Ich werde meine Leseeindrücke ein bisschen anhand des Inhalts darlegen.
Astrid soll die Familie zusammengehalten haben. Auf niedrigem Niveau, will mir scheinen, zumindest mit unseren Maßstäben gemessen. Offenbar ruft sie alle paar Wochen Amor an, die aber schon an der Stimmlage erkennt, dass es Astrid nur darum geht, selbst etwas loszuwerden und keinesfalls darum, zu erfahren, wie es Amor geht und was sie fühlt. Astrid bleibt (wie die meisten Figuren) selten empathielos. Die Berufstätigkeit ihrer Schwester (für uns eine Selbstverständlichkeit) empfindet Astrid als überflüssig und Frucht von Amors Opferbereitschaft. Amor scheint das ihr zustehende Erbe nicht anzurühren. Aus Stolz? Aus Bequemlichkeit? Wir wissen es noch nicht, wie wir überhaupt wenig über Amor wissen. Sie lebt mit einer Frau zusammen. Das ist zwar eine Selbstverständlichkeit, aber ich gebe Wanda Recht, kein zeitgenössisches Buch kommt ohne diesen Twist aus
. Macht aber nix. Jedoch bleibt Amor auch in der Liebe seltsam blass. Mann oder Frau scheint egal, alles nur geliehen - glücklich sieht anders aus.
Astrid fühlt sich beim Shoppen besonders sicher. Wie bezeichnend, dass ihr gerade das Einkaufserlebnis den Tod bringt! Unglaublich spannend erzählt empfand ich diese Seiten. Auch und gerade die Gedanken des Täters, der Astrid fast widerwillig umbringt, es gehört halt zum Job dazu. Welch eine raue Welt sich hinter der Fassade der Gutbürgerlichkeit befindet!
Astrid hat eine Affäre mit einem namenlosen Politiker/Jakes Kompagnon. Dass der schwarz ist, macht für sie seinen besonderen Reiz aus. Sie beichtet dem Priester wiederholt, der ihr dieses Mal aber die Absolution verweigert. (Astrid fand die Konversion eben deshalb nicht schwer, weil ihr der Gedanke dieses "Reinwaschens" gefiel).
Sie ist zum zweiten Mal verheiratet, hat also ihre Jugendliebe gegen einen reichen (und offenbar liebesfähigen) Mann ausgetauscht. Die Kinder hat sie zu sich geholt. Ob aus Fürsorge oder um dem Ex eins auszuwischen, können wir nicht sagen.
Jake begleitet das Gefühl "dass Astrids Scheidung ein Vergehen gegen Gott bedeutet".
Anton ist eine gnadenlos oberflächliche, egozentrische und gefühllose Figur. Das zieht sich auch ziemlich konsequent über den Roman durch. Er hängt am Alkohol, arbeitet nix Gescheites, wirtschaftet das Ererbte herunter und träumt vom Dasein als berühmter Schriftsteller. Zu ihm passt seine Desiree, die es ins Meditationsstudio zieht und die nur an sich selbst denkt. Einigermaßen abstrus (aber absolut stimmig im Gesamtkonzept) ihr Versuch, den Namen von Astrids Geliebten durch ein sog. Medium herauszubekommen. Lach!
Amor kommt recht schwerfällig nach Hause und reist so schnell es geht wieder ab. Sie kommt mir unglaublich blass vor. Sie fragt zwar nach Salomes Haus, aber halbherzig. Man hat den Eindruck, dass sie es auch wieder vergessen hat, sobald sie im Flieger sitzt. Astrids Tod scheint sie nicht weiter zu tangieren. Erwähnt wird ihre Zuneigung zu Salome, die sich in Umarmung und vertraulicher Unterhaltung ausdrückt, aber auch da gilt: aus den Augen, aus dem Sinn. Auch Amor ist nicht in der Lage, Beziehungen zu führen. Auch sie kreist bevorzugt um sich selbst, wirkt fast schwermütig:
Das Problem, denkt sie, das Problem ist, dass ich nie gelernt habe, richtig zu leben. (...) die Welt lastet bleischwer auf mir. S. 276
Allerdings zeigt ihre Tätigkeit als AIDS Schwester ein gewisses Maß an Empathie und Aufopferungsbereitschaft, zu der nicht jeder fähig wäre. Sie zeigt Anton allerdings die Grenze auf: Landverkauf nur, wenn Salome ihr Haus bekommt.
Politisch erfahren wir nicht viel. Es gab große gesellschaftliche Umwälzungen, die Sicherheitsbranche boomt, es gibt massive kriminelle Energien, die es auf den Reichtum abgesehen haben. Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission hat getagt und angeklagt.
Am nächsten kommt mir Jake. Er scheint seine betrügerische Ehefrau aufrichtig geliebt zu haben. Logisch, dass er nun wissen möchte, wer ihr Geliebter war. Ist es glaubwürdig, dass ein Priester das Beichtgeheimnis bricht? Handelt es sich dabei nicht gleichfalls um ein Sakrament? Auch das wirft einen dicken Schatten auf die christiche Kirche, die während des gesamten Romans schlecht wegkommt. Ich vermute allerdings, dass es in Südafrika tatsächlich ähnliche Strömungen geben könnte. Nicht überall wählen Priester ihren Beruf aus tiefstem Glauben heraus. Oft sind weit pragmatischere, weltlichere Dinge ursächlich dafür.
Die Nebenfiguren (Bob, Wessel) finde ich auch sehr interessant. Diese häufigen Kameraschwenks machen den Roman interessant, strengen aber auch an. Der Erzähler strahlt eine gewisse Überheblichkeit aus und ich weiß noch immer nicht, wen er mit "du" anspricht. Lachen tue ich nie
.
Meine Meinung ist noch hin- und hergerissen. Ich brenne auf den letzten Abschnitt.