4. Leseabschnitt: Kapitel 13 bis 15 (S. 212 - 286)

wal.li

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1. Mai 2014
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Ich muss mich immer daran erinnern, dass das Buch zur Clinton Ära spielt. Manches kommt mir so verklemmt vor, aber es ist einfach schon so lange her, da waren etliche Ansichten einfach anders.
Pearl ist doch Mias genetische Tochter. Im Grunde hatte Mia außer ihrer Tochter nie eine Beziehung, schade, nicht?
In diesem Abschnitt werden mir Mia und Lexie richtig sympathisch. Mia kümmert sich gut um Lexie. Ich glaube, die hätte das Kind gerne zur Welt gebracht. Aber wenn Brian so garnicht mitspielt? Obwohl, so richtig entscheiden durfte er nicht, Lexie hat ihre Entscheidung getroffen, nachdem er auf ihre Andeutungen super cool reagiert hatte.
Mrs. Richardson bohrt so lange nach bis sie Mias Geschichte kennt. Es ist sehr traurig für Mias Eltern, dass der Kontakt zu ihrer Tochter abriss. Ich glaube, Mrs. Richardson will ganz vorsichtig vermitteln, aber so richtig klappt das nicht.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Ich finde Mias Geschichte sehr bewegend. Auch sie stand vor einem moralischen Dilemma. Ich kann verstehen, dass sie sich auf diesen ungewöhnlichen Handel eingelassen hat. Ihr Stolz verhindert, dass sie Geld von Pauline Hawthorne annimmt, die sehr sympathisch wirkt und die begabte Mia unterstützt. Und weiter machen will Mia, also was tun?
Dass sie das Kind nicht weggeben kann, kann ich ebenso nachvollziehen. Ich fand es "fair, dass sie den Ryans Bescheid gegebenen hat, auch wenn sie lügen musste und Mr Ryan eigentlich der Vater ist - biologisch gesehen. Der Roman fordert wirklich heraus...
Jedenfalls erklärt sich jetzt ihr Nomadensein und ihre sehr enge Bindung zu Pearl ebenso wie ihr Engagement für Bebe.
Und wir wissen jetzt, wie die Fotos entstanden sind. Die Geste Paulines sie Mia zu schenken, hat mich sehr gerührt. Sie muss sie sehr gemocht haben.
Mrs Richardson hat nun die Informationen, die sie gegen Mia braucht. Sie hat tatsächlich Mitleid mit ihr:
"Die Vorstellung, das eigene Kind wegzugeben, musste kaum auszuhalten gewesen sein." (273)
Doch in ihrer Selbstgewissheit beschließt sie, dass sie nie eine solche Situation gekommen wäre...

Für Lexie habe ich ebenfalls Verständnis, allerdings hat sie im Gegensatz zu Bebe einen finanziellen und Rückhalt - allerdings äußert sich Brian sehr deutlich.

Mir gefällt gut, wie Mia sich um sie kümmert, bezeichnenderweise geht Lexie nicht zu ihrer Mutter (!), und dass sie Lexie nicht verurteilt.
"Du wirst deswegen immer traurig sein, sagte Mia leise. Aber das heißt nicht, dass deine Entscheidung falsch war. Es ist nur etwas, das du immer mit dir herumträgst." (280)
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Ich finde Mias Geschichte sehr bewegend. Auch sie stand vor einem moralischen Dilemma. Ich kann verstehen, dass sie sich auf diesen ungewöhnlichen Handel eingelassen hat
Ich weiß von mir, dass ich so eine Geschichte wie eine Leihmutterschaft nie gemacht hätte, dafür kenne ich mich zu gut. Ich wüsste, dass ich das seelisch nicht verkraften würde, ein Kind wegzugeben oder auch ein Kind abzutreiben. Aber Mia war sehr jung, vielleicht weiß man das in dem Alter noch nicht so genau.

Mia hat sich während der Beerdigung ihres Bruders (bei der sie nicht dabei sein durfte) entschieden, das Baby zu behalten. Es war also nicht so, wie ich früher vermutet hatte, dass sie das Baby erst nach der Geburt nicht weggeben konnte.
Warum hat sie sich umentschieden? Das wird nicht erzählt. Ich vermute es war wegen ihres Bruders, der ja böse mit ihr war, als sie ihm von der Leihmutterschaft erzählt hatte und sich als Onkel des Kindes bezeichnet hatte. Wohl kaum wegen der Reaktion ihrer Eltern.

Mrs. R. hält sich für eine gute Mutter, jedenfalls für eine bessere als Mia. Lexie wendet sich allerdings in ihrer Not nicht an ihre Mutter. Das ist schon bezeichnend. Nicht nur für Lizzy, auch für Lexie scheint Mia die bessere Mutter zu sein.
 

Querleserin

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Mia ist viel menschlicher, Mrs Richardson darauf bedacht die Regeln einzuhalten und die Ordnung aufrecht zu halten.
Lexie in ihrer Verzweiflung kann sich nicht vorstellen, dass sie Halt bei ihrer Mutter findet. Schreckliche Vorstellung so eine Mutter zu haben....Mrs Richardsons scheint gegen Mia als Mutter zu verlieren.
 
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Anjuta

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Die Büchse der Pandora ist tatsächlich geöffnet und wird in diesem 4. Teil des Romans ausgepackt. Mrs Richardson auf der Fährte nach Mias Vergangenheit und Geheimnis. Wird sie ein Geheimnis enthüllen? Außerdem geht es nun um das ganz normale verrückte Leben von Jugendlichen, in dem sich viel um Parties, Sex und die Schwierigkeiten, mit Gefühlen umzugehen, rankt. Das ist auch in der perfekten Umgebung von Shaker Heights nicht anders und gipfelt in Lexies Abtreibung. Dass sie unter Pearls Namen stattfindet, spielt bestimmt noch eine Rolle. Das kann doch nicht ohne Folgen bleiben. Am Ende dieses Teils (Schon wieder so eine geniale Einteilung!) steht wieder ein spannungsgeladener Übergang zu einem neu sich öffnenden Handlungsstrang. Eine Andeutung auf Mias und Pearls Vergangenheit. So wird es wohl also weitergehen.
Das für mich eigentliche Thema des Romans "Regeln und ihre Auswirkungen auf das Leben" bleibt auch in diesem Teil sehr präsent. Für Mrs Richardson ist das in ihrer Lebensanalyse ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Punkt und sie erkennt dabei sehr wohl, dass sie einige Wege verschließen (ihre Karriere z.B.), aber dass für sie das Gute daraus deutlich überwiegt:
S. 186: "Regeln gab es aus einem bestimmten Grund. Wer sie befolgte, kam voran; wer es nicht tat, drohte die Welt in Asche zu legen."
Ich bin gespannt, ob diese Einschätzung bei ihr im Laufe der Handlung noch Risse bekommt.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ihr Stolz verhindert, dass sie Geld von Pauline Hawthorne annimmt, die sehr sympathisch wirkt und die begabte Mia unterstützt.
Dieser Stolz ist ja ehrenwert, nimmt aber auch abstruse Formen an. Warum kann Mia so schwer etwas von anderen annehmen ? Es muss an der Erziehung liegen. Die Möglichkeit, sich von Pauline unterstützen zu lassen, muss doch angenehmer sein als eine Leihmutter zu sein... Aber vielleicht hat @Leseglück recht: die Bedeutung der Mutterschaft kann man in so jungen Jahren wohl noch nicht erfassen. Allerdings fand ich den Plot rund um die Ryans sehr unrealistisch: Das ein Mann durch die Gegend streicht, um die Idealbesetzung einer Leihmutter zu finden...- nun ja.

Mia hilft Lexie nach dem Abbruch, wie man erwarten konnte. Lexie ist hin und her gerissen zwischen diesen beiden Welten, fragt sich sogar, wie es wohl gewesen wäre, Mias Kind zu sein. Was mich am Ende des Abschnittes wieder aufregt, ist, dass Lexie den Entlasssungsschein vom Krankenhaus in den Mülleimer der Warrens wirft... Wenn die von Mrs Richardson losgetretenen Hunde diese finden....?!

Unwahrscheinlich ist auch, dass Mias Eltern der Reporterin derart detailliert Auskunft über ihre Tochter geben. Aber im Roman darf das so sein, es wird ja auch bewusst die Erzählperspektive geändert. Mir kommt das immer wie ein Kameraschwenk vor, wenn in der Vergangenheit liegende Ereignisse geschildert werden.

Dass Mia sich zum Behalten des Kindes entschließt, als ihr Bruder stirbt, ist nachvollziehbar. Wie schlimm muss es für sie sein, dass das letzte Telefonat mit so einem Disput endete? Wahrscheinlich hat er ihr damit auch verdeutlicht, dass Mia selbst DIE MUTTER des Babies ist... Dass sie dann nicht mal zur Beerdigung gehen darf ist heftig. Die moralischen Normen liegen nicht nur in Shaker Hights hoch...

Dass Mia den Ryans dann noch 900 Dollar von ihrem sauer Ersparten da lässt.... Stolz, der Blüten treibt! Im Grunde war doch das ganze Ansinnen zutiefst unmoralisch, gerade so einer jungen Frau gegenüber! Aber Mia will einfach nichts schuldig bleiben, dahingehend ist der Charakter sehr konsequent aufgebaut.

Mrs Richardson wird weiterhin als die Böse mit der Moralkeule dargestellt. @Querleserin deutete ja an, dass wir dafür noch eine Erklärung bekommen. Bin gespannt.
 
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Unwahrscheinlich ist auch, dass Mias Eltern der Reporterin derart detailliert Auskunft über ihre Tochter geben. Aber im Roman darf das so sein
So detailliert ist der Bericht nicht, nur wir Leser*innen erfahren Mias Geschichte in aller Komplexitiät:

"Von alldem konnte Mrs Richardson natürlich nichts wissen. Sie kannte nur die grobe Geschichte, die die Wrights ihr erzählt hatten: dass Mia mit dickem Bauch aufgetaucht war und behauptete, die Ersatzmutter für ein Ehepaar namens Ryan zu sein - an die Vornamen konnten die Wrights sich nicht mehr erinnern." (270)

Sie forscht ja auch in Bezug auf das Bild nicht weiter, sondern kontaktiert den Anwalt der Ryans und lässt ihre Beziehung spielen, um herauszufinden, ob das mit der Leihmutterschaft stimmt. Die Beziehung zu Pauline Hawthorne kennt sie nicht oder ahnt sie vielleicht nur...
 

Anjuta

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Sorry für meinen Beitrag weiter oben, der eigentlich unter den 3. Leseabschnitt gehört. Ich war wohl etwas verwirrt.

Hier erfahren wir Mias tragische Geschichte angestoßen durch die Recherche von Mrs. Richardson. Ihre Unsicherheit, ihr Zweifel aber auch ihre Konsequenz bei der Entscheidung, Pearl bei sich zu behalten, die sicher ähnlich schwer gewesen sein dürfte wie die gegenteilige Entscheidung, sie an die Ryans abzugeben.
".In der Nacht, .... hatte Pearl ununterbrochen geschrien, bis auch Mia weinte. sie fragte sich, ob die Ryans in ihrer schicken Wohnung in New York noch wach waren und was sie wohl sagen würden, wenn sie den Hörer in die Hand nähme und sagte: Ich habe gelogen. Das Kind ist bei mir. Kommen Sie und holen Sie es ab.... Sie konnte nicht sagen, ob der Gedanke schrecklich oder reizvoll oder beides zugleich war, während sie und Pearl weinten."
Diese Gefühlszerrissenheit ist für mich sehr glaubwürdig und ehrlich. Und letztlich Wesenszug des ganzen Romans, der immer wieder sagt: es gibt kein eindeutiges Gut oder Böse, kein Schlecht oder Gut. Irgendwie steckt in jeder Entscheidung von beidem etwas. Und mit der Entscheidung für vermeintlich Gutes stärkt man auch zum Teil das Böse mit. Und andersherum. Das ist bei der Richterentscheidung im Fall Bebe so, das ist bei der Abtreibung von Lexie so. Das ist bei Izzys Brandstiftung so etc etc. Und deshalb kann regelgerechtes Handeln auch kein Garant für ein gutes Leben bieten. So leicht macht es uns das Leben einfach nicht. es ist komplizierter.
Leider oder Gott sei Dank?:confused:
 

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Und deshalb kann regelgerechtes Handeln auch kein Garant für ein gutes Leben bieten. So leicht macht es uns das Leben einfach nicht. es ist komplizierter.
Leider oder Gott sei Dank?:confused:

Du bringst es auf den Punkt. So ist das Leben und das macht den Roman so großartig, dass er nicht übliche Falle tappt, Gut und Böse gegenüber zu stellen. Damit fordert er uns heraus. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich als Richter entscheiden würde. Es ist nicht leicht...
 

Literaturhexle

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"Von alldem konnte Mrs Richardson natürlich nichts wissen. Sie kannte nur die grobe Geschichte, die die Wrights ihr erzählt hatten: dass Mia mit dickem Bauch aufgetaucht war und behauptete, die Ersatzmutter für ein Ehepaar namens Ryan zu sein - an die Vornamen konnten die Wrights sich nicht mehr erinnern." (270)
STIMMT! In dem Moment, als ich es las, war es mir noch klar, anschließend habe ich es wohl erfolgreich verdrängt ;)
Das meinte ich mit "Veränderung der Erzählperspektive als Kameraschwenk"... Aber klar: so genau werden es die Eltern nicht erzählen. Zum Glück erfahren wir die ganze Geschichte.
 
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STIMMT! In dem Moment, als ich es las, war es mir noch klar, anschließend habe ich es wohl erfolgreich verdrängt ;)
Das meinte ich mit "Veränderung der Erzählperspektive als Kameraschwenk"... Aber klar: so genau werden es die Eltern nicht erzählen. Zum Glück erfahren wir die ganze Geschichte.
Dafür ist die geballte Kompetenz der Leserunde da ;)
 

Sassenach123

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Ich weiß von mir, dass ich so eine Geschichte wie eine Leihmutterschaft nie gemacht hätte, dafür kenne ich mich zu gut. Ich wüsste, dass ich das seelisch nicht verkraften würde, ein Kind wegzugeben oder auch ein Kind abzutreiben. Aber Mia war sehr jung, vielleicht weiß man das in dem Alter noch nicht so genau.

Mia hat sich während der Beerdigung ihres Bruders (bei der sie nicht dabei sein durfte) entschieden, das Baby zu behalten. Es war also nicht so, wie ich früher vermutet hatte, dass sie das Baby erst nach der Geburt nicht weggeben konnte.
Warum hat sie sich umentschieden? Das wird nicht erzählt. Ich vermute es war wegen ihres Bruders, der ja böse mit ihr war, als sie ihm von der Leihmutterschaft erzählt hatte und sich als Onkel des Kindes bezeichnet hatte. Wohl kaum wegen der Reaktion ihrer Eltern.

Mrs. R. hält sich für eine gute Mutter, jedenfalls für eine bessere als Mia. Lexie wendet sich allerdings in ihrer Not nicht an ihre Mutter. Das ist schon bezeichnend. Nicht nur für Lizzy, auch für Lexie scheint Mia die bessere Mutter zu sein.

Ich glaube auch das Mias Bruder der Grund ist warum sie das Baby behält. Sie ändert ihren Namen in Warren sicher nicht nur um nicht gefunden zu werden. Ein mutiger Entschluss, sie opfert für Pearl das, was ihr bisher am wichtigsten war. Auch wenn sie heute immer noch fotografiert, hat sie ihr Studium, ihre Karriere bewusst aufgegeben.
 

Sassenach123

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Mir gefällt der Roman sehr gut. Er ist unheimlich vielschichtig.
Mit einer Leihmutterschaft habe ich nicht gerechnet, aber im Nachhinein fügt sich das perfekt ins Bild.
Der Leser erfährt warum die Eltern sich von Mia abgewandt haben. Allerdings verstehe ich nicht, dass Mias Eltern nicht irgendwann umgedacht haben. Sicher ist alles erstmal erschreckend, wenn man die Zeit in der der Roman spielt bedenkt, aber Mia ist nun ihr einziges Kind.
Mrs Richardson kommt bei mir nicht gut weg. Alles was sie tut, tut sie nur für das Bild, was sie nach außen präsentieren möchte. Müssen denn alle Menschen die gleichen Werte haben? Wenn es nach ihr geht ja, alles was von der Norm abweicht ist unter ihrer Würde, so scheint es mir zumindest oft.
Auch wenn Mia Pearl nicht das bieten kann, was die Kinder der Richardsons haben, sind mir ihre Werte lieber.
 

Literaturhexle

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Mrs Richardson kommt bei mir nicht gut weg. Alles was sie tut, tut sie nur für das Bild, was sie nach außen präsentieren möchte. Müssen denn alle Menschen die gleichen Werte haben?
Ich bin da völlig bei dir!
Man muss die Zeit bedenken. Gehe mal in unsere Kindheit zurück (ich bin Jahrgang 1969): Die damalige Mütter-Generation. Da waren doch erschreckend viele drauf wie Mrs Richardson! Die geordnete Fassade, Stolz auf das Erreichte, Vorzeige-Familie...
Bestimmt gibt es heute auch noch solche Menschen, aber seltener, würde ich meinen. Mia und Pearl waren der krasse Gegenentwurf.

Die Billigung anderer Lebensentwürfe war damals gleichbedeutend mit der Kritik an den eigenen. Und das durfte man nicht zulassen!
Die Welt hat sich da zum Glück gewandelt und ist viel toleranter geworden. Vor dem Hintergrund der Zeit finde ich Mrs Richardson absolut glaubwürdig!
 

parden

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Dieser Abschnitt - vor allem die ersten beiden Kapitel, die sich mit der Vergangenheit Mias befassten - hat mir unglaublich gut gefallen. Hier fiel mir richtig auf, wie schön der Schreibstil von Celeste Ng ist - ich bin richtig eingetaucht in die Erzählung. Mit dem Perspektivwechsel in die Gegenwart änderte sich das wieder - irgendwie habe ich dabei ständig das Gefühl, auf der Hut sein zu müssen. Denn es wird ja etwas geschehen.
 
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parden

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13. April 2014
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".In der Nacht, .... hatte Pearl ununterbrochen geschrien, bis auch Mia weinte. sie fragte sich, ob die Ryans in ihrer schicken Wohnung in New York noch wach waren und was sie wohl sagen würden, wenn sie den Hörer in die Hand nähme und sagte: Ich habe gelogen. Das Kind ist bei mir. Kommen Sie und holen Sie es ab.... Sie konnte nicht sagen, ob der Gedanke schrecklich oder reizvoll oder beides zugleich war, während sie und Pearl weinten."
Diese Gefühlszerrissenheit ist für mich sehr glaubwürdig und ehrlich. Und letztlich Wesenszug des ganzen Romans, der immer wieder sagt: es gibt kein eindeutiges Gut oder Böse, kein Schlecht oder Gut. Irgendwie steckt in jeder Entscheidung von beidem etwas. Und mit der Entscheidung für vermeintlich Gutes stärkt man auch zum Teil das Böse mit. Und andersherum. Und deshalb kann regelgerechtes Handeln auch kein Garant für ein gutes Leben bieten. So leicht macht es uns das Leben einfach nicht. es ist komplizierter. Leider oder Gott sei Dank?:confused:

Ja, das ist für mich auch die Kernaussage des Romans. Insofern ist Celeste Ngs Buch auch ein unbequemes. Denn es entscheidet nicht für uns, was richtig ist und was falsch. Sondern es legt alle Fakten auf den Tisch und lässt den Leser damit allein. Ich jedenfalls bin schon an einigen Stellen ins Grübeln geraten - und das macht den Roman zu etwas Besonderem. Schön zu lesen, aber eben auch ein gewaltiger Denkanstoß...
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Mrs Richardson kommt bei mir nicht gut weg. Alles was sie tut, tut sie nur für das Bild, was sie nach außen präsentieren möchte. Müssen denn alle Menschen die gleichen Werte haben? Wenn es nach ihr geht ja, alles was von der Norm abweicht ist unter ihrer Würde, so scheint es mir zumindest oft.
Auch wenn Mia Pearl nicht das bieten kann, was die Kinder der Richardsons haben, sind mir ihre Werte lieber.

Na ja, einerseits hast du recht. Andererseits kann sie wohl nicht so ganz aus ihrer Haut. Sie ist ein Produkt ihrer Erziehung und ihres Umfelds. In der Passage, als es um Jamie ging, wird ja deutlich, warum sie so geworden ist. Sie weiß, sie hätte ein aufregenderes, leidenschaftlicheres Leben haben können, aber sie hat sich nicht getraut, weil man ihr früher immer eingeimpft hat, wie sie zu sein hat. Ich glaube, es ist gar nicht so einfach, sich davon zu lösen. Ich denke nicht, dass sie nur wegen des äußeren Scheins so handelt, wie sie handelt. Sie handelt auch so, weil sie Angst davor hat, welche Dinge passieren, wenn Regeln verletzt werden.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ja, das ist für mich auch die Kernaussage des Romans. Insofern ist Celeste Ngs Buch auch ein unbequemes. Denn es entscheidet nicht für uns, was richtig ist und was falsch. Sondern es legt alle Fakten auf den Tisch und lässt den Leser damit allein. Ich jedenfalls bin schon an einigen Stellen ins Grübeln geraten - und das macht den Roman zu etwas Besonderem. Schön zu lesen, aber eben auch ein gewaltiger Denkanstoß...

Schön formuliert. So empfinde ich das auch. Man lernt nach und nach die Personen besser kennen und erfährt alle Blickwinkel. Mir gefällt es auch gut, dass der Roman nicht nach dem Schwarz-Weiß-Schema arbeitet. Man bekommt alle Beweggründe mit. Und es gibt keine Helden und Antihelden. Alle haben ihre Schwächen und persönlichen Abgründe, keiner ist nur gut oder nur böse. Ich finde das auch hervorragend gemacht.