4. Leseabschnitt: ASTRID (Seite 203 bis 291)

wal.li

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Ich habe echt überlegt, ob ich es toll finde, wie der Autor einen nach dem anderen aus der Familie niedermetzelt. Es kann ja nicht alle Weißen symbolisieren, wenn sie so zerfällt und keinen Zusammenhalt mehr hat, oder? Vielleicht wünsche ich mir auch zu viel, aber ich hoffe immer, dass es doch ein aufeinander zugehen gibt.
 

Barbara62

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Astrid ist für uns ja nun wahrlich keine Sympathiefigur. Trotzdem sind alle untröstlich und es heißt, sie hätte die Familie zusammengehalten. Kommt unerwartet diese Bemerkung. Ich hatte nie den Eindruck, dass Astrid eine Familienzusammenhalterin wäre.
Ich finde die Stelle leider nicht mehr, aber es wird sehr relativiert mit dem Zusammenhalt, nur, dass sie eben noch Kontakt zu allen hat. Untröstlich sind eigentlich nur Jake und Dean, nicht einmal die Kinder scheinen übermäßig traurig zu sein, oder habe ich das überlesen? Ich denke, alle sind geschockt, mehr nicht.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Wir haben ja nicht einmal bemerkt, wie Amor vom Blitz getroffen wurde (wo steht das eigentlich, im 1. Abschnitt?) bei Ma?
Das lag vor lang vor dem Kapitel Ma und dadurch wurde Pa vom Trinker und Weiberheld zum Religionsfanatiker.

Amor kommt recht schwerfällig nach Hause und reist so schnell es geht wieder ab. Sie kommt mir unglaublich blass vor.
Es wiederholt sich, dass Amor bei jeder Beerdigung Teile schwänzt. Wenn es sich weiter so steigert, ist sie bei Antons Beerdigung gar nicht mehr anwesend.

Alles richtig. Sie tut es aber ohne Herzblut, ohne Schwung, ohne Kampfgeist. Dadurch erreicht sie zumindest in Salomes Fall nichts bis jetzt. Allerdings würden die fehlenden Attribute nicht zur Figur passen. Sie ist leise angelegt, leidend, freudlos. Sie beschreibt sich ja selbst so, dass eine bleischwere Last auf ihr liegt.
Trotzdem hat sie eine große Gabe: Sie kann zuhören. Sowohl Astrid als auch Amor vertrauen ihr Geheimnisse an, die sie sonst niemandem sagen können. Und sie können sich selbst nicht erklären, warum. Amor muss Vertrauen ausstrahlen und Verschwiegenheit.

Und sie ist aus meiner Sicht beziehungsunfähig. Wo wäre z.B. das Problem gewesen, mit Salome einen regelmäßigen Austausch zu haben, wenn sie sich ach so nahe stehen? Amor ist die Einäugige unter den Blinden, das sehe ich auch so. Es ist die Frage, ob sie sich wirklich für andere aufopfert oder für sich selbst, weil sie ihre eigene Rolle so sieht und leben will. Auf alle Fälle haben alle Swart-Kinder massive psychische Probleme. Jeder nach seiner Art.
Für die, die sie auf der HIV-Station betreut, macht das eigentlich keinen Unterschied. Immerhin ist sie keine Narzisstin wie Anton und Astrid.


Mich bewegt, dass sich die Welt um die Familie Swart herum auf den Kopf stellt und keiner engagiert sich, alle kreisen nur um sich selbst und ihre Miniproblemchen (außer Amor). Warum kommt niemand auf die Idee, beim Aufbau von Südafrika mitzuarbeiten? Es gäbe so viel zu tun!
 

Literaturhexle

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Warum kommt niemand auf die Idee, beim Aufbau von Südafrika mitzuarbeiten? Es gäbe so viel zu tun!
Weil sie der Rasse angehören, die gerade nur zu verlieren hat, oder? Diese Familie kreist um sich selbst. Sie sind keine Macher, keine politischen Menschen.
Bei Amor bin ich bei dir. Und dennoch: die Einäugige unter den Blinden;)
 

Sassenach123

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Das Astrid ermordet wird hat mich überrascht, ich dachte schon kurz daran, dass dieser Abschnitt sich nicht mit einem Begräbnis würde befassen müssen. Astrid war alles andere als glücklich, kaum hat sie einen neuen Mann, setzt sie alles aufs Spiel, da ein anderer reizvoller ist.

Es scheint so, dass Amor die einzige ohne Entität ist. Der Autor stößt den Leser auf verwirrende Art durch den Obdachlosen auf die Tatsache, dass sie anders ist, im positiven Sinne. Für mich scheint die Entität nämlich mit schlechtem Gewissen, Schuld und anderen Bürden einherzugehen. Allerdings ist Amor dennoch nicht gänzlich frei von allem, was ja zum einen der unerfüllte Wunsch zeigt, denn Salome hat ihr Haus immer noch nicht, und auch ihr Ritual vorm Baden zeigen, dass sie leidet
 

Wandablue

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Für mich scheint die Entität nämlich mit schlechtem Gewissen, Schuld und anderen Bürden einherzugehen.
Erinnert an höllische Wesen! In "Die große Scheidung" hat C.S. Lewis von diesen höllischen Schattenwesen gesprochen, die sich an die Menschen klammern, es sind die irdischen Bürden, die man nur durch Erlösung loswird. Insofern gebe ich dir ganz recht.
 

Sassenach123

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Ich habe echt überlegt, ob ich es toll finde, wie der Autor einen nach dem anderen aus der Familie niedermetzelt. Es kann ja nicht alle Weißen symbolisieren, wenn sie so zerfällt und keinen Zusammenhalt mehr hat, oder? Vielleicht wünsche ich mir auch zu viel, aber ich hoffe immer, dass es doch ein aufeinander zugehen gibt.
Da bald niemand mehr übrig ist, wird das schwierig werden. Auch bei Salome habe ich Zweifel, ob sie zu Lebzeiten das Haus noch ihr eigen nennen wird. Sie ist in diesem Abschnitt bereits 60 und nicht mehr ganz auf der Höhe. Aber ich verstehe was du meinst, ich bin auch eher jemand der harmoniebedürftig ist, auch was das lesen angeht;)
 

Sassenach123

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Ich verstehe, dass einige davon genervt sein könnten, weil es halt nicht immer einfach ist, dem Erzähler zu folgen, weil man vielleicht auch nicht immer Lust hat, sich darauf einzulassen. Aber diese Intensität, diese wechselnden Ansprachen... Mich begeistert das!
Da stimme ich voll und ganz zu, wobei man sich sehr schnell an den Stil gewöhnt. Doch den ersten ersten Abschnitt muss man erstmal durchhalten, wer das nicht schafft, dem entgeht leider einiges
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Astrid stellt auf S. 207 die Frage, ob Amor deswegen als Krankenschwester arbeitet um sich zu bestrafen.
Was sollte das sein, wofür sie büßen müsste. Amor ist hier die einzige, die ich als integer bezeichnen würde.

Der Reigen rund um Sünde, Beichte, Buße, Strafe Schuld dreht sich ziemlich fein. Astrid beichtet ihre Affäre, bekommt keine Absolution, wird ermordert und der Priester verrät das Beichtgeheimnis.

Jeder Abschnitt beschäftigt sich auch mit einer weiteren Religion. War es bei Rachel das Judentum, bei Manie die Freikirche, jetzt die Katholiken.

Bob finde ich eine großartige Figur und auch wenn @Literaturhexle nicht lachen muss, ich fand das schon sehr lustig, dass sein Rat an Jake war, was am Rücken hängt an einer Mauer abzuschubbern.

Anton ist nun wie sein Vater ein Trinker geworden (obwohl ihm der Vergleich mit seinem Vater nicht gefallen würde) und ein Zyniker. Was er von Seancen und dem Medium hält gefällt allerdings mir sehr.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Die Berufstätigkeit ihrer Schwester (für uns eine Selbstverständlichkeit) empfindet Astrid als überflüssig

Amor scheint das ihr zustehende Erbe nicht anzurühren.

Sowohl Anton als auch Astrid haben nicht verstanden, warum Amor einen schlecht bezahlten Knochenjob mit anstrengenden Arbeitszeiten macht, wenn sie alleine von ihrem Erbe leben könnte. Es ist ja nicht so, dass es Amor nur um die Beschäftigung geht oder das Helfen. Sie lebt mit ihrer Lebensgefährtin in einem kleinen Häuschen und hat kaum eigene Besitztümer. Das heißt, sie versagt sich jegliche Annehmlichkeiten (außer das Baden). Und das ist schon verwunderlich. So ganz unrecht hat Anton nicht, wenn er denkt, sie leide gerne…
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Amor rührt ihr Erbe nicht an, weil sie sich von ihrer Familie distanziert hat. Sie legt Kilometer zwischen sich und ihrer Verwandtschaft, keiner weiß genau, wo sie wohnt und sie will konsequenterweise dann auch nicht das Geld ihrer Familie. Respekt! Das kann nicht jeder. Aber sie scheint auch kaum Bedürfnisse zu haben, nicht materieller Art, ebenso emotionaler Art.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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das zeugt von Charakterstärke.
Wenn du die Messlatte so hoch legst, besitzt diese Charakterstärke dann aber so gut wie niemand. Amor arbeitet für Hungerlohn, wohnt in einer Bruchbude, besitzt so gut wie nichts....
Sie ist als das weiße Gewissen angelegt, glaubt anderen (den Schwarzen) etwas schuldig zu sein. Spätestens am Ende wird das superdeutlich.