Rezension (4/5*) zu Die Stadt der besonderen Kinder: Roman von Ransom Riggs

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parden

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Nach dem Angriff auf die Zeitschleife Cairnholm haben Jacob und die besonderen Kinder sich in letzter Sekunde mit mehreren Ruderbooten aufs Festland gerettet. Auch die Headmistress Miss Peregrine konnten sie von der Insel bringen, allerdings ist diese verletzt und kann sich nicht in ihre menschliche Gestalt zurückverwandeln. Dabei könnten die Kinder ein wenig Hilfe und Anleitung gebrauchen, sind sie doch ausgerechnet im England der 1940er Jahre gelandet. Sie müssen sich also nicht nur der fortgesetzten Angriffe ihrer Verfolger erwehren, sondern sich auch durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs kämpfen.
Schnell wird den Kindern klar, dass sie Miss Peregrine unbedingt zu einer anderen Ymbryne bringen müssen, da eine solche Magierin ihr als Einzige helfen könnte. Angeblich soll eine gewisse Miss Wren in London leben und dort eine Zufluchtstätte für besondere Kinder verteidigen. Doch ausgerechnet in London droht den Kindern die größte Gefahr...

Ich hatte gute Momente und schlechte, hatte ängstliche Gedanken und zuversichtliche (...) Und in den panischen Momenten fühlte es sich an, als würde ich in eine Rolle gesteckt, um die ich nicht gebeten hatte. Als hätte ich mich für den Dienst an vorderster Front in einem Krieg melden müssen, dessen Ausmaß wir noch gar nicht abschätzen konnten. (S. 53)

Band zwei der Reihe um die besonderen Kinder steigt an genau der Stelle ein, an der Band eins endete. Das gefiel mir schon einmal, denn so fand ich nahtlos Anschluss an die Geschehnisse im ersten Band, den ich gerade erst vor kurzem gelesen habe. Für alle anderen, für die die Lektüre der ersten Folge schon länger her ist, gibt es als 'Wiedereinstigeshilfe' vor der eigentlichen Geschichte eine Bildergalerie der involvierten Personen, die aus Band eins bekannt sind. Die alten Fotos aufgereiht nebeneinander, darunter der Name und die Besonderheiten der jeweiligen Person. Eine schöne Idee, wie ich finde.

Überhaupt: die Aufmachung. Ein derart liebevoll gestaltetes Buch ist mir tatsächlich lange nicht mehr untergekommen. Hardcover, der Inneneinband wie eine altertümliche Tapete in dunkelbraunem Muster gehalten, die Seitenzahlen in Schnörkel eingebettet - und dann: die Fotos!
Wieder sind es die zahlreichen eingebundenen Fotos, die der Erzählung mehr Authentizität verleihen, als es die Geschichte alleine könnte. Alte Fotos, die für sich genommen interessant bis skurril sind - und wenn man Riggs Glauben schenken darf: unverfälscht - verschaffen hier in diesem Zusammenhang wieder einen Gruselfaktor, denn plötzlich könnte das Gelesene wahr sein.

'Bin ich wirklich hier?' fragte ich sie. 'Schlaf weiter', sagte sie. 'Glaubst du, wir schaffen es?' Sie küsste mich auf die Nasenspitze. 'Schlaf weiter.' (S. 222)

Aber die Verpackung ist ja nicht alles. In erster Linie geht es ja um das Geschriebenen - und die Düsternis von Äußerem und Innerem greift hier nahtlos ineinander. Getrieben, heimatlos, in ständiger Angst und Bedrohung irren die besonderen Kinder durch die Kriegswirren Englands und durch die Zeiten, doch nirgends können sie bleiben, kein Ort ist mehr sicher. Ihre Verfolger sind überall, die Aussichten, tatsächlich nach London zu gelangen und die letzte verbliebene Ymbryne zu finden, die Miss Peregrine noch rechtzeitig zu retten imstande wäre, schwinden mit jedem Tag.

Auf dem Weg, in den Zeiten größter Gefahr, erhält der Leser Gelegenheit, die Charaktere näher kennenzulernen. Aus der Perspektive Jacobs erzählt, der erst seit kurzer Zeit weiß, dass auch er zu den besonderen Kindern gehört, erlebt der Leser die Aufregungen, Abenteuer, Gefahren hautnah mit und erfährt dabei von den Stärken und Schwächen der einzelnen, die sich gerade in den besonderen Zeiten deutlich herauskristallisieren.
Die Handlung ist rasant bis ruhig, teilweise mit etwas langatmigeren Abschnitten. Insgesamt jedoch greift sie die Geschehnisse aus Band eins in weiterhin angenehmem und flüssigem Schreibstil gelungen auf und führt sie hier weiter.

Dabei war ich gegen Ende schon fast bereit, dem Buch abgesehen von ein paar neuen Besonderheiten ein Weniger an Überraschungen zu attestieren - als eben gegen Ende genau diese eintraten. Gerade als ich schon gar nicht mehr damit rechnete. Gelungen. Und: gemein. Denn die dadurch angestoßenen neuen Entwicklungen lassen nun alle in der Luft hängen. Die besonderen Kinder, die Ymbrynes - und mich als Leser. Bleibt zu hoffen, dass bis zum Erscheinen des dritten Bandes der Reihe nicht wieder so viel Zeit vergeht!

'Aber du kannst dich nicht jede Sekunde schlecht fühlen', wollte ich ihr sagen. 'Das Lachen macht schreckliche Dinge nicht schlimmer, genauso wenig, wie sie durchs Weinen besser werden. Es bedeutet doch nicht, dass es dir egal ist oder dass du schon vergessen hast. Es bedeutet nur, dass du menschlich bist.' (S. 360)

Insgesamt eine gelungene Fortsetzung der Geschehnisse um die besonderen Kinder. Düster und ein wenig gruselig, gelungen untermalt durch die zahlreichen alten Fotos, entführt Band zwei der Reihe den Leser abermals in die Welt von Jacob, Emma & Co. Zwischendurch etwas langatmig, weiß der Roman insgesamt jedoch gekonnt zu unterhalten - und der böse Cliffhanger am Ende lässt Band drei herbeifiebern!

© Parden

Die Reihe um die 'besonderen Kinder' umfasst bisher folgende Bände:

1. Die Insel der besonderen Kinder
2. Die Stadt der besonderen Kinder

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