Ich habe gar nicht mehr viel hinzuzufügen. Was meinen Leseeindruck anbelangt, stehe ich irgendwo zwischen
@Wandablue und
@Lesehorizont. Ich lese den Roman ganz gern, er ist ja recht süffig und einigermaßen flüssig und natürlich einwandfrei geschrieben, aber so langsam habe ich überspitzt gesagt von Rolands "Hamlet"mäßiger Unentschlossenheit die Nase voll. Die ganze Zeit möchte ich ihm zurufen: nun tu doch mal etwas - und dann macht er wieder: nichts. Die einzige wirklich aktive Tat in diesem Abschnitt ist doch die Flucht vor Miriam, allerdings passiert diese auch erst nachdem die ihn zum Handeln zwingt. Insofern bin ich absolut eurer Meinung, was das ausschließlich auf Reaktionen beruhende Handeln anbelangt (aber vielleicht sind die meisten Leben so, ich brauche nur nicht 700 Seiten um das vor Augen geführt zu bekommen.)
Durch diese Umdrehung bekommt beides ein anderes Gewicht.
Der "Clou" ist für mich auch tatsächlich das umgedrehte Geschlechterbild: Roland, das passive Heimchen am Herd (er kocht ja leidenschaftlich seine Lammkoteletts), der sich der Kindererziehung widmet und die erfolgreiche Autorin Alissa, die in der Öffentlichkeit steht. Allerdings ist der Clou insofern eingeschränkt, als das ja nun auch kein besonders neues Thema ist und seit dem 19. Jahrhundert schon öfter mal aufgegriffen und durchgefochten wurde (meist natürlich mit dem Fokus auf der aktiven Frau). Erstaunlich ist höchstens wie wohlwollend und geduldig sich Roland in diese "weibliche" Rolle fallen lässt (in der Literatur des Ersten Weltkriegs erleiden die Männer durch ihre Passivität bleibende psychische Schäden, aber da Roland durch Miriam ja schon früh zur Untätigkeit erzogen wurde, wird er wohl weiterhin damit klar kommen).
Ansonsten steht der LA ja völlig im Zeichen der Frauen und Rolands Unfähigkeit eine Position auf Augenhöhe in seinem Bezug auf Frauen einzunehmen: Alissa übertrumpft ihn, lässt ihn sitzen. Das nimmt er dann mal so hin. Die Italienerin lässt ihn nach einem (wie er findet) tollen Wochenende sitzen, das nimmt er so hin. Seine Mutter hat ihm sein ganzes Leben ein "Märchen" erzählt, jetzt möchte und kann er sie nicht mehr darauf festnageln und vorher hat er es nicht wirklich hinterfragt. Susan bestimmt, wie es alles so läuft. Daphne entscheidet sich gegen ihn, okay, dann ist das so. Miriam dominiert, benutzt und missbraucht ihn, auch das nimmt er so hin. Jane verweigert den Kontakt, dann ist das so.
Neben der Tatsache, dass Roland anscheinend über einen wenig ausgeprägten Kampfgeist und ein hohes Maß an Akzeptanz verfügt, könnte ich aber auch fast den Eindruck bekommen, dass der Roman leichte misogyne Tendenzen aufweist - denn positive Frauenfiguren sind hier doch sehr rar gesät. Sind es nicht die Männer, die hier durchweg verlässlicher sind? Die Lehrer, die sich um ihn kümmern, der Freund Oliver, der ihm einen Job verschaffte, sein Vater, zu dem er zwar kein gutes, aber in der Rückschau auch kein wirklich schlechtes Verhältnis hatte? Allerdings nehmen die Männer (bis auf Lawrence) insgesamt ja nur eine marginale Rolle in Rolands Leben ein, Frauen scheinen ihn zu prägen.