4. Leseabschnitt: Buch Zwei, Zweiter Teil (Seite 195 bis 266)

GAIA

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27. Dezember 2021
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um aus dem Häuschen zu sein, fehlt mir tatsächlich der emotionale Bezug. Es gibt einzelne Abschnitte wie den mit den Zwillingen oder den mit Charles, die mich auch im Herzen ansprechen. Aber sie tauchen zu kurz auf und den anderen Figuren gelingt es zumindest bei mir nicht.
Tatsächlich merke ich bei diesem Roman, dass ich diesen emotionalen Bezug nicht brauche. Mir gefällt die intellektuelle Schnitzeljagd und die vielen Anspielungen, die Sarr macht. Ob ich letztlich "aus dem Häuschen" sein werde, kann ich erst nach der letzten Seite des Buches abschätzen. ;)
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Vielleicht hat Elimane diesen Brief so geschrieben, damit nur Personen, die mit seinem Werk und seiner Geschichte vertraut sind, die Botschaft dahinter entschlüsseln können?
Das ist eigentlich eine sehr logische Schlussfolgerung. Wer will sich schon verraten, wenn der Brief in fremde Hände gelangen sollte. Außerdem erklärt es, warum Therese zunächst nur den letzten Satz preisgegeben hat und den Rest des Briefes nicht rausrücken wollte.
Aber könnte da nicht vielleicht die sengalesische Kultur Geisterbeschwörung oder ähnliches mitspielen?
Ich habe gleich an woodoo Puppen gedacht. Fand das aber zu plakativ und hatte Angst, ihr würdet mich lynchen;)
fehlt mir tatsächlich der emotionale Bezug.
Den brauche ich nicht und den habe ich auch selten. Ich bestaune oft die intensiven Empfindungen, die du über deine Lektüren beschreibst... Ich bin eher der nüchterne Typ, der hier die Qualität des Gelesenen lobpreist.
Das Verräterkind hat mich nur im Barbie-Teil emotional erreicht.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Ich habe gleich an woodoo Puppen gedacht. Fand das aber zu plakativ und hatte Angst, ihr würdet mich lynchen
Voodoo besteht ja noch aus einigem mehr als nur den Puppen. Für mich war relativ klar, dass Sarr hier die Fähigkeit von O., irgendwie mit dem Geist einer Person in Kontakt zu treten und sie zu ermutigen ins Land der Vorfahren überzutreten, mit den Selbstmorden und möglichen Fähigkeiten Elimanes in Verbindung bringt.
Hier wird niemand gelyncht... und wenn passiert es lautlos durch Voodoo...:cool:
 
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petraellen

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11. Oktober 2020
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macht er sich lustig.
„Verarsche“oder "lustig" ist m.E.- sehr hart. Aber Mohamed Mbougar Sarr zeichnet durchaus mit Humor und einer gehörigen Portion Selbstironie das Spannungsfeld zwischen Afrika und dem Westen. Z. Beispiel, wenn er Ousseynou magische Fähigkeiten bescheinigt. Ähnlich sind die Selbstmorde der Kritiker zu sehen. Das ist schon ungewöhnlich. Damit zeigt er, dass der Glaube an Geister und Magie zur Lebenswirklichkeit in vielen Regionen Afrikas noch immer Realität ist. Steckt nicht auch ein Stück Satire im Roman?
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Die letzten Seiten habe ich nun auch noch gelesen.
Wie fies von Elimane, seine Kritiker umzubringen.
Schwarze Magie ... ich grinse.
Ob Sarr seine Kritiker auch mit schwarzer Magie strafen will?
Ich grinse. Wünscht er sich vielleicht, dass er das könnte. Dass es keiner wagt, ihn zu kritisieren. Ich füchte, das klappt nicht ganz.
Ich lese weiter.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
sondern auch, wie einzelne Begegnungen zunächst nur angerissen werden und wir sie dann später doch miterleben können. Wie beispielsweise das Treffen zwischen Charles und Claire.
Oder von Brigitte und Siga D.
Die Konstruktion finde ich auch gut - ginge es nur nicht um den heiligen literarischen Gral. Gralssuche finde ich boring.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Und dann diese rotzige (und meines Erachtens auch ganz zutreffende) Reaktion von Diégane.
Das ist Sarr selber. Der genau weiß, was wir denken über den Inhalt dieses Briefes und es uns vorwegnimmt!
Ist das stark?
Ich weiß nicht.
Denn schnell versucht Sarr dich wieder einzufangen in sein Netz. Nein, nein, es ist nicht kryptischer Mist, guck doch mal, alles symbolisch. und schwarze Magie.
Der Roman ist bauernfängerisch. Ein Spiel. Ein Mist. Je nach Betrachtungsweise. Der Autor spielt Katz und Maus mit seinen Lesern. Man mag das genial finden.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Deutlich wird dabei der allgegenwärtige Rassismus, unter dem Elimane zu leiden hatte. Man hat ihn auf sein Schwarzsein reduziert, ihn als Jahrmarktattraktion ausgestellt, weil er dem gängigen Stereotyp des ungebildeten, dumpfen Afrikaners nicht entsprach.
Das wird einem untergejubelt. Direkt steht es nirgendwo. Aber wir verstehen es trotzdem so. Immerhin hat er faktisch sein Studium abgebrochen (oder das Lycee o.ä.) und hängt in Bars herum. Nicht besonders bewundernswert.

Allein der Gedanke schafft hier eine ganz neue Ebene im Roman, er könnte zum Krimi mutieren.
Das glaube ich nicht. Es wird bei Magie bleiben, wenn immer es dem Autor beliebt.
Flussgott, magisches Erdbeben, magische Rettung vor Suizid, jetzt - Elimane als Geist umschwebt dich. Achtung, guckt heute abend unter euer Bett. Ich bin sauer.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Ihr habt euch schon soviele kluge Gedanken gemacht, dass ich dem nur zustimmen und mich gemütlich zurücklehnen kann... wenn nicht die erboste @Wandablue wäre!

Was genau ist es, was dich stört? Die "schwarze" Magie? Ist es nicht genau das Klichee, dass Sarr unseren, nach Exotik hungernden Leseherzen darbietet?
Ich bin allerdings noch nicht davon überzeugt, dass er es ernsthaft als unumstößliches Gerüst seiner Geschichte eingebaut hat. Die Vermutung, dass die Selbstmorde der Kritiker auf einen Zauber zurückzuführen sind, äußert schließlich "nur" Brigitte Bolleme. Wir dürfen keinem der Protagonisten Allwissenheit unterstellen. In dieser Vorkriegszeit waren manche arglos, andere wiederrum haben die Zeichen richtig gedeutet, sind rechtzeitig geflohen, oder haben sich umgebracht. Das war der "Zauber" des bevorstehenden Krieges.
Auch Sigas Vater konnte seine Tochter nicht lieben, weil er die Zeitenwenden geahnt hat und wusste, dass eine so spät Geborene fast automatisch in den Sog der Moderne gezogen wird. Magie ist hier einfach anders zu interpretieren.

Mich berührt der Roman auch nicht emotional, aber er fordert mich heraus und das gefällt mir.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
aber er fordert mich heraus und das gefällt mir.
Das gestehe ich zu.
Am meisten stört mich das pseudophilosophische Geschwätz. Dann die Gralsuche. Gralsuche ist immer albern (du verstehst, was ich mit "Gral" meine?), dann das ständige immanente Behaupten von Rassismus, das keineswegs erwiesen ist - aber Schwarze wittern überall Rassismus, das behauptete Genie, dabei hängen die Kerls hauptsächlich in Bars rum und poppen; jeder schmeisst sein Studium/Lycee/Doktorarbeit - aber klar, überall Rassismus, dabei profitiert man doch nur, Schule, Uni - bleibt doch im Senegal, wenn ihr in Europa alles plöd findet!
und die Veralberung des Literaturbetriebs ärgert mich auch, von dem man einerseits ganz herrlich profitiert und auch nach ihm äugt, aber andererseits über ihn herzieht. Matroschka mag ich auch nicht. Und wann immer der Autor nicht weiterweiss - so kommt es mir vor - kommt Magie ins Spiel. Das Frauenbild!
Gut finde ich die Zerrissenheit zwischen NeuAfrika und Altafrika - aber das ist mir nicht gut genug ausgearbeitet.
 
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Reaktionen: Emswashed

Emswashed

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9. Mai 2020
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und wir erfahren, was das T. C. bedeutet

Haha, raffiniert und gleichzeitig so profan.... vielleicht ein Hinweis darauf, dass noch ein paar große Geheimnisblasen an Banalitäten platzen werden.:monocle
ich lese gespannt auf der inhaltlichen Ebene, die immer mehr Puzzleteile anbietet, um dann noch einmal plötzlich vier noch kleinere Puzzleteile anzubieten, die in die Innenfläche des vorherigen Puzzleteils nochmals hineinpassen.

Ich hatte eher den Gedanken an ein Labyrinth... warum nur?!:think
Und selbst die Erzählstimme gibt er immer wieder aus der Hand.

Raffiniert, denn so kann man den Erzähler nicht auf Falschinformationen festnageln.
Witzig fand ich zudem, wie Diégane über Elimanes Brief urteilt: "Was für ein Mist!"

Diegane sucht den Schulterschluss mit dem Leser!
Ich kann mir vorstellen, dass die Beschreibung ein breites lesendes Publikum anspricht, dann aber nicht alle mit der Lektüre klarkommen.
Oh ja, das wird ein oft verschenktes Buch zu Weihnachten werden und dann ein ungelesenes Leben im Regal verbringen, bis die Erben in 30 Jahren es dem Papiercontainer überlassen.