4. Leseabschnitt: Kapitel 27 bis 33/Ende (Seite 189 - 223)

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.640
4.803
49
62
Essen
Der 4. LA und damit das Ende bringt für diese Geschichte ein vollumfängliches "Happy End". Jesko und Zitrone werden ein Paar, der neu gefundene (Halb-)Bruder Dirk ist ein Gewinn und zwar auch im Hinblick auf die genetischen Eigenschaften seines Rückenmarks.
Und dabei hat dieser Jesko in seiner eigenen Interpretation seines Lebens und des Lebens seiner Familie gar kein Glück verdient, denn er sieht sich als derjenige, der den Familienmitgliedern das Glück nimmt.
S. 211: [zitat]Ich wollte sie dort feiern lassen , wollte ihnen das Glück nicht nehmen, und während ich dies dachte, wurde mir bewusst, wie sehr ich ihnen ihre paar Gramm Glück genommen hatte in den letzten Wochen. Vielleicht ist das meine Aufgabe in diesem Haufen, ihnen das Glück aus den Knochen zu saugen, das sie sich anmaßen, erschleichen, rauben, unredlich erwerben, seit Hunderten von Jahren schon.
Doch gibt es eine andere Art von Glück?
Gibt es Glück auf eigene Rechnung?[/zitat]
Das ist eine wirklich sehr philosophische Frage, die vielleicht einen Zugang (von vielen möglichen) zu dem Buch eröffnet: Ist Glück ohne das verursachte Unglück anderer überhaupt möglich? Oder spielen diese immer Hand in Hand?
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.480
50.076
49
So als vollumfängliches Happyend sehr ich es nicht. Immerhin stirbt noch die Mutter - wobei sie so wohler dran ist. Rührend, wie Jesko ihr den Abschied vom Leben zu erleichtern versucht mit all den erträumten Biografien, die sie vielleicht einmal hatte.
Die Brüder versöhnen sich. Angesichts der vielen gemeinsamen verbindenden Erlebnisse halte ich das für realistisch.

So richtig passt die traumatische Episode des Vaters nicht, der als junge mit nackten Füßen auf dem Großvater tanzen musste, und die dem Roman seinen Namen gab:
[zitat]Und es sah aus, als würden die Kinder tanzen, als würden sie Ameisen zertreten oder auf Scherben tanzen. So sah es aus. S. 208 [/zitat]
Daher rührt sein Schluckauf. Das Schicksal eines Vertriebenen. Möglicherweise auch ein Stück aus der Familiengeschichte des Autors. War es nicht ebenjener Großvater, der in der SS gewesen war? Die Geschichte hat ihre zwei Seiten.

@Anjuta hat den ersten Satz des Buches herausgehoben. Ich finde den letzten ebenso gelungen: [zitat]Und das Leben glich den Kondensstreifen am Himmel, die in alle Richtungen verblassen.[/zitat]

Ich hätte nicht gedacht, dass mich eine solche Geschichte dermaßen beeindrucken kann. Toll!
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.742
9.825
49
Das Ende kam mir etwas zu schnell und servierfähig (inclusive Haustürlieferung).
Dirk wurde dann ja doch sehr schnell gefunden und gebracht (und auch als tauglich eingestuft).
Etwas zu dramatisch, dass Vater und Mutter gleichzeitig darniederliegen, aber nur einer der beiden überlebt, weil er dann doch die bessere Versorgung bekommen hat?!

Allerdings gingen mir die Kriegserlebnisse des Vaters doch sehr nah und erklärt hinreichend u. a. auch seine Blut und Boden Terrasse.

Wie @Literaturhexle schon bemerkte, eigentlich eine relativ einfache Familiengeschichte, die aber durch ihre Sprachbilder und intensive Kürze eine Kraft findet, der man sich schwer entziehen kann.
 

Circlestones Books Blog

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2018
1.430
4.535
49
72
Wienerin auf Rügen
www.circlestonesbooks.blog
Ich hatte vor Beginn der Leserunde etwas Bedenken im Hinblick auf den Inhalt dieses Romans, gerade in diesen Tagen war ich nicht sicher, eine Geschichte eines Todkranken lesen zu wollen, aber dies ist war von der ersten Seite an völlig anders, als teilweise befürchtet, auch wenn ich es nach der Leseprobe schon geahnt habe. Aber dieses trotz allem Positive zog sich für mich durch die gesamte Geschichte, durch diese insgesamt sehr speziellen Schicksale und Lebensumstände der einzelnen Charaktere. Es ist der präzise beobachtende, abgeklärte und dennoch mitfühlende, poetische Ich-Erzähler Jesko, der für mich der gesamten Handlung ein im Hintergrund mitschwingende positives Gefühl gibt. Das Ende passt für mich, kein unlogisch glückliches Ende, aber doch eine Form von Hoffnung für für alle.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.355
10.656
49
49
Käthe bringt ihrem Sohn die ersehnte Rettung durch seinen Bruder Dirk, der seinem Vater witziger weise wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Man kann von ihr halten was man will, aber sie scheint Jesko doch geliebt zu haben. So verbissen wie sie an die Sache rangegangen ist. 3 Flaschen Wodka,,,,,,,und dann das bitterböse Ende. Doch wie wäre es ansonsten für sie weitergegangen? Man kann fast sagen, es war besser so.
Zitrone und Jesko werden ein Paar, das habe ich kommen sehen und hat mich daher nicht sonderlich überrascht.
Stiefi hat mich in diesem Abschnitt positiv überrascht. Das hätte ich ihr gar nicht zugetraut
Das Nachwort fand ich interssant.
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
Daher rührt sein Schluckauf. Das Schicksal eines Vertriebenen. Möglicherweise auch ein Stück aus der Familiengeschichte des Autors. War es nicht ebenjener Großvater, der in der SS gewesen war? Die Geschichte hat ihre zwei Seiten.
Du meinst daher kommt sein Schluckauf? Das ist aber sehr weit hergeholt diese Interpretation finde ich.
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
... und eigentlich stimmt der Rückentext jetzt auch nicht so haargenau! Aber das hat man ja öfter! tse tse
Das stimmt, da gebe ich dir recht, den als ich von diesem Klappentext ausging, hatte ich was ganz anderes erwartet als mir hier präsentiert wurde.
Allerdings gingen mir die Kriegserlebnisse des Vaters doch sehr nah und erklärt hinreichend u. a. auch seine Blut und Boden Terrasse.
Mir ging es auch nahe, allerdings fand ich es fast ein wenig zu kurz das Ganze.
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
Also mir geht es auch wie Literaturhexle, das ich es nicht als Happyend ansehe, dieses Ende. Vielleicht in Jeskos Sicht war es ein Happyend, weil er mit seinem neu gewonnenen Bruder Dirk endlich den Lebensretter gefunden hat. Trotzdem blieben für mich einige Fragen am Ende offen.
Zum einen was hat seine Stiefmutter ihm da in der Garage erzählt, was sie nicht sagen sollte? Und warum hat nun der Vater seinen Sohn vor der Familie verschwiegen? Auch was das mit dem Angedeuteten schwul sein von damals im Internat zu tun hat, wurde hier nicht aufgeklärt.

Das war etwas, wo mich das Buch sehr unbefriedigt zurückgelassen hat.
Deshalb konnte mich das Buch in vielerlei Hinsicht nicht hundertprozentig überzeugen. Ich finde, der Autor hat hier zu viele Themen angeschnitten und nicht zu Ende geführt. Mir fehlte da einfach die Klarheit bei manchen Themen. Auch was die Vergangenheit von Jeskos Vater anbelangt, konnte mich dieser kleine Abschnitt mit dem erschießen des Großvaters nicht befriedigen. Da hätte ich mir doch etwas mehr gewünscht.

Das Käthe Dirk gesucht hat, zeigt mir hingegen, wie sehr ihr Herz doch trotzdem an ihrem Sohn hing. Ihr war es wichtig zu wissen, das Jesko seine Chance bekommt, damit sie in Ruhe sterben konnte. Ich denke, sie hat sich deshalb auch so betrunken, weil sie dieses Elend nicht mehr weiter erleben wollte.
Dass Jesko seine Mutter noch so aufzubauen versucht mit Komplimenten, während sie mit dem Tode ringt, fand ich eine feine Geste. Man sieht eben doch, dass er seine Mutter geliebt hat, trotz all ihrer Macken. Vielleicht hat er sie gerade nach all dem, was sie in letzter Zeit erleben musste, besser kennengelernt?

Dass Zitrone und Jesko nun zusammen sind, hätte ich niemals gedacht zu Beginn des Buches. Ich fand auch die Frage an seinen Bruder gut, als er meinte, ob er nun Babs nicht mehr so viel schlagen muss.
Dass dieser Scherbentanz aus der Vergangenheit seines Vaters herrührt, als er auf der Erde seines getöteten Großvaters tanzen musste, bis dieser endgültig tot war, fand ich schon heftig. Die Vorstellung, dass er so etwas als Kind erleben musste, fand ich schon hart.

Irgendwie konnte mich das Buch nicht so ganz befriedigen, ich hatte mir da vom Klappentext ein wenig mehr erwartet. Auch die Sprachwahl des Autors gefiel mir mitunter nicht immer so gut, ich fand es an manchen Stellen schon anstrengend zu lesen. Das Nachwort dagegen fand ich wirklich humorvoll, so hätte ich Volker Schlöndorff gar nicht gesehen, Grass dagegen schon.
 
Zuletzt bearbeitet:

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.480
50.076
49
Du meinst daher kommt sein Schluckauf? Das ist aber sehr weit hergeholt diese Interpretation finde ich.
[zitat]und Der kleine Junge, mein Vater,(...), ließ die gefrorene, ihm so gut erklärte Eidechse nicht los. Er umklammerte sie, taute sie an seiner nackten Brust, nah seines Zwerchfells, das immer wieder aufzuckte, sein ganzes Leben.[/zitat]
Also weit hergeholt ist da nix. Steht alles im Buch auf Seite 208 ;)
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
[zitat]und Der kleine Junge, mein Vater,(...), ließ die gefrorene, ihm so gut erklärte Eidechse nicht los. Er umklammerte sie, taute sie an seiner nackten Brust, nah seines Zwerchfells, das immer wieder aufzuckte, sein ganzes Leben.[/zitat]
Also weit hergeholt ist da nix. Steht alles im Buch auf Seite 208 ;)

Naja ok das kann man muss man aber nicht so interpretieren. :) Ich sag ja das sind Kraus Gedanken, die eben nicht meine sind. :D
 

nellsche

Bekanntes Mitglied
1. September 2018
1.044
652
49
Ich finde das Ende sehr gut gelungen. Jesko und Zitrone werden ein Paar, wer hätte das anfangs gedacht....
Der Bruder Dirk wurde von Käthe aufgespürt und ist ein passender Spender. Da kann man beiden nur viel Glück und Erfolg wünschen.
Käthe ist gestorben, mit tollen Fantasien ihres Lebens im Kopf...Und nicht allein. Ob sie absichtlich so viel getrunken hat?
Sehr schön fand ich, dass Jesko und Ansgar sich wieder näher kamen.

Ein unterhaltsames Buch, das mich auch nachdenklich machte. Mir hat es sehr gut gefallen.
 

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.869
7.759
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Ein passables Ende einer recht eigenwilligen Familiengeschichte in meinen Augen. Allerdings blieben auch für mich hier einige Fragen offen: was war so schlimm an Renate und dem unehelichen Sohn, dass der Vater sich mit Händen und Füßen dagegen sträubte, diesen als möglichen Spender und einzige Überlebenschance für Jesko ins Spiel zu bringen?! Was war mit dem blutbesudelten Album in des Vaters Arbeitszimmer? Und weshalb tauchten in diesem Roman so viele Mäuse auf?

Das Nachwort fand ich interessant, auch wenn es inhaltlich kaum Bezug zum Roman selbst hat, nur zu dessen Entstehungsgeschichte. Aber bei dem Wort 'Werktreue', das Herrn Grass offenbar so wichtig war, stellt sich mir nun doch die Frage, wie werktreu die Verfilmung des eigenen Werkes von Herrn Kraus geraten ist? ;) Es scheint allerdings gar nicht so einfach zu sein, an diesen Film heranzukommen (bezahlbar...).
 

Amena25

Aktives Mitglied
23. Oktober 2016
695
882
44
Also mir geht es auch wie Literaturhexle, das ich es nicht als Happyend ansehe, dieses Ende. Vielleicht in Jeskos Sicht war es ein Happyend, weil er mit seinem neu gewonnenen Bruder Dirk endlich den Lebensretter gefunden hat. Trotzdem blieben für mich einige Fragen am Ende offen.

Mich lässt das Ende eher etwas ratlos zurück, wie eigentlich das ganze Buch überhaupt. Die gnadenlose ,,Traumafabrik" Familie wird sehr deutlich, das ,,Zärtliche" finde ich dagegen nur am Rande, vielleicht in den letzten Szenen, als Jesko seine Mutter beim Sterben begleitet.
Sehr interessant finde ich die Sprache und den Stl des Autors, die Geschichte an sich konnte mich dagegen nicht so recht packen.
 
  • Like
Reaktionen: Literaturhexle