Man geht aber auch über Karis Verlust hinweg. Wird erwartet, dass man ein totes, noch dazu ermordetes Kind einfach so akzeptiert?Die Trauer um Inga war derweil ein weggesackter Bereich in einem selbst. Verstummt, namenlos. 193
Ich muss jetzt das Nachwort lesen und dann nochmal von vorne quer. Ich habe das Gefühl, dass in dem Text noch weit mehr drinsteckt an Bezügen und Interpretationsmöglichkeiten und bin sehr froh, dass ich damit nicht alleine binNur sie selbst waren bis auf den Boden niedergedrückt. Aber jetzt richteten sie sich wieder auf, innerlich gestärkt. Im Staub schien ein Keim verborgen gewesen zu sein. So dass man aufstehen konnte. 217
Da ist wieder unser Denkfehler vom ersten LA - Rolv war nicht bei dem Fabrikunglück.Er hat eine Begegnung mit dem Tod (der Gesichtslose) - zumindest interpretiere ich das so. Zum Glück kommt Kari und schickt ihn nach Hause. Dort ist er nach dem Fabrikunglück schon einmal gesund geworden (im Gegensatz zu Andreas).
Ich sehe nicht, dass er reingewaschen wird. Allerdings wird seine Schuld überlagert durch die Kollektivschuld, die ein Großteil der Inselbewohner auf sich geladen hat. Andreas ist tot, mit seiner Schuld kann man sich nicht mehr auseinandersetzen. Die Lebenden haben jetzt mit ihrer eigenen Schuld zurechtzukommen, müssen damit klar kommen, dass sie in ihren Abgrund geblickt haben, so gehandelt gaben wie sie es nie für möglich gehalten gaben.Was mir völlig fehlt, ist die Auseinandersetzung mit der Schuld von Andreas. Er wird irgendwie reingewaschen, weil er "ein Wahnsinniger" war.
Das Unheil wurde durch seine Traumatisierung angelegt und nahm dann tatsächlich durch seine Erlebnisse am Schweinestall seinen Lauf.Haben ihn erst die grausamen Beobachtungen am Schweinestall durchdrehen lassen? Fing das Unheil ganz buchstäblich dort an? Es scheint beinahe so.
Äußerlich ja - gerade in diesem Text hat für mich das Ungesagte aber ein großes Gewicht. Es schwingt immer etwas mit, das mir die Erschütterung der Eltern durchaus vermittelt.Doch auch die Eltern Li sind total gefasst.
Sie schämen sich für ihr Ausrasten, schämen sich für ihre Unmenschlichkeit.Manche Leute haben sich im Schweinestall versteckt, weil sie nicht gesehen werden wollen. Warum nicht?
Darauf hatte ich auch gewartet und war froh, diese Erklärung zu lesen.Endlich in Kapitel 15 gibt es endlich eine Erklärung für die fehlende Trauer:
So habe ich das auch empfunden. Alle sind verunsichert, können sich selbst und den anderen nach der Hetzjagd nicht in die Augen blicken; sie sind erschöpft.Die Atmosphäre in dieser Scheune ist sehr bedrückend.
Wahrscheinlich sind es die täglichen Pflichten, die helfen weiterzuleben. Die Tiere müssen versorgt werden und in der Landwirtschaft gibt es immer etwas zu tun.Das Pferd, die werdende Mutter, die Morgendämmerung, der krähende Hahn erinnern daran, dass das Leben weitergeht, dass nach dem Dunkel das Helle kommt, dass die täglichen Pflichten warten.
Das stimmt. Das ist etwas, das Andreas nicht mehr hatte. Er war auf der Suche nach Heimat, nach Sicherheit und scheiterte.Aber egal, wer sich wann und wo schuldig gemacht hat, alle dürfen sich auf ihre Heimat berufen und daran glauben, dass sie dort geborgen sind.
Da ist bestimmt etwas dran.Durch die Unvollständigkeit der Geschichte (keiner wird verhaftet, keiner wird begraben, selbst die toten Schweine liegen noch irgendwo) denke ich sehr stark an eine Parabel für diese auch in Norwegen merkwürdige Zeit.
Diese Umgangsweise der Eltern mit der Ermordung ihrer Tochter hat mich auch gewundert. Ich weiß auch nicht, ob diese Reaktionsweise realistisch ist.Was mir völlig fehlt, ist die Auseinandersetzung mit der Schuld von Andreas. Er wird irgendwie reingewaschen, weil er "ein Wahnsinniger" war. Haben ihn erst die grausamen Beobachtungen am Schweinestall durchdrehen lassen? Fing das Unheil ganz buchstäblich dort an? Es scheint beinahe so.
Doch auch die Eltern Li sind total gefasst. Es dreht sich alles nur noch um Rolv, als hätte es Inga nie gegeben. Damit habe ich Schwierigkeiten. Wenn man wirklich Angst hätte, nun auch noch das zweite Kind zu verlieren, dann sollte man es doch in solch einer Extremsituation nicht wegschicken? Disziplin und Erziehung an so einer zerbrechlichen Stelle im Angesicht der toten Inga?
Ich glaube auch, dass in diesem schmalen Bändchen viel mehr drin steckt, als sich einem beim ersten Lesen offenbart.Ich muss jetzt das Nachwort lesen und dann nochmal von vorne quer. Ich habe das Gefühl, dass in dem Text noch weit mehr drinsteckt an Bezügen und Interpretationsmöglichkeiten und bin sehr froh, dass ich damit nicht alleine bin.
Das scheint mir am Ende entscheidend: Die Heimat hat etwas Heilendes. Andreas war diesbezüglich auf der Suche und hat diese erhoffte Heilung letztlich nie erfahren.Aber egal, wer sich wann und wo schuldig gemacht hat, alle dürfen sich auf ihre Heimat berufen und daran glauben, dass sie dort geborgen sind.
So ähnlich sehe ich das auch. Jeder setzt sich am Ende mit eigener Schuld und Verantwortung auseinander. Aber dadurch, dass sie es im Kollektiv tun, gibt es für jeden ein Licht am Ende des TunnelsSie sind in die Scheune gekommen in der Hoffnung auf Absolution. Doch Karl dankt ihnen nicht. Sie erkennen, dass sie alleine sind, alleine mit ihren Taten leben müssen. Einige verkriechen sich im dunklen, dreckigen Schweinestall - sie begeben sich auf Augenhöhe mit den Schweinen, die auch nur ihren Trieben folgen. Ich sehe das wie die Totenwache von Haug und Dal als eine Art Buße.
Auf jeden Fall. Dennoch denke ich, ihre Bedeutung noch nicht zu 100 Prozent erfasst zu haben.Kari Nes ist eine faszinierende, facettenreiche Figur, die essentiell für die Stimmung im Text ist.
Oder einen Selbstmord. Hier war ich von Kari Nes überrascht. Ohne sie wäre Rolv vielleicht nicht zurückgekehrt.Das Finale hat mich überrascht.
Ich hatte ja eher Sorge, dass das Ganze eskaliert und es evtl. noch einen dritten mord geben würde.
Er zeigt meiner Meinung aber auch, dass es nicht möglich ist, sofort zur Tagesordnung überzugehen, sondern dass es ein Innehalten erfordert, bevor es weitergehen kann.Stattdessen endet das Buch eher optimistisch. Vessa scheint uns mitzuteilen: Was immer auch passiert, das Leben geht weiter, muss weiter gehen.
Sie scheint die Voraussetzung zu sein, dass die Akteure sich mti sich und ihrer Schuld beginnen auseinanderzusetzenOder einen Selbstmord. Hier war ich von Kari Nes überrascht. Ohne sie wäre Rolv vielleicht nicht zurückgekehrt.
Genau. Es bedarf einer Verabreitung des Geschehens, einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Anteil, um wieder nach vorne blicken zu können. Schließlich soll sich das Geschehene ja auch nicht wiederholen.Er zeigt meiner Meinung aber auch, dass es nicht möglich ist, sofort zur Tagesordnung überzugehen, sondern dass es ein Innehalten erfordert, bevor es weitergehen kann.
Kari Nes ist eine Außenseiterin - vermutlich wurde sie es durch den Tod ihres Ehemannes und Sohnes. Das sagt viel über die Gesellschaft aus. Ich habe schon häufig gehört, dass sich Freunde, Familie abwenden, wenn jemandem großes Unglück wiederfährt. Für mich völlig unverständlich, weil die Betroffenen gerade dann Unterstützung brauchen bzw. jemanden, der weiterhin einfach nur da ist. Kari Nes kennt den Schmerz, die Trauer. Sie sieht auf die Geschehnisse mit einer gewissen Distanz, eben auch, weil sie von den anderen gemieden wird. Sie weiß jedoch, was wichtig ist, weiß, dass ein weiterer Tod alles nur schlimmer machen würde und kümmert sich daher um Rolv. Dachte ich im ersten Teil noch sie sei eine Art Todesbotin, sehe ich sie nun eher als tragische Person, die dem Leben zugetan ist. Sie ahnt auch, wie wichtig ein Zusammentreffen der Beteiligten ist (auch wenn letztendlich jeder auf sich selbst zurückgeworfen ist, hilft es trotzdem die Gemeinschaft zu spüren, zu merken, dass andere auch leiden).Auf jeden Fall. Dennoch denke ich, ihre Bedeutung noch nicht zu 100 Prozent erfasst zu hhaben.
'Man musste seinen Platz wieder einnehmen... (218) - 'Aber jetzt richteten sie sich wieder auf, innerlich gestärkt. Im Staub schien ein Keim verborgen gewesen zu sein.' (217)
Das ging mir zuerst auch so, aber dann habe ich es in Ruhe noch einmal gelesen und fand, dass fast jeder Satz eine Bedeutung hat.Dieser Abschnitt hat sich für mein Empfinden etwas gezogen, aber das mag auch mit dem rasanten Tempo des bisherigen Geschehens zusammenhängen.
Ne, das ist nicht Rolv gewesen, sondern ein namenloser Sohn.Dort ist er nach dem Fabrikunglück schon einmal gesund geworden (im Gegensatz zu Andreas).
Ich finde das nicht mit dem 'Reinwaschen'. Ich denke, Vesaas hat sich einfach auf das konzentriert, was er rüberbringen wollte: die Kollektivschuld, das Mitläufertum, die Schuld,...Was mir völlig fehlt, ist die Auseinandersetzung mit der Schuld von Andreas. Er wird irgendwie reingewaschen, weil er "ein Wahnsinniger" war. Haben ihn erst die grausamen Beobachtungen am Schweinestall durchdrehen lassen? Fing das Unheil ganz buchstäblich dort an? Es scheint beinahe so.
Vielleicht einfach, weil sie sich in Grund und Boden schämen?Manche Leute haben sich im Schweinestall versteckt, weil sie nicht gesehen werden wollen. Warum nicht?
??? Kari hat ihren Mann und später zwei Söhne auf See verloren.Man geht aber auch über Karis Verlust hinweg. Wird erwartet, dass man ein totes, noch dazu ermordetes Kind einfach so akzeptiert?
Das sehe ich auch so; auch wenn sie kaum miteinander reden, hilft ihnen die Gemeinschaft doch. Es wirkt wohl irgendwie tröstlich.Die Menschen verbringen die Nacht zusammen, halten eine Art Totenwache. Die Gemeinschaft scheint ihnen zu helfen. Sie verlieren ihren Groll gegen Rolv, der sich im Grunde seine Schuld eingesteht. Er weiß, dass die Polizei ihn holen wird und eine Strafe auf ihn wartet.
Oh ja, das steckt eine Menge drin und ich bin auch sehr froh über die Leserunde und hoffe auf mehr Einsichten und Anregungen.Ich muss jetzt das Nachwort lesen und dann nochmal von vorne quer. Ich habe das Gefühl, dass in dem Text noch weit mehr drinsteckt an Bezügen und Interpretationsmöglichkeiten und bin sehr froh, dass ich damit nicht alleine bin
Wunderbar zusammengefasst; das muss ich mir ins Buch notieren.Andreas ist tot, mit seiner Schuld kann man sich nicht mehr auseinandersetzen. Die Lebenden haben jetzt mit ihrer eigenen Schuld zurechtzukommen, müssen damit klar kommen, dass sie in ihren Abgrund geblickt haben, so gehandelt gaben wie sie es nie für möglich gehalten gaben.
Da sehr vieles offen bleibt und es Vesaas meiner Meinung nach darum geht zu zeigen wie schnell der Mensch seine Besinnung verlieren kann, welche Rolle Gruppendynamik spielt und was nach dem "Aufwachen" (dem Ende der Hetzjagd) mit einer Gemeinschaft passiert, finde ich es nicht mehr schlimm, dass Andreas Schuld nicht weiter thematisiert wird.
Dafür gibt es auch Textstellen, die genau das ausdrücken.Das Unheil wurde durch seine Traumatisierung angelegt und nahm dann tatsächlich durch seine Erlebnisse am Schweinestall seinen Lauf.
Ich glaube, das sind einfach nicht die Typen für großes Drama, aber innen drin wird es wohl fürchterlich aussehen.Äußerlich ja - gerade in diesem Text hat für mich das Ungesagte aber ein großes Gewicht. Es schwingt immer etwas mit, das mir die Erschütterung der Eltern durchaus vermittelt.
Ah ja, auch eine Art von Buße.sie begeben sich auf Augenhöhe mit den Schweinen, die auch nur ihren Trieben folgen. Ich sehe das wie die Totenwache von Haug und Dal als eine Art Buße.
Er wird verhaftet und verurteilt werden, das wissen wir aber schon.Wir erfahren nicht, wie es nun mit Rolv weiter geht.
Jahaaa. Das hatten wir schonNe, das ist nicht Rolv gewesen, sondern ein namenloser Sohn.
Ja, das weiß ich. Aber Kari erntet auch wenig Mitgefühl von den Insulanern. Deshalb war meine Aussage: Vielleicht erwartet man von Mari und Karl auch, dass sie den Tod ihrer Tochter quasi wegstecken.??? Kari hat ihren Mann und später zwei Söhne auf See verloren.
So wird es sein. Aber mich hat der ursprüngliche Mord mindestens genauso schockiert.Vesaas hat sich einfach auf das konzentriert, was er rüberbringen wollte
Das wäre wahrscheinlich eine Lehre aus dem Ganzen.Und auf diese Umkehr scheint es Vesaas durchaus anzukommen, wenn ich den letzten Teil richtig verstehe.
Ich bin sicher, das muss man mindestens zweimal lesen, wie es bei ganz großer Literatur angebracht ist. Zum Glück ist es ein relativ dünnes Büchlein.Ich glaube auch, dass in diesem schmalen Bändchen viel mehr drin steckt, als sich einem beim ersten Lesen offenbart.
Genau so sehe ich das auch; die Heimat, die tägliche Arbeit, die Natur, alles geht weiter.Das scheint mir am Ende entscheidend: Die Heimat hat etwas Heilendes. Andreas war diesbezüglich auf der Suche und hat diese erhoffte Heilung letztlich nie erfahren.
Ich auch nicht; vielleicht kommen wir hier gemeinsam noch ein bisschen weiter.Dennoch denke ich, ihre Bedeutung noch nicht zu 100 Prozent erfasst zu haben.
Das ist, glaube ich, eine sehr wichtige Feststellung, die mir weiter hilft! Es ist auch eine andere Zeit, in der man dem Tod vielleicht noch anders gegenüberstand, weil er einfach häufiger vorkam. Aber die Typsache ist ganz wesentlich.Ich glaube, das sind einfach nicht die Typen für großes Drama, aber innen drin wird es wohl fürchterlich aussehen.
Den Gedanken hatte ich auch.Es ist auch eine andere Zeit, in der man dem Tod vielleicht noch anders gegenüberstand, weil er einfach häufiger vorkam.
Ehrlich gesagt, mache ich das eher sehr selten, da es viel zu viele andere Bücher auch noch sehr gerne lesen möchteIch bin sicher, das muss man mindestens zweimal lesen, wie es bei ganz großer Literatur angebracht ist. Zum Glück ist es ein relativ dünnes Büchlein.