4. Leseabschnitt: Kapitel 9 bis Ende (Seite 210 bis 283)

claudi-1963

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29. November 2015
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Das Buch war jetzt so interessant, das ich es nicht mehr weglegen konnte.

Schrecklich Tonis kommt bei einem Unfall ums Leben, nachdem sie bei einer Feier war. Mir waren dabei allerdings Pat und vor allem Nora viel zu gefasst. Da bleibt doch keiner ruhig und wischt das blutige Gesicht sauber, wenn das Kind tot vor einem liegt. Das sie dann zu ihrem Vater geht und dort bleibt hatte ich erwartet.
Gewöhnungsbedürftig fand ich nur, das Nora zu ihrem Vater Schatz sagt. Andersherum ok aber ein Kind sagt doch nicht zu den Eltern Schatz, oder? Das die Ehe nach Tonis Tod vollends auseinanderbricht war mir eigentlich klar. Den Toni war ja diejenige die diese Ehe zusammengehalten hat. Aber auch sonst gehen oft Ehen entzwei wenn ein Kind stirbt.

Ohh man, damit hatte ich nun echt nicht gerechnet, das Jack zurückkommt um seine Familie zu holen. Für die Leute von Holt ist das natürlich ein Schlag ins Gesicht, das man ihn nicht mehr zur Verantwortung ziehen kann. Aber ich habe es mir fast gedacht, das die Tat inzwischen verjährt ist. Und Jack hat sich auch kein bisschen verändert, wie er Pat da verhöhnt als er ihn im Knast befragt. Ich kann den Frust der Bevölkerung von Holt sehr gut nachvollziehen.

Warum sind sie nicht länger von Holt weggeblieben, wenn Pat doch dieses komische Gefühl hatte? Irgendwie tut mir Pat, aber auch Jessie und die Jungs leid, das sie keine Chance auf Familie hatten. Ich hoffe nur, das er ihnen nichts angetan hat. Aber für die beiden Jungs muss das auch fürchterlich sein, nach so langer Zeit von ihrem Vater aus ihrer gewohnten Umgebung verschleppt zu werden.
Kurzzeitig hatte ich echt die Befürchtung, dass Jack abdrücken würde. Da hatte ich aber auch noch ein bisschen Hoffnung, das es viellicht doch ein Happyend gibt und sie Jack fassen oder überrumpeln können. Doch leider will uns das der Autor nicht liefern. Nun ist Pat ganz alleine voll Sorgen um Jessie und die Jungs.

Irgendwie ein trauriges Ende, ich bin immer noch fassungslos über diesen narzisstischen Kerl, der immer nur an sich denkt. Der meint nur weil er noch verheiratet mit ihr ist, kann er tun und lassen was er will mit seiner Familie. Unfassbar, doch ich bin mir sicher das es öfters solche herzlosen Menschen wie Jack gibt.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Da bleibt doch keiner ruhig und wischt das blutige Gesicht sauber, wenn das Kind tot vor einem liegt.
In solchen Momenten reagierst du selten "rational"; du stehst unter Schock, funktionierst nur und machst Dinge, die zwar "sinnlos" sind, für dich aber in dem Moment "normal". Ohne jetzt aus Erfahrung sprechen zu können (zum Glück). Aber ich kann mir das lebhaft vorstellen; es wirkt jetzt für mich nicht, als wenn Haruf da nur rumgesponnen hat.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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In solchen Momenten reagierst du selten "rational"; du stehst unter Schock, funktionierst nur und machst Dinge, die zwar "sinnlos" sind, für dich aber in dem Moment "normal". Ohne jetzt aus Erfahrung sprechen zu können (zum Glück). Aber ich kann mir das lebhaft vorstellen; es wirkt jetzt für mich nicht, als wenn Haruf da nur rumgesponnen hat.
Ich habe auch nicht gemeint das Haruf rumgesponnen hat, sondern ich fand es einfach etwas zu unspektakulär. ;) Ich hatte da doch mit etwas mehr Emotionen gerechnet.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Was soll man dazu sagen?
Es klingt alles total plausibel. Jack ist jemand, der über Leichen geht, der tut, was ihm passt.
Er sieht krank aus. Vielleicht unheilbar? Will er seine Familie mitnehmen, nicht alleine sterben? Aber dann hätte man die Leichen finden müssen...
Andererseits: wenn Jessie noch lebt, müsste sie einen Weg gefunden haben, ein Lebenszeichen zu schicken...
Diese Ungewissheit dürfte das Schlimmste sein.

Pat ist nun der Gebeutelte. Wieder flutscht ihm das Glück durch die Finger.

Interessant finde ich den Aufbau des Romans: Anfang und Ende bilden quasi die Spange. Der Mittelteil ist der Rückblick, erzählt die Geschichte, wie alles dahin kam, wo es jetzt ist. Dabei wird sehr weit zurückgegriffen. Bis in die Schulzeit von Pat und Jack. Insofern könnte der Bericht eine Art Verarbeitung sein.
Das Kidnapping ist 3 Monate her. Zu diesem Zeitpunkt enden die Aufzeichnungen.

Haruf liebt ja offene, nachdenkliche Enden. Ein Happyend liegt ihm nicht so;)
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Ein entsetzliches Ende, aber irgendwie deutete es sich an, dass es kein Happy End geben wird. Über dem ganzen Ausflug lag schon so eine Stimmung, als ob gleich etwas Entsetzliches geschehen würde. Ich habe richtig atemlos weiterlesen müssen...
Jack kündigt das Ende auch im Gefängnis an:
Ich hab meine Familie hier. Zumindest kann ich mich darauf verlassen. (255)
Andererseits: wenn Jessie noch lebt, müsste sie einen Weg gefunden haben, ein Lebenszeichen zu schicken...
Ich kann mir vorstellen, dass Jack sie strikt überwacht und vielleicht will sie Pat auch nicht Gefahr bringen. Diese Ungewissheit ist jedenfalls schrecklich!
Gewöhnungsbedürftig fand ich nur, das Nora zu ihrem Vater Schatz sagt. Andersherum ok aber ein Kind sagt doch nicht zu den Eltern Schatz, oder?
Das Verhältnis Noras zu ihrem Vater ist schon sehr eng, ungewöhnlich eng. Das hat schon einen faden Beigeschmack...

@Literaturhexle hat den Aufbau des Romans schon erwähnt. Zu Beginn wird betont, dass er nach acht Jahren zurückkehrt. Und fast der gleiche Satz wird wieder zu Beginn Kapitel 10 wiederholt:
er war zurückgekommen, nach acht Jahren. (245)
Dieses Kapitel knüpft dann unmittelbar an das erste Kapitel an und erzählt die Ereignisse, seit Jack zurückgekehrt ist.
Das lokale Phänomen war wieder da. (245)
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Über dem ganzen Ausflug lag schon so eine Stimmung, als ob gleich etwas Entsetzliches geschehen würde.
Jaaaaaa! Das hat er wirklich gut gemacht. Als Jessie nicht flott durch die Rutsche kam, hatte man schon schlimme Befürchtungen und so ging es weiter. Dramaturgisch spannend!

Das hat schon einen faden Beigeschmack...
Irgendwie schon. Allerdings braucht Nora vielleicht wieder eine Aufgabe. Man darf nicht vergessen, ihre Tochter ist gestorben. War nicht auch die Mutter vorzeitig abhanden gekommen? Das würde die Innigkeit zusätzlich erklären.
Komisch ist das Verhältnis Vater/Tochter aber allemal. Da würde sich eine Familienaufstellung lohnen;)
 

Querleserin

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War nicht auch die Mutter vorzeitig abhanden gekommen? Das würde die Innigkeit zusätzlich erklären.
Stimmt, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Noras Mutter ist doch auch unter tragischen Umständen ums Leben gekommen, als sie 11 Jahre alt ist. Das erklärt auch das innige Verhältnis zum Vater.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Am Ende hatte ich Tränen in den Augen, was mir nur noch sehr selten passiert. Für mich klärt Haruf alles, was bisher noch nicht ganz einsichtig war: warum Jack zurückgekommen ist (weil er nichts aufgibt, was ihm gehört), warum Pat so berichtet, wie er es tut, und dessen Lebenslauf so ausführlich beschrieibt (weil er sich SEINE Geschichte damit von der Seele geschrieben hat).

Das Ende ist absolut stimmig und die Erzählerstimme einfach großartig. Pat hat genau die richtige Nähe zu den Holtern und versteht ihre Beweggründe und doch hat er durch seine vier Jahre am College auch Abstand, der manchmal sogar in eine leichte Ironie umschlägt.

Was sich wieder zeigt: In Holt kann man nicht heimisch werden. Wer nicht hier geboren wurde, bleibt hier immer ein Außenseiter, mehr (Nora) oder etwas weniger (Jessie).

Beim Kinobesuch von Pat, Jessie und den Kindern musste ich schlucken und das Alter der Buben nachrechnen. Ein Gewaltfilm für zwei Zwölf- bzw. Elfjährige? Amerika ist schon anders...
 

parden

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Woher zum Teufel wusste Jack von Pat und Jessie?! Er ist ja nun nicht der Typ für heimliche Observationen - so wie er aussieht, sieht ihn doch jeder gleich, und er legt es ja auch nicht gerade darauf an, unauffällig in Holt aufzutauchen. Aber wer könnte ihm das verraten haben, ich dachte Jack sei DAS Feindbild in dem Ort?!

Und was hat er davon, "seine" Familie nach all den Jahren zu sich zu zwingen? Das kann ich nicht nachvollziehen, denn ihm schlägt doch höchsens Angst, Ekel, Hass entgegen? Seine letzte Möglichkeit, Macht auszuüben? Hätte sich Jessie nicht in seiner Abwesenheit scheiden lassen können? Geht das? Immerhin war er jahrelang nicht greifbar... Aber hätte das für Jack etwas geändert?

Ich hatte ehrlich gesagt damit gerechnet, dass Pat ihn umbringt. Auf Seite 136 hatte ich mir eine Aussage von Pat markiert: "Und am Ende war ich bereit, alles für sie zu tun." Das hatte ich als möglichen Hinweis verstanden. Leider vergeblich. Pat ist kein Held, er ist ein Chronist. Hier der Chronist seines eigenen Unglücks. Diese Ungewissheit - schrecklich. Was man sich da alles ausmalen kann...
 

Barbara62

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Und was hat er davon, "seine" Familie nach all den Jahren zu sich zu zwingen? Das kann ich nicht nachvollziehen, denn ihm schlägt doch höchsens Angst, Ekel, Hass entgegen? Seine letzte Möglichkeit, Macht auszuüben?
Jack war niemand, der auf sein "Eigentum" verzichtet, und die Familie "gehörte" ihm. Außerdem scheint er so weit unten angekommen zu sein, dass er sich vielleicht doch nach Menschen sehnt?
 

kingofmusic

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Jack war niemand, der auf sein "Eigentum" verzichtet, und die Familie "gehörte" ihm. Außerdem scheint er so weit unten angekommen zu sein, dass er sich vielleicht doch nach Menschen sehnt?
Ja, nach Menschen die er manipulieren und nach seiner Fasson formen kann. Aber nicht aus Sehnsucht in dem Sinne wie wir uns nach Menschen sehnen.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Und was hat er davon, "seine" Familie nach all den Jahren zu sich zu zwingen? Das kann ich nicht nachvollziehen, denn ihm schlägt doch höchsens Angst, Ekel, Hass entgegen? Seine letzte Möglichkeit, Macht auszuüben? Hätte sich Jessie nicht in seiner Abwesenheit scheiden lassen können? Geht das? Immerhin war er jahrelang nicht greifbar... Aber hätte das für Jack etwas geändert?

Das ist in der Tat eine gute Frage. Ich vermute, dass er das ganze Geld ausgegeben und verloren hat. Vermutlich haben sich seine Träume in Kalifornien nicht erfüllt. Er sieht krank und mitgenommen aus. Er ist am Boden und hat in Kalifornien wohl auch nichts (mehr). Er könnte verzweifelt und verbittert geworden sein. Jessie und seine Söhne sind vielleicht zu einem Strohhalm für ihn geworden. Natürlich muss er damit rechnen, dass sie ihn nun verabscheuen. Aber sie sind wahrscheinlich alles, was er noch für sich beanspruchen kann, denn die Ehe wurde nicht geschieden und es bleiben seine Kinder.
 

milkysilvermoon

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Im letzten Viertel konnte mich die Geschichte richtig abholen. Es wird hochdramatisch und tieftraurig. Erst der Tod von Toni, der mich bereits sehr bewegt hat. Und dann noch die Entführung. Das habe ich beides nicht kommen sehen. Beim Lesen hatte ich einen Kloß im Hals. Wirklich sehr berührend. Da bin ich voll bei Barbara.
 

nellsche

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1. September 2018
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Das Ende hat mir richtig gut gefallen, so wie das ganze Buch. Sehr stimmig, aber auch traurig und bedrückend.
Jack kam nach Holt, um seine Familie zu holen. Heftig und super egoistisch.
Tonis Tod war schrecklich und hat mich total bewegt.
Und Pat, tja, er tut mir einfach leid....
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Jack war von Anfang kein Sympathieträger, aber mit diesem Ende habe ich nicht gerechnet. Jessie und die Kinder werden vermutlich nun vollends nach seiner Pfeife tanzen müssen. Und wenn er wirklich krank ist, wird er Jessie brauchen, damit sie sich um ihn kümmert. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie mitmachen wird, da er ihr droht ansonsten Pat etwas anzutun. Was hat sie da schon für eine Wahl?!
Dieser Haruf ist nicht so lebensbejahend wie ich es sonst kenne. In den anderen Romanen passiert den Menschen ja meist durch die Hilfe von ungewohnter Seite etwas Gutes, hier ist das Ende eher deprimierend.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich hatte ehrlich gesagt damit gerechnet, dass Pat ihn umbringt. Auf Seite 136 hatte ich mir eine Aussage von Pat markiert: "Und am Ende war ich bereit, alles für sie zu tun." Das hatte ich als möglichen Hinweis verstanden. Leider vergeblich. Pat ist kein Held, er ist ein Chronist. Hier der Chronist seines eigenen Unglücks. Diese Ungewissheit - schrecklich. Was man sich da alles ausmalen kann...
Mit dem Ende hätte ich besser leben können, vor allem wenn es Notwehr gewesen wäre, so dass er und Jessie ihr gemeinsames Leben weiter hätten leben können.
 

Naibenak

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2. August 2021
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Stimmt, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Noras Mutter ist doch auch unter tragischen Umständen ums Leben gekommen, als sie 11 Jahre alt ist. Das erklärt auch das innige Verhältnis zum Vater.
Und dennoch muss es für Pat sicher ein sehr befremdliches Gefühl gewesen sein diese innige Beziehung zu beobachten. Wenn ich seine Aufzeichnungen richtig verstanden habe, hatte er mit Nora diese Nähe nie gehabt. Das muss Pat doch zusätzlich traurig gestimmt haben, glaube ich...