4. Abschnitt. Kap. 11 Blindgänger - einschl. Kap. 13 Jesus

claudi-1963

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In Freund merkt man das Basil Kenji fehlt. Er war sein Freund seit der Grundschule, das kann man nicht einfach so beenden, wenn man tagtäglich mit jemanden zusammen war.
Mir scheint das er ihn mehr vermisst als er zugibt. Ich frage mich nur, warum er dann mit Lucy weggegangen ist? Die Enttäuschung über seine Arbeit und das er nicht in Kenjis Buch erwähnt wird ist groß.
Aber was hat er anderes erwartet, er scheint Kenji ziemlich verletzt zu haben. Ich habe auch das Gefühl, dass er seine Heimat vermisst.
Wenigstens ist der Herzinfakt von Gary nicht so schlimm gewesen, man spürt förmlich die Erleichterung seiner Mutter.

Kann es sein, als ob die Autorin ihr Buch beschreibt, als wenn es Kenjis wäre? Zumindest in Ausschnitten, den auch hier geht es ja immer um eine Person von Hollyhock wie bei Kenjis Buch.
Und ich muss gestehen, so langweilig wie Basil es empfand, so empfinde ich es auch an einigen Stellen. Mir fehlt nach wie vor die Tiefe der Charaktere, es sind immer nur kleine Lebensausschnitte. Und zudem empfinde ich die Geschichten als zu melancholisch, ich hätte mir lieber gewünscht, das es auch mal positive Stellen gibt.

Ich bin mir nicht sicher ob Basil schwul ist, den warum ist er dann mit Lucy weg? Vielleicht ist er bisexuell und er fühlt sich zu Lucy und Kenji hingezogen und merkt jetzt erste wie er ihm fehlt?
 

Renie

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Das interpretiert Basil ja falsch. Er hat keine Geschichte bekommen, weil die Wunde noch zu tief war, die Lucy und Basil gerissen hatten. Mit einem Schlag hatte er Freundin und besten Freund verloren. Das schien er ja anfangs nicht verwunden zu haben. Dafür bekommen die beiden in seinem Roman eine Hauptrolle. Ob das eine Freude sein wird, das wird sich allerdings noch zeigen!

Klar, sieht das Basil falsch. Aber das passt zu dem Roman. Denn hier ist doch alles eine Frage der Perspektive. Wie Kenji seine Geschichten gemeint hat, und wie diese Geschichten bei seinen Leuten ankommen sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe.
 

Renie

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Nur weise Eltern - und die gibt es! behandeln ihre erwachsenen Kinder als Erwachsene!

Die, die etwas emotionaler sind und egozentrischer (muss man leider sagen), für die bleibt das Kind immer das Kind - selbst wenn es schon Opa ist. Das finde ich immer sehr krass!!
Auch dies ist eine Frage der Perspektive. Das Eine ist, wie Eltern ihre erwachsenen Kinder behandeln. Und das Andere, wie erwachsene Kinder mit dieser Rolle umgehen. Ich bin immer das Kind meiner Eltern, egal wie alt ich bin.
Der Roman krankt daran, dass er keine Charakterisierung zustande kriegt.
Wenn Charaktere aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, und es dabei zu voneinander abweichenden Wahrnehmungen kommt, kannst Du keine Charakterisierung erwarten. Wie soll denn das funktionieren?
Mingels geht ihren Figuren nicht nach, sondern stellt ein paar allgemeine Dinge dar und denkt, der Leser frisst es schon, wenn ich es nett schildere und ihm ein paar aha-Erlebnisse schenke. No. Das ist mir zu wenig.
Mir auf gar keinen Fall. Ich fresse es gerne. Gerade diese Verallgemeinerung und Alltäglichkeit gefällt mir. Ich brauche nicht immer Charaktere, die am seelischen Abgrund stehen und 5000 Erklärungsansätze, warum ein Charakter zu dem geworden ist, was er ist, inklusive Perspektiven bzw. Perspektivlosigkeit. Darüber habe ich schon zu häufig gelesen und werde ich auch wieder lesen. Bei diesem Roman reichen mir aber die Geschichten, die das Leben schreibt. Diese Geschichten berühren mich, wie auch nicht? Schließlich bin ich genauso normal wie die Charaktere in diesem Buch und habe viele Situationen in ähnlicher Form durchlebt und empfunden, finde mich also wieder. Ich muss mich dabei aber nicht mit den Charakteren identifizieren. Diesen Anspruch habe ich sowieso nie in einem Roman. Außerdem wäre dies aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen auf einzelne Charaktere in diesem Buch gar nicht möglich. Hier stehen eher die unterschiedlichen persönlichen Definitionen zum Thema "Glück" im Fokus, die bei mir, je mehr ich mich mit diesem Buch befasse, zur Selbstreflexion führen. Insofern hat die Autorin für mich alles richtig gemacht.
 
G

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Klar, sieht das Basil falsch. Aber das passt zu dem Roman. Denn hier ist doch alles eine Frage der Perspektive. Wie Kenji seine Geschichten gemeint hat, und wie diese Geschichten bei seinen Leuten ankommen sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe.

Mit den Perspektiven gebe ich dir Recht. Aber ob Basil falsch liegt, wage ich zu bezweifeln. Nomi ist Kenjis Mutter, wird ihren Sohn kennen und lieben, dennoch gibt sie einen Wesenszug an ihm an, der in nicht zu einem sozial denkenden Menschen macht, sondern eher einen egoman denkenden Menschen zeigt. Auch Aiko, seine Schwester zeichnet Kenji nicht rund und rosarot. Ich vermute beide kennen ihn gut und sehen ihn real, auch wenn sie ihn lieben. Auch das Kapitel "Blindgänger" zeigt eine gewisse Härte Kenjis, er muss gewusst haben, dass sein Vater sich erkennen wird. Muss das sein, muss man jemanden nahestehenden so verletzen? Noch dazu, wo es keine schwerwiegenden Vorfälle/Beleidigungen/Verletzungen in der Familienzeichnung gab.
 

claudi-1963

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Wieder eine Beziehung die nicht gut ausgeht, in Jesus. Wobei es sicherlich nicht einfach ist mit einem Menschen zusammen zu sein, der manisch-depressiv ist, dann auch noch seine Tabletten weglässt und schlägt. Man hat so das Gefühl, das sich Sarah so in der Außenseiterrolle fühlt, zumindest bei Polly. Sie scheint schon etwas gekränkt weil ihr niemand Bescheid gesagt hat wegen dem Herzinfarkt des Vaters. Ihr Verhältnis scheint schon seit sie Kinder sind schwierig zu sein. Zum Glück empfängt sie Polly herzlich, als sie im elterlichen Haus ankommt.

Sehr gefährlich empfand ich, das sie die beiden Tramper mitgenommen hat. Ich wüsste nicht ob ich sowas tun würde, wenn ich alleine im Auto wäre. Das sie es dann auch noch erwähnen macht die ganze Lage etwas angespannt. Ich glaube ich hätte in dem Augenblick angehalten und hätte die beiden rausgeworfen. Das ausgerechnet der ihr unbekannte Vater des Mädchens in Hollyhock wohnt, fand ich schon kurios.
 
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Wandablue

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@Renie: Es ist ein nettes Unterhaltungsbuch. Da gehe ich mit. Aber mehr nicht.Und ich hab es dafür "bestraft", dass es nicht mehr ist, obwohl es das leicht hätte sein können. Das ist nun einmal so. Ein paar Personen weniger - und die dafür ausführlicher. Das wärs gewesen.
 
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Renie

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@Renie: Es ist ein nettes Unterhaltungsbuch. Da gehe ich mit. Aber mehr nicht.Und ich hab es dafür "bestraft", dass es nicht mehr ist, obwohl es das leicht hätte sein können. Das ist nun einmal so. Ein paar Personen weniger - und die dafür ausführlicher. Das wärs gewesen.
Ach, guck mal. Da sind wir gar nicht weit auseinander. Uns trennen nur das Wörtchen „nett“ und die unterschiedliche Sichtweise auf die Unterhaltungsliteratur :D
 

Literaturhexle

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Also reine Unterhaltungsliteratur ist für mich Jojo Moyes, Hera Lind und Konsorten.
Wer reine Unterhaltung sucht, wird mit unserem Buch gar nicht glücklich: zu viele Figuren, zu viele Zusammenhänge, die nicht auf dem Tablett serviert werden, sondern die man sich (mittels LR oder Notizen) zusammensuchen muss.

Nein. Das entsetzliche Glück ist keine Hochliteratur und keine Unterhaltung, sondern irgendwas dazwischen.
Dafür ist es gut gemacht und regt zum Nachdenken an.
 

ulrikerabe

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Das kann man auch so sehen. Ja. Für mich ist Kenji irgendwie eine recht gefühllose Person. Wenn ihn der Weggang der beiden Freunde gestört hat, dann war das in meinen Augen nur das Gehen bzw das Sitzenlassen der eigenen Person. Die von allen anderen Erdenbewohnern gefälligst auf Händen zu tragen ist! Ich finde Kenji zutiefst unsympathisch, wie man sicher unschwer bemerkt. ;)

Ich halte Kenji eigentlich gar nicht für gefühllos. Er kommt mit dem Verlassenwerden nicht zurecht. Er hat damit nicht nur die Partnerin, sondern auch den besten Freund verloren. Es ist in dieser Position, auch wenn man klug und reflektierend ist, nicht so einfach die Paar-Ebene und die Ich-Ebene zu trennen. Sogar wenn man objektiv weiß, dass es Gründe für das Gehen des Partners gibt, steht das Gefühl, betrogen und verlassen worden zu sein, im Vordergrund

Ein Verlust der doppelt schmerzt. Wie soll jemand, dem sich "ein bodenloser Abgrund" auftut, noch das Vertrauen aufbringen, auf jemand einen Schritt zuzugehen, wenn es keinen Bodern mehr gibt, auf dem man sich bewegen könnte. Das kann mitunter sehr lange dauern oder sich nie legen.
 

Literaturhexle

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Ich halte Kenji eigentlich gar nicht für gefühllos. Er kommt mit dem Verlassenwerden nicht zurecht.
Ich denke, er ist etwas introvertiert, vielleicht mit leicht autistischen Zügen. Das hat zur Folge, dass er wenig Empathie zeigen kann. Weder in der Familie (da winken sie doch auch ab) noch bei Kenji und Lucy. Insofern wundert es nicht, dass seine Wahrheit weit weg von der Wahrheit ist.
Nun hat er ein erfolgreiches Buch geschrieben. Viele Künstler sind doch ein bisschen eigen und ich-fixiert, oder ;)
 
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Wandablue

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Also reine Unterhaltungsliteratur ist für mich Jojo Moyes, Hera Lind und Konsorten.
Wer reine Unterhaltung sucht, wird mit unserem Buch gar nicht glücklich: zu viele Figuren, zu viele Zusammenhänge, die nicht auf dem Tablett serviert werden, sondern die man sich (mittels LR oder Notizen) zusammensuchen muss.

Nein. Das entsetzliche Glück ist keine Hochliteratur und keine Unterhaltung, sondern irgendwas dazwischen.
Dafür ist es gut gemacht und regt zum Nachdenken an.

Kann man so sehen. Bei der Unterhaltung unterscheide ich zwischen Guter Unterhaltung Unterhaltung und l(s)eichter Unterhaltung. Annette Mingels Roman ist Gute Unterhaltung. Sie hat bei mir das Pech gehabt, dass ich erst den Hausmeister lesen musste und dann diese Raubgeschichte und beide waren besser als ihr Buch. Da muss man ja dann runtergehen mit den Punkten.
 

KrimiElse

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Die Vermutung, dass Kenji den Kern des Roman bildet, scheint sich zu bewahrheiten, um ihn kreisen viele Geschichten und Basils empfindet jenes Glück, jemandem nahe zu sein, ohne ihn erreichen zu können.
Da hast du sicher recht. Und es erscheint mir aus der Sicht der Autorin logisch, ihn zu nehmen. Er ist mit seinem Erzählband der „Dokumentierer“ von vielen kleinen Geschichten.
Mir hat übrigens gefallen, dass die Dreiecksbeziehung zwischen Lucy, Kenji und Basil hier aufgelöst wird.
 
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KrimiElse

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In diesem Kapitel zeigt sich deutlich, dass eine Ehegeschichte immer zwei Lesarten hat. Sauls Erinnerung wirft einen ganz anderen Blick auf die Ehe. Er wirkte auf mich auch sympathischer als seine Frau.
Das macht für mich inzwischen den Reiz des Buches aus, dass man die Geschichten nicht einseitig sieht. Unzuverlässige Erzähler werden hier bloßgestellt.
 

KrimiElse

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Blindgänger hat mich sehr angesprochen. Schon formal, weil hier ganz viele kleine Verknüpfungen erfolgen. Saul ist der Vater von Aiko und Kenji. Nomi, seine Frau ist ausgezogen. Er plant das Haus zu verkaufen. So treten Susan die Maklerin und Dan der Handwerker auf. Sein Cousin ist Liam, der Mann, mit dem Amy in der Geschichte "Retter" eine sexuelle Beziehung hat.

...eine "lauwarme Existenz". Haben das nicht die meisten von uns? Wir "essen, trinken, arbeiten und gehen nicht zu spät ins Bett..." Was ist es, was unserem Leben mehr Wärme gibt. Wofür können wir brennen?

Das Haus ist alt. Schon Aiko hat das in der Geschichte "Verbündete" gesehen. "Wie ein alter Mensch, der im Pyjama Besuch empfängt."
Mit Nomis Auszug leeren sich die Zimmer (ein ganz ähnliches Bild gibt es in dem Buch Das Leben ist ein wilder Garten von Roland Buti). Es sind nicht die fehlenden Gegenstände, die auffällig sind. Saul erkennt dass sein Leben immer lückenhafter wird. So wie die Beziehung schleichend auseinander ging, ist das Haus verfallen. "Zu nahe dran".

Der Blick auf das Elternsein so wie das Kindsein gefällt mir gut. Saul ist bald 60, doch bei seiner Mutter fällt er in kindliche Verhaltensmuster.
Kinder sehen die Eltern nicht so wie sie wirklich sind, sagt Saul. Und dass Eltern für Kinder immer weniger wichtig werden.
In dieser Geschichte gab es so viele Bilder, die mich sehr angesprochen haben. Und manchmal wehmütig haben werden lassen. Ja, das ist für mich auch eine sehr gut geschriebene Episode.
 

KrimiElse

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Das kenne ich auch. Obwohl ich selbst über 60 bin, werde ich manchmal im Umgang mit meinen Eltern wieder zum Kind. Weniger in dem, was ich tue, da vertauschen sich mittlerweile die Rollen, sondern auf meiner Gefühlsebene. Da kommen manchmal alte Kränkungen oder auch Schuldgefühle wieder hoch.
Das kann ich auch unterschreiben. Und ich finde es in der Geschichte sehr gut umgesetzt.
 

KrimiElse

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Bei diesem Roman reichen mir aber die Geschichten, die das Leben schreibt. Diese Geschichten berühren mich, wie auch nicht?
Das geht mir auch so, auch wenn ich mich nicht in allen Geschichten wohl fühle. Es ist angenehm zu lesen, und die verschiedenen Blicke befriedigen meine Neugier als Leser. Auch wenn ich genau das am Anfang nicht gut fand, kommt man mit der Zeit irgendwie im Buch an.