4. LA: "Erinnerte Memoiren" - Teil I. und II. (Seite 203 bis 299)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ebenso wie dies seiner Art nach im Roman von Vanner schon beschrieben wurde bezüglich des schweizer Arztes. Als dieser nicht so wollte wie Benjamin/Andrew, hat dieser ihn einfach mundtot machen wollen bzw. andeutungsweise dahingearbeitet, sodass dieser dann doch einlenkte. Das zeigt, dass Vanner doch ein recht gutes Bild von Andrew hatte, wenn auch in anderem Zusammenhang aufgezeigt.

So sehe ich das auch. Ob nun Krampftherapie oder nicht. Das könnte auch ein theatralischer Schachzug von Vanner für seinen Roman gewesen sein. Aber irgendetwas ist da noch, was wir hoffentlich durch den letzten Text erfahren.

Das ist auch gleich auf meine Wunschliste gewandert! Dieser Diaz hat mich gepackt mit seiner Art.

Ich hatte es so verstanden, dass es zwei unterschiedliche Häuser gibt. Das private Bevel House, was zum Museum gemacht wurde und ein rein geschäftliches Gebäude. Ich muss aber auch zugeben, dass ich nun mit dieser dritten Perspektive auch ein kleines Bisschen bezüglich mancher Darstellungen den Überblick zu verlieren drohe. Deshalb kann es auch sein, dass die "Privatgemächer" in diesem Wolkenkratzer liegen.

Das passiert bei mir nicht, einfach weil die Person Bevel weitaus klüger wirkt, als es ein Trump je könnte. Die Lebensumstände und gewisse Einstellungen zur Macht schon eher.

Eher anders herum. Trump erscheint wie die trampelige, dümmere Karikatur von einer Person wie Bevel.

Ich muss aber doch noch einmal die Debatte eröffnen bzw. nachfragen: Meinst du den Song von Eric Clapton? Falls ja, passt das Beispiel überhaupt nicht in die Diskussion. Aber vielleicht meinst du auch einen anderen Titel. Denn in dem genannten von Clapton fällt mal der Mann auf die Knie und bettelt die Frau, die mit dem coolsten Typen der Welt zusammen ist, George Harrison (einem Beatle!) und ständig von ihm alleingelassen und fallengelassen wird, zu Clapton zu kommen, der sie mehr wertschätzen will als der Beatle. Im Gegensatz zu vielen Rock Songs macht sich hier mal ein Mann kleiner, um diese tolle Frau an seiner Seite zu haben, als ihr mackerhaft/machohaft zu sagen: "Jetzt komm aber mal her. Ich bin der tolle Typ hier!" ;)
Nein, es geht um dieses Sauflied, das momentan für Diskussionen sorgt. Irgendein Party- oder Mallorca- Hit, bei dem die Prostitution verherrlicht wird.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Ja, sicher. Aber in dem Roman wird er als letztendlich Schuldiger am Tod seiner Frau dargestellt, das Will er nicht auf sich sitzen lassen.
Außerdem möchte er dementieren, dass es nach dem Tod seiner Frau mit seinem geschäftlichen Glück bergab ging.
Hättet ihr gedacht, dass das Bevelhouse ein Hochhaus ist?
Das glaube ich nicht. Im Hochhaus befinden sich die Geschäftsräume.
Er will, dass Helen gesichts- und geistlos dasteht. jemand, der unsichtbar ist. Da steckt mehr dahinter. Aber was?
Genau! Auch bei mir bisher ein großes Fragezeichen.
Ausserdem sagt er ja mehrmals, dass er die Realität gebogen sehen will, so dass sie so wird, als ob sie immer schon so gewesen wäre, wie er sie haben will. Sehr verblüffend wie aufrichtig er damit ist.
Er kann das gegenüber Ida äußern, weil sie einen Vertrag unterzeichnet hat. Unterschwellig lese ich diese Äußerung auch als Drohung. Er hat Mittel und Wege, Menschen und Tatsachen aus der Welt zu schaffen - und zwar so gründlich als hätte es sie nie gegeben.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Und deswegen glaube ich, dass er noch eine tragende Rolle bekommt. Wenn nicht, zeigt Diaz zumindest Idas Platz in der Welt, nämlich zwischen den beiden sprichwörtlichen Stühlen.
So sehe ich das auch. Außerdem erfahren wir ein stückweit ausradierte, weil unerwünschte Geschichte. Ich hoffe, das steht nicht im nächsten LA, dass nämlich sämtliche Zeitschriften, die von Anarchisten über Jahrzehnte herausgegeben wurden, verschwunden sind.
 
Zuletzt bearbeitet:

Irisblatt

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15. April 2022
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Diaz legt auch falsche Fährten meisterhaft. Nachdem mir klar war, dass Rask und Andrew unterschiedliche Darstellungen derselben Person sind, kamen mir relativ zu Beginn dieses Leseabschnitts doch kurz Zweifel. Auf Seite 216 wird plötzlich der Doppelgänger (Schriftsteller) von Idas Vater angesprochen. Das hat ausgereicht, mich kurz zu verunsichern: Huch - handelt es sich bei Rask und Bevel doch um unterschiedliche Figuren?? Kurze Zeit später war klar, dass dem nicht so ist. Der Effekt der kurzzeitigen Unsicherheit war aber gegeben. Gefällt mir!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Genau. Aber das kann er doch nicht sagen;). Es kommt doch viel besser, wenn er sich um den Ruf einer anderen sorgt...
Wobei beide Varianten ihn schon als einen eher liebenden Ehemann schildern ( soweit er lieben kann). Egal war ihm Mildred nicht - soweit wir das aus dem bisher Gelesenen entnehmen können.
Stimmt, ich denke auch nicht, dass sie ihm egal war. Aber ich kann auch nach dem Ende der Lektüre nicht deuten, welche Bedeutung sie für ihn hatte.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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"Trumpis" Verhalten und die Bewertung dieses Verhaltens In der Handlung, im Geschehen. Die Darstellung der Frau Helen/Mildred in den beiden ersten Teilen, und die Bewertung dieses Geschehens in der Sprachwahl von Hernan Diaz. Die Aktienkäufe der Frauen, dieser 40 %, die aber dennoch Schuld an der Krise waren, die anderen männlichen 60 % sind da unerheblich. Ich höre dort unterschwellige Bewertungen des Geschehens, dieses Denkens. Ida, ihre Situation innerhalb der Macht des Vaters und der Macht des Freundes, diese Versuche sie zu lenken, nach dem männlichen Willen und ebenso der Versuch des Lenkens durch den neuen Arbeitgeber Bevel.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Dann die Sache mit den Krimis. Das Spiel "wer ist der Mörder", das hat Ida mit ihrem Vater gespielt. Nicht Helen mit ihrem Mann. Wenn auch das nicht stimmt, was stimmt dann, was haben Helen und Benjamin miteinander gemacht? Sex? Keine Kinder. Musik? Experimentelle Musik mag Bevel nicht, Literatur? Fehlanzeige. Irgendetwas aber muss die beiden verbunden haben. Reich waren sie schon. Was gibt es noch für Laster?
Vielleicht verbindet sie durchaus ihre ganz eigene und etwas gefühlslose Sicht ihrer Umwelt, und ihre jeweils eigene Freiheit die sie sich in ihrer Ehe gönnen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das weiß ich nicht. Aber Andrew hat definitiv etwas zu verbergen, was er als "Fehler" definiert und was aus der Welt geschafft gehört. Was das genau ist, da lasse ich mich überraschen.


Genau. Aber das kann er doch nicht sagen;). Es kommt doch viel besser, wenn er sich um den Ruf einer anderen sorgt...
Wobei beide Varianten ihn schon als einen eher liebenden Ehemann schildern ( soweit er lieben kann). Egal war ihm Mildred nicht - soweit wir das aus dem bisher Gelesenen entnehmen können.
Hier bin ich sehr auf Mildreds Eindrücke gespannt, vielleicht werden wir noch enorm überrasch. Zumindest würde es mich bei diesem Roman definitiv nicht überraschen ;)
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Dieser angebliche Philanthrop ist sich nicht zu schade, den Autor Vanner in jeder Hinsicht zu vernichten. Er hat die Macht und benutzt sie.
Er setzt ja sogar noch eins drauf, die meisten wären mit dem ersten Schritt bereits zufrieden gewesen. Sogar Ida wagt es dies anzudeuten, was ich sehr mutig fand
Nö. Finde ich eigentlich nicht. Diaz gibt sich relativ viel Mühe mit der Ausgestaltung des Vaters als Nebenfigur mit Schatten- und Sonnenseiten. Seine Vergangenheit fließt stimmig in die Gesamthandlung ein und passt zu seiner Gegenwart. Ich bin gespannt, ob er nicht noch mit irgendeinem Coup auffliegt und seiner Tochter Schwierigkeiten beschert...
Durch diese Konstellation wird Ida zu einer Person die alles noch interessanter macht, allein schon durch ihren Hintergrund. Gefallen haben mir Kleinigkeiten wie die Tatsache, dass sie indirekt durch ihre Streitigkeiten mit ihrem Vater den Job bekommen hat. Ihr Dialog über die Bedeutung des Geldes und der Waren auf Bevels Frage warum sie den Job will, haben ihn am Ende restlos überzeug. Das und ihre Bereitschaft Texte zu Schönen, was ja auch nur entstand, weil sie ihre Herkunft nicht preisgeben wollte
Und die Frage ist, warum er von Harold Vanner so dargestellt wurde, was bei diesem Roman die Triebfeder war.
Das habe ich mich auch gefragt. Vanner kannte ihn ja angeblich nur oberflächlich. Wir können aber nicht wissen, was sich angespielt hat, gab es Kränkungen oder Ähnliche? Oder stimmt die Einschätzung am Ende sogar relativ gut?
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Nun wissen wir, dass Benjamin Rask das literarische Gegenstück zu Andrew Bevel ist. Doch vieles andere bleibt nach wie vor unklar. Warum Vanner Bevel herausgepickt hat um einen Roman über ihn zu schreiben ist ebenso unklar wie die Tatsache, dass wir nach wie vor nicht wissen wie es wirklich gewesen ist, denn auch Bevel, der es ja eigentlich korrekt wiedergeben könnte, ist nicht glaubhaft.
Die Situation die sich durch Ida ergibt ist sehr spannend. Sie versucht Bevel zwar alles recht zu machen, sie ist ja auf den Job angewiesen, aber man merkt deutlich, dass sie an den richtigen Stellen zweifelt. Meine Eindrücke des Werkes "Mein Leben" sind nun ganz andere, zumal sich ja nun die Frage, ob es sich nur um zufällige Ähnlichkeit zwischen Bevel und Rask handelt, erübrigt hat.
Idas persönlicher Hintergrund ist ebenfalls interessant und bringt einen frischen Wind, in die ansonsten sehr Finanzleistungen Abschnitte. Die alte Ida ist es aber, von der ich mir durch ihre Recherchen viele Antworten erhoffe.

Der Vergleich mit den Matroschkapuppen ist wirklich sehr passend.
 

Lesehorizont

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29. März 2022
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Mainz
Ich bin nun auch mit diesem Leseabschnitt durch. Da ich ja aktuell auf Familienbesuch bin und dort sehr viel Trubel herrscht, komme ich wenig, und wenn abends spät zum Lesen. Ich fand aber die Entwicklungen in diesem Abschnitt sehr interessant. Nesonders die grundsätzliche Romankonstruktion fasziniert mich. Auch wenn sie noch so manches Rätsel aufgibt...
Jetzt schlafe ich erst mal und lasse das Gelesene erst mal sacken.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Nein, er steht damit auch stellvertretend für die ganzen Arbeitsmigranten in den USA.
Während die Reichen sich mit ihren Vorfahren rühmen, die ehemals als Einwanderer hierher kamen und sich innerhalb von zwei Generationen zu den führenden Männern des Landes entwickelt haben, verkörpert er das Gegenteil des American Dream. Denn nicht jeder kann es schaffen. Das einen sind die Ausnahmen, die Mehrzahl war sehr arm und hat sich, mit etwas Glück, etwas hochgearbeitet.
Also ... wenn man überhaupt etwas kritisieren will an diesem Roman, dann, dass der Italoprollvater recht plakativ ist. Aber es ist Meckern auf hohem Niveau.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Damals nicht, heute schon eher.

Vor nicht allzu langer Zeit war das Tragen des Playboy-Hasen-Symbol, ob als Schmuck, oder Druck auf der Kleidung, bei den Mädchen groß in Mode. Ob ihnen bewusst war, was sie damit der Männerwelt vermittelt haben? Ich glaube nicht, dass sie damit ihre Solidarität zu den Frauen in Hefners Harem ausdrücken wollten.

Puh. Also zunächst einmal denke ich nicht, dass alle Frauen früher völlig blind für die patriarchalen Strukturen waren. Aber sie waren nicht in der Lage, sie zu ändern, oder haben zumindest geglaubt, sie seien dazu nicht fähig.

Zum anderen: Das Playboy-Imperium ist natürlich sexistisch und in Teilen auch frauenfeindlich. Aber zum Teil lassen sich Frauen sehr bewusst für diese Zwecke einspannen, weil sie dadurch an Geld und Ruhm kommen. Auch Prostitution ist ja nicht per se frauenfeindlich - wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind (was sie oft halt nicht sind, klar, aber prinzipiell…).
 
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Reaktionen: Emswashed und RuLeka

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Nach dem drögen vorangegangenen Abschnitt hat mir dieser Teil wieder viel besser gefallen (obwohl der Titel natürlich Käse ist). Stück für Stück zeigt sich ein differenzierteres Bild. Einige Dinge bleiben aber noch im Dunklen. Es gibt auch mehrere interessante Andeutungen.

Ein vollständiges Bild haben wir sicher erst mit dem letzten „Buch“. Trotzdem bin ich gespannt auf die zweite Hälfte von Idas „Memoiren“. Da könnte noch die eine oder andere Überraschung warten.

Inhaltlich habt ihr alles bereits zusammengefasst. Es bleibt noch viel Raum für Spekulationen. In der Wahrnehmung des Geschilderten bin ich aber völlig bei euch.

Bisher finde ich die Struktur des Romans sehr gelungen. Ich möchte aber noch keine Lobeshymne anstimmen. Wer weiß, ob meine Begeisterung darüber anhält.