4. Leseabschnitt: 1. Buch / Kapitel 3 (S. 167 bis S. 230)

Xirxe

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Das Leben scheint besser zu werden: Vivaldo und Ida haben sich gefunden, Richard hat Erfolg mit seinem Buch und Cass, die kaum ein eigenes Leben zu haben scheint, ist zu Recht mit daran beteiligt. Aber die ersten Misstöne schleichen sich schon wieder ein ...
Vivaldo scheint aufgrund seiner Herkunft ähnliche Schwierigkeiten zu haben wie Rufus: Er hat kein Vertrauen zu nichts und niemanden - und Ida geht es offenbar ähnlich. Ob unter solchen Voraussetzungen ein Glück überhaupt möglich ist? Oder ist Vivaldo unter diesen Umständen in der Lage, sein Buch so zu beenden wie er es möchte? Seine Ansprüche sind ja recht hoch, vielleicht zu hoch? Ellis, der Produzent, scheint ein guter Menschenkenner zu sein. Er erkennt mehr in Vivaldo als dessen Freunde. Oh, es ist so schrecklich zu lesen, wie sich diese Menschen auch selbst im Wege stehen, ungeachtet der damaligen Verhältnisse.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das hätte ich ja fast vergessen: Die Liebesszene am Ende dieses Kapitels fand ich ausgesprochen gut, so intensiv, dass ich mich frage, ob dies eigene Erfahrungen von Baldwin waren.
So ausgiebig und intensiv liest man darüber ja auch eher selten, von daher könntest du richtig liegen. Es schien ihm wichtig, diese Intensität und die Nähe gut darzustellen, fast als erzähle er aus der Erinnerung
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Rufus spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Auf mich wirkt es fast so, als habe der Autor die Problematik mit den unterschiedlichen Hautfarben an Vivaldo weitergegeben, er muss nunmehr diese Geschichte erzählen.
Einige Szenen lassen zwar erkennen wie Rufus war, aber sie sind eng mit Ida und Vivaldo verknüpft, dienten wohl eher als Grundlage für deren Handlungsstrng, als dafür uns Rufus näher zu bringen. Im Grunde stört mich das auch nicht, ich mag diesen Strang, dennoch möchte ich ein besseres Gefühl dafür bekommen, wer Rufus wirklich war.
Obwohl nicht wirklich viel passiert, lese ich den Roman unheimlich gern
 

Renie

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Vivaldo versucht sich also als Schriftsteller. Sein Freund Richard hat es ihm vorgemacht. Doch die Veröffentlichung von Richards Buch bringt V. unter Zugzwang, der leider nichts Gescheites zu Papier bringen kann.
Ich bin mir nicht sicher, ob man Vs schriftstellerische Versuche ernst nehmen kann, oder ob V sich einfach nur als Bohemian sehen möchte. Sich als Künstler oder Intellektueller zu sehen, hat schließlich etwas.
Einem Bohemian stünde auch eine schwarze Freundin gut zu Gesicht., vorher hatte V. eine deutlich ältere Frau als er ist. Will er sich mit seinen Freundinnen von der Gewöhnlichkeit abgrenzen?
Insofern finde ich Richards Frage
"Ist sie nicht bloß die Nächste in einer langen Reihe von Heimatlosen, Streunern und Zukurzgekommenen?"
gar nicht so abwegig.
V. möchte etwas Besonderes darstellen, "normal" wie die breite Masse der Gesellschaft ist ihm zuwider. Das erkennt im Übrigen auch der Fernseh-Mensch bei Cass/Richards Essen:
"Kunst existiert nicht in einem Vakuum, sie ist nicht nur für Sie und Ihre Handvoll Freunde da. Himmel, wenn sie wüssten, wie satt ich diesen Schwachsinn über empfindsame junge Männer habe!"
"... Ich halte mich nicht für einen empfindsamen jungen Mann."
"Nein? Sie klingen wie einer und benehmen sich auch so. Sie blicken auf jeden herab. ..." (S. 210)

Die Sexszene am Schluss dieses Abschnitts war schon sehr besonders. Doch für mich zeigt die intensive Beschreibung, dass es hierbei um einen Machtkampf geht, in dem V. die Regeln bestimmt.
"er war entschlossen, sie über die Klippe zu schieben und in seinen Besitz zu bringen."
unbarmherzig ..... laute Hilflosigkeit .... das Ringen ... geflohen ... bevor der Schlag niedergeht ....
Am Ende geht V als Sieger hervor, mit Ida als Trophäe.

"War ich gut für dich?" - "Ja. Ja. Verlass mich nie."

Mein Lieblingssatz in diesem LA ist übrigens:
"Das Beste, was er je im Bett zustande gebracht hatte, war ein Maximum an Erleichterung mit einem Minimum an Feindseligkeit" (S. 173) ;)
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Wenn überhaupt nähern wir uns nur sehr mittelbar mehr Informationen über Rufus "Absturz" in seinen letzten Wochen, der dann letztlich in dem Suizid mündete. Wir bleiben bei der Geschichte seiner Freunde. In diesem Kapitel sind das vor allem Vivaldo und die Schwester Ida, die tatsächlich zueinander kommen. Das ist eine durchaus ruhige und angenehme Beziehung, die sich da zwischen den beiden entwickelt. Nicht in dem Stil des hektischen "Abenteuerlebens", das uns bei Rufus im ersten Kapitel vor Augen geführt worden ist. Und dennoch: alles ist schwierig. Beziehungen und das Zwischenmenschliche an sich werden hier von den Protagonisten ständig hinterfragt, bezweifelt und in Frage gestellt.
Sie schlief, so sein Gefühl, auch um ihn zu meiden. ... Sie war in seinem Bett, aber sie war weit weg; sie war bei ihm und doch war sie nicht bei ihm. Tief im Verborgenen passte sie auf sich auf, hielt sich in Schach, bekämpfte ihn
Das ist schon irritierend. Und zeugt von tiefen Verletzungen, schlechten Erfahrungen und Unfähigkeit zu Nähe.
Was sagt uns das über Rufus, den wir in dem Buch doch noch irgendwie entschlüsseln wollen, oder? Oder zumindest wollen wir ihm näherkommen mit unserem Verständnis seiner Person. Diesen Anspruch habe ich jetzt schon an den Roman. Mal schauen, ob er mir dabei helfen wird.
 
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Renie

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Was sagt uns das über Rufus, den wir in dem Buch doch noch irgendwie entschlüsseln wollen, oder? Oder zumindest wollen wir ihm näherkommen mit unserem Verständnis seiner Person. Diesen Anspruch habe ich jetzt schon an den Roman. Mal schauen, ob er mir dabei helfen wird.
Für mich ist die Diskrepanz zwischen unserer und der Sichtweise der Charaktere auf Rufus sehr kurios. Für die Familie und Freunde/Bekannten war er der gute und besondere Junge. Dass er seine Freundin vermöbelt hat, lassen ihm die meisten als Auswirkung seiner nervlichen Belastung (weswegen auch immer) oder Emotionalität? durchgehen. Für mich ist er einfach ein durchgeknallter Typ, zugegebenermaßen sensibel, der seine Aggressionen nicht im Griff hat, was durch nichts zu entschuldigen ist. Ich bin gespannt, ob es irgendwo einen gemeinsamen Nenner geben wird.
 

Literaturhexle

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Das hätte ich ja fast vergessen: Die Liebesszene am Ende dieses Kapitels fand ich ausgesprochen gut, so intensiv, dass ich mich frage, ob dies eigene Erfahrungen von Baldwin waren.
Eine solche Liebesszene zu schreiben, die soviel Gefühl und Leidenschaft transportiert, ohne dabei vulgäre Namen für Sexualorgane zu benutzen, ist Kunst. Ich empfand sie als überaus ästhetisch.
 

Literaturhexle

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Ich bin mir nicht sicher, ob man Vs schriftstellerische Versuche ernst nehmen kann, oder ob V sich einfach nur als Bohemian sehen möchte.
Ganz mein Gedanke.
Irgendwie arbeiten diese Leute nicht. Nur Ida als Kellnerin. Alle anderen sind "Künstler" - vielleicht Lebenskünstler?
Ernst nehme ich diese Schriftstellerei jedenfalls noch nicht.
Am Ende geht V als Sieger hervor, mit Ida als Trophäe.
Hm. Das habe ich anders gelesen. Aber stimmt, die Vokabeln kommen vor. Er gibt alles, um sie zum Höhepunkt zu bringen. Das mit Besitznahme gleichzusetzen ist schon schräg.
 

Renie

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Das mit Besitznahme gleichzusetzen ist schon schräg.
Ja, das gebe ich zu. Aber ich traue dem Braten nicht. Für mich sind die beiden kein Liebespaar im Sinne von "Liebe des Lebens". Ich mag die Figur Vivaldo nicht, kann mit ihm nichts anfangen und dichte ihm daher sämtliche Schlechtigkeiten an.
Eigentlich kann ich mit keinem (außer Eric) etwas anfangen. Die Charaktere sind alle ich-bezogen, die andere Menschen benutzen (meinetwegen unbewusst).
 

Literaturhexle

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Ich frage mich, warum Vivaldo sich überhaupt in Ida verliebt. Ist sie jetzt sein Platzhalter für den verstorbenen Rufus? Will er über Ida mit ihm auf Tuchfühlung bleiben oder etwas wiedergutmachen? Ich empfinde diese plötzliche Leidenschaft als seltsam.

Ida mag ihn auch. Mochte sie ihn schon vorher? Als Freund des älteren Bruders vielleicht naheliegend. Beim Besuch bei Richard/Cass spürt man die ganze Unsicherheit des jungen Paares. Er ist übertrieben eifersüchtig (Macho), sie fühlt sich dadurch verletzt. Nach ihrer Liebesnacht putzt Ida die Küche und räumt auf. Das Frauenbild der 1960er Jahre:mad: - Vivaldo ist einfach nur faul, sie kocht und macht sich nützlich.

Der Rassismus wird an vielen Stellen deutlich. Verhält sich Ellis rassistisch oder spricht er mit ALLEN Leuten so offensiv wie mit Ida? Eine Frage, die völlig zeitlos ist. Nicht jeder, der sich PoC gegenüber unfreundlich verhält, muss ein Rassist sein.

Insgesamt lese ich das Buch, ohne richtig davon gefangen zu sein bislang. Durchschnittskost würde ich sagen.
 

Xirxe

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Durchschnittskost würde ich sagen.
Oh Du Anspruchshexlein ;) Sprachlich ist es sicherlich keine herausragende Lektüre, aber wie Baldwin die Stimmungen beschreibt bzw. die Seelenlagen der Menschen finde ich schon grandios. Diese Unsicherheiten, Zerrissenheiten, die Wut und der Zorn sind unglaublich gut und nachvollziehbar beschrieben, sodass sich zumindest für mich manche bisher nicht so ganz schlüssige heutige Reaktionen aus dem Bereich von Black Lives Matter und der queeren Szene wirklich erklären.
 

Literaturhexle

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Diese Unsicherheiten, Zerrissenheiten, die Wut und der Zorn sind unglaublich gut und nachvollziehbar beschrieben
Unbedingt! Da bin ich völlig bei dir. Trotzdem habe ich eine große Distanz zu den Figuren, die doch sehr auf sich selbst fixiert scheinen. Große pathetische Worte umd nichts dahinter. Ich bin gespannt, was z.B. Vivaldi bereit ist für seine ach so große Liebe zu tun, wenn es hart auf hart kommt... Ich sehe sehr viel Oberflächlichkeit. Aber zweifellos sehr gekonnt in Worte gefasst.
 
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ulrikerabe

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14. August 2017
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Ach diese HERRlichkeit der Männer. Vivaldo beobachtet die Frau von gegenüber, malt sich aus, wie sie mit dem Mann, den sie mit nach hause nimmt, schläft.

Ja, da war er auch schon gewesen: scheuern, schieben, stoßen und eine tiefgefrorene Frau zu wecken versuchen..
Ja, da lag es ganz gewiss an der Frau, wenn es ihr nicht gefiel...

und dann dieser Größenvergleich (S. 175/176), meine Herren!

Zugegeben, der Geschlechtsakt hat was, den Baldwin hier schildert. Aber auch hier, zum Schluss hat Ida einen Körper, der jetzt ihm gehörte...

Größe und Besitz, zeitlose Attribute.
 

ulrikerabe

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Eigentlich kann ich mit keinem (außer Eric) etwas anfangen. Die Charaktere sind alle ich-bezogen, die andere Menschen benutzen (meinetwegen unbewusst).
Ich werde neugierig.

Eric wird ja bislang nur häppchenweise vorgesetzt. Im ersten Abschnitt, als Rufus ihn erwähnt, war es für mich, so als ob ich eigentlich wissen müsste wer er ist. Hier wird er beiläufig bei Richards Feier erwähnt. Ich weiß, ich muss nur weiterlesen :)
 

Renie

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Ich werde neugierig.

Eric wird ja bislang nur häppchenweise vorgesetzt. Im ersten Abschnitt, als Rufus ihn erwähnt, war es für mich, so als ob ich eigentlich wissen müsste wer er ist. Hier wird er beiläufig bei Richards Feier erwähnt. Ich weiß, ich muss nur weiterlesen :)
Sorry, ich habe den Eric vorweggenommen, habe bei der Vielzahl der Leseabschnitte wohl den Überblick verloren. :confused: