4. Leseabschnitt: Kapitel 16 bis einschl. 24 (Seite 207 - 284)

Literaturhexle

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2. April 2017
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Was hat der Autor hier produziert? Was soll das? Fühlen sich hier nicht alle Frauen, die ein ähnliches Schicksal haben wie unsere Vier, verschaukelt? Dieses Buch soll Mut machen?! Soll zeigen, dass man trotz Krebs Kraft und Energie hat - die man sinnigerweise dazu nutzt, einen Juwelier zu überfallen...

Eine Zusammenfassung ist überflüssig. In diesem Abschnitt befinden sich nur noch sehr wenige Markierungen meinerseits, alles ist zu vorhersehbar.

Dieses ganze Theater vor dem Überfall: Man geht ins RITZ, große Bühne, macht ein Theater, eine Schau, die ihresgleichen sucht. Nur angeödet hat mich das. Dann muss die Grande Dame beide Colliers auf einmal anlegen - völlig logisch: in diesen Kreisen macht man das so... Dann der Knall, der Überfall. Alles läuft sprichwörtlich wie geschmiert. Bis auf ein paar Blutstropfen, bei deren Beseitigung die mutige Jeanne ihr ganzes Geschick zeigen kann!

"Wir Mädels hatten einen der intensivsten Momente unseres Lebens hinter uns. Wir waren knapp am Tod vorbeigeschrammt, und niemand hatte es bemerkt". (S. 237)
GROßE WORTE!
Wie martialisch! Hat eine der Damen mal an die Opfer gedacht? Die nicht wissen, dass es sich überwiegend um Spielzeugpistolen handelte? Die angsterfüllt auf dem Boden kauern mussten und bestimmt ein lebenslanges Trauma haben und nie wieder unbeschwert arbeiten können?
Dieser ganze Überfall ist doch ein Witz, ein Kalauer! Das ganze Sicherheitspersonal lässt sich niederstrecken, ohne dass es eine nennenswerte Gegenwehr gibt. Klamotte, Klamauk - Die Filmrechte sind gewiss schon verkauft.

Die kleine Melody ist der Wolf im Schafspelz. Es wurde ja ein Gag am Ende versprochen und zugegeben, mit dieser Entwicklung hatte ich nicht gerechnet. Allerdings hat sie mich auch nicht mehr interessiert, wollte ich das Buch nur noch beenden. Trotzdem: Auch diese überraschende Wende wird verkitscht: Die vom Tode gezeichneten Frauen beschließen, Melody das ganze (!) Geld zu geben und deren Komödie mitzuspielen. Toll.
Dabei verraten sie ihre Freundin Assia- das ist aber ja nur zu ihrem eigenen Besten. Haha! Das würde sie anders sehen. Der gefakte Brief war die Krönung. Die Dialoge von Gutmenschentum geprägt.
[zitat]Wir werden Assia träumen lassen. Das ist das schönste Geschenk, dass du ihr machen kannst. (S. 264)[/zitat]
Auf Seite 270 "leidet" die Ich-Erzählerin sogar mit Melody... Glaubwürdigkeit geht anders, das hier ist Tränendrüse pur.

Wie sie dann nachher noch völlig sinnlos Edel-Kinderklamotten kaufen, als ob das Geld keinen Wert hätte... Das ist doch nicht glaubwürdig! Das soll nur originell sein, ich sehe schon den Film flimmern.

Am Ende kommt sogar der liebe Kommissar auf die Spur der Damen. Aber: NATÜRLICH kann er alles unter Verschluss halten, seiner alten Liebe wegen. Das alles war ja sowieso nur ein großer Spaß und Opfer, wie gesagt, gab es keine.:confused:

Tragisch und ernst dagegen der revolvierende Krebs Brigittes. An ihrem bevorstehenden Tod besteht kein Zweifel. Die Schlussszene ist ganz nett, wobei ich jetzt bei der Watschelente die Entwickung ebenso wenig erkennen kann wie bei Jeanne. Sie geht doch den Konflikten einfach nur aus dem Weg.

Natürlich hat Chalandon auch wunderschöne Textstellen geschrieben. Ich habe sie nicht übersehen, sie sind nur untergegangen in dieser Handlung zwischen der Dramatik und seichter Comedy. Das Buch war in Summe mehr Ärgernis als Lust für mich.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Danke @Literaturhexle du sprichst mir aus der Seele

und dann noch dieses pathetische [zitat]...sie rissen die Krebsstation nieder und errichteten auf ihren Trümmern eine Zitadelle."[/zitat]

Gar nichts haben sie niedergerissen. Drei von ihnen haben sich nach Strich und Faden verarschen lassen (und wir uns gleich mit dazu), eine wird sterben (auch wenn es hart klingt, das ist wenigstens realistisch)

Und Jeanne Sorry schwimmt mit den Enten in den Sonnenuntergang.

Ich bin nicht wild erfreut, ich bin heftig sauer! So!
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Natürlich hat Chalandon auch wunderschöne Textstellen geschrieben. Ich habe sie nicht übersehen, sie sind nur untergegangen in dieser Handlung zwischen der Dramatik und seichter Comedy. Das Buch war in Summe mehr Ärgernis als Lust für mich.
Die schöne Sprache rettet das Buch leider nicht.
Der Verlag wirbt mit „ Thelma und Louise in Paris“. Hätte ich das vorher gewusst, wäre mir gleich klar gewesen, dass das kein Buch für mich ist. Aber ich habe nur den Autorennamen gesehen.
Auch das, was mir am Anfang sehr gut gefiel, dieses Einfühlen in eine krebskranke Frau, ist später überhaupt nicht mehr da.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Jetzt ist mir doch etwas eingefallen:

Ich muss zugeben, dass mich die Beschreibung und die Vorbereitung des Überfalls amüsiert haben. Es ist aber so überzogen, man kann es nicht ernst nehmen. Und muss auch nicht. Es ist eben Klamauk. Ein bisschen so wie bei James Bond oder Bonnie und Clyde (Hörensagen, kenn ich nicht).
Allerdings stieg ich auch da aus, als die Damen im Obergeschoss verschwanden. Als ob die Polizei nicht das gesamte Haus durchsuchen würden! und das akribisch! Oder als Jeanne den Hausflur putzt. (Genau hier wäre Gelegenheit für eine surrealistische Szene gewesen - siehe unten).

Na gut. So weit. Ich fand es trotzdem eben lustig. Vllt gerade wegen seiner Überzogenheit.


Vllt hätte ich alles verziehen, wenn der Autor jetzt auf rosa und heile Welt gemacht hätte, alle werden gesund - Melody wird ausgebotet und man feiert in der Karibik das Leben mit Sonnyboys. Ein paar Toyboys hätten unbedingt dazu gehört. Wenn der Roman jetzt also ganz ins Absurde gekippt wäre, das hätte ich honoriert.

ich habe kürzlich einige franz. feministische Romane gelesen - die haben auch abgefahrene surrealistische Sentenzen in ihren Büchern - und auch wenn mir das nicht gefällt - ist das doch kunstvoll.

Warum hat der Autor das nicht auch gemacht? Einfach ein surrealistisches Bild daraus gemacht? Das hätte ich gelten lassen.

Doch der Autor kehrt in den Betroffenheitsmodus zurück. Und legt wieder die Krebs-ichsterbe-Platte auf. MannoMann.
Er kann nicht ständig zwischen Ganovenklamouk und Ernst hin und herswitchen, das glaubt kein Mensch.


Aber was ich wirklich, wirklich denke, stellt sich erst bei dem Verfassen der Rezension heraus.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Jetzt ist mir doch etwas eingefallen:

Ich muss zugeben, dass mich die Beschreibung und die Vorbereitung des Überfalls amüsiert haben. Es ist aber so überzogen, man kann es nicht ernst nehmen. Und muss auch nicht. Es ist eben Klamauk. Ein bisschen so wie bei James Bond oder Bonnie und Clyde (Hörensagen, kenn ich nicht).
Allerdings stieg ich auch da aus, als die Damen im Obergeschoss verschwanden. Als ob die Polizei nicht das gesamte Haus durchsuchen würden! und das akribisch! Oder als Jeanne den Hausflur putzt. (Genau hier wäre Gelegenheit für eine surrealistische Szene gewesen - siehe unten).

Na gut. So weit. Ich fand es trotzdem eben lustig. Vllt gerade wegen seiner Überzogenheit.

Hier kannst du recht haben, eine Überzogenheit kann ich nicht abstreiten. Einiges (Polizei durchsucht nicht das ganze Haus) kann man nicht anders erklären.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Wie martialisch! Hat eine der Damen mal an die Opfer gedacht? Die nicht wissen, dass es sich überwiegend um Spielzeugpistolen handelte? Die angsterfüllt auf dem Boden kauern mussten und bestimmt ein lebenslanges Trauma haben und nie wieder unbeschwert arbeiten können?
Dieser ganze Überfall ist doch ein Witz, ein Kalauer! Das ganze Sicherheitspersonal lässt sich niederstrecken, ohne dass es eine nennenswerte Gegenwehr gibt. Klamotte, Klamauk - Die Filmrechte sind gewiss schon verkauft.

Wobei man hier dann aber eine Entscheidung treffen müsste, entweder existiert hier eine Überzogenheit, das ganze wird überspitzt dargestellt und gut. Oder man ergeht sich in Betroffenheit und schildert das Drama der Angestellten. :D:p
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Die kleine Melody ist der Wolf im Schafspelz. Es wurde ja ein Gag am Ende versprochen und zugegeben, mit dieser Entwicklung hatte ich nicht gerechnet. Allerdings hat sie mich auch nicht mehr interessiert, wollte ich das Buch nur noch beenden. Trotzdem: Auch diese überraschende Wende wird verkitscht: Die vom Tode gezeichneten Frauen beschließen, Melody das ganze (!) Geld zu geben und deren Komödie mitzuspielen. Toll.

Wie sie dann nachher noch völlig sinnlos Edel-Kinderklamotten kaufen, als ob das Geld keinen Wert hätte... Das ist doch nicht glaubwürdig! Das soll nur originell sein, ich sehe schon den Film flimmern.

Allerdings löst Chalandon mit diesem Schachzug auch die allseits kritisierte Räuberpistole etwas auf. Denn die Damen sind nicht vollkommen siegreich. Sie erbeuten zwar den Schmuck, sind aber verraten worden. Eine herbe Enttäuschung, die verkraftet werden muss.

Doch diese Enttäuschung schmälert der Autor etwas ab, in dem die Damen Melody/Eva übermäßig beschenken. Ein zu viel des Guten inszenieren. Und damit Melody/Eva etwas mitteilen. Was sie auch verstanden hat, denke ich, es klang für mich danach.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Am Ende kommt sogar der liebe Kommissar auf die Spur der Damen. Aber: NATÜRLICH kann er alles unter Verschluss halten, seiner alten Liebe wegen. Das alles war ja sowieso nur ein großer Spaß und Opfer, wie gesagt, gab es keine.:confused:

Das kann man sicher so sehen. Ja. Allerdings hebt der Autor hier mit dem Kommisar und auch mit René die oftmals kritisierte Schwarz-Weiß-Teilung Gute Frauen/Böse Männer etwas auf. Auch das sollte fairerweise erwähnt werden. ;)
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Doch der Autor kehrt in den Betroffenheitsmodus zurück. Und legt wieder die Krebs-ichsterbe-Platte auf. MannoMann.
Er kann nicht ständig zwischen Ganovenklamouk und Ernst hin und herswitchen, das glaubt kein Mensch.


Aber was ich wirklich, wirklich denke, stellt sich erst bei dem Verfassen der Rezension heraus.

Wobei ich dieses Switchen jetzt nicht so wahrhehmen kann. Eine etwaige Überzogenheit ja. Und diese immer wieder. Vielleicht von mir in meinen ewigen Erklärungs- und Zurechtlegungsversuchen nicht immer wahrgenommen. Aber in einigen kritischen Bemerkungen anderer Leser ja anscheinend schon. :D

Aber eigentlich sehe ich dieses Buch auch als ein Plädoyer an den Kampfgeist der Erkrankten/der Geschundenen/der etwaigen Opfer. Etwas überzogen, ja. Aber dennoch als genau das. ;)
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Dabei verraten sie ihre Freundin Assia- das ist aber ja nur zu ihrem eigenen Besten. Haha! Das würde sie anders sehen. Der gefakte Brief war die Krönung. Die Dialoge von Gutmenschentum geprägt.
[zitat]Wir werden Assia träumen lassen. Das ist das schönste Geschenk, dass du ihr machen kannst. (S. 264)[/zitat]

Wobei dieses Handeln ein zweischneidiges Schwert darstellt, Jeanne und Brigitte verraten Assia und beschützen sie zugleich. Vor dem Verrat von Melody/Eva, der beide tief getroffen hat. Und sie sind damit Opfer und gleichzeitig Täter. Doch kann man das tun. Darf man das? Zweischneidig halt. Die Einen sagen so, die Anderen so. ...
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Tragisch und ernst dagegen der revolvierende Krebs Brigittes. An ihrem bevorstehenden Tod besteht kein Zweifel. Die Schlussszene ist ganz nett, wobei ich jetzt bei der Watschelente die Entwickung ebenso wenig erkennen kann wie bei Jeanne. Sie geht doch den Konflikten einfach nur aus dem Weg.

Ja, hier kommt die Dramatik wieder. Etwas, was bei dieser Thematik leider dazu gehört. Und ebenso authentisch ist.

Die Ente, sie hat wahrlich nicht viele Fans gefunden. :D:p
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Was hat der Autor hier produziert? Was soll das? Fühlen sich hier nicht alle Frauen, die ein ähnliches Schicksal haben wie unsere Vier, verschaukelt? Dieses Buch soll Mut machen?! Soll zeigen, dass man trotz Krebs Kraft und Energie hat - die man sinnigerweise dazu nutzt, einen Juwelier zu überfallen...

Eine Einschätzung die mich wundert. Wenn ich bei LB schaue und mir die Rezensionen und Bewertungen anschaue, so sind sie eher gemixter. Es sind viele lobende Stimmen zu hören, auch von Usern, die ich sehr schätze. Und viele Stimmen, die durchaus nicht verschaukelt klangen, eher begeistert. Was in dieser Leserunda ja nicht so war. Und man darf nicht vergessen, dies war ein Buch von Sorj Chalandon, also keine schnöde Unterhaltungsliteratur. Gut, "Am Tag davor" ist wirklich besser, aber so schlecht ist auch "Wilde Freude" nicht. Schade! :confused: Ich weiß, diese Betrachtungen sind subjektiv, dennoch wäre ein etwas durchwachseneres Ergebnis für mich schöner gewesen. C'est la vie!
 
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