4. Leseabschnitt: Kapitel V. ab "Brotgeberinnen" bis zum Ende

Literaturhexle

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Hier diskutieren wir Kapitel V. ab "Brotgeberinnen" zu Ende. (In meiner Ausgabe S. 242-330).
 
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Querleserin

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Jetzt also das Dinner am Labour Day, zu dem Laura Alex eingeladen hat. Reenie zieht das einzige Kochbuch, das sie hat, zu Rate, in dem Frauen u.a. als Brotgeberinnen bezeichnet werden - sie sind es, die gleichzeitig unnahbar, geheimnisvoll sein sollen, in Männern Leidenschaft wecken und natürlich für das tägliche Brot sorgen - das Frauenbild der Jahrhundertwende.
Kulinarisch misslingt das Dinner, da Reenie es nicht gewohnt ist, für so viele Menschen auf diesem Niveau zu kochen - das Essen spiegelt das sinkende Schiff der Chases wider. Mit der Knopffabrik geht es bergab. Richard Griffen und seine Schwester sind anwesend - man ahnt, dass die Ehe zwischen Iris und Richard angebahnt werden soll. Letzterer macht "Inventur" und nimmt das Haus genau in Augenschein. Alex hingegen gibt kaum etwas preis von sich - man erfährt lediglich, dass er ein Kriegswaise ist und nicht weiß, woher er kommt - irgendwo aus Europa...
Nach dem Dinner beschließt Laura beim Zeitungsreporter Murray in die "Lehre", um zu lernen, wie man Fotos entwickelt und koloriert. Ihr eigentliches Ziel ist das Negativ, auf dem sie, Iris und Alex während des Picknicks zu sehen sind. Nachdem sie es entwendet hat und zwei Abzüge gemacht hat, beendet sie ihre "Arbeit" dort - sie hat ihr Ziel erreicht. Danach wendet sie ihre Aufmerksamkeit der Suppenküche für die Armen zu. Es scheint so, als komme Laura ganz nach ihrer Mutter - ein barmherziger Engel, dem man immer weniger zutraut, diesen Roman geschrieben zu haben. Allerdings trifft sie sich heimlich mit Alex...wie im Roman.
Währenddessen zieht Iris Vater sie als Nachfolgerin der Firma heran, sie muss mit in die Knopffabrik und begleitet ihn - etwas, das sie eigentlich nicht möchte - aber hat sie eine Wahl?
Doch dann wird die Fabrik stillgelegt, es kommt zu Ausschreitungen, einem Generalstreik, das, was man auch schon in den Zeitungsausschnitten erfahren hat und letztlich steht die Knopffabrik in Flammen. Angeblich steckt Alex dahinter, der auch einen Wachmann erschlagen haben soll. Nichtsdestotrotz versteckt Laura ihn zunächst im Kühlkeller und danach mit Iris Hilfe auf dem Dachboden.
Mehrere Ereignisse bringen die Vermutung, wer denn nun den Roman "Der blinde Mörder" geschrieben hat und wer das Liebespaar ist, wieder ins Wanken. Zunächst erfährt man, dass Alex Schreibhefte verlangt und auf dem Dachboden in Schulhefte (!) schreibt. Dann kommt es zu einem Kuss zwischen Iris und Alex, bevor er schließlich das Haus verlässt. Offensichtlich ist, dass beide Mädchen in ihn verliebt sind - er jedoch eher Iris begehrt. Ist er der Verfasser des Romans? Beide Mädchen besitzen zudem ein Foto, auf dem jeweils die Hand der anderen zu sehen ist...
Iris wird von ihrem Vater mit Richard verheiratet - eine Vernunftentscheidung, denn schließlich muss sie für sich und ihre Schwester sorgen. Winifred nimmt sich ihrer an und macht ihr unmissverständlich deutlich, wer das Sagen hat.
Die Hochzeitsnacht und -reise verdeutlichen bereits, dass dies keine glückliche Ehe werden wird.
 

Leseglück

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Vielen Dank @Querleserin für die Zusammenfassung!
Wie du schreibst kommt man beim Lesen ins Wanken. Nicht nur bei der Frage wer Alexs Geliebte ist. In dem Abschnitt glaubt die alte Iris für einen Moment ihre Enkelin Sabrina zu sehen. Was genau ist zwischen den beiden geschehen, warum sollte Sabrina eine schlechte Meinung von ihrer Großmutter haben? Spannend!

Interessant auch die Wörter, die Alex in ein Schulheft schreibt, überhaupt, sein Wunsch zu schreiben...

War Alex an der Brandstiftung in der Fabrik, bei der ein Mann umgekommen ist, beteiligt oder nicht? Ich denke von Alex inzwischen positiv. Ich glaube ihm wenn er sagt, er sei nicht beteiligt gewesen.

Iris Schicksal nimmt mich richtig mit. Sie sieht keinen anderen Ausweg, als Richard zu heiraten. Sie findet ihn nicht mal sympathisch. Dann wird klar, dass Winifred und Richard sie in die Position eines Kindes, ohne eigenen Willen drängen wollen - und es gelingt ihnen.
"Ich konnte richtig spüren, wie mein Wille aus mir heraussickerte - jede Macht, die ich vielleicht noch über meine eigenen Handlungen hatte."
Interessant, dass sie Winifred als Zuhälterin bezeichnet...

Mir gefällt wie die Autorin diesen Prozess der Verunsicherung der jungen Iris schildert. Gaslighting ist wohl der entsprechende Fachausdruck. Man bringt einen Menschen dazu, dass er seinen eigenen Gefühlen nicht mehr traut, dass er sich selbst als dumm und unfähig bewertet. Dieser Prozess wird hier sehr gut beschrieben.
 
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Leseglück

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Noch ein paar schöne Vergeiche:
"Ihr (Winifreds) Hut hatte denselben Farbton - ein runder Wirbel aus grünem Stoff, der auf ihrem Kopf balancierte wie ein giftiger Kuchen."

"Ich kam mir selbst wie ausradiert vor, wie ein ovales Stück benutzter Seife oder der abnehmende Mond."

"Laura hat es geschafft jedes Einzelne dieser Fotos zu ruinieren. Auf einem runzelt sie verbissen die Stirn, auf einem anderen muss sie den Kopf bewegt haben, so dass ihr Gesicht nur ein verschwommener Fleck ist und die aussieht wie eine Taube, die gegen die Scheibe klatscht."

"Die Musik war abgehackt, holperig - wie ein vierbeiniges Tier, das auf drei Beinen humpelt. Ein verkrüppelter Bulle mit gesenktem Kopf, angriffsbereit."
 

Literaturhexle

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So, nun habe auch ich den Abschnitt beendet. Bei diesem Buch bin ich wieder sehr dankbar für die Zusammenfassung, liebe @Querleserin !

Einiges möchte ich noch ergänzen, was mir aufgefallen ist: Iris hat ein schlechtes Selbstbild. Sie hat ja auch nie Aufmerksamkeit oder gar Bestätigung erfahren. Töricht auch, dass sie nie zur Schule gehen durfte. Auch dort hätte sie die Chance gehabt zu zeigen, was sie kann. Stattdessen fanden kaum Aussenkontakte statt.
Infolge dessen fühlt sie sich "von allen, die älter sind als ich" abgelehnt. Das zieht sich durch ihr Leben, findet in der Beziehung zu Richard und seiner Schwester eine Entsprechung.
Man bringt einen Menschen dazu, dass er seinen eigenen Gefühlen nicht mehr traut, dass er sich selbst als dumm und unfähig bewertet. Dieser Prozess wird hier sehr gut beschrieben.
Das ist eben nur möglich, weil Iris so absolut kein Selbstbewusstsein hat.

Herrlich fand ich immer wieder Reenie mit ihren Griffen in die Klischeekiste - gerade wenn es um Alex geht :)

Bei dem Dinner war mir noch nicht klar, dass Iris an Richard geopfert werden sollte, muss ich sagen. Ich vermutete eher geschäftliche Interessen dahinter (im Sinne von wirtschaftlich;))

Ich finde es befremdlich, dass der Vater so sehr darunter leidet, dass er seinen Männern keine Arbeit mehr anbieten kann, aber das Schicksal seiner Tochter ihn völlig kalt lässt. Er erwartet diese Ehe von Iris einfach. Dieser Zusatz "Es liegt allein bei dir", ist lediglich eine Floskel.
Wieder muss sich Iris für sich und ihre Schwester opfern...

In der Schilderung der ersten sexuellen Kontakte zwischen den Eheleuten wird sehr viel deutlich. Man leidet mit dem jungen Mädchen mit.

Herrlich auch die Auseinandersetzung des Vaters mit Callie Fitzsimmons!

Das Buch zu lesen bereitet richtiggehend Genuss: es sind so viele gekonnte Formulierungen darin! Einige habt ihr genannt, aber es gibt noch viele mehr:rolleyes:
 

Querleserin

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In der Schilderung der ersten sexuellen Kontakte zwischen den Eheleuten wird sehr viel deutlich. Man leidet mit dem jungen Mädchen mit.
Ich fand auch besonders schlimm, dass Richard offenkundig nicht erwartet, dass Iris Spaß daran findet. Damit sie nicht auf den Geschmack kommt - auch hier will er sie dominieren.
 

Literaturhexle

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Ich fand auch besonders schlimm, dass Richard offenkundig nicht erwartet, dass Iris Spaß daran findet. Damit sie nicht auf den Geschmack kommt - auch hier will er sie dominieren.
Seine Schwester deutet ja auch deutlich an, dass er sich die Hörner bereits abgestoßen hat und es wohl auch Gerede deshalb gab....
Das zeugt nicht von einem guten Charakter. Er wird uns bislang recht negativ dargestellt. Dazu passen aber Iris' Einlassungen vom Anfang nicht so recht: dort sagt sie mehrmals sinngemäss"er/sie hätte auf Richard Rücksicht nehmen müssen...."
Zumindest scheint Iris ihre Rolle als Ehefrau anzunehmen. Schauen wir mal.
 

MRO1975

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Danke für die schönen Zusammenfassungen!

Ich habe mir auch noch ein paar Stellen markiert, in denen Iris seltsame Andeutungen hinsichtlich des weiteren Geschehens macht.

S. 243: „Alle, die älter waren als ich, hatten es sich zum Lebensziel gesetzt, mich abzulehnen.“ Warum? Und warum nennt sie hier auch Reenie und ihren Vater? Hier muss noch etwas geschehen...

S. 262: Laura hat Iris blau koloriert, „weil sie schläft“. Was hat sie damit wohl gemeint?

S. 272: Iris versteckt sich zu Halloween, damit, wenn eines der Kinder verloren geht, sie nicht beschuldigt wird, es gefressen zu haben. Als wäre sie die Hexe aus Hänsel und Gretel. Und sie erwähnt ausdrücklich, dass das kein Scherz ist.

Da erwartet und wohl noch einiges…
 

MRO1975

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Im Zusammenhang mit dem Verstecken von Alex vergleicht sich Iris mit „Martha“, die sich um die banalen Alltagsdinge kümmert. Hier musste ich unwillkürlich an den Report der Magd denken. Dort wurden Frauen genau definierte Rollen zugewiesen und sie erhielten biblische Namen, denen die Rollen nachempfunden waren. Die Marthas haben sich um den Haushalt gekümmert. Hat Atwood den Report vor oder nach dem Mörder geschrieben?
 

Literaturhexle

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Hat Atwood den Report vor oder nach dem Mörder geschrieben?
Den Report der Magd gab es schon, als ich in der Oberstufe war. Er muss deutlich älter sein. Das ist eine wuttuge Erklärung...
Ich dachte, sie hätte in dem Zusammenhang ein Paar genannt und habe es als literarische Anspielung verstanden, die ich nicht kenne.:confused:
. 243: „Alle, die älter waren als ich, hatten es sich zum Lebensziel gesetzt, mich abzulehnen.
Da habe ich auch ein ! am Rand ;)
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Mir hat der letzte Satz bzgl der Ausführungen über handkolorierte Fotos gefallen: [zitat]Die Farben kamen nie so klar heraus wie auf weißem Papier: sie hatten etwas Verschwommenes, als betrachte man sie durch Musselin. Sie ließen die Personen nicht realer wirken, sondern vielmehr ultra-real: Bewohner eines eigenartigen Zwischenreiches, grell und doch gedämpft, wo Realismus keine Rolle spielte.[/zitat]
Erinnert mich an einen Film, wo erst alles Schwarz/Weiß ist und es nach und nach bunt wird. Mir fällt der Name des Films gerade nicht ein :rolleyes:.
 
G

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Jetzt also das Dinner am Labour Day, zu dem Laura Alex eingeladen hat. Reenie zieht das einzige Kochbuch, das sie hat, zu Rate, in dem Frauen u.a. als Brotgeberinnen bezeichnet werden - sie sind es, die gleichzeitig unnahbar, geheimnisvoll sein sollen, in Männern Leidenschaft wecken und natürlich für das tägliche Brot sorgen - das Frauenbild der Jahrhundertwende.
Kulinarisch misslingt das Dinner, da Reenie es nicht gewohnt ist, für so viele Menschen auf diesem Niveau zu kochen - das Essen spiegelt das sinkende Schiff der Chases wider. Mit der Knopffabrik geht es bergab. Richard Griffen und seine Schwester sind anwesend - man ahnt, dass die Ehe zwischen Iris und Richard angebahnt werden soll. Letzterer macht "Inventur" und nimmt das Haus genau in Augenschein. Alex hingegen gibt kaum etwas preis von sich - man erfährt lediglich, dass er ein Kriegswaise ist und nicht weiß, woher er kommt - irgendwo aus Europa...
Nach dem Dinner beschließt Laura beim Zeitungsreporter Murray in die "Lehre", um zu lernen, wie man Fotos entwickelt und koloriert. Ihr eigentliches Ziel ist das Negativ, auf dem sie, Iris und Alex während des Picknicks zu sehen sind. Nachdem sie es entwendet hat und zwei Abzüge gemacht hat, beendet sie ihre "Arbeit" dort - sie hat ihr Ziel erreicht. Danach wendet sie ihre Aufmerksamkeit der Suppenküche für die Armen zu. Es scheint so, als komme Laura ganz nach ihrer Mutter - ein barmherziger Engel, dem man immer weniger zutraut, diesen Roman geschrieben zu haben. Allerdings trifft sie sich heimlich mit Alex...wie im Roman.
Währenddessen zieht Iris Vater sie als Nachfolgerin der Firma heran, sie muss mit in die Knopffabrik und begleitet ihn - etwas, das sie eigentlich nicht möchte - aber hat sie eine Wahl?
Doch dann wird die Fabrik stillgelegt, es kommt zu Ausschreitungen, einem Generalstreik, das, was man auch schon in den Zeitungsausschnitten erfahren hat und letztlich steht die Knopffabrik in Flammen. Angeblich steckt Alex dahinter, der auch einen Wachmann erschlagen haben soll. Nichtsdestotrotz versteckt Laura ihn zunächst im Kühlkeller und danach mit Iris Hilfe auf dem Dachboden.
Mehrere Ereignisse bringen die Vermutung, wer denn nun den Roman "Der blinde Mörder" geschrieben hat und wer das Liebespaar ist, wieder ins Wanken. Zunächst erfährt man, dass Alex Schreibhefte verlangt und auf dem Dachboden in Schulhefte (!) schreibt. Dann kommt es zu einem Kuss zwischen Iris und Alex, bevor er schließlich das Haus verlässt. Offensichtlich ist, dass beide Mädchen in ihn verliebt sind - er jedoch eher Iris begehrt. Ist er der Verfasser des Romans? Beide Mädchen besitzen zudem ein Foto, auf dem jeweils die Hand der anderen zu sehen ist...
Iris wird von ihrem Vater mit Richard verheiratet - eine Vernunftentscheidung, denn schließlich muss sie für sich und ihre Schwester sorgen. Winifred nimmt sich ihrer an und macht ihr unmissverständlich deutlich, wer das Sagen hat.
Die Hochzeitsnacht und -reise verdeutlichen bereits, dass dies keine glückliche Ehe werden wird.
Sehr schöne Zusammenfassung von dir, liebe @Querleserin ! Ich danke Dir!
 
G

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Das Verwirrspiel geht weiter. Einfach herrlich!

Wie Laura beim Reporter vorgeht und Alex versteckt, zeigt neue Seiten an ihr, zeigt auch starke Seiten an ihr. Interessant!

Das Foto von der Frau mit Alex gibt es also in zweifacher Ausführung, einmal Iris und einmal Laura. Die Fotos wurden von Laura gemacht/hergestellt. Was sagt sie damit? Auch hier präsentiert sie wieder eine starke Seite.

Alex versteckt sich nach den Vorkommnissen bei den Chases. Ich frage mich sehr ob er hinter den grauenhaften Geschehnissen in Verbindung zur Hetze und zum Brand in der Fabrik/Tod des Nachtwächters steckt. Die erzählte Science Fiction Geschichte lässt mich zu einem ja tendieren. Das Wegrennen von zwei Personen lässt mich irgendwie auch an eine Beteiligung von Laura denken. Ich glaube auch ein Spiel mit den beiden Schwestern zu entdecken. Auch dies macht Alex in meinen Augen nicht sympathischer.

In ihrer Ehe mit Richard scheint Iris ja überfordert/ängstlich, ist ja auch noch jung, zeigt also hier einen zaghafteren Charakter. Richard und Winifred werden als mir absolut unsympathische, aber dennoch reale Charaktere gezeichnet. Iris wird hier in der Zeit mit diesen sehr kalten und nur auf ihren Vorteil bedachten Menschen wachsen. Trotzdem interessiert es mich auch gerade sehr wie es zu dem Bruch mit ihrer Tochter und Enkelin kommen konnte. Aber Winifred scheint ein sehr manipulativer Charakter zu sein.

Auch der Vater kommt bei mir hier schlecht weg. Es ist eine vergangene Zeit, in der vieles anders geregelt wurde, ja, gefallen muss mir dies aber nicht. Tut es auch nicht!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Jetzt also das Dinner am Labour Day, zu dem Laura Alex eingeladen hat. Reenie zieht das einzige Kochbuch, das sie hat, zu Rate, in dem Frauen u.a. als Brotgeberinnen bezeichnet werden - sie sind es, die gleichzeitig unnahbar, geheimnisvoll sein sollen, in Männern Leidenschaft wecken und natürlich für das tägliche Brot sorgen - das Frauenbild der Jahrhundertwende.
Kulinarisch misslingt das Dinner, da Reenie es nicht gewohnt ist, für so viele Menschen auf diesem Niveau zu kochen - das Essen spiegelt das sinkende Schiff der Chases wider. Mit der Knopffabrik geht es bergab. Richard Griffen und seine Schwester sind anwesend - man ahnt, dass die Ehe zwischen Iris und Richard angebahnt werden soll. Letzterer macht "Inventur" und nimmt das Haus genau in Augenschein. Alex hingegen gibt kaum etwas preis von sich - man erfährt lediglich, dass er ein Kriegswaise ist und nicht weiß, woher er kommt - irgendwo aus Europa...
Nach dem Dinner beschließt Laura beim Zeitungsreporter Murray in die "Lehre", um zu lernen, wie man Fotos entwickelt und koloriert. Ihr eigentliches Ziel ist das Negativ, auf dem sie, Iris und Alex während des Picknicks zu sehen sind. Nachdem sie es entwendet hat und zwei Abzüge gemacht hat, beendet sie ihre "Arbeit" dort - sie hat ihr Ziel erreicht. Danach wendet sie ihre Aufmerksamkeit der Suppenküche für die Armen zu. Es scheint so, als komme Laura ganz nach ihrer Mutter - ein barmherziger Engel, dem man immer weniger zutraut, diesen Roman geschrieben zu haben. Allerdings trifft sie sich heimlich mit Alex...wie im Roman.
Währenddessen zieht Iris Vater sie als Nachfolgerin der Firma heran, sie muss mit in die Knopffabrik und begleitet ihn - etwas, das sie eigentlich nicht möchte - aber hat sie eine Wahl?
Doch dann wird die Fabrik stillgelegt, es kommt zu Ausschreitungen, einem Generalstreik, das, was man auch schon in den Zeitungsausschnitten erfahren hat und letztlich steht die Knopffabrik in Flammen. Angeblich steckt Alex dahinter, der auch einen Wachmann erschlagen haben soll. Nichtsdestotrotz versteckt Laura ihn zunächst im Kühlkeller und danach mit Iris Hilfe auf dem Dachboden.
Mehrere Ereignisse bringen die Vermutung, wer denn nun den Roman "Der blinde Mörder" geschrieben hat und wer das Liebespaar ist, wieder ins Wanken. Zunächst erfährt man, dass Alex Schreibhefte verlangt und auf dem Dachboden in Schulhefte (!) schreibt. Dann kommt es zu einem Kuss zwischen Iris und Alex, bevor er schließlich das Haus verlässt. Offensichtlich ist, dass beide Mädchen in ihn verliebt sind - er jedoch eher Iris begehrt. Ist er der Verfasser des Romans? Beide Mädchen besitzen zudem ein Foto, auf dem jeweils die Hand der anderen zu sehen ist...
Iris wird von ihrem Vater mit Richard verheiratet - eine Vernunftentscheidung, denn schließlich muss sie für sich und ihre Schwester sorgen. Winifred nimmt sich ihrer an und macht ihr unmissverständlich deutlich, wer das Sagen hat.
Die Hochzeitsnacht und -reise verdeutlichen bereits, dass dies keine glückliche Ehe werden wird.
Dieses Verwirrspiel ist doch einfach nur köstlich gezeichnet, oder? Die Atwood schreibt einfach hervorragend.

Die Sache mit den Schreibheften klingt doch absolut interessant. Bei den Begriffen im Heft musste ich sofort an die Science Fiction Geschichte denken. Vielleicht beginnt sich da etwas bei Alex abzuzeichnen und das Erzählen der Geschichte ist zeitlich danach einzuordnen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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So, nun habe auch ich den Abschnitt beendet. Bei diesem Buch bin ich wieder sehr dankbar für die Zusammenfassung, liebe @Querleserin !

Einiges möchte ich noch ergänzen, was mir aufgefallen ist: Iris hat ein schlechtes Selbstbild. Sie hat ja auch nie Aufmerksamkeit oder gar Bestätigung erfahren. Töricht auch, dass sie nie zur Schule gehen durfte. Auch dort hätte sie die Chance gehabt zu zeigen, was sie kann. Stattdessen fanden kaum Aussenkontakte statt.
Infolge dessen fühlt sie sich "von allen, die älter sind als ich" abgelehnt. Das zieht sich durch ihr Leben, findet in der Beziehung zu Richard und seiner Schwester eine Entsprechung.

Das ist eben nur möglich, weil Iris so absolut kein Selbstbewusstsein hat.

Herrlich fand ich immer wieder Reenie mit ihren Griffen in die Klischeekiste - gerade wenn es um Alex geht :)

Bei dem Dinner war mir noch nicht klar, dass Iris an Richard geopfert werden sollte, muss ich sagen. Ich vermutete eher geschäftliche Interessen dahinter (im Sinne von wirtschaftlich;))

Ich finde es befremdlich, dass der Vater so sehr darunter leidet, dass er seinen Männern keine Arbeit mehr anbieten kann, aber das Schicksal seiner Tochter ihn völlig kalt lässt. Er erwartet diese Ehe von Iris einfach. Dieser Zusatz "Es liegt allein bei dir", ist lediglich eine Floskel.
Wieder muss sich Iris für sich und ihre Schwester opfern...

In der Schilderung der ersten sexuellen Kontakte zwischen den Eheleuten wird sehr viel deutlich. Man leidet mit dem jungen Mädchen mit.

Herrlich auch die Auseinandersetzung des Vaters mit Callie Fitzsimmons!

Das Buch zu lesen bereitet richtiggehend Genuss: es sind so viele gekonnte Formulierungen darin! Einige habt ihr genannt, aber es gibt noch viele mehr:rolleyes:
Iris wird erst später zu einer stärkeren Frau, auch interessant, wie sind dann Laura und Iris? Wer ist stärker und wer schwächer? Und wie variiert das im Laufe der Zeit?
 
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Ich finde es befremdlich, dass der Vater so sehr darunter leidet, dass er seinen Männern keine Arbeit mehr anbieten kann, aber das Schicksal seiner Tochter ihn völlig kalt lässt. Er erwartet diese Ehe von Iris einfach. Dieser Zusatz "Es liegt allein bei dir", ist lediglich eine Floskel.
Wieder muss sich Iris für sich und ihre Schwester opfern...
Kann dies nicht auch so eine Männer und Frauen Geschichte sein. Vor seinen Arbeitern (Die meisten sind Männer. Er ist ihr Vorgesetzter.), möchte er glänzen. Vor seinen Töchtern nicht. ???
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Im Zusammenhang mit dem Verstecken von Alex vergleicht sich Iris mit „Martha“, die sich um die banalen Alltagsdinge kümmert. Hier musste ich unwillkürlich an den Report der Magd denken. Dort wurden Frauen genau definierte Rollen zugewiesen und sie erhielten biblische Namen, denen die Rollen nachempfunden waren. Die Marthas haben sich um den Haushalt gekümmert. Hat Atwood den Report vor oder nach dem Mörder geschrieben?
Hab da auch sofort an den Report der Magd denken müssen. :)
 
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