4. Leseabschnitt: Kapitel 10 bis 12 (Seite 205 bis 268)

alasca

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13. Juni 2022
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49
Weihnachten, der Horror der Singles, rückt immer näher. Noch nie habe ich die Schrecken dieser Zeit so plastisch beschrieben gelesen.

Es wird ein weiteres Mal deutlich, dass Frances für die Frasers nie mehr gewesen ist als Zeitvertreib. Und weil sie sich in letzter Zeit geweigert hat, ihr Inneres ausbeuten zu lassen, ist sie in Ungnade gefallen. Offensichtlich ist sie bei diesem vorweihnachtlichen Abendessen nur dabei, damit die Frasers sich an ihrem Schock und Schmerz über James Verhältnis mit Maria weiden können. Vampire, die nach Blut lechzen.

Die Frasers erinnern mich ein bisschen an das Ehepaar in "Der große Gatsby". Überhaupt passt die Stimmung des Romans viel besser in diese Zeit der 1930er Jahre. Auch die Einrichtung von Frans Wohnung, so richtete sich damals die Bohème ein. Ironischerweise sind die ach so hippen Frasers total spießig mit schweren, dunklen Möbeln eingerichtet - ironischer Kontrast. Es ist so typisch für Fran, dass sie nicht mal in der Lage ist, einer Wohnung ihren Stempel aufzudrücken. Geschweige denn einer Party. Und dass sie dann auch noch im Schlafzimmer ihrer Mutter endet!

Frances wahrt den Schein, sie will den Vampiren nicht ihr Herzblut überlassen. Und so muss sie auch auf das Mitgefühl und die Parteinahme verzichten, die ein Zusammenbruch ausgelöst hätte.

Wie sich herausstellt, hat selbst Nancy ein Sozialleben und empfängt jeden Nachmittag die Hausmeister in ihrer Küche, für die sie bäckt und Tee kocht, eine Oase aus Licht und Wärme. Auch hier gehört Frances nicht dazu.

Der Zustand, in den sie fällt, und ihre Überlegungen darüber, wie sie ihre Zukunft angehen soll, sind herzzerreißend. Die Zukunft ist beliebig, denn ihre Sehnsucht wurde nicht erfüllt und einen anderen Weg dahin kann sie nicht erkennen. "Sie ist gewesen." Boah. Da kommen mir die Tränen.

Letzter Ausweg das Schreiben. Mann. Jetzt könnte ich eine Tüte oder einen Keks oder eine Happy Pill gebrauchen. Unglaublich traurig.

Sehr kluges Nachwort übrigens.
 
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GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Leider kann ich mich der Begeisterung nicht anschließen. Für mich zog sich auch dieser letzte LA wirklich zäh. Erst dachte ich, dass vielleicht die Anspielungen auf die Geisteskrankheiten vom Beginn des Buches hier nun ihren Endpunkt finden und Frances schließlich dem Wahnsinn anheimfällt. Sie ist und bleibt aber "nur" einsam und allein. Ein Motiv, welches sich über die letzten 250 Seiten durchweg immer wieder hält, starr bleibt, auch wenn Frances immer wieder klitzkleine Schimmerbewegungen hin und her gemacht hat. Emotional konnte mich gerade der Schluss leider nicht erreichen.

Das Nachwort von Daniel Schreiber ist wirklich gut ausformuliert, aber seiner Begeisterung und manchen Interpretationen kann ich so nicht folgen. Das Thema "Einsamkeit" ist zwar zeitlos, ich finde dieses Buch ist es aber nicht. Was wir jedoch aus dem Nachwort erfahren: Wir bewegen uns gar nicht in den 70ern/80ern (was sowieso schwer fühlbar gewesen war), sondern in den Swinging Sixties. Das konnte ich der Geschichte aber auch nicht anmerken. Da geht mit der Spitze 1968 eine gesellschaftliche Revolution durch viele Länder und in diesem Roman merkt man davon so gar nichts. Wie aus der Zeit gefallen.
 

alasca

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13. Juni 2022
2.972
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49
Swinging Sixties. Das konnte ich der Geschichte aber auch nicht anmerken. Da geht mit der Spitze 1968 eine gesellschaftliche Revolution durch viele Länder und in diesem Roman merkt man davon so gar nichts. Wie aus der Zeit gefallen.
Das empfinde ich auch so, sehr stark sogar. Für mich ist die Frage, inwiefern das den "Wert" des Romans mindert. Er hat einige sehr starke Szenen, die mich wirklich angerührt haben. Auch das Gesamte hat mich beeindruckt, Brookners gute Menschenkenntnis, ihre Klarheit.

Man könnte anführen, dass es zu allen Zeiten Menschen gibt, die von den Zeitströmungen unberührt bleiben.

Über das Fazit bin ich mir noch nicht im Klaren.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
321
1.501
44
Nach letzten Kontakten mit ihren „Freunden“ erkennt Frances, dass sie nur noch das 5.Rad am Wagen ist. James hat eine Beziehung mit Maria, Fanny erkennt es mit Wehmut.
Ihr wird klar, dass sie auf sich selbst vertrauen muss und die Welt des schönen Scheins keine Alternative ist. Sie plant Veränderungen und beginnt wieder zu schreiben. Das Schreiben wird für sie zu einer Therapie. Schreiben und auch Lesen sind ein empfehlenswerter Ausweg aus der Einsamkeit.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Was für eine traurige Geschichte! Ich habe beinahe körperlich mitgelitten.
In diesem Abschnitt wird deutlich geschildert, wie grauenvoll Feiertage für einsame Menschen sein können. Ohne den gewohnten Arbeitsalltag dehnen sich die Stunden ins Unermessliche.
Wenn ich , aufgefressen von den vielen Anforderungen, von freien Stunden träume, kann ich mir kaum vorstellen, wie wenig Menschen wie Frances damit anfangen können.
Die letzten beiden Weihnachten waren schon trist genug.

Hier zeigt sich aber auch, dass Frances Freundschaftsangebote von verschiedenen Seiten hat. Die Mutter von Olivia gibt ihr zu verstehen, dass sie jederzeit auf sie zählen kann. Auch der alte Hausarzt ihrer Mutter bietet ihr seine Freundschaft an. Aber diese Menschen vernachlässigt sie sträflich.
In David gibt es sogar einen Mann, der sie heiraten würde. Aber anfangs will sie nicht, weil sie ihn nicht liebt und auch weil sie weiß, dass er auf sie warten würde, falls sie das wünscht. Und später ist sie wenigstens so klug und so fair sich zu sagen, dass David was anderes verdient hätte als das , was sie ihm bieten könne.

Doch warum muss sie sich unbedingt an dieses oberflächliche Paar hängen? Sie spürt doch deutlich, dass sie nicht zu denen passt und nur verspottet und ausgenutzt wird . Weil sie so sein will wie jene, die raubtiermäßig sich einfach alles nehmen, was es gibt. Dann gehörte sie auch zu denen, die gesehen werden.
Aber das würde ihrem ganzen Wesen widersprechen.

Widerlich, wie sich Alix über die körperliche Behinderung von Olivia auslässt.

Bei diesem Essen zeigt sich James ganz anders als zuvor. Man hat sich ja schon gewundert, dass ihm die abendlichen Spaziergänge und das anschließende Tee- Trinken gereicht haben. Hier zeigt er sich als sèxuell interessierter Mann. War das vorher bei Frances von Anfang an eher eine freundschaftliche Beziehung oder hatte er genug von ihrem Zögern?

Am Ende reiht Frances sich ein in die Reihe der Einsamen und erkennt sich in ihnen selbst.

Anita Brookner war ja schon über Fünfzig, als sie dieses Buch schrieb. Frances ist zwei Jahrzehnte jünger. Passt diese Resignation schon zu einer Frau Anfang Dreißig?
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Sie ist und bleibt aber "nur" einsam und allein.
„ Nur“?
Emotional konnte mich gerade der Schluss leider nicht erreichen.
Kein Gefühl von Traurigkeit ?
Da geht mit der Spitze 1968 eine gesellschaftliche Revolution durch viele Länder und in diesem Roman merkt man davon so gar nichts. Wie aus der Zeit gefallen.
Schau Dir mal das Photo von Anita Brookner an! Das ist keine, die auf Barrikaden geht oder ihren BH verbrennt.
Das Schreiben wird für sie zu einer Therapie. Schreiben und auch Lesen sind ein empfehlenswerter Ausweg aus der Einsamkeit.
Aber kein einfacher. Schreiben geht nicht auf Befehl. Und außerdem braucht sie den Kontakt zu Menschen weiterhin, zumindest als Anschauungsmaterial.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Passt diese Resignation schon zu einer Frau Anfang Dreißig?
Da sie ja über den gesamten Roman hinweg in ihrer Lebensweise nicht gerade jung wirkt, könnte es schon zur hier vorgestellten Figur Frances passen. Aber passt es für ein breiteres Bild von Frauen Ende Zwanzig/Anfang 30? Ich kann es mir schlecht vorstellen.
Damit meinte ich, "nur einsam und allein aber nicht noch zusätzlich wahnsinnig", habe aber extra das "Nur" in Gänsefüßchen gesetzt, weil ich damit nicht ausdrücken will, dass einsam und allein zu sein eine Kleinigkeit wäre.
Kein Gefühl von Traurigkeit ?
Tatsächlich gar nicht. Keinerlei Emotion bei mir durch den Text bzw. bezogen auf den Text.
Schau Dir mal das Photo von Anita Brookner an! Das ist keine, die auf Barrikaden geht oder ihren BH verbrennt.
Haha :grinning. Ja, das steht ja auch noch einmal im Nachwort, dass sie sich zu ihrer Zeit sogar gegen den Feminismus ausgesprochen hat. Aber in 1968 passierte ja noch viel mehr. Und wenn nur, dass zumindest Nick und Alix mal Frances mit auf eine Party in einen der vielen Musikclubs Londons genommen hätten. Dorthin trieb es auch viele Kreative aus besserem Hause. Aber nein, sie gehen immer ins selbe Lokal gleich unten im Haus. Jeden einzelnen Tag... Sprich: Selbst das schillernde Pärchen, handelt vollkommen öde und im selben Trott.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Selbst das schillernde Pärchen, handelt vollkommen öde und im selben Trott.
Schon sonderbar! Aber vielleicht kannte Frau Brookner auch nicht die angesagten Klubs aus eigener Erfahrung.
Außerdem scheint das glamouröse Pärchen nicht sehr viel Geld gehabt zu haben und aß deshalb immer im gleichen Restaurant. Frances hat ja oft genug bezahlt.
 

alasca

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13. Juni 2022
2.972
9.421
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Schon sonderbar! Aber vielleicht kannte Frau Brookner auch nicht die angesagten Klubs aus eigener Erfahrung.
Außerdem scheint das glamouröse Pärchen nicht sehr viel Geld gehabt zu haben und aß deshalb immer im gleichen Restaurant. Frances hat ja oft genug bezahlt.
Auch dass Frances in einer Wohnung lebt, die im glitzy 30er Jahre Bohémestil eingerichtet ist und Alix die schweren, dunklen, total spießigen Möbel hat - schöne Ironie. Das Möchtegern-Glam-Paar ist total bürgerlich.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich mit der Erzählerin anfangen soll. Ihr ganzes Denken, inbesondere in diesem letzten LA, scheint mir viel besser zu einem weit älteren Menschen zu passen. Genauso wie das ganze Buch auf mich den Eindruck macht, zeitlich nicht klar verortbar zu sein, oszilliert auch die Erzählerin zwischen Kindlichkeit und ältlicher Abgeklärtheit. (Sie erwähnt ja selbst mehrmals ihren kindlichen Körper.)

Die Zeit, in der dieser Roman spielt, sollte eigentlich für eine attraktive junge Frau mit genug Geld das Paradies sein, zumal in London - verglichen mit den alleinstehenden Frauen der Generation davor, oder mit alleinstehenden Frauen, die kein finanzielles Polster haben. Manch eine Leserin dieses Romans wird sich sicher die Haare raufen angesichts der Möglichkeiten, die sich Frances auftun könnten und von denen sie keinen Gebrauch macht. Vielleicht ist sie schon zu alt, um Minirock zu tragen und ins Fillmore East zu pilgern? Vielleicht ist das ihr Problem. Gerade das Bewusstsein, sich in einem Umfeld zu befinden, in dem es nur so wogt und strudelt, macht es umso schlimmer, dass sie psychisch nicht in der Lage ist, daran teilzunehmen?

Man kann sich sicher vieles dazu denken. Der Schluss, den das Nachwort zieht - dass wir uns nach wie vor in einer Welt des Zweisamkeitszwangs befinden und eine allein durchs Leben gehende Person quasi unterprivilegiert ist -, das ist mir doch etwas zu allgemein. Mir scheint das Problem doch mehr in Frances' Psyche zu liegen. Sie hätte ja zum Beispiel mit den Benedicts Bekannte, die zu ihr passen. Aber die sind ihr zu langweilig, sie wünscht sich mehr Glamour. Na denn.

Sehr gekonnt finde ich, wie auf den letzten Seiten Erlebtes und das Schreiben darüber zusammengeführt werden. Man hat den Eindruck, dass wir genau das lesen, was sie in diesen dunklen Stunden in ihrer Wohnung schreibt.

Ich weiß noch nicht recht, wie sehr mir das Buch gefällt. Sprachlich ist es großartig zu lesen, von großer Klarheit in Beobachtung in Schilderung. Aber vieles an der Heldin ärgert mich. Genau das mag andererseits so gewollt sein.
 
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alasca

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13. Juni 2022
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Da sie ja über den gesamten Roman hinweg in ihrer Lebensweise nicht gerade jung wirkt, könnte es schon zur hier vorgestellten Figur Frances passen. Aber passt es für ein breiteres Bild von Frauen Ende Zwanzig/Anfang 30? Ich kann es mir schlecht vorstellen.

Damit meinte ich, "nur einsam und allein aber nicht noch zusätzlich wahnsinnig", habe aber extra das "Nur" in Gänsefüßchen gesetzt, weil ich damit nicht ausdrücken will, dass einsam und allein zu sein eine Kleinigkeit wäre.

Tatsächlich gar nicht. Keinerlei Emotion bei mir durch den Text bzw. bezogen auf den Text.

Haha :grinning. Ja, das steht ja auch noch einmal im Nachwort, dass sie sich zu ihrer Zeit sogar gegen den Feminismus ausgesprochen hat. Aber in 1968 passierte ja noch viel mehr. Und wenn nur, dass zumindest Nick und Alix mal Frances mit auf eine Party in einen der vielen Musikclubs Londons genommen hätten. Dorthin trieb es auch viele Kreative aus besserem Hause. Aber nein, sie gehen immer ins selbe Lokal gleich unten im Haus. Jeden einzelnen Tag... Sprich: Selbst das schillernde Pärchen, handelt vollkommen öde und im selben Trott.
Wo lest ihr das, dass der Roman 1968 spielt? Ich kann mich an gar keine Verortung in der Zeit erinnern.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Wo lest ihr das, dass der Roman 1968 spielt? Ich kann mich an gar keine Verortung in der Zeit erinnern.
Weiß ich jetzt auch nicht. Bei Perlentaucher steht zum Beispiel: "Rezensentin Anna Flörchinger schaut mit Anita Brookners Roman von 1983 zurück auf die Arbeits- und Lebensverhältnisse im London der achtziger Jahre ..."

Wenn es in den Achtzigern spielt - um so schlimmer.
Ich bin Jahrgang 1957 und wäre somit dann wahrscheinlich älter als die Erzählerin. Vemutlich bin ich psychisch ein völlig anderer Typ, obwohl ich natürlich vieles nachvollziehen kann, aber die merkwürdige Altjüngferlichkeit, die die Erzählerin ausstrahlt, scheint einer viel früheren Zeit anzugehören. Wir waren begeistert von den Möglichkeiten, die wir hatten, und nutzten sie schamlos aus. :smileeye
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Mir scheint das Problem doch mehr in Frances' Psyche zu liegen.
Sehe ich genauso. Sie hätte sehr wohl Menschen, die für sie da sind. Eigentlich schreckt sie vor jeder engeren Bindung zurück. James wird erst so richtig interessant, als er sich Maria zuwendet.
Wenn es in den Achtzigern spielt -
Das kann garnicht sein. Da muss sich die Rezensentin täuschen. Brookner selbst ist 1928 geboren und Frances scheint Parallelen zu ihrer Biographie aufzuweisen. Es müssten die frühen 1960er Jahren sein. Da kann ich mir solche Typen, wie im Buch beschrieben, besser vorstellen.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Wo lest ihr das, dass der Roman 1968 spielt? Ich kann mich an gar keine Verortung in der Zeit erinnern.
Wie oben erwähnt, hatte ich die Aussage mit den Swinging Sixties aus dem Nachwort von Daniel Schreiber. Im Text könnte man nur die Verortung herleiten, da die Ich-Erzählerin, als sie vom Erwerb der Wohnung in London durch ihre Eltern spricht, es so formuliert, als sei sie damals noch nicht dabei, also noch nicht geboren, gewesen. Ich habe jetzt nicht mehr die Jahreszahl im Blick, aber es war gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, 1944 oder so. Wenn die Ich-Erzählerin direkt danach geboren wurde, wäre sie Ende der Sechziger Mitte Zwanzig, was doch in etwa hinkommen müsste, oder?
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ich habe das Finale als enttäuschend empfunden. Letztlich haben die Figuren eigentlich kaum eine Entwicklung durchgemacht im Roman. Frances war am Anfang und am Ende einsam. Und das Finale plätschert mit Ausnahme des irgendwie surrealen elften Kapitels so dahin.

Gut fand ich noch den letzten Satz "Ich beginne zu schreiben", der den Aufbau des Romans etwas auf den Kopf stellt. Ansonsten herrschte bei mir auch im letzten Abschnitt überwiegend große Langeweile.

Letztlich konnte ich Frances' Verhalten im gesamten Roman nicht nachvollziehen, was ein Ärgernis für mich ist. Das Nachwort habe ich noch nicht gelesen.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Mir tut einerseits die Erzählerin extrem leid, vor allem dieser Heimweg war furchtbar zu lesen, und dann auch diese "Party" ihrer Haushälterin, bei der sie ja auch wieder Außenseiterin ist. Aber ich sehe, um das nochmals zu betonen, in ihrer Einsamkeit kein strukturelles Problem, wie das im Nachwort angesprochen wird, wo es heißt, dass Alleinstehende bis heute irgendwie nicht für voll genommen würden. In meinem Umfeld sehe ich das so überhaupt nicht.

In der Zeit unseres Romans mag noch ein gewisser Erwartungsdruck auf junge Frauen geherrscht haben, dass sie heiraten sollten. Aber dieser Druck war jedenfalls erheblich geringer als noch in der Generation zuvor. Wenn wir uns darauf geeinigt haben, dass das Buch in den Sechzigern spielt, dann hätte Frances eigentlich eine Menge Freiheiten und Möglichkeiten. Dass sie davon keinen Gebrauch machen kann, sehe ich mehr als persönliches Problem an denn als strukturelles.

Ich lese das Buch als Psychogramm und finde es als solches sehr gelungen, aber irgendeine Form von Sozialkritik erkenne ich darin nicht.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich lese das Buch als Psychogramm und finde es als solches sehr gelungen, aber irgendeine Form von Sozialkritik erkenne ich darin nicht.
Ein Psychogramm , ein sehr detailliertes und stimmiges. Da der Roman wie aus der Zeit gefallen scheint, kann ich hier keine Gesellschaftskritik erkennen. Dass Frances keinen Zugang zu der Klasse von Alix und Nick finden kann, liegt weniger an deren Dünkel sondern an Frances selbst.
 

alasca

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13. Juni 2022
2.972
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Ein Psychogramm , ein sehr detailliertes und stimmiges. Da der Roman wie aus der Zeit gefallen scheint, kann ich hier keine Gesellschaftskritik erkennen. Dass Frances keinen Zugang zu der Klasse von Alix und Nick finden kann, liegt weniger an deren Dünkel sondern an Frances selbst.
Und wäre sie anders, könnte es ihr gelingen? Na, ich weiß nicht. Das kann man, glaube ich, doch bezweifeln. Bestenfalls durch Heirat.

Dennoch: Ich tendiere auch eher zu Psychogramm als zu Gesellschaftskritik. Wobei wir dabei (systemerhaltend) davon ausgehen, dass die Psyche jedermanns Privatsache und -problem ist. Was nicht der Fall ist, aber sei´s drum. Die Sozialkritik hat Brookner vergeigt - ich bin mir aber auch nicht sicher, ob sie das überhaupt im Sinn hatte.