4. Leseabschnitt: Kapitel 10 bis 12 (Seite 205 bis 268)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Die Sozialkritik hat Brookner vergeigt - ich bin mir aber auch nicht sicher, ob sie das überhaupt im Sinn hatte.
Sozialkritik habe ich in keinem der drei Romane von Brookner explizit herausgelesen.
Frances ist ja kein armes Mädchen aus der Arbeiterschicht. In diesem Roman besteht der Klassenunterschied zwischen altem ( verlorenem )Geld und neuem Geld. Auch das Exilantentum spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Wobei wir dabei (systemerhaltend) davon ausgehen, dass die Psyche jedermanns Privatsache und -problem ist.
Das ist sie natürlich nicht. Psyche entwickelt sich immer in einem Umfeld. Doch darum ging es hier nicht ( in erster Linie).
 

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29. März 2022
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Mainz
Nachdem ich mit diesem Buch ein paar Tage pausiert habe, habe ich gestern diesen letzten Abschnitt und damit auch das Buch beendet.
Die große Einsamkeit von Frances spürt man nahezu körperlich. Gerade an den Feiertagen kommt dies gut heraus.
Dabei ist es gar nicht so, dass sie keinerlei Optionen hätte, doch hängt sie Leuten nach, die nicht zu ihr passen. Was sie sucht, kann sie bei ihnen nicht finen. Und so flüchtet sie sich ins Schreiben. Dieser Aspekt hat mir durchaus gut gefallen.
Allerdings hätte ich erwartet, dass die Ausführungen zu psychischen Erkrankungen vom Beginn wieder aufgenommen werden würden, was aber nicht der Fall ist. Schade!
Die Schreibkunst Brookners ist schon sehr überzeugend, doch inhaltlich habe ich hier und da etwas mit manchen Figuren gehadert.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Sehr kluges Nachwort übrigens.
Bin gespannt, muss ich noch lesen.
sondern in den Swinging Sixties.
Das wurde auch im dlf so gesagt. Im Tunnel störte sie sich an Graffitis. Ob es die in den 60ern auch schon gab?
Auch das Gesamte hat mich beeindruckt, Brookners gute Menschenkenntnis, ihre Klarheit.
Das ist brillant und hat mich wirklich durch den Roman getragen.
Aber diese Menschen vernachlässigt sie sträflich.
Stimmt. Hat aber nicht fast jeder mal eine Phase, in der er anders sein will, in der er sich vom äußeren Schein blenden lässt? Fanny ist extrem behütet aufgewachsen, fast spießig. Das erklärt für mich auch das Rückständige, das vom Roman ausgeht. Ihre Eltern schon haben die Wohnung nie renoviert, nie Möbel ausgetauscht. Das hat etwas dauerhaft Gestriges. Wer in diesem Umfeld (noch dazu als Einzelkind) groß wird, ist anders als andere, zumal Prägung und Erziehung der altbackigen Umgebung entsprechen dürften.
Doch warum muss sie sich unbedingt an dieses oberflächliche Paar hängen?
Weil es sie eine völlig andere Welt entführt und Lebendigkeit verspricht.
Dann gehörte sie auch zu denen, die gesehen werden.
Genau. Das ist ja ihre tief empfundene Sehnsucht.
Passt diese Resignation schon zu einer Frau Anfang Dreißig?
Für mich schon. Sie hat ja Zeit, die Hebel nochmal umzustellen. Wenn sie sich emotional wieder beruhigt hat, wird sie auch vermutlich feststellen, dass diese oberflächliche Glamourwelt gar nicht zu ihr passt. Sie ist eigentlich zu klug, um sich permanent erniedrigen und in Frage stellen zu lassen.
Das ist keine, die auf Barrikaden geht oder ihren BH verbrennt.
Absolut. Auch wenn wir diese "Revolution" mit den 60ern verbinden, wurde sie bei weitem nicht vom Großteil der Bevölkerung getragen. Vergleichbar mit den aktuellen Klima-Protesten: bei weitem nicht alle jungen Leute gehen auf die Straße und verhalten sich klimaneutral. Auch das ist in Summe eine Minderheit, die es aber in die Geschichtsbücher schaffen könnte.
angesichts der Möglichkeiten, die sich Frances auftun könnten und von denen sie keinen Gebrauch macht.
Da hast du Recht. Sie ist durch das strahlende Juppie Paar vom Weg abgekommen und wird ihren,jenseits des Schreibens, hoffentlich wieder finden.
Sprachlich ist es großartig zu lesen, von großer Klarheit in Beobachtung in Schilderung.
Das bewundere ich auch.
die merkwürdige Altjüngferlichkeit, die die Erzählerin ausstrahlt, scheint einer viel früheren Zeit anzugehören.
Ist für mich aber glaubwürdig. Siehe oben.
Ich lese das Buch als Psychogramm und finde es als solches sehr gelungen, aber irgendeine Form von Sozialkritik erkenne ich darin nicht.
Nein, Sozialkritik finde ich auch kaum. Höchstens in Bezug auf diese Glitterwelt ohne Moral oder Werte von Nick und Alix. Die gibt es immer und allerorten, wo sich alles nur um den neuesten Fummel und die schickste Frisur dreht und dabei ernste Probleme (z.B. Behinderung) mit Füßen getreten werden.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Natürlich ist es schade, dass alles für Frances so endet, allerdings muss man ehrlich sagen, dass es keine Überraschung war. Alix wurde schon früh als das entlarvt was sie ist, dennoch war ich erstaunt wie weit sie es treiben würde. Fanny zu beobachten während ihr bewusst wird das James etwas mit Maria hat, was er mit ihr scheinbar nicht wollte, ist der Gipfel der Boshaftigkei. Schade nur, dass mir die Person während des gesamten Buches nicht näher gekommen ist, so hielt sich mein Mitgefühl in Grenzen.
Dies war mein erster Roman der Autorin und ich habe erst durch das Nachwort erfahren, dass die Charaktere sehr dicht an ihrem eigen Leben dran sind, aber auch das bringt mich nicht weiter, der Funke sprang diesmal nicht über
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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War das vorher bei Frances von Anfang an eher eine freundschaftliche Beziehung oder hatte er genug von ihrem Zögern?
Das habe ich mich auch gefragt, allerdings wirkte es auf mich an keiner Stelle so, als ob er wirklich ernsthaft versucht hat die Initiative zu ergreifen.
Sehe ich genauso. Sie hätte sehr wohl Menschen, die für sie da sind.
Auf jeden Fall, und in Olivia hat sie eine echte Freundin, die Alix auf jeden Fall vorzuziehen ist. Was ich mich in dieser Hinsicht frage, was wird mit Nancy? Bleibt sie nun in der Wohnung? Sie hat am Ende ja überlegt Nancy in eine Pension zu verfrachten und sich irgendwo eine Mansardenwohnung zu kaufen. Wäre schade, da Nancy sich wenn es drauf ankommt um sie kümmert, andererseits täte ein Abnabelung vielleicht auch gut, Nancy hat ja irgendwie fast schon einen Mutterstatus, obwohl die beiden sich nach diesen vielen gemeinsamen Jahren immer noch siezen, und dies eher wie ein Angestelltenverhältnis wirken lässt
 
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