Also zunächst mal das Negative: Es stößt mir auf, dass die männliche Spezies doch überwiegend als schw...gesteuert dargestellt wird. Ich will nicht glauben, dass die Welt so tickt, auch wenn es derlei Exemplare definitiv gibt.
Hannah gibt sich als "Rächerin", aber ist sie denn nicht auch sexistisch?:
Indy war auf Händen und Knien vor dem Schreibtisch, fummelte mit Kabeln herum, während ihr Rock sich straff über ihren Hintern spannte.
"Das ist ein nettes Willkommen", sagte Hannah, berührte den Rock und ließ die Hand Indys Rücken hinaufgleiten." 277/78
(...) Hannah vergaß manchmal einfach, wie schön ihre Freundin war... 266
Oder ist das wieder Männerschreibe?
Jenny hadert mit den Männern, die angeblich nur auf Jugend und einen straffen Busen stehen. Sie fühlt sich bedürftig ("Es war schon sehr lange her, dass sie die nackte Brust eines Mannes berührt hatte") und ausgemustert aus deren Beuteschema. Aber sieht sie den Mann nicht auch als Objekt?:
Er (Liam) trug nun eine weit geschnittene Jeans und ein blaues Hemd. Wie es sich um seine Brust schmiegte, konnte sie erkennen, dass er darunter durchtrainiert war. 281
Tut mir leid, aber wer scannt schon einen Unbekannten beim ersten Treffen dermaßen ab? Dann kann ich mich nicht beklagen, wenn "Mann" zuerst auf den Busen schaut...
In Bezug auf ihren Ermittlungseifer finde ich die Frauen etwas zu übermotiviert und zu wenig überlegt. Besonders Hannah hat jegliche Objektivität und Vernunft verloren. Sie meint, Mel zu kennen, sieht sie als völlig unschuldiges Opfer, ist nicht willens, der Polizei den Vortritt zu lassen. Stattdessen zerstört sie Spuren bei ihrer völlig wilden Suche nach dem zweiten Handy, diskreditiert den Dozenten öffentlich, obwohl noch nix bewiesen ist, oder lauert Xanders Freunden extrem bedrohlich und provokant in der Kneipe auf (Wenn das Mörder sind, sind die gefährlich, Mädchen!) und so weiter. Dass sie von der Dozentengattin ein paar auf die Nase kriegt, wundert nicht, zumal ich englische Frauen als deutlich streitbarer erlebt habe als unsereine (Schottland ist ja nicht so weit weg
).
Dass die Frauen auch immer alles finden, was sie suchen, grenzt an ein Wunder! Das Telefonzettelchen, die Nacktfotos, jetzt noch der verborgene Zettel im Sarg... Sehr viel Zufall, würde ich sagen.
Nun das Positive:
Das Lokalkolorit gefällt mir immer noch ausgezeichnet. Toll, dass sich der Autor an reale Schauplätze hält. Gut gefallen mir auch die Nebenhandlungen und -figuren, wobei auch dort nicht ohne Stereotype ausgekommen wird: Der brave, sensible, künstlerisch begabte Ehemann mit seinem untreuen, robusten Ehegespinst an der Seite. Der gutmütige Alte, dem im wahrsten Sinn jemand aufs Dach steigt. Diejenige könnte eine Verwandte der guten Putzfrau sein, so ähnlich wie sie sich sehen.
Die Nummer mit dem Silberkettchen war wieder abstrus - oder ist der Datenschutz auf der Insel nicht das, was er hier ist? Eine kleine Drohung und schon werden Mitarbeiterdaten aus scheinheilig unwichtigen Gründen herausgerückt...
Erstaunlich leicht und schnell haben Jenny und Dorothy das Grab geöffnet. Hut ab! Allerdings verstehe ich die Akribie der Witwe nicht. Was wird ihr die Wahrheit bringen? Sie wird ihren Mann doch nicht post mortem anklagen? Wenn sie die Leiche findet, muss sie es doch der Polizei übergeben, damit die Todesursache festgestellt werden kann... Sie denken alle nicht an die Konsequenzen ihres Handelns, alles ist sehr spontan und wirkt unwirklich auf mich.
Auch Jenny mit ihrem "Wenn überhaupt, sollte ich heulen. Du nennst meinen Dad einen Mörder." Solche kindischen Vorwürfe von einer erwachsenen Frau. Augen roll.
Für mich zeichnet sich ab, dass Archie deutlich mehr wusste, als er zugibt und dass Jenny mit Liam zusammenkommt. Bei Mel tappen wir noch im Dunklen, das Doppelleben hätte ihr niemand zugetraut außer ihrer Familie. Die Diebstähle beim netten Mr. Glassman scheinen auch aufgeklärt zu sein.
Ich lese das Buch wirklich noch ganz gerne, meine Worte sind keineswegs als Verriss zu verstehen. Der Titel scheint mir wieder etwas für "normale" Krimileser zu sein und ich bin gespannt, wie diese ihn bewerten werden. Bestimmt richtig gut!