4. Leseabschnitt: Kapitel 54 bis 66

MRO1975

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Pinch lebt jetzt in London und unterrichtet Italienisch. Jetzt wissen wir also, woher der Roman seinen englischen Titel (The Italian Teacher) hat. Pinch scheint sich mit seinem Leben arrangiert zu haben. Er schließt Freundschaft mit Jing und versöhnt sich mit Marsden. In den Ferien malt er, zerstört aber anschließend seine Bilder. „Er ist großmutig, weil er ein Geheimnis hat. Eigentlich ist er nämlich gar kein Lehrer. Er spottet über sich selbst, sagt sich in ironisch, affigem Ton: „Ich bin ein Künstler!“ Ja, ja - ein Künstler, dessen Werk in der exquisitesten Sammlung von ganz Nebraska hängt!“ (S. 242)

Pinch hält weiter Kontakt zu seinem Vater und entwickelt sich tatsächlich zu dessen Interessenvertreter in der Kunstwelt. Bear kehrt eines Tages in das Ferienhaus in Frankreich zurück und beginnt mit einem Inventar seiner Werke. Dabei stellt er fest, dass eines seiner Werke fehlt. (Pinch hat das beschädigte und anschließend reparierte Bild aus Angst vor Entdeckung verbrannt.) Er bestellt Pinch ein, der Schlimmes befürchtet. Pinch gesteht, einen Teil der Wahrheit. Er erzählt Bear, er habe das Bild verkauft. Die beiden streiten. Der Sreit fördert die Wahrheit über das Urteil Bears über das Bild seines Sohnes zu Tage. Bear hatte erkannt, dass Pinch Stil hat und ihn deshalb zu seinem Nachlassverwalter erwählt. Er hat ihm gesagt, dass dieser kein Künstler werde, weil er nicht auf die Ausstellungen seines Sohnes gehen wollte, vielmehr sollte sein Sohn für ihn arbeiten. Autsch!

Pinch fährt davon. Bear will die Polizei rufen und stürzt in die Nacht hinaus. Er erleidet einen Herzanfall und stirbt. Pinch ist Bears Alleinerbe. Er weiß aber nicht, was er mit den Bildern seines Vaters machen soll. Seine Halbgeschwister drängen ihn zum Verkauf und machen Ansprüche geltend. Pinch sträubt sich, weil er weiß, dass sein Vater gegen einen Verkauf gewesen wäre.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Der Sreit fördert die Wahrheit über das Urteil Bears über das Bild seines Sohnes zu Tage. Bear hatte erkannt, dass Pinch Stil hat und ihn deshalb zu seinem Nachlassverwalter erwählt. Er hat ihm gesagt, dass dieser kein Künstler werde, weil er nicht auf die Ausstellungen seines Sohnes gehen wollte, vielmehr sollte sein Sohn für ihn arbeiten.
Ein tragischer Dialog, der zeigt, wie narzisstisch Bear gehandelt hat. Obwohl er das Potential seines Sohnes erkennt, glaubt er, nur weil dieser zu wenig Persönlichkeit habe, werde er sich nicht durchsetzen - als könne er dies entscheiden. Noch schlimmer ist aber die Aussage, dass Pinch für ihn arbeite.

"Ich gewinne. Klar? Ich werde verdammt nochmal immer gewinnen" (296)

Und das ist jetzt das Spannende. Wird er wirklich gewinnen? Ich hoffe nicht.:rolleyes:
 

Literaturhexle

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Pinch scheint einen Weg gefunden zu haben, wie er die berechtigten Interessen seiner Geschwister befriedigen und trotzdem die für ihn wichtige Erinnerung bewahren kann: er fälscht drei weitere Bilder und gibt die Biografie in Auftrag.

Spannend sein innerer Ausruf auf S. 339: "Du arbeitest nun für mich, Dad. ... Ohne es je gewollt zu haben, arbeitest du am Ende nur noch für mich ."

Hoffentlich geht es gut aus- auch wenn es streng genommen Unrecht ist. Pinch hat unter dem Schatten seines Vaters gelitten, konnte sich nie frei schwimmen. Als tragische Figur wünsche ich ihm einfach in der zweiten Lebenshälfte noch etwas Zufriedenheit und Liiiebe:rolleyes:

Ein bisschen zuviel Dramatik hatte die Szene im Büro seiner Chefin: der versuchte Kuss (in Nachahmung seines Vaters), dieses schrittweise Zusammenbrechen des Regals mit allen Folgen.... Nun ja. Schriftstellerische Freiheit.
 

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Ein bisschen zuviel Dramatik hatte die Szene im Büro seiner Chefin: der versuchte Kuss (in Nachahmung seines Vaters), dieses schrittweise Zusammenbrechen des Regals mit allen Folgen.... Nun ja. Schriftstellerische Freiheit.
Die Schrankszene war für mich Slapstick. Ich habe tatsächlich Tränen gelacht, weil ich mir das Chaos bildlich vorgestellt habe. Ich muss schon wieder grinsen:D
 

MRO1975

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Ein bisschen zuviel Dramatik hatte die Szene im Büro seiner Chefin: der versuchte Kuss (in Nachahmung seines Vaters), dieses schrittweise Zusammenbrechen des Regals mit allen Folgen.... Nun ja. Schriftstellerische Freiheit.
Man könnte es auch so sehen, dass er ein letzes Mal versucht hat, jemanden zu beeindrucken und sich daran verhoben hat. Also lieber sein lassen.
 

Literaturhexle

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Man könnte es auch so sehen, dass er ein letzes Mal versucht hat, jemanden zu beeindrucken und sich daran verhoben hat. Also lieber sein lassen.
Manchmal bin ich schwer beeindruckt von eurer Fähigkeit, um die Ecke zu denken:)
Das stimmt! Die Szene passte nicht so recht ins Gesamtkonzept. Mit dieser Erklärung kann ich auch diese gefühlte Schwachstelle abhaken.
Alles prasselte auf ihn herab. Durch den Sturz wurde er sprichwörtlich ins Rückgrat getroffen und "auf Null" zurückgesetzt.
Passt.
 
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Ein tragischer Dialog, der zeigt, wie narzisstisch Bear gehandelt hat. Obwohl er das Potential seines Sohnes erkennt, glaubt er, nur weil dieser zu wenig Persönlichkeit habe, werde er sich nicht durchsetzen - als könne er dies entscheiden. Noch schlimmer ist aber die Aussage, dass Pinch für ihn arbeite.

"Ich gewinne. Klar? Ich werde verdammt nochmal immer gewinnen" (296)

Und das ist jetzt das Spannende. Wird er wirklich gewinnen? Ich hoffe nicht.:rolleyes:
Als ich dies gelesen habe, war ich sehr überrascht. Ich bin davon ausgegangen, dass Bear damals einfach nur herzlos war, in dem er Pinch schonungslos seine Meinung sagte. Diese Variante empfinde ich im Nachhinein fast noch grausamer. Dem Sohn nichts von seinem Talent zu sagen, weil er in seinen Augen nicht als Künstler taugt. Hatte Bear vielleicht auch ein wenig Angst davor, dass sein Sohn ihm den Rang abläuft?
 
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Sassenach123

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Pinch entwickelt sich fast ein wenig zum Eremiten, er wirkt sehr gehemmt im Umgang mit anderen. Wenn er aus sich herausgeht, passiert nichts Gutes wie man an dem versuchten Kuss und dem verhobenen Rücken unschwer erkennen kann.
Lediglich bei Marsden scheint er er selbst sein zu können, obwohl der Kontakt ja leider eher sporadisch stattfindet.
Für mich hat diese Roman eine Entwicklung angenommen, mit der ich nicht gerechnet habe. Der Autor schafft es aber trotzdem mich zu fesseln, und ich hoffe, dass der letzte Abschnitt für Pinch etwas Gutes offenbart.
 
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Mikka Liest

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Ein tragischer Dialog, der zeigt, wie narzisstisch Bear gehandelt hat. Obwohl er das Potential seines Sohnes erkennt, glaubt er, nur weil dieser zu wenig Persönlichkeit habe, werde er sich nicht durchsetzen - als könne er dies entscheiden. Noch schlimmer ist aber die Aussage, dass Pinch für ihn arbeite.

"Ich gewinne. Klar? Ich werde verdammt nochmal immer gewinnen" (296)

Und das ist jetzt das Spannende. Wird er wirklich gewinnen? Ich hoffe nicht.:rolleyes:

Den Dialog fand ich auch fast schon schmerzhaft zu lesen. Bear bestätigt, was ich schon die ganze Zeit vermutet habe: das Bild, das Pinch ihm damals zeigte, war keineswegs schlecht, Bear hat ihn absichtlich kleingehalten.

Dass er es wagt, Pinch zu sagen 'Ich hatte doch Recht, aus die ist kein Maler geworden', wo das doch wahrscheinlich seine Schuld war... Wenn Bear Pinch nicht so entmutigt hätte, wäre sein Leben wahrscheinlich völlig anders verlaufen.
 

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Pinch scheint einen Weg gefunden zu haben, wie er die berechtigten Interessen seiner Geschwister befriedigen und trotzdem die für ihn wichtige Erinnerung bewahren kann: er fälscht drei weitere Bilder und gibt die Biografie in Auftrag.

Ich hoffe, dass seine Reise noch nicht zuende ist – immer noch wird sein ganzes Leben von Bear bestimmt, ich hoffe, er wird sich noch dazu überwinden, seine eigene Kunst zu zeigen.
 

Mikka Liest

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Die Schrankszene war für mich Slapstick. Ich habe tatsächlich Tränen gelacht, weil ich mir das Chaos bildlich vorgestellt habe. Ich muss schon wieder grinsen:D

Das ist etwas, das mir hätte passieren können... Ich habe ein Pendant dafür, dass in einer Situation alles schief geht, was schief gehen kann! Insofern fand ich die Szene nicht mal unrealistisch.
 
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Manchmal bin ich schwer beeindruckt von eurer Fähigkeit, um die Ecke zu denken:)
Das stimmt! Die Szene passte nicht so recht ins Gesamtkonzept. Mit dieser Erklärung kann ich auch diese gefühlte Schwachstelle abhaken.
Alles prasselte auf ihn herab. Durch den Sturz wurde er sprichwörtlich ins Rückgrat getroffen und "auf Null" zurückgesetzt.
Passt.

Ja, die Szene hat etwas sehr Symbolisches.

Ich lese gerade ein paar Bücher zum Thema Schreiben und beschäftige mich dabei mit Theorien wie Campbells "Hero's Journey" oder dem "Plot Embryo" von Dan Harmon, wo darüber gesprochen wird, mit welchen Strukturen und Abläufen sich Geschichten meist entwickeln.

Wenn ich diese Geschichte mit der Struktur des "Plot Embryos" vergleiche, befindet sich Pinch in dieser Szene wohl am Punkt:

Der Held bekommt, was er will (er ist Alleinerbe von Bears Kunst, damit wird seine Position als Bears Lieblingssohn bestätigt), bezahlt aber einen hohen Preis – die chronischen Rückenschmerzen stehen in meinen Augen für etwas ganz Anderes, nämlich für Pinchs Unfähigkeit, den Tod seines Vaters zu überwinden und dabei auch die Abhängigkeit von seinem Wohlwollen zurückzulassen.

Hoffentlich entwickelt sich die Geschichte so weiter, wie es laut "Plot Embryo" meist weitergeht:

Der Held kehrt zurück zu seinen Anfängen, ist aber an seinen Erfahrungen gewachsen und bereit für eine grundlegende Veränderung.
 

Mikka Liest

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Diese Variante empfinde ich im Nachhinein fast noch grausamer. Dem Sohn nichts von seinem Talent zu sagen, weil er in seinen Augen nicht als Künstler taugt. Hatte Bear vielleicht auch ein wenig Angst davor, dass sein Sohn ihm den Rang abläuft?

Ja, ich denke, Bear konnte den Gedanken nicht ertragen, nicht Bavinsky Nummer 1 zu sein...

In der New York Times wurde eine Rezension zu diesem Buch veröffentlicht, mit dem bezeichnenden Titel "Portrait of the Artist as a Complete Jerk" – also "Porträt des Künstlers als komplettes A...loch".

Der Artikel ist übrigens sehr interessant – ich hatte zum Beispiel keine Ahnung, dass Picasso zwei seiner Frauen/Mätressen in den Selbstmord getrieben hat...

https://www.nytimes.com/2018/04/11/books/review/tom-rachman-italian-teacher.html
 

Mikka Liest

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Da es noch keiner angesprochen hat: was glaubt ihr, warum hat Mars sich entschieden, seine Rettungsversuche abzubrechen und Bear sterben zu lassen?

Ich hatte den Eindruck, dass es nicht nur deswegen war, damit Bear nicht zu Polizei geht und Pinch anzeigt. Der Schlüsselmoment schien mir der Moment zu sein, als Mars feststellte, dass Bear in seinem Handy nur zwei Kontakte gespeichert hat – Pinch und die Polizei.

Bear, bei all seinem Bravado und seinen scheinbar unzähligen Freunden, war im Grunde ein einsamer alter Mann, der nicht mehr in der Lage war, neue Kunst zu erschaffen.

Mein Gefühl war, dass Marsden ihn aus Mitgefühlt hat sterben lassen, weil er wusste, dass Bears Leben nicht mehr glücklich und erfüllt war.
 

MRO1975

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Da es noch keiner angesprochen hat: was glaubt ihr, warum hat Mars sich entschieden, seine Rettungsversuche abzubrechen und Bear sterben zu lassen?
Gute Frage! Ich hatte den Eindruck, dass Marsden realisierte, dass Bear Pinch unter seiner Fuchtel hatte und Pinch befreien wollte.
 

Renie

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Mein Gefühl war, dass Marsden ihn aus Mitgefühlt hat sterben lassen, weil er wusste, dass Bears Leben nicht mehr glücklich und erfüllt war.
Wobei das ganz schön vermessen wäre. Mars entscheidet, dass Bears Leben nicht lebenswert ist. Das möchte ich nur ungern glauben.
Für mich hat Mars aufgegeben, als er erkannt hat, dass er Bear beim besten Willen nicht helfen kann. Egal, wie er es gedreht hätte, Bear wäre gestorben. Und ehe er seine letzten MInuten zur Qual macht, weil er ihn durch den Wald zerren muss, bleibt er lieber an Ort und Stelle und gönnt ihm seine letzten Minuten in Ruhe.
Vielleicht sehe ich das Ganze auch zu romantisch. Ich bin mir einfach nicht sicher.:rolleyes:
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Den Dialog fand ich auch fast schon schmerzhaft zu lesen. Bear bestätigt, was ich schon die ganze Zeit vermutet habe: das Bild, das Pinch ihm damals zeigte, war keineswegs schlecht, Bear hat ihn absichtlich kleingehalten.

Dass er es wagt, Pinch zu sagen 'Ich hatte doch Recht, aus die ist kein Maler geworden', wo das doch wahrscheinlich seine Schuld war... Wenn Bear Pinch nicht so entmutigt hätte, wäre sein Leben wahrscheinlich völlig anders verlaufen.

Diese Stelle hat mich auch echt wütend gemacht. Ich hatte ja ebenfalls schon von Anfang an diese Vermutung, aber wie Bear es dann noch gegenüber Pinch "rechtfertigt", das ist dann echt die Höhe.
 
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