4. Leseabschnitt: Kapitel 16 bis Ende (Seite 187 bis 241)

Literaturhexle

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Worauf bezieht sich der Originaltitel „Three-Fifth“.
Nach der Sklavenbefreiung wurden die Schwarzen mit 3/5 (Three-Fifth) eines Weißen Menschen gewichtet für Steuer- und Bevölkerungsschätzungen.
Den Amerikanern dürfte das ein fester Begriff sein. Für sie Übersetzung musste man einen anderen Titel wählen. Macht Sinn.
 

Sassenach123

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Natürlich hätte ich mir einen anderen Ausgang für Bobby gewünscht. Allerdings halte ich das Ende so wie es ist für recht realistisch. Bobby hatte eine Wahl getroffen, als er mit Aaron floh, und diese wurde ihm nun indirekt zum Verhängnis. Hinzu kommt, dass Aaron ihn wirklich liebt, mehr als ich zu Beginn gedacht habe, und ihn vor den Erlebnissen schützen möchte die er gemacht hat, und die ihm wahrscheinlich noch bevorstanden. Er ist das Fluchtfahrzeug gefahren, ganz ohne Strafe wäre er nicht geblieben, da nützt es wohl auch nichts, dass er nicht wollte das Aaron den Jungen erschlägt. Da er vorher immer ein unbescholtener Bürger war, wäre es zwar sicher nur eine kurze Haft geworden, aber es hätte gereicht, um ihn genauso zu zerstören wie Aaron. So und so ähnlich wird zumindest auch Aaron gedacht haben.
Hattet ihr eigentlich auch das Gefühl, dass Aarons Gefühle zu Bobby mehr als nur Freundschaft beinhaltete?
 

Sassenach123

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Erst jetzt glaubt er ihren Schmerz zu verstehen. Wobei ich es anmaßend finde, den Schmerz einer Mutter um einen 22-jährigen jungen Mann, den sie aufgezogen hat, mit dem um eine Fehlgeburt im 4. Monat zu vergleichen. Kann man Schmerz überhaupt vergleichen, ist er doch ein sehr subjektives Gefühl?
Stimmt sicherlich. Andererseits hatte er nun das erste mal ein echtes Gefühl davon, wie es ist ein Kind zu haben. Sicher hat er sich auch schon ausgemalt wie es langfristig ist als Vater eines, wenn auch erwachsenen, Sohnes. Die Chemie stimmte zwischen den beiden.
Er weiß jetzt wie dieser Verlust sich anfühlt, setzt es deshalb vielleicht gleich, kann sich nichts schlimmeres vorstellen. Dieses Gefühl ist ja eine persönliche Empfindung von Robert, wir gucken nur von außen drauf
 

Sassenach123

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Nö. Aber mit etwas müssen die Jungs sich doch beschäftigen. Komisch, dass Bobby keine Freundin hatte, er war schon 22. / Übertrieben ist, dass auch Robert Comics mag, ein Comicgen? Gibts das?
Für so etwas hatte er keine Zeit, er musste doch arbeiten, wegen der Miete, und sich um seine Mutter kümmern. Isabel hat Bobby einen Großteil der Jugend geraubt in meinen Augen. Es sollte nicht so sein, dass ein Kind sobald es arbeiten gehen kann jede freie Minute damit zu bringt, und dann die Mutter in die stabile Seitenlage bringt, damit sie nicht erstickt.
 

Sassenach123

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Ich kann Boyle nicht nachvollziehen: mit den Rückblicken war es zuviel: da hätte man noch einen dicken Speckrand wegschneiden können. Ebenso dieses Comic Gedöns? Ob die Amerikaner die alle kennen, dass es sich von selbst erklärt?
Marvel vs DC, die Debatte die Bobby und Aaron zu Beginn des Buches hatten, ist nicht unrealistisch. Dort liegt der Ursprung dieser Comics, und ich denke schon, dass viele Amerikaner sie kennen. Der eine tendiert zu dem Macher, der anderene ist Fan von der Gegenseite.
Es schwappt ja mittlerweile auch deutlich hierher, zwar im Filmformat, aber Batmann, Dr Strange und Thor sind alle in diesem Jahr im Kino gewesen und basieren auf eben diesen Comics. Es ist ein komplexes, ineinander greifendes Universum. Im Amiland wahrscheinlich ein sehr beliebtes Hobby
 

Literaturhexle

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wäre es zwar sicher nur eine kurze Haft geworden, aber es hätte gereicht, um ihn genauso zu zerstören wie Aaron.
Vielleicht ein Nebenaspekt. Wenn Aaron Bobby erschossen hat, ist aber auch eine dicke Portion Egoismus dabei. Er will ihn mitnehmen, weil:
Hattet ihr eigentlich auch das Gefühl, dass Aarons Gefühle zu Bobby mehr als nur Freundschaft beinhaltete?
Ja, unbedingt. Aaron ist schwul, konnte das in dieser verzwickten, vorurteilsbeladenen Männerwelt nicht zugeben. Außerdem hat Bobby diese Art Gefühle nicht erwidert. Das wurde zurückhaltend und doch deutlich dargestellt. Ein Plus fürs Buch.
Andererseits hatte er nun das erste mal ein echtes Gefühl davon, wie es ist ein Kind zu haben.
Wir haben zwar nur Roberts Perspektive, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es ihm an Verständnis für seine Frau mangelte. Tamara hat sich da hineingesteigert und Hilfe abgelehnt. So wirkt es auf mich.
Der eine tendiert zu dem Macher, der anderene ist Fan von der Gegenseite.
Was du alles weißt! Aber es macht Sinn: die Comicwelt ist mir kolossal fremd. Der Autor geht aber sehr selbstverständlich damit um. Muss ein amerikanisches Ding sein.
 

luisa_loves-literature

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Ich hadere mit dem Ende. Es ist zu hart, zu abrupt, zu zerstörerisch.
Ich hadere mit dem ganzen Abschnitt...mir fehlen wieder Zusammenhänge, die ich mir natürlich selbst erschließen kann, aber ich mag es nicht, wenn bewusst mit Auslassungen gearbeitet wird, die dann so wirken, als ob der Autor Hemmungen hat, etwas auszuformulieren oder ihm vielleicht die Mittel fehlen, dies zu tun. In diesem Abschnitt ganz konkret: die Liebe Aarons, Bobbys Tod, Nicos Bericht an Robert über Bobbys Tod...dann denke ich immer, ich habe etwas überlesen...
Ich habs so gelesen, dass Aaron Bobby getötet hat.
Im ersten Moment habe ich gedacht, dass es die Polizei war, aber ich stimme absolut mit Wanda überein, dass es eine weitere "Liebestat" Aarons war.

Ich bin insgesamt nicht so wirklich glücklich mit dem Roman. Ich habe ihn gern gelesen, er hat mir über weite Strecken gefallen und ich habe mich (bis auf die ausufernde Parkszene) auch nicht gelangweilt. Ich habe aber Probleme mit der Figurenkonzeption: außer Bobby konnte mich eigentlich keine Figur überzeugen. Besonders Aaron empfinde ich als unrunden Charakter, speziell auch wieder hier im letzten Teil. Das ist einfach nicht stimmig für mich und wird auch durch die Comic-Verweise nicht besser.
Ich verstehe auch nicht, warum Bobby (als er mit ELF erfahren hat, dass er halb schwarz ist und Isabel mit ihm wegzieht) seinem Freund Aaron da nicht schon mitgeteilt hat, was Sache ist. Bei so einer engen Freundschaft wäre es sicherlich nicht so kompliziert gewesen, auch wenn Bobby sich vorher sehr vom Schwarzsein distanziert hat.
Und Robert? Dann wird im letzten Teil wieder hauptsächlich aufgegriffen, wie wütend und ärgerlich er über Isabels Enthüllung ist - hä? Ich dachte, nach dem Darth-Vader-Moment überwiege die Freude, dass es einen Sohn gibt und die Zeichen stehen auf Annäherung.

Und dann dieses Ende - hmmm, ich brauche ja kein Happy End, aber ein bisschen mehr liebevolle Aufmerksamkeit wäre schon schön gewesen.
 
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Renie

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Warum hat uns Vercher so tief in seine Seele und in sein Herz blicken lassen, um ihn am Ende dem Tod zu übereignen?
Man nennt das Tragödie. Dabei stirbt der Held schon mal.
Warum darf Robert seinen verletzten Sohn nicht gesund machen nach einer Schießerei?
Na, weil der Autor kein Happy End geschrieben hat. Manche Autoren machen so gemeine Sachen, so dass mancher Leserin das Herz gebrochen wird. :smilehorn
Wofür brauchen wir die ganzen Rückblicke? Wofür brauchen wir Tamara und ihre Fehlgeburt?
Robert/Tamara hätte ich auch nicht gebraucht. Die anderen Rückblicke waren nötig, um die zusammenhänge zwischen den Charakteren zu verstehen. Eine Erklärung für Robert/Tamara könnte sein, dass Vercher ein schwarzes vermeintliches Vorzeigepaar haben wollte, also gebildet, wohlhabend etc., dessen Wohlstand und Bildung sie aber auch nicht vor den Schicksalsschlägen des Lebens bewahren konnte. Ist mir aber egal, überflüssig sind sie trotzdem.
Hattet ihr eigentlich auch das Gefühl, dass Aarons Gefühle zu Bobby mehr als nur Freundschaft beinhaltete?
Ja, unbedingt. Aaron ist schwul, konnte das in dieser verzwickten, vorurteilsbeladenen Männerwelt nicht zugeben. Außerdem hat Bobby diese Art Gefühle nicht erwidert. Das wurde zurückhaltend und doch deutlich dargestellt.
Für mich war Aaron nicht schwul, und wenn, war es ihm nicht bewusst. Es gibt nur Andeutungen, die den Leser zu dieser Überlegung verleiten.
Für mich ist Aaron eher jemand, der eine Bezugsperson braucht. Von seiner Familie wissen wir nichts, außer, dass sein Vater ein einflussreicher Mann ist. Aaron ist also der Looser in der Familie und das wird er nicht erst durch seine Haftstrafe geworden sein. Mit seinem Selbstbewusstsein ist es also nicht weit her. Da kam Bobby in der Kindheit gerade recht, der für Aaron die Kämpfe ausgetragen hat und ihm die Beachtung und vielleicht auch Anerkennung geschenkt hat, die ihm sein Vater vorenthalten hat. Das ist zwar Spekulation, aber Vercher gibt uns nicht mehr.
Bobby hat Aaron immer gesagt, dass er sich zur Wehr setzen soll (hat sein Vater ihm bestimmt auch gesagt). Ich glaube, dass der Gefängnisaufenthalt das Fass zum Überlaufen brachte, dass er seelisch dermaßen in die Enge getrieben war, dass Aaron endlich das macht, was Bobby von ihm "verlangt hat": sich wehren. Er sucht damit einfach nach Bobbys Anerkennung und Bestätigung, dass er ein ganzer Kerl ist, der für seinen Freund einsteht. Das hat mit Homosexualität nichts zu tun.
 

Wandablue

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Das hat mit Homosexualität nichts zu tun.
Nicht gelebte. Aber er sagt zu ihm, "ich liebe dich" und die Kussszene am Anfang war ebenfalls ein Hinweis. Ansonsten stimme ich dir zu. Tamara und Robert haben ja "kurz" ein Kind gehabt - wirklich wichtig waren diese Szenen nicht, vllt hatte der Autor aber auch ansonsten zu wenig Futter für den Roman, da er uns ja offensichtlich das Elternhaus Aarons vorenthalten wollte.
 

Literaturhexle

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ulrikerabe

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Ich bin geschockt.
Und das sollen wir auch sein.
Allerdings ist das Ende ziemlich realistisch. So ist das. Genauso.
Allerdings
Aber warum stirbt Bobby auch? Er hatte die Hände erhoben, konnte aus Angst vor seinem Freund nur nicht aussteigen.
ich hätte das so gelesen, dass Aaron zuerst Bobby erschießt und dann sich selbst
Ich verstehe nicht, warum der Sympathieträger des Romans draufgehen musste. Aaron musste sterben, ja. Alles andere hätte mich verwundert. Warum Bobby? Er war ein halbwegs Guter und lernfähig. Hat gerade seinen Vater kennengelernt. Soviel Pote
weil das Leben kein Superheldengedöns ist und das Gute nicht immer siegt und alles andere auch in Trümmern liegt.

Worauf bezieht sich der Originaltitel „Three-Fifth“. War das eine Hausnummer oder die Bezeichnung für die Haftanstalt? Wer hat es mitbekommen?
Ich dachte zuerst es geht um eine Gang Bezeichnung. Ich habe das dann gegooget und bin auf three fifths compromise, die Drei-Fünftel-Klausel gestoßen
Jeweils drei von fünf Sklaven wurden bei einer Volkszählung mitgezählt. Das Leben eines Schwarzen zählte also weniger als das eines Weißen.
Dazu steht etwas in der Gazette drin. Über die und das Interview sollten wir auch kurz sprechen (separater LA).
Muss ich noch lesen und das Nachwort auch