4. Lesabschnitt: Kapitel 40 bis 46 (Seite 244 bis 320)

Amena25

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23. Oktober 2016
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Aha, Thomas kommt bei Otto im Atelier unter, da er ihn trotz Verhaftung gut behandelt hat. Na ja! Aber immerhin hat Thomas nun jemanden zur Hand, der sich mit Fotos auskennt.
Thomas' Vorgehen in der Klinik, sein Dialog z.B. mit Dr. Humbold wirkt sehr schablonenhaft. Und dann der Fund im Schweinetrog: unsäglich!
Irgendwie ist alles eine sehr merkwürdige Mischung! Einerseits Thomas' naives Drauflosstürmen, andererseits seine ,,zufälligen" Funde....
Auch seine Fahrt nach Polen wirkt naiv, natürlich findet er in Lydia auch noch eine Art Freundin...
Und dann sein Gespräch mit dem Vater, das er ,,im Verhörmodus" führt.
Mir geht sowohl Thomas als auch der ganze Stil nur noch auf die Nerven.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Ich finde es sehr interessant, wie quasi die Generation vor meiner sich an die Nazi-Zeit herantasten muss. Immer noch bin ich fassungslos, wie das totgeschwiegen wurde. Meine Eltern haben die Zeit als Jugendliche bzw. junge Erwachsene mitbekommen, wobei meine Mutter sich lieber an die schönen Seiten ihrer Jugend erinnert hat und mein Vater sehr wenig erzählt hat. Doch immer, wenn ich gefragt habe, habt ihr nichts gewusst, haben sie zumindest zugegeben, dass Menschen aus den Orten verschwanden und nie wiederkamen.
Was ich also in der Schule beigebracht bekam, muss Thomas sich selbst erarbeiten und dabei feststellen, dass sein Vater eben nicht nur der gute einfache Polizist ist. Das stelle ich mir sehr schwierig vor.
Dass er einfach so zu einer Jagd nach Polen reisen kann und dann einen Zeugen findet, der freundlich Auskunft gibt, weiß nicht. Ich war vor ca. 15 Jahren mal mit einer Reisegruppe in Polen, da hat eine alte Frau vor dem Reiseleiter (der selbst zu jung war, um irgendwelche Schuld auf sich geladen haben zu können) ausgespuckt. Andererseits waren natürlich auch viele Polen sehr freundlich. Nur so relativ kurz nach dem Krieg wie im Buch ....
Hier dachte ich, Strobel hat selbst etwas damit zu tun. Zumindest weiß er, wer der Täter ist. Vielleicht erpresst er ihn.
 

Bibliomarie

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Wenn ich die Ungereimtheiten und Unwahrscheinlichkeiten außer Acht lasse, fand ich diesen Abschnitt recht spannend.

Es ging mir zu schnell, wie aus dem unbedarften und braven Thomas der Draufgänger wurde, der seine Freundin nach Holland bringt, den Job hinschmeißt und auf eigene Faust ermittelt. Er findet die Überreste des Pathologen im Schweinekoben, aber inzwischen weiß er, dass niemand ihm glauben würde.

Dann hat Breuer ausgerechnet ein Foto an der Wand, dass Vater Engel und Strobel zeigt - hier wird der Zufall schon arg strapaziert und Thomas beschließt auch sofort nach Polen zu reisen.

Dass er so kurzfristig ein Jagdvisum bekam und dann natürlich sofort eine Helferin findet, na ja - ein Roman darf vereinfachen, aber es macht die Geschichte halt unrealistisch.
 

Bibliomarie

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Ich finde es sehr interessant, wie quasi die Generation vor meiner sich an die Nazi-Zeit herantasten muss. Immer noch bin ich fassungslos, wie das totgeschwiegen wurde.

Meine Mutter hat selbst 2 Jahre Lager überlebt und nie darüber gesprochen und jede Frage abgeblockt. Einmal habe ich als 10-12 Jährige eine Foto von ihr gefunden, dass nach der Befreiung für einen vorläufigen Pass aufgenommen worden war, ein ausgemergeltes Gesicht mit misstrauischem Blick von unten, wie ein geprügelter Hund. Es hat mich geschockt, so meine Mutter zu sehen. Als ich sie danach fragte, fing sie nur an zu weinen.

Meine Schwiegereltern sagten auch immer, das sie nie etwas gewusst hätten, aber wenn sie von der Vergangenheit erzählten, haben sie manchmal unbemerkt etwas preisgegeben, so dass ich sicher war, sie hatten schon eine Ahnung.

Wütend machte mich immer nur das Opfergehabe der Leute.
Sie wurden ausgebombt - sie mussten leiden - sie haben gehungert usw. Die Ursache wurde komplett ausgeblendet.
 

Literaturhexle

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Wenn ich die Ungereimtheiten und Unwahrscheinlichkeiten außer Acht lasse, fand ich diesen Abschnitt recht spannend.
So ging es mir auch. Er war kurzweilig und hat dich gut weg gelesen.
na ja - ein Roman darf vereinfachen, aber es macht die Geschichte halt unrealistisch.
Genau. Es ist ein bisschen viel...:confused:
Wütend machte mich immer nur das Opfergehabe der Leute.
Sie wurden ausgebombt - sie mussten leiden - sie haben gehungert usw. Die Ursache wurde komplett ausgeblendet.
Wobei persönliches Leid persönliches Leid ist. Die wenigsten relativieren ihre eigene Situation, nur weil es andere noch härter getroffen hat. Nicht die gesamte Zivilbevölkerung hatte zudem Kriegsschuld auf sich geladen. Und ausgebombt zu sein, mit kleinen Kindern und ohne Mann stelle ich mir auch hart vor. Da darf man auch mal jammern ;)
 
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Renie

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Meine Mutter hat selbst 2 Jahre Lager überlebt und nie darüber gesprochen und jede Frage abgeblockt. Einmal habe ich als 10-12 Jährige eine Foto von ihr gefunden, dass nach der Befreiung für einen vorläufigen Pass aufgenommen worden war, ein ausgemergeltes Gesicht mit misstrauischem Blick von unten, wie ein geprügelter Hund. Es hat mich geschockt, so meine Mutter zu sehen. Als ich sie danach fragte, fing sie nur an zu weinen.

Meine Schwiegereltern sagten auch immer, das sie nie etwas gewusst hätten, aber wenn sie von der Vergangenheit erzählten, haben sie manchmal unbemerkt etwas preisgegeben, so dass ich sicher war, sie hatten schon eine Ahnung.

Wütend machte mich immer nur das Opfergehabe der Leute.
Sie wurden ausgebombt - sie mussten leiden - sie haben gehungert usw. Die Ursache wurde komplett ausgeblendet.
Ich habe während des Lesens auch oft darüber nachgedacht, wie die Erinnerungen an den Krieg in meiner Familie gehandhabt wurden. Meine Eltern sind während des Krieges geboren, können also nicht viel dazu beitragen. Aber meine Großeltern haben den Krieg sehr bewusst erlebt. Dennoch war der Krieg nie ein Thema bei uns. Ich habe nur später gehört, dass mein Großvater in russischer Kriegsgefangenschaft war. Da war ich aber schon größer. Das muss in den 70ern gewesen sein. Und ich musste gezielt danach fragen. Mehr war aber nicht in Erfahrung zu bringen. Ich habe also keine Ahnung, was mein Opa im Krieg gemacht hat. Es wurde einfach nicht darüber gesprochen. Insofern kann ich diese Verdrängungsversuche von Thomas Eltern und anderen in diesem Buch nachvollziehen. Der Krieg war für die Deutschen ein unangenehmes Kapitel, über das man am besten nicht gesprochen hat. Aber Vergangenheitsbewältigung durch Verdrängung funktioniert nicht. Daher ist es gut, dass die nachfolgenden Generationen den Finger in die Wunde gelegt haben und noch legen.
 
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Renie

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Wütend machte mich immer nur das Opfergehabe der Leute.
Sie wurden ausgebombt - sie mussten leiden - sie haben gehungert usw. Die Ursache wurde komplett ausgeblendet.
Das stimmt. Und es war der böse Russe (ist es heute noch), der viel Leid bei den Deutschen verursacht hat. Diese Denkweise ist schon komisch, wenn man bedenkt, wer den Krieg angefangen hat.
 
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KrimiElse

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Es ging mir zu schnell, wie aus dem unbedarften und braven Thomas der Draufgänger wurde, der seine Freundin nach Holland bringt, den Job hinschmeißt und auf eigene Faust ermittelt. Er findet die Überreste des Pathologen im Schweinekoben, aber inzwischen weiß er, dass niemand ihm glauben würde.
Zu schnell war es mir auch! Aber zum Glück stieg dadurch die Spannung im Buch an, ich habe mich zuvor schon sehr gequält. Gut finde ich es immer noch nicht, aber ich will wissen wie es ausgeht.
 

KrimiElse

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Das stimmt. Und es war der böse Russe (ist es heute noch), der viel Leid bei den Deutschen verursacht hat. Diese Denkweise ist schon komisch, wenn man bedenkt, wer den Krieg angefangen hat.
Bei uns im Osten war es umgekehrt - wir haben sehr viel über die Gräueltaten der Nazis gelernt und bekamen schon als kleine Kinder schreckliche Bilder aus Auschwitz gezeigt. Meine Mama hat mir erzählt, dass sie nach dem Krieg mit 6 Jahren in der ersten Klasse Filme über die Lager sehen musste und wochenlang Angst hatte.
Meine beiden Großväter waren im Krieg, der eine in Russland, der andere in Italien und später in französischer Gefangenschaft, sie haben freiwillig wenig erzählt. Bei uns im Osten waren die Russen die Helden, über deren Gräueltaten gar nichts verbreitet wurde. Zum Beispiel hatte ich keine Ahnung vom Hitler-Stalin Pakt oder vom Umgang mit deutschen Gefangenen, bevor in den 1980er Jahren hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen wurde.
 

claudi-1963

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Den Abschnitt fand ich auch am interessantesten, auch wenn mir der Autor nach wie vor viel zu viel Nebensächliches da mit reingepackt hat. Das damals viel unter den Teppich gekeht wurde oder eben als unabdingbarer Befehl abgetan wurde, das wusste ich ja alles schon, das war für mich nichts neues. Für mich war auch schnell klar, das Strobel derjenige war der damals den Täter gedeckt hat. Und das auch Thomas Vater Dreck am Stecke hat war mir auch klar, so dicke wie der mit dem Strobel war.

Puhh das der Pathologe den Schweinen zum Fraß vorgesetzt wurde fand ich schon krass. Allerdings möchte ich das arme Auto von Thomas danach nicht gesehen haben wollen, das dann voller Schweinemist war.

Ein wenig unglaubwürdig fand ich dagegen die Ermittlungen in Polen. Erst stellt sich die Polizistin auf stur und dann knickt sie auf einmal doch ein? Für mich nicht ganz glaubhaft. Und das naive Thomas dann immer mehr zum Superhelden wird, fand ich auch ein wenig übertrieben.

Aber wenigstens war dieser Abschnitt der beste von allen bisher.
 
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claudi-1963

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Es ging mir zu schnell, wie aus dem unbedarften und braven Thomas der Draufgänger wurde, der seine Freundin nach Holland bringt, den Job hinschmeißt und auf eigene Faust ermittelt.

Ja so ging es mir auch, ich fand das nicht gerade glaubwürdig, das Thomas auf einmal der Draufgänger und Schlauste von allen wird.
 

parden

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13. April 2014
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Oh Mann, ein Grünschnabel stümpert naiv durch die Weltgeschichte.

Die Erzählung ist insofern stimmig, dass nach dem Krieg nie mehr über den Krieg gesprochen wurde bzw. werden sollte. Das kenne ich auch aus der Familie mütterlicherseits - meine Großeltern hatten einen Bauernhof, mein Großvater hat kurz vor Ende des Krieges alle Parteiabzeichen und belastende Dokumente im Hühnerstall begraben, angeblich kam man nicht umhin, Mitglied des Ortsverbandes der NSDAP zu werden. Meine Großmutter erzählte noch, dass mein Großvater einem abgestürzten englischen Piloten das Leben gerettet habe, und dass während des Krieges russische Gefangene auf dem Hof ausgeholfen haben, denen es aber an nichts gemangelt habe. Ob das so stimmt, kann ich natürlich nicht sagen. Aber auf Nachfragen wurde ausweichend reagiert, schnell auch das Thema gewechselt... Die Erählungen väterlicherseits waren anders gelagert. Mein Vater floh aus der DDR, kurz bevor die Mauer ganz geschlossen wurde. Er wurde mit seiner Familie vertrieben, sein Heimatort liegt heute in Polen. Er war zu Kriegsbeginn 5 Jahre alt, wuchs bei seinen Großeltern auf, weil seine Mutter kurz zuvor gestorben war und sein Vater als Kommunist gleich an die Front geschickt wurde. Mein Vater hat immer viel aus dieser Zeit erzählt - aber eben als wenig erbauliche Kindheitserinnerungen - meine Mutter nie etwas. Insofern wirkte das Thema auch auf mich in meiner Kindheit und Jugend wie ein Tabu.

Aber zurück zum 'Krimi': hier erscheint ansonsten kaum etwas glaubhaft, alles sehr naiv - wieder die kindlichen Nachfragen: 'Was ist eine Putte?' - und alles überaus vom Zufall geprägt. Thomas wills wissen - und da wirft er sich mit seinen Ratgebern (amerikanische Fachliteratur und Sherlock Holmes) auch voll rein. Kriecht durch Schweinekot, fährt unter falschen Angaben nach Polen und zufällig, ganz zufällig findet er alles was er braucht: den toten Gerichtsmediziner (oder was von ihm übrig ist), das Foto, das ihn auf die Spur der Kriegsverbrechen seines Vaters und von Strobel bringt, einen Zeugen in Polen, der ihm berichten kann, was damals geschah usw. Gut, dass nicht mehr viele Seiten vor mir liegen...