucht, werden umgesetzt. Wirklich exzellent.
Vermutlich war es auch seine Angst, sie könnte ihn in Manawaka festnageln, denn dass sie ihre Mutter und den Heimatort je verlassen würde, war für ihn nicht absehbar.
Für mich war es die ganze Zeit deutlich, dass er einfach nicht auf sie "stand", wie man heute sagen würde. Sie war ein netter Zeitvertreib mangels ansprechenderer Alternativen. Zu keinem Zeitpunkt habe ich da auch nur eine Hauch von Überlegen oder Abwägen bezüglich einer Zukunft gesehen.
Insofern bin ich mit Nick versöhnt, er hat ihr dazu verholfen, wenn auch ungewollt.
Auf jeden Fall. Nick ist der wesentliche Geburtshelfer für die neue Rachel - im Coming-of Age-Roman braucht es eine unglückliche, einseitige Liebe um reifen zu können..
Doch weglaufen ist noch nie eine Lösung gefinden. Insofern wäre es spannend, ihre Entwicklung nach diesem Umzug verfolgen zu können.
Das stimmt, aber im Coming-of-Age-Roman ist ein Ortswechsel notwendig - man muss eine Reise machen oder an einen neuen Ort gehen, um sich vollständig entwicklen zu können. Männliches Coming-of-Age endet meist am neuen Ort, weibliches kehrt oftmals zurück ins Heim an den Herd - daher sehr schön, dass hier eine Kombination erreicht wird. Ortswechsel, aber die Heimat wird in Form der Mutter mitgenommen. Dadurch, dass das Zeil auch die Heimat der Schwester ist, ist die "Ferne" auch nicht ganz so fremd.
Worauf bezieht sich ganz konkret die Laune Gottes?
Ich finde den Titel tatsächlich nicht so gut übersetzt. Das Original "A Jest of God" impliziert sehr stark einen Witz, etwas Amüsantes, etwas Spielerisches - das fehlt mir in der "Laune" - und da sehe ich dann auch viel deutlicher die Verbindung zu den letzten drei Sätzen. Ich verstehe sie so, wie @GAIA und @Christian1977 es weiter oben schon besprochen haben, aber zusätzlich auch so, dass es auf der Erde nur "unfreiwillige Clowns" und "Narren" gibt. Mitleid muss Gott mit Gott haben, weil ihm seine Schöpfung nicht besser gelungen ist (siehe all die Personen in Manawaka) und weil er den Menschen nach seinem Ebenbild schuf...

Ich finde es so offen tatsächlich besser.
Ich auch, weil die Offenheit sich auch unwahrscheinlich stark im letzten Kapitel widerspiegelt. Da ist so viel Freiheit und Leichtigkeit, da würde ein geschlossenes Ende gar nicht funktionieren.

So insgesamt bleibt mir nur: geniales Buch!
 

Literaturhexle

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Zu keinem Zeitpunkt habe ich da auch nur eine Hauch von Überlegen oder Abwägen bezüglich einer Zukunft gesehen.
Ja, ich auch nicht. Im Grunde wusste es auch Rachel, aber ihre (einseitige) Liebe hat sie hoffen und sehnen lassen.

daher sehr schön, dass hier eine Kombination erreicht wird. Ortswechsel, aber die Heimat wird in Form der Mutter mitgenommen. Dad
Ich wusste nicht, dass der Entwicklungsroman feste Bestandteile braucht. Toll, dass man mit euch immer noch etwas dazu lernen kann!

Mitleid muss Gott mit Gott haben, weil ihm seine Schöpfung nicht besser gelungen ist (siehe all die Personen in Manawaka) und weil er den Menschen nach seinem Ebenbild schuf...
Super Erklärung! Damit komme ich in Ergänzung zu dem bereits Entschlüsselten gut zurecht. Aber "ein Witz/Scherz Gottes" finde ich auch komisch... Ich bin an sich mit der Laune ganz zufrieden. (Segen des sprachlich wenig Bewanderten vielleicht;))
 

Naibenak

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2. August 2021
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Ich bin hier wohl das Schlusslicht ;) Jetzt will ich erst einmal meinen Eindruck dalassen, bevor ich mir all eure Kommentare durchlese...

Besonders beeindruckt hat mich, wie Rachel in ihrem Kopf das Problem einer möglichen Schwangerschaft hin- und herwälzt. Sie beleuchtet jede Einzelheit, jede Möglichkeit. Ich als Leserin kann wirklich jede/n ihrer Gedanken und Ängste nachvollziehen. Definitiv. Ich hätte auch nicht weitergewusst zu jener Zeit. Denn was hier deutlich wird, sind die Anforderungen und Normen ihrer Zeit. So schwierig! Sogar zu Calla ist sie gegangen aus Verzweiflung und in der Hoffnung, dass sie die einzige ist, die helfen könnte. Rachel weiß/ahnt, dass Calla sie liebt. Erleichtert war ich, dass es Fehlalarm war und Rachel diese Last losgeworden ist. Gleichzeitig hat sich in ihr sehr viel getan. Sie bricht nun auf zu neuen Wegen und zumindest in ihren Gedanken wird sie schon deutlich freier. Mutter muss mit. Was Stacey davon hält, dass sie zu ihr in die Nähe kommen, würde mich interessieren ;) aber für Rachel sehe ich recht positiv einer besseren Zukunft entgegen. Sehr gut, dass sie es schafft, mit der Mutter einmal Klartext zu reden!

Und dann die Überraschung: Nick ist nicht verheiratet und offenbar auch nicht Vater. Dennoch ist Rachel nicht mehr für ihn als ein intensiverer Sommerflirt. Wie ich schon im vorigen Kapitel schrieb: sie brauchten sich gegenseitig um voran zu kommen in ihren Leben. Ich glaube auch, dass Rachel gut drüber wegkommt.
 

Naibenak

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Ihr wird klar, dass sie nicht für das Leben ihrer Mutter verantwortlich ist. Das ist für mich sehr schlüssig hergeleitet,
Den Moment fand ich großartig, als Rachel diese "Erleuchtung" hatte. Sie ist NICHT VERANTWORTLICH. Das ist ein echter Meilenstein für sie. Und erklärt auch ein bisschen, warum es nun recht zügig voran geht mit Rachel. Wenn man dies einmal verinnerlicht hat, ist man definitiv ein großes Stück freier.
Eigentlich wäre eine Fortsetzung interessant, wie es nach dem Neuanfang weitergeht...
Ich gehöre zu denen, die das nicht brauchen. Ich finde diesen Schluss mit seiner Offenheit super. Denn die Richtung wird ganz deutlich angezeigt. Also ganz und gar offen ist es dadurch gar nicht mehr...
Nur hier finde ich, ist es ja mit einer Entscheidung und einem Beginn der Auflehnung gegen die Mutter noch lange nicht getan.
Es ist eine Erkenntnis (ich bin nicht verantwortlich für meine Mutter), eine Entscheidung, wie es weiter gehen soll und auch bereits die Umsetzung dieser Entscheidung. Das ist meines Erachtens eine ganze Menge und zeigt mir deutlich, dass Rachel hier wirklich aktiv dabei ist, ihr Leben zu verändern.
Es braucht nicht unbedingt das eine traumatische Ereignis. Im Gegenteil! Ich fand es gut, dass die Autorin hier nicht zu viel reinpackt.
Ganz meine Meinung! Alles andere wäre auch mir zu viel gewesen. Hier sind die toxische Beziehung zur Mutter und die gesellschaftlichen Fesseln im Vordergrund. Das empfinde ich als genug und auch als ausreichenden Hintergrund für Rachels Charakter und Befindlichkeiten.
An diesem Roman sieht man wirklich, was große Literatur ausmacht: vielschichtige und glaubwürdige Figuren, nichts ist bedeutungslos.
Amen.
:)
Männliches Coming-of-Age endet meist am neuen Ort, weibliches kehrt oftmals zurück ins Heim an den Herd - daher sehr schön, dass hier eine Kombination erreicht wird. Ortswechsel, aber die Heimat wird in Form der Mutter mitgenommen.
Das hast du schön zusammengefasst. Toller Gedanke. Passt :)
 

Naibenak

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Was die abschließenden Sätze angeht, da muss ich gestehen, dass ich mich schwertue. Wer ist ein unfreiwilliger Clown? Wer ist ein Narr? Wie genau ist das zu verstehen? Ihr habt schon einige nachvollziehbare Interpretationen geliefert, aber mich würde interessieren, auf wen genau hier angespielt wird. Ich muss nochmal schauen...

In meinen Augen fasst Rachel in drei wunderbaren Sätzen hier noch einmal zusammen, dass sie einerseits mit sich und ihrer "inneren Stimme" ins Reine kommen wird, dass zumindest die Hoffnung da ist, dass sie sich selbst akzeptiert wie sie ist.

Auf der anderen Seite wirkte es auf mich wie ein emotionaler Abschlussschrei der Autorin. Nach dem Motto: Akzeptiert euch selbst, akzeptiert aber auch Menschen, die anders sind. Seid empathisch und verurteilt nicht. Und nehmt auf der anderen Seite nicht alles als gegeben hin, traut euch und wacht auf. Lebt.
Ich glaube, diese Erklärung würde meinem Empfinden am nächsten kommen. Aber so ganz rund bin ich damit noch nicht :D
 

Naibenak

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2. August 2021
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Ich denke schon, dass Rachel sich selbst so sieht. Sie hat doch sehr oft das Gefühl, als würden die Menschen ohne jeden Grund über sie lachen. Ein Ausdruck ihrer tiefen Verunsicherung.
Ach soooo! Manchmal sind die Dinge so einfach, wenn jemand einem das Brett vorm Kopf wegnimmt :D :D :D Danke, Christian!