4. Leseabschnitt: "Die Insel" - Teil 3 (Seite 197 bis 279)

Die Häsin

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Ich halte schon mal fest:
1. Es passiert genau das, was ich befürchtet habe - ich nenne es so: Alte-Männer-Erotik.
Leider ein beliebtes Thema (zum Beispiel auch bei Mercier) und eines, das ich nicht leiden kann.
2. Ich habe nach Lesen dieses LA einen starken Verdacht, was die Pointe des Buches sein wird. Jetzt bin ich sehr, sehr gespannt und muss es wohl noch heute auslesen.
 
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Wandablue

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In diesem Abschnitt passiert nicht viel. Abgesehen von dem Fest, das die Wittmers ausrichten. Steen besäuft sich, stößt mit dem Kok zusammen, blabla.
In Gesprächen und Gedanken gehen wir weiter den alten Geschichten nach, kommen aber immer noch nicht zu der Gräfin, Baronin, Kaiserin, die sich auf der Insel einnistete und aufspielte wie eine Göttin. Was zur Katastrophe führte.

Ruth taucht als Touristin auf und Mayra findet Steen sympathisch, der sich gleich verschießt. Mei. Die passen gar nicht zusammen, schon anatomisch mag ich mir das nicht vorstellen.
Dieser Abschnitt ist so ein bisschen ein Füllsel. Ein Dahinplätschern. Erzählt wird immer noch nett, Inselalltag halt.

Steen ist schon ein wenig egozentrisch. Egozentrik langweilt.
 

Die Häsin

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Steen ist schon ein wenig egozentrisch. Egozentrik langweilt.
Ausrüstungsgegenstände hat er "aufgetan", S. 212. Säge, Draht, Seil etc, "nächtliche Funde". Dazu zählen auch drei große Handtücher, die er "irgendwo in einer Seitengasse" von einer Leine gepflückt hat (S. 214). Ich bin vielleicht zu sehr im Bürgerlichen verhaftet, aber ich nenne das Diebstahl. Dass das Buch in so beschönigenden Ausdrücken darüber spricht, finde ich - hm - interessant. Es zeigt auf, was inzwischen aus Steen geworden ist.

Übrigens ist er nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Ausdruckstänzer.

Ich weiß selbst nicht recht warum, mir gefällt Steen nicht. Von Anfang an war er ein Typ, den man nicht unbedingt mögen muss, aber er hatte was, interessierte mich. Jetzt wird er mehr und mehr zu einer auseinanderfallenden Gestalt. Ich frage mich, ob der Autor das beabsichtigt. Es treten merkwürdige Eigenschaften zutage, die teils gar nicht zu ihm passen, teils schlicht unvorstellbar sind. Ich habe das Buch inzwischen durch und will nicht spoilern, aber im letzten Viertel wird diese Tendenz zu einem Problem für mich. Trotz toller Ansätze gibts jedenfalls keine Höchstwertung von mir.
 
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Steen ist selber erstaunt über seine Verwandlung. Über die zwei Steens. Vllt erklärt das "das Auseinanderfallen" ein wenig. Und unter der Sonne wird man tatsächlich lockerer. Dazu noch ist man nicht daheim. Er kann noch einmal von vorne anfangen, "zu sein", da ihn ja keiner kennt mit seinem alten Ich.
Dass er stielt, hm, na ja, wahrscheinlich waren die "Ausrüstungsgegenstände" momentan nicht vorhanden im Kramladen. Aber er ist auch relativ skurpellos dabei.
 
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petraellen

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Interessant finde ich, wie er sich Gedanken über Ruth macht. S. 199 Offensichtlich ist sie ihm nicht unwichtig. Er meint zwar nicht in sie verliebt zu sein, aber sicher ist er sich nicht. Zumindest sieht er sie als" Anker in sein früheres Leben" Das zeigt, dass er sich nach einen Ort der Ruhe sehnt und eine Heimat sich wünscht. Übrigens fällt hier auch wieder ein Satz, der unterstreichen soll, dass er völlig "normal" ist "Die Insulaner waren seltsam, da gab es kein Vertun" S. 201. Ich finde, das wird etwas oft betont.
 
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petraellen

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Übrigens ist er nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Ausdruckstänzer.
Der Tanz ist aus meiner Sicht ein wichtiger Teil in der Geschichte.

„Er gab sich ganz der Musik hin“ S. 233

Es ist, als ob er wie im Trance tanzt. Er sucht einen sicheren Ort und den findet er während des Tanzes symbolisiert, durch seine geschlossen Augen in seinen „Träumen“. Er läßt sich auf seine eigene Gefühlswelt ein, nur auf sich bezogen. „sich einfach nur gehen lassen“. Alles wird leichter. Das zeigt wie sehr er in sich selbst verstrickt ist, er verleiht seinen unterdrückten Gefühlen Ausdruck.

Denn als die Musik zu Ende ist „schämt“ er sich und will in seine „Höhle "zurück. Die Höhle, die für ihn die Sicherheit bedeutet.
 

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Dass er stielt, hm, na ja, wahrscheinlich waren die "Ausrüstungsgegenstände" momentan nicht vorhanden im Kramladen. Aber er ist auch relativ skurpellos dabei.
Ja, für "das müsste man bestellen" fehlt ihm die Zeit, und dass er wegen des Saatguts, das er Kok entwendet hat, kin schlechtes Gewissen hat, das kann ich noch irgendwie verstehen, aber mich erstaunt auch, dass er keine Hemmungen hat, sich Dinge, die er noch unbedingt braucht zu stehlen. Auch wenn es alte Gegenstände sind, hätte er fragen können und sie vermutlich auch bekommen. Aber ich denke, das ist sein Gefühl der unendlichen Freiheit, das für ihn selbst nun auch dieses Verhalten nun als "normal" scheinen lässt.
 
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Margret Wittmer sollte er tatsächlich nicht unterschätzen, das Gespräch auf Seite 240 verläuft für Steen nicht ganz wie geplant. Trotz der teilweise ruhigen Schilderungen der Erfahrungen von Steen mit der Natur bin sich sozusagen der Geschichte "verfallen", lese sie immer neu neugierig und kann das Buch schwer zur Seite legen. Steen als Figur interessiert mich immer noch, schwer zu fassen, irgendwo im menschlichen Graubereich, da gibt es noch einige Rätsel.
 

Die Häsin

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Ich habe eine Schwäche für die Schilderung ausgefallener Wohnsituationen (ich habe mehrere Bücher, die ich nur deshalb im Haus behalte, weil sie in ungewöhnlichen Häusern spielen, Mo Hayders "Tokio" zum Beispiel) und habe die Abschnitte, die in Steens selbstabgestecktem Claim spielen, am meisten genossen.
Seine Kontakte mit den Inselbewohnern gefallen mir bei weitem nicht so gut. Das ist mir zu viel Freakshow.

Ich denke, es ist ein oft gebrauchter Topos in der Literatur, dass in fremder Umgebung die Selbstsicherheit und das persönliche Moralgefüge ins Wanken geraten. Je fremder, um so größer ist die Verunsicherung. Das trifft man oft in Romanen an, bei Patricia Highsmith zum Beispiel auch. Ich finde aber, es geht bei Steen ein bisschen weit. Vor allem, weil die Schilderung seines Innenlebens dem irgendwie nicht entspricht. Ich kann mir schon vorstellen, worauf der Autor damit hinauswill, aber es kommt für mich nicht richtig glaubhaft rüber.
 

Literaturhexle

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Dass das Buch in so beschönigenden Ausdrücken darüber spricht, finde ich - hm - interessant.
Tut es das? Ich habe das Gefühl, dass man permanent ausschließlich Haralds Perspektive erhält. Steen und wie er die Welt sieht.
Er ist ein egozentrischer Eigenbrödler, der sich nimmt, was er braucht, ohne sich darüber einen Kopf zu machen. Ich finde das stimmig bislang.

Jetzt wird er mehr und mehr zu einer auseinanderfallenden Gestalt.
Er ist geistig nicht ganz auf der Höhe. Das haben wir doch schon die ganze Zeit gemerkt. Wunsch und Wirklichkeit vermischen sich, er ist ein höchst unzuverlässiger Erzähler.
Dass er stielt, hm, na ja, wahrscheinlich waren die "Ausrüstungsgegenstände" momentan nicht vorhanden im Kramladen.
Du entschuldigst ihn. Ich nicht. Er macht sich keine Gedanken über Recht und Unrecht. Er braucht es, also nimmt er es sich
Vor allem, weil die Schilderung seines Innenlebens dem irgendwie nicht entspricht.
Findest du? Ich empfinde ihn als stimmig. Weil ich ihn für geisteskrank halte und weil wir alles durch seine Perspektive erfahren.

Ich glaube nicht, dass der Dialog mit der hübschen Mayra so stattgefunden hat. Das könnte alles Fantasie sein. Warum sollte sie ihn ins Haus lassen und dann noch zweideutige Bemerkungen machen? Der Kerl ist doch ein alter Sack (über 30 Jahre älter!), noch dazu versponnen ohne Ende....
Auch Ruth Versteeg halte ich für ein Geschöpf seiner Einbildung. Sie kam und ging aus dem Nichts, niemand sieht sie, sie ist total geil auf seine angebliche Schriftstellerei...
Alle, alle lieben ihn! (Und das vor dem Hintergrund, dass Frauen ihn bislang eigentlich fast nie liebten.)

Auch seine Gespräche mit sich selbst und mit dem Hund sind befremdlich.
 
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Literaturhexle

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Auf dem Fest trinkt er zuviel. Verliert die Kontrolle, gibt sich der Musik hin. Endlich mal etwas Nettes. Leider eskaliert es und wird unappetitlich.

Habt ihr die unverhohlene Drohung der alten Wittmer auch so verstanden:
Auf meiner Insel muss man sowieso immer aufpassen. Hier sind schon viele Leutchen spurlos verschwunden, wir wollen nicht, dass es ohne auch so ergeht. 238
Interessant auch, dass die alte Dame "die Hexe" genannt wird. Und die Wittmers gerne Geschichten erzählen.

Kok und Steen positionieren sich als Rivalen und Feinde. Da könnte es noch einen Showdown geben.

Also ich lese immer noch gern. Ich mag Steen nicht, gar nicht. Aber das muss ich auch nicht. Ich bin neugierig, wie es weiter geht.
 

Literaturhexle

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Übrigens fällt hier auch wieder ein Satz, der unterstreichen soll, dass er völlig "normal" ist "Die Insulaner waren seltsam, da gab es kein Vertun" S. 201. Ich finde, das wird etwas oft betont.
Das scheint doch typisch zu sein: Der, der psychisch nicht ganz gesund ist, sieht die Defizite nur bei den anderen, nie bei sich selbst.
Der Mann ist in seinem Wahn zu vielem fähig. Ich bleibe gespannt. Für mich ist er durchgeknallt. Das sagte ich aber schon :p .
 

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Ich empfinde ihn als stimmig. Weil ich ihn für geisteskrank halte und weil wir alles durch seine Perspektive erfahren.

Ich glaube nicht, dass der Dialog mit der hübschen Mayra so stattgefunden hat. Das könnte alles Fantasie sein. Warum sollte sie ihn ins Haus lassen und dann noch zweideutige Bemerkungen machen? Der Kerl ist doch ein alter Sack (über 30 Jahre älter!), noch dazu versponnen ohne Ende....
Auch Ruth Versteeg halte ich für ein Geschöpf seiner Einbildung. Sie kam und ging aus dem Nichts, niemand sieht sie, sie ist total geil auf seine angebliche Schriftstellerei...
Alle, alle lieben ihn! (Und das vor dem Hintergrund, dass Frauen ihn bislang eigentlich fast nie liebten.)
Da stimme ich dir voll und ganz zu. Wir lesen diesen Roman aus Steens Perspektive. Er hat ein massives Problem mit seiner Psyche hat und verkauft uns daher seine merkwürdigen Handlungen als völlig normal und angemessen. Dazu gehört für mich auch seine vermeintliche Wirkung auf Mayra. Und Ruth auf Floreana ist für mich auch eines seiner Hirngespinste. Steen ist obsessiv, leidet unter Verfolgungswahn und lebt in seiner eigenen Realität. Und Mayra ist nicht nett, eher berechnend und clever. Ihr Neid auf die Wittmers spricht für sich. Sie könnte sich zu einer Femme Fatale entwickeln, der Steen in seinem Wahn und Irrglauben verfallen wird.
 

Renie

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Auf dem Fest trinkt er zuviel. Verliert die Kontrolle, gibt sich der Musik hin. Endlich mal etwas Nettes. Leider eskaliert es und wird unappetitlich.
Obwohl die Beschreibung seines "ekstatischen" Tanzes einen hohen Unterhaltungswert hat. Ich habe mir bildlich vorgestellt, wie der lange ungelenke Kerl mit seinen Gliedmaßen schlenkert. :p
 

Anjuta

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Steen ist durchgeknallt, keine Frage. Gleichwohl zeigt er sich in diesem LA etwas normaler, mehr als soziales Wesen. Er bleibt im Dorf und knüpft tatsächlich Kontakte. Interessiert sich für einige der Bewohner. Ist nicht der totale Aussteiger, als den wir ihn in der Höhle und auf dem Berg gesehen haben. Durchgeknallt ist er gleichwohl. Aber zB sein Verhalten auf dem Dorffest ist eher sehr typisch. Man(n) betrinkt sich, man(n) lebt sich im Tanz aus. Das erschien mir als eher typische Handlungsweise auf einem Dorffest nicht nur fernab der Zivilisation auf einer einsamen Insel. Und immerhin ist er in der Lage, sich zu verlieben. Mayra ist seine Auserwählte. Eine zupackende, attraktive Frau, bei der ich seine Gefühle durchaus nachvollziehen kann. Ruth taucht tatsächlich (?) auf dem Fest auch auf. War sie also doch nicht nur Ausdruck seines durchgeknallten Geistes, dem die deutschen Doktoren mit regelmäßigen Pillendosen Einhalt zu gewähren versuchten? Mal schauen!