4. Leseabschnitt: Kapitel 22 bis 42 (S. 227 bis 323)

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Danke für diesen Artikel, ich hatte davon bisher keine Ahnung (spricht nicht unbedingt für mich)
Ich kannte diese völkischen Gruppen auch nicht. Jetzt durch die Lektüre von diesem Buch und den wertvollen Hinweisen hier in der Runde bin ich wieder schlauer geworden. Also spricht rein gar nichts gegen dich :cool:.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Den Besuch in Ravensbrück fand ich unglaublich bedrückend
Das gelesene hat mich stark an meine Eindrücke aus Buchenwald erinnert, wo ich vor 2 1/2 Jahren war. Ich hab jetzt noch Gänsehaut bei dem Gedanken an die Führung durch das dortige Krematorium. Auf dem Exerzierplatz konnte man förmlich die Schreie der Menschen "hören". Gruselig. Schrecklich.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Es hat mich auch überrascht, dass Sigrun auf ein Gymnasium ging.
Das ist es auf alle Fälle. Auf einer Hauptschule würde sie mehr auf praktische Arbeit vorbereitet und weniger zum Diskutieren angeregt. Ihr Weg scheint ja programmiert:
Aber wenn wir den Hof haben, finden wir einen Mann für Sigrun und den Hof, und sie kriegt die Kinder.251
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ja, es ist rührend, wie Kaspar sich um Sigrun bemüht, sich Gedanken macht, wie er ihren Blickwinkel weiten kann ohne sie (und ihre Eltern) zu verschrecken.

Allerdings geht mir sein Bildungsbürgerprogramm etwas auf die Nerven. Ist es realistisch, dass eine 14-jährige, die noch nie klassische Musik gèhört hat, dermaßen darauf abfährt? Dass sie beim ersten Hören schon derart tiefe Empfindungen hegt? Dass ihr Opern gefallen, Matthäuspassion, Gedichte, Literatur aus allen Abteilungen der Buchhandlung, Museen aller Arten? Uff, das wird mir etwas dick aufgetragen. Da wird eine Wunsch-Enkelin gezeichnet, die nur völkisch verderbt ist, ansonsten aber perfekt zu Kaspar passt. Und wenn es dann mal ein Kinofilm ist, ist es keine Vampir-Biss-Geschichte:p, sondern die West-Side-Story.... immer hübsch im altherrlichen Bildungskanon.

Krass ihre politische Gesinnung, ihre schwer erträglichen Vorurteile. Krass ihre Meinung zu Fremden, Ausländern, Juden. Würde ein so junges Mädchen das auch so drastisch außerhalb der eigenen Blase formulieren? Den Holocaust leugnen ist ein starkes Stück. Die Auseinandersetzung Kaspars mit diesen ihren Aussagen sehe ich als Stärke des Buches. Der Besuch im KZ legt die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich dar.

Dieser Abschnitt hat mich nicht mehr ganz so enttäuscht wie der vorherige, der mich quasi aus den Wolken geschossen hat.
Stilistisch komme ich nicht auf meine Kosten: wie oft habe ich den Namen Sigrun lesen müssen?! Schon ein bisschen wie Schulaufsatz, die Gedanken von Kaspar...

Völlig entgeistert war ich von der Idee, dass Sigrun ein Jahr in England verbringen soll. Das muss die Eltern doch gegen ihn aufbringen! Stattdessen ist ein Buch der Auslöser - ein Aussteigerbuch.

Kaspar hat eben mal 100.000 Kredit aufgenommen. Geld, das "der guten Sache" und keinesfalls seiner Enkelin zu Gute kommt. Diesen Strang empfinde ich hanebüchen. Kaspar ist 71, er sollte doch seine Altersvorsorge nicht so leichtsinnig verschenken. Das kommt mir wie ein fauler Kuhhandel vor.

Nun denn. Auf in den letzten Teil. Gibt es etwa doch kein Happy End? Das würde mich überraschen (Was man zweifellos dem Autor zu Gute halten muss;)).
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ist es realistisch, dass eine 14-jährige, die noch nie klassische Musik gèhört hat, dermaßen darauf abfährt? Dass sie beim ersten Hören schon derart tiefe Empfindungen hegt? Dass ihr Opern gefallen, Matthäuspassion, Gedichte, Literatur aus allen Abteilungen der Buchhandlung, Museen aller Arten? Uff, das wird mir etwas dick aufgetragen. Da wird eine Wunsch-Enkelin gezeichnet, die nur völkisch verderbt ist, ansonsten aber perfekt zu Kaspar passt.
Nein, realistisch ist das nicht. Für mich zeigt sich hier nur, dass der gute, alte Schlink keinen Kontakt zu „ normalen“ Jugendlichen hat und sich hier was zusammenbastelt, damit seine Geschichte aufgeht. Matthäuspassion ? Das rührt die atheistisch aufgewachsene Sigrun?
Die Auseinandersetzung Kaspars mit diesen ihren Aussagen sehe ich als Stärke des Buches. Der Besuch im KZ legt die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich dar.
Das Buch hat auch seine guten Seiten. Den Anfang fand ich gelungen, diese Passagen ebenfalls und das Ende hat mich ( aber davon später…)
Strang empfinde ich hanebüchen. Kaspar ist 71, er sollte doch seine Altersvorsorge nicht so leichtsinnig verschenken.
Es ist ja nicht mal Geld, das er hat… Und mit 71 bekommt er so leicht einen Kredit? Den Namen der Bank hätte ich gern.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Auf einer Hauptschule würde sie mehr auf praktische Arbeit vorbereitet
Hauptschulen sind weitestgehend abgeschafft. Und ich glaube nicht, dass eine völkische Familie ihr Kind freiwillig auf eine Schule schicken würde, an der der Ausländeranteil extrem hoch ist. Von daher weiß ich nicht, was da für euch an der Stelle der Geschichte nicht passt.
 
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Literaturhexle

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Gut, das mit der Hauptschule und den Ausländern lasse ich gelten. Allerdings ist die Schulart hier im Süden noch präsent (aber auch auf dem Rückzug).
An einem öffentlichen Gymnasium lernt man wesentlich, sich mit (auch strittigen) Themen auseinanderzusetzen, zu diskutieren und disputieren. Man wird zur Studierfähigkeit ausgebildet. Man sollte einen Zugang zu Geschichte, Kunst und Musik bekommen. Tendenziell kriegt sie auf dem Gy nur Flausen in den Kopf gesetzt.
Der mittlere Bildungsweg ist weit praxisorientierter, mit Werken und Hauswirtschaft. Sigrun soll viele Kinder bekommen und den Hof führen...
Das passt alles nicht wirklich.
Es ist nicht das einzig Unrealistische, was mich stört.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ist es realistisch, dass eine 14-jährige, die noch nie klassische Musik gèhört hat, dermaßen darauf abfährt?
Ich dachte, du liest es jetzt wie ein Märchen. Dann musst du das nicht mehr hinterfragen ;). Natürlich ist nichts realistisch davon.

Dieses "Bildungsbürgerprogramm" Kaspars in Verbindung mit Sigruns immer wieder ausformulierten Ansichten, an denen sie offenbar nicht zweifelt, war übrigens auch das, was ich mit dem "Holzhammer" meinte. Und zwar "Holzhammer" Schlinks gegenüber den Leser:innen und nicht ein Holzhammer Kaspars gegenüber Sigrun, so wie es hier einige glaube ich verstanden haben.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Hauptschulen sind weitestgehend abgeschafft. Und ich glaube nicht, dass eine völkische Familie ihr Kind freiwillig auf eine Schule schicken würde, an der der Ausländeranteil extrem hoch ist. Von daher weiß ich nicht, was da für euch an der Stelle der Geschichte nicht passt.
Dann eben Gemeinschaftsschule. Da würde sie die Dinge lernen, die für ihre späteren Aufgaben relevanter sind.
Ob der Ausländeranteil in ostdeutschen Schulen so hoch ist , weiß ich nicht.
 

Literaturhexle

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Ich dachte, du liest es jetzt wie ein Märchen. Dann musst du das nicht mehr hinterfragen
Ja, da hast du Recht....
Aber ich komme aus meiner Haut einfach nicht raus. Ich bin zu perplex, dass Schlink sich aufs Unterhaltungsgenre einlässt und uns so viele Ungereimtheiten zumutet. Ich liebe seine Vorleserin, die Olga und die Abschiedsfarben. Alles ein anderes Kaliber.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ganz gut gefällt mir wie Kaspar mit Sigrun umgeht. Er belehrt sich nicht offensiv, sondern will sie zu eigenem Denken anregen. Dabei muss er sich oft zurücknehmen. Den Besuch in Ravensbrück fand ich unglaublich bedrückend und dann schwärmt Sigrun von dieser sadistischen Aufseherin wie von einem Idol – da habe ich einen Augenblick das Buch zugeschlagen und überlegt ob ich das weiter lesen möchte.

Kaspar verschuldet sich um Sigrun quasi freizukaufen. Kann man das wirklich mit der Liebe zu seiner Frau erklären?
Ging mir ähnlich. Es ist fast wie eine Gehirnwäsche. Björn und Svenja haben Sigrun strategisch Falsches Wissen eingeimpft, doch Kaspar scheint ihren gesunden Menschenverstand anzukurbeln. Es bahnt sich ein vorsichtiger Sinneswandel an
 

Sassenach123

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Ja, da hast du Recht....
Aber ich komme aus meiner Haut einfach nicht raus. Ich bin zu perplex, dass Schlink sich aufs Unterhaltungsgenre einlässt und uns so viele Ungereimtheiten zumutet. Ich liebe seine Vorleserin, die Olga und die Abschiedsfarben. Alles ein anderes Kaliber.
Wenn man diese Bücher miteinander vergleicht, kommt dieses eher schlecht weg. Dennoch lese ich es nicht ungern.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Kaspar profitiert in vielerlei Hinsicht von Sigruns Aufenthalten. Er hat sie lieb gewonnen, und hält sich besser in Form um mit ihr mithalten zu können.
Was mich stört ist, dass vieles doch ein wenig vorhersehbar ist. So war schnell klar, dass er versuchen würde Sigrun andere Ansichten aufzuzeigen, ebenso wie die Tatsache, dass es irgendwann bei den Eltern sauer aufstoßen wird. Auch wenn der eigentliche Grund jetzt von Sigrun selbst kam und nicht wie angenommen von Kaspar, so hat er dennoch den Grundstein zu der Buchauswahl bei Sigrun gelegt.
Es ist eine schreckliche Vorstellung, dass es tatsächlich viele Menschen gibt, die hinter dem völkischen stehen und sich bewusst entscheiden so zu leben.
Doch wie geht es jetzt wohl weiter? Siegt Björns Habgier, setzt Sigrun sich durch, oder findet Kaspar einen Weg die Wogen zu glätten?
 

Literaturhexle

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Es ist ja nicht mal Geld, das er hat… Und mit 71 bekommt er so leicht einen Kredit?
Das wiederum ist realistisch. Allerdings müsste er eine Grundschuld auf die Wohnung eintragen lassen, deren Wert offenbar ein Mehrfaches der Kreditsumme beträgt. Er muss halt damit rechnen, seine Bleibe zu verlieren...(also wenn er wegen Krankheit oder altersbedingt die Raten nicht zahlen kann).
Aber da er ja überhaupt nicht an der Wohnung hängt und keine Erinnerungen mit ihr verbindet, wird ihm das nicht schwer fallen. Lol!
 

Barbara62

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Den Besuch in Ravensbrück fand ich unglaublich bedrückend und dann schwärmt Sigrun von dieser sadistischen Aufseherin wie von einem Idol – da habe ich einen Augenblick das Buch zugeschlagen und überlegt ob ich das weiter lesen möchte.
Wie Schlink diesen Gang von Kaspar durch Ravensbrück erzählt, finde ich eine der stärksten Szenen, vielleicht auch deshalb, weil ich selbst vor zwei Jahren dort war. Ich hatte jede Kleinigkeit vor Augen und fand Kaspars Gefühle und Gedanken gut geschildert.
 

Barbara62

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Stilistisch komme ich nicht auf meine Kosten: wie oft habe ich den Namen Sigrun lesen müssen?! Schon ein bisschen wie Schulaufsatz, die Gedanken von Kaspar...
Mich nerven die ewigen rhetorischen Fragen. Es gab eine Seite, die bestand praktisch nur daraus. Sparsam dosiert lasse ich das als Stilmittel gelten, aber so penetrant wirkt es auf mich dilettantisch, tut mir leid.

Kaspar hat eben mal 100.000 Kredit aufgenommen. Geld, das "der guten Sache" und keinesfalls seiner Enkelin zu Gute kommt. Diesen Strang empfinde ich hanebüchen. Kaspar ist 71, er sollte doch seine Altersvorsorge nicht so leichtsinnig verschenken. Das kommt mir wie ein fauler Kuhhandel vor.
Und ich glaube immer noch nicht, dass Eltern ihr Kind so verkaufen würden. Die Vorstellung, meine 14-jährige Tochter einfach für eine Woche bei einem wildfremden Mann abzuladen, absurd.
 

Barbara62

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Das Positive an der Lektüre ist der Erkenntnisgewinn über die völkischen Gemeinschaften. Aber ich leide darunter, dass Herr Schlink das nicht in eine glaubhafte Geschichte verpacken konnte. Auch stilistisch kann er viel mehr.

Der Sohn von Paula hieß in diesem Abschnitt übrigens wieder Detlef. Solche Dinge stören mich. Es wirkt auf mich, als wäre der Roman überstürzt verfasst und veröffentlicht worden.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Aber ich leide darunter, dass Herr Schlink das nicht in eine glaubhafte Geschichte verpacken konnte. Auch stilistisch kann er viel mehr.
Ja. Das wundert mich total. Der Plot ist ja überhaupt nicht schlecht. Nur die Feinheiten.... :rolleyes:


Es wirkt auf mich, als wäre der Roman überstürzt verfasst und veröffentlicht worden.
Jep. Irgendwie schon. Wahrscheinlich war mit Martin Junior eben nur Martins Sohn als Arzt gemeint. Heißen tut er klar Detlef.
Auch märchenhaft, dass er die Praxis vom Papa in der Einöde übernimmt, obwohl sich ihm ganz andere Türen aufgetan haben...