4. Leseabschnitt: Kapitel 13 bis 17 (S. 146 - Ende)

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Der 4. LA handelt dann von einem nicht vollzogenen geplanten Mord und von einem vollzogenen Mord eher im Affekt oder wie soll ich das nennen. Mist, ist es also doch noch zur Katastrophe gekommen. Die Macht des Revolvers ist wohl doch zu überwältigend. "Dagegen bin ich machtlos!" hieß es schon in "Gefährliche Liebschaften", galt da aber für sexuelle Gelüste; hier nun finden wir es wieder hinsichtlich des Waffeneinsatzes. Also: Lasst die Finger davon, Leute! Ihr könnt es nicht beherrschen!!!
 

ElisabethBulitta

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8. November 2018
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Zwischenzeitlich gewinnt der Revolver absolute Macht über Nishikawa: Er schottet sich ab und lebt praktisch nur noch für die Waffe, seine Lebensgeister erwachen dadurch; zumindest schreibt der Erzähler es so auf S.152, wenn es heißt, dass "Glück und Erfüllung immer mehr zu etwas Selbstverständlichem" wurden. Ich persönlich sehe aber in Nishikawas Lebens weder das eine noch das andere, es scheint also ein reich subjektives Empfinden zu sein. Auch hier kommt es wieder zu einer Personifizierung des Revolvers, wenn z.B. etwas später, auf S. 175, geschrieben steht: "Er war kalt zu mir, (...) der Revolver benutzt mich."
Der Gedanke, dass es Menschen gibt, die das Leen nicht verdienten, ist beängstigend und nicht neu. Und nein, ich denke hier nicht an die großen Katastrophen der Menschheit, sondern eher Romane wie "Schuld und Sühne", die dieses ja auch thematisieren.
Die Szene mit der (Fast-)Vergewaltigung zeigt, dass sich Nishikawas Gewaltphantasien jetzt nicht nur auf das Töten mit dem Revolver beziehen, sondern ihn ganz vereinnahmen. Ähnliches wurde ja schon in der Krankenhausszene angedeutet.
Als der Ich-Erzähler sein Opfer ausgewählt hat, nämlich seine Nachbarin, und den Tatort auskundschaftet, wird der Druck immer größer. Er glaubt, den Jungen durch diese Tat befreien zu können und ihm zu einem besseren Leben verhelfen zu können. Hier spielt schließlich auch Nishikawas Schicksal eine Rolle, dem es durch die Adoption aus besser ging. Auch hier also ein Bezug zu dem Element, dessen Rolle ich anfangs nicht so ganz erfassen konnte.
Die Gedanken, die ihm durch den Kopf schießen, als er sein Opfer beobachtet, sind sehr, sehr wirr und sprechen für seine seltsame (psychische) Verfassung. Trotzdem (oder gerade deshalb) konnt ich sie nicht so ganz nachvollziehen, und ansprechen oder gar überzeugen konnte mich diese Szene auch nicht so ganz.
Nach dem ersten "missglückten" Attentat kommt es zu einer Art Läuterung, die Anlass zur Hoffnung gibt (wenngleich ich durch den ganzen Roman nicht so ganz an sie glauen konnte). Auf dem Weg, sich der Waffe zu entledigen, trifft der Student wieder auf einen "unwürdigen" Mensch und feuert sie schließlich mit tötlichem Ausgang ab. Alles Planen hat nichts geholfen, schließlich war es eher ein Zufall, der ihn zum Gebrauch der Waffe "genötigt" hat. Wiederum ein Umstand, den wir schon von der Katze kennen. Der Inspektor hat also recht behalten: Da Abfeuern der Waffe war unausweichlich.
Am Ende stehen Nishikawas Wunsch und Versuch, sich selbst zu richten.

Schon harter Tobak, auch wenn ich Nishikawas Werdegang nicht so ganz nachvollziehen kann.
 
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wal.li

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1. Mai 2014
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Ich habe echt gehofft, Nishikawa kriegt die Kurve noch. Erst dachte ich, Yuko würde das Opfer werden, die Nachbarin hatte ich nicht so auf dem Schirm, weil er die eigentlich nicht kennt. Obwohl, wahrscheinlich ist ein eher unbekanntes Opfer leichter zu töten. Ich war richtig froh, als er trotz seiner akribischen Planung nicht abdrücken konnte. Danach hätte er den Revolver am besten gleich entsorgen sollen. Dann erst wieder die liebevolle Beschäftigung mit dem Teil und die genaue Planung. Es musste wohl schief gehen. Vielleicht ging es dem Vorbesitzer der Waffe ähnlich. Er brachte sich wohlmöglich soweit, die Waffe gegen jemanden zu richten und dann gegen sich selbst. Am Schluss wird der Eindruck erweckt, Nishikawa habe das auch im Sinn.
 

parden

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13. April 2014
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Ein nicht ganz unerwartetes Ende, aber insgesamt doch ein eher verstörender Roman. Hat er mit dem verwahrlosten Typen in der Bahn im Grunde seinen Vater getötet? Alkohol und Rücksichtslosigkeit haben Nishikawa schließlich damals das Elternhaus und damit seine Wurzeln genommen. Aber das ist alles Interpretation, die Katastrophe schien unausweichlich. Ein Roman über eine Obsession, die ich (zum Glück) nicht nachvollziehen kann. Gelegenheit macht Mörder? Naja, hier zumindest schon...
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Puh, ein heftiger Abschnitt. Besonders die letzten beiden Kapitel fand ich wieder sehr intensiv.

Mit meiner Vermutung bezüglich der Nachbarin hatte ich also nicht so Unrecht, obwohl sich Nishikawa schließlich doch nicht traut, den Abzug zu drücken. Er stellt fest, dass er das selbst eigentlich gar nicht möchte, doch die Waffe eine solche Macht über ihn besitzt. Umso trauriger, dass er am Ende doch der Faszination des Tötens erliegt und eine Zufallsbegegnung erschießt.

Dass es letztendlich zu einem tödlichen Schuss kommen muss, das hatte ich erwartet. Die Läuterung hätte mich doch überrascht, denn ich habe auch beim Lesen des letzten Kapitels nicht einen Moment geglaubt, dass er die Waffe tatsächlich entsorgen wird. Dafür war deren Anziehungskraft auf ihn einfach zu stark. Mir gefällt auch das etwas offene Ende ganz gut: Wird er sich selbst auch noch umbringen oder schafft er das nicht?
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Also: Lasst die Finger davon, Leute! Ihr könnt es nicht beherrschen!!!

Ich glaube, dass es dafür schon die entsprechende psychische Disposition braucht. Nicht jeder wird automatisch zum Mörder, nur weil er oder sie Zugang zu Waffen hat. Wenn das so wäre, gäbe es vermutlich viel mehr Morde. Aber ja, der Roman zeigt eindringlich, welche Faszination eine Waffe ausüben kann und dass sie in den falschen Händen viel Unheil bringen kann.

Hat er mit dem verwahrlosten Typen in der Bahn im Grunde seinen Vater getötet? Alkohol und Rücksichtslosigkeit haben Nishikawa schließlich damals das Elternhaus und damit seine Wurzeln genommen.

Ein interessanter Gedanke, aber das glaube ich eher nicht. Kurz vor der Nachricht über den Zustand seines leiblichen Vaters hatte ich den Eindruck, dass er vieles aus seiner Kindheit verdrängt hat und zumindest keine Wut oder Rachegelüste gegenüber seinem leiblichen Vater empfindet. Vielleicht reagiert er wegen seiner Vergangenheit besonders sensibel auf solche Menschen wie sein Opfer (und insofern besteht dann schon eine Verbindung zu seinem Vater). Aber ich verstehe es so, dass ihn vor allem seine Einsamkeit, seine Langeweile und das Gefühl von Gleichgültigkeit und Bedeutungslosigkeit zum Mörder machen.
 

ElisabethBulitta

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8. November 2018
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Aber ich verstehe es so, dass ihn vor allem seine Einsamkeit, seine Langeweile und das Gefühl von Gleichgültigkeit und Bedeutungslosigkeit zum Mörder machen.

Das sehe ich auch so. Dazu passt auch der Vers aus der Offenbarung zu Beginn: Nishikawa ist einfach ein "lauer" Mensch. Letztlich ist er dadurch in sein Unglück gelaufen.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ja, nach Beendigung der Lektüre macht das Eingangszitat (noch mehr) Sinn. Ich hatte auch gehofft, dass er nach dem gescheiterten Attentat auf die Nachbarin das Vorhaben platzen lässt, den Revolver entsorgt und sich wieder seinem langweiligen Leben und seinem Schneckenhaus widmet. Fast hätte er es ja auch geschafft. Aber das hätte nicht zum Rest der Geschichte gepasst, also musste es in der Katastrophe enden. Dass er sich anschließend sogar selbst richten wollte zeigt, wie verzweifelt er eigentlich war. Eigentlich kann Nishikawa einem leid tun. Andererseits: wer so gleichgültig sich selbst und anderen gegenüber tritt und auch vor einer Vergewaltigung nicht zurück schreckt, muss eine (Lebens-)Lektion erteilt bekommen. Auch wenn sie durchaus anders ausfallen dürfte...
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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@Anjuta

Als er in Panik verfiel, die Frau nicht tötete und sogar positive Veränderungen in seinem Leben bemerkt, dachte ich mir schon, dass da doch noch ein Hammer kommt... Obwohl ich gehofft habe, ich würde mich irren!

@ElisabethBulitta

Interessant und bestürzend fand ich, dass seine nihilistische Einstellung so konsequent durchzieht, dass er im Prinzip JEDES Leben als unwert einstuft, auch sein eigenes.
In diesem Abschnitt kam es zu sexueller Gewalt oder versuchter sexueller Gewalt gegen beide Frauen in seinem Leben, und da wurde mich klar, dass ich den Erzähler im Grunde verachte... Er ist einerseits ein sehr passiver, gleichgültiger Mensch, aber WENN er mal handelt, dann in einer Form wie dieser. :-(

Mir ging in diesem Abschnitt manches einfach zu schnell und abrupt, wie Nishikawas plötzliche Einsicht und vermeintliche Läuterung – und dann der eher zufällige Ausbruch von Gewalt. Es las sich für mich nicht schlüssig, wie er sich verhielt.

@wal.li

Ich dachte mir schon, dass seiner plötzlichen Einsicht nicht zu trauen ist... Wahrscheinlich hätte er die Waffe auch zum Kommissar bringen können, ich könnte mir vorstellen, das der ihn nicht dafür ans Messer geliefert hätte. :-(

@parden

Ich muss gestehen, dass mich das Ende mit sehr lauwarmen Gefühlen zurücklässt. Ich habe zwar damit gerechnet, dass er doch noch jemanden tötet, aber der letzte Abschnitt las sich für mich "nicht rund".

@milkysilvermoon

Der Läuterung habe ich auch nicht getraut, die schien mir auch sehr aufgesetzt, um dann noch mal den großen Schockfaktor einbauen zu können.

Ich könnte mir vorstellen, dass es ihm nicht gelingt, sich umzubringen. Wenn er lange genug mit dieser Patrone rumfummelt, wird sich vielleicht jemand trauen, ihm die Waffe zu entreißen oder per Handy die Polizei zu verständigen, die ihn dann schon an der nächsten Station erwartet... Ich stelle mir vor, dass er dem Kommissar wieder gegenüber treten muss, so dass sich da der Kreis schließt.
In den USA sieht man ja immer wieder, was Waffen in den falschen Händen auslösen... Bei der schieren Masse an Menschen, die dort Waffen besitzen, ist es wohl unvermeidlich, dass viele dabei sind, die eine Waffe auf keinen Fall besitzen sollten.

@kingofmusic

Ich konnte ihm gegenüber nicht wirklich Sympathie empfinden, und den Rest davon hat er mir den versuchten Vergewaltigungen auch noch verspielt. Oft war ich von ihm geradezu angewidert...
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ein skurilles Ende. Dieser Roman brachte mich stellenweise zur Verzweiflung. Nishikawa als Charakter war mir von Anfang an suspekt und seine Obsession konnte ich nicht nachvollziehen. Komisch ist allerdings, dass diese Art des Erzählers mit allem drum und dran doch irgendwie interssant war, vielleicht auch wegen dieser vielen Diskrepanzen die ich beim lesen immer wieder hatte. Doch einen echten Sinn kann ich hinter allem nicht entdecken, nur vage Vermutungen. Für mich hat Nishikawas Leben nie eine echte Befriedigung erlebt. Er wuchs nicht so auf wie es normal gewesen wäre, könnte sich aber gut mit seinen Adoptiveltern arrangieren. Sie waren gut zu ihm, doch er konnte seinen inneren Frieden nicht finden. Studium und Beziehungen verlaufen genauso unbeteiligt neben ihm her. Das einzige was ihn zu echten Emotionen herausfordern konnte, war der Gegenstand, der ihn in den Wahnsinn getrieben hat. Schon makaber das Ganze
 
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KrimiElse

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26. Januar 2019
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Die Gewaltbereitschaft nimmt zu in dem Maße, wie der Revolver den Protagonisten immer mehr beherrscht. Die Vergewaltigung des Mädchens (auch wenn anfangs einvernehmlich begonnen) ist für mich ein deutlicher Ausdruck. Und ebenso die Meinung, dass es Menschen gibt, die es nicht verdienen zu leben. Das ist für mich die asozialste Einstellung, die man haben kann, als Einzelperson und Rächer, und auch als Staat, der die Todesstrafe erlaubt. Steckt hier gleichzeitig Kritik vom Autor an der in Japan gängigen Todesstrafe im Text?

Der Gedanke, dass es Menschen gibt, die das Leen nicht verdienten, ist beängstigend und nicht neu. Und nein, ich denke hier nicht an die großen Katastrophen der Menschheit, sondern eher Romane wie "Schuld und Sühne", die dieses ja auch thematisieren.
Ja, im kleinen finde ich es auch viel schrecklicher, weil dichter und persönlicher als die großen Kriege und Katastrophen (auch wenn man das nicht so sehen sollte, denn das Spiel mit dem Leben ist es in allen Fällen)
 
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KrimiElse

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26. Januar 2019
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Das Ende hat mich nicht wirklich überrascht, nach der von Nishikawa gelebten Obsession war ich eher verwundert, dass er sich vom Revolver trennen und ein sozialerer Mensch werden würde. Das war wohl ein letztes Aufbäumen seines Willens, seiner Menschlichkeit.