3. Leseabschnitt: Zweiter Teil, Kapitel 1 bis 21 (S.131 bis 226)

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Ich fühle mich weiterhin gut unterhalten und angeregt von dem Buch, aber auch etwas an der Nase herumgeführt: es geht mir alles ein bisschen zu schnell und zu einfach:
- die verborgene Schwangerschaft
- die Geburt in Heimlichkeit
- die Flucht
- das Auffinden von Svenja.

Alles klappt deutlich zu sehr auf Anhieb, ohne erwartbare Probleme und Komplikationen.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Ich glaube, ich hätte mich dann fürs Aufstehen entschieden, als so etwas unwidersprochen stehen zu lassen.
wäre er aufgestanden, wäre es das gewesen. Auch im Gespräch mit Björn und Svenja wird deutlich, dass er um jeden Preis eine Wiedergutmachung möchte. Dafür ist er bereit, seine Überzeugungen zu verschweigen und erstmal hintenan zu stellen. Und was würde eine Diskussion bringen? Die kritischen Fragen hebt er sich für Sigrun auf, in der Hoffnung sie noch beeinflussen zu können.
Meine Tochter ist aktuell 14 und da muss ich sagen, sie ist deutlich weiter entwickelt als Sigrun. Das beschriebene Verhalten erinnert teilweise an eine 10Jährige oder sogar noch jünger. In dieser Hinsicht ist die Figur nicht völlig authentisch, in ihrem Gedankengut, hinsichtlich der Welt, in der sie aufgewachsen ist, allerdings schon.

schnell und zu einfach: - die verborgene Schwangerschaft
- die Geburt in Heimlichkeit
- die Flucht
- das Auffinden von Svenja.
Ich glaube, das steht für Schlink nicht im Vordergrund, deshalb geht es so schnell. Im Mittelpunkt geht es um die Rettung einer Seele aus den Fängen der nationalsozialistischen Infiltration. Ob es ihm gelingen wird?
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Diesen Abschnitt fand ich zu Beginn sehr spannend. Kaspar nimmt die wenigen Hinweise, geht methodisch vor und hat auch Erfolg. Wobei mit letztlich das Auffinden von Svenja etwas zu schnell und einfach ging. Nachdem ihre Zieheltern sie nicht gefunden haben und auch Raul nicht (nun gut, vielleicht waren sie nicht hartnäckig genug), ist sie irgendwie einfach da, wo sie zu vermuten war.
Der Teil mit dieser völkischen Siedlung - da hat es mich gegruselt und angewidert. Ich begreife generell nicht, wie es so rückwärts Gewandte geben kann. Ich glaube, tatsächlich Kaspar versucht, Sigrun zu retten oder ihr eine andere Welt zu zeigen. Dafür setzt er ganz schön viel ein. Ob er Erfolg haben wird? Ich würde es hoffen, sicher bin ich mir nicht.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich bin gerade erst am Anfang des Abschnittes, aber ich habe schon eine Frage in die Runde: was hat es mit dem "Ersten" auf sich, mit dem Leo zweimal in Verbindung gebracht wird? War er sowas wie ein Ortsvorsteher oder Bürgermeister?
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Ich bin gerade erst am Anfang des Abschnittes, aber ich habe schon eine Frage in die Runde: was hat es mit dem "Ersten" auf sich, mit dem Leo zweimal in Verbindung gebracht wird? War er sowas wie ein Ortsvorsteher oder Bürgermeister?
Wenn Du weiterliest, müsste es sich eigentlich ergeben: Bürgermeister. Er wurde doch verantwortlich gemacht für den Zustand der Stadt und dafür, mit der Stasi kooperiert zu haben. Wobei das nach seiner Aussage auf dieser Position aber nicht anders ging.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Die ersten beiden Abschnitte wirkten geordneter auf mich. Hier erleben wir Kaspar nun von einer anderen Seite. Zu Beginn hätte ich ihm gar nicht zugetraut, dass er bereit ist so viele Dinge in die Wege zu leiten um Birgits Tochter zu finden. Es ist ihm sehr wichtig zu beenden, was Birgit vor hatte. Hier passiert nun vieles in schnellem Tempo. Teilweise war es mir fast schon zu schnell. Gerade erst hat er den Verlust der Frau erlitten und nun kommt das Enkelkind zu Besuch. Man muss Kaspar dabei zu gute halten, dass er sich sehr bemüht. Er möchte niemandem auf die Füße treten, schon gar nicht Björn und Svenja. Das ist bestimmt nicht leicht in so einem Umfeld
Sigrun wurde von ihren Eltern sehr stark geprägt, ich bin gespannt, ob ihr Aufenthalt in Berlin ein Umdenken ankurbelt. Kaspar selbst versucht sie nicht zu beeinflussen, aber sie könnte durch andere Dinge erkennen, dass nicht alles wahr ist, was ihre Eltern ihr predigen. Verwundert war ich übrigens als sie den Wahrheitsgehalt der Bücher in der Buchhandlung anzweifelte. Der Lehrplan wird doch sicher an ihrer Schule auch solche Themen beinhaltet haben. Stellt sie das Wort der Eltern wirklich über alles?
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Was haltet ihr eigentlich von der Figur Kaspar? Ich kann ihn nicht so richtig greifen. Einerseits berührt er mich in seiner Naivität und seinen Bemühungen, andererseits fehlt ihm doch die Haltung. Er lässt es zu, dass Leo Birgit als "Flittchen" bezeichnet (S. 149), er singt und johlt mit den Völkischen.
Ich halte ihn für einen lieben Kerl, der gelernt hat, dass es bei einigen Menschen einfach nichts bringt, wenn man dagegen hält. Mir als Leser drängte sich da direkt die Frage auf, wie er so ruhig bleiben konnte…..
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Bei einem Vater wie Björn würde mich das nicht wundern. Vielleicht würde sie gern, aber sie ist halt auch "nur" ein Kind ihrer Eltern. Die kleinen Schritte Kasper´s sind vielleicht die richtigen...
Ich hoffe es, allerdings wird es für Sigrun erst recht schwer, sollte Kaspar Erfolg haben. Björn wird das sicher nicht akzeptieren
 

Barbara62

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19. März 2020
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Der Kuhhandel (sorry, Sigrun) mit den Eltern ist in meinen Augen der Tiefpunkt in Sachen Unglaubwürdigkeit. Sigrun darf kein Hakenkreuz-Piercing haben, aber mal eben ein paar Wochen im Jahr bei einem wildfremden Mann verbringen, mit dem sie nicht einmal verwandt ist? Nee, oder??
Völlig unglaubwürdig.

Dann würde mich interessieren, wann Bernhard Schlink zum letzten Mal eine 14-Jährige getroffen hat? Ob völkisch oder nicht, die Auswahl der Bücher ab S. 203 wirkt so, als käme sie vom Mond.
Die Verblendung ist ok, die Heß-Begeisterung auch, aber der Rest ist keine Vierzehnjährige, selbst wenn sie in außergewöhnlichem Umfeld aufgewachsen ist.

Die ganze Szene erscheint mir unglaubwürdig. Wenn man bedenkt, dass Svenja bisher davon ausgegangen ist, dass die Weises ihre Eltern waren, ist ihre Reaktion auf den Besuch Kaspars verwunderlich. Da sagt man doch nicht, wir trinken erst mal Kaffee. Das muss einem doch in seinen Grundfesten erschüttern.
Alle reagieren so seltsam ausgeglichen. Es sind markerschütternde Neuigkeiten, die Kaspar mitbringt, und alle bleiben ruhig.

Zu gut für diese Welt.
Ein typischer Buchhändler eben. Genau deshalb hat Schlink ihm diesen Beruf angedeihen lassen. ;)

Es ist die Sprache Schlinks, die ich schon in anderen Büchern als etwas altbacken empfunden habe.
Seite 211: "Sigrun war's zufrieden." Das habe ich zuletzt in Märchen gelesen.
Ich mag altmodische Sprache, wo sie passt. Aber hier empfinde ich sie als Fremdkörper.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
So leid es mir tut, aber ich glaube nicht an die Geschichte, sie wirkt mir zu ausgedacht, zu glatt, die meisten Figuren zu klischeehaft. Ich habe keine Zweifel, dass Schlink den Hintergrund gut recherchiert hat, und natürlich will ich wissen, wie es weitergeht und trotzdem sträubt sich mein Bauchgefühl beim Lesen. Nichtsdestotrotz liest es sich leicht.

An der ein oder anderen Stelle stolpere ich, zum Beispiel, wenn es um Paulas Sohn geht. Ich hatte auf Seite 126 verstanden, er hieße Martin junior, nach dem Vater. Auf Seite 141 heißt er dann Detlef - oder ist das jemand anderer? Ich bin verwirrt.

Sehr einleuchtend finde ich die Geschichte von Svenja, die ja wohl behütet aufwächst, aber tief in sich spürt, nicht in diese Familie zu gehören. Davon habe ich schon öfter gehört. Die Rebellion hängt eng damit zusammen. Sie kann nicht in Worte fassen, was nicht stimmt, ihr Unterbewusstsein sagt ihr aber, dass sie am falschen Platz ist.

Es ist kein schlechtes Buch, gewiss nicht, aber ich werde einfach nicht so ganz damit warm.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ach Leute, ich bin altbacken, dabei bin ich rund 20 Jahre jünger als der Protagonist. Abgesehen von dem "allerliebst" benutze ich all die hübschen Worte, die auf eurer Liste stehen, fast täglich. Ich bin´s zufrieden;)

Ansonsten lache ich mich fast schlapp bei eurer Diskussion! Wie könnt ihr das ernst nehmen? Schlink hat ein Weihnachtsmärchen geschrieben! Deshalb ist das auch so schön kurzfristig vor dem Fest erschienen:D

Ich stelle mich zu 100% an die Seite von Christian, Barbara und in Teilen RuLeka. Super, wie die liebe Xirxe gegenhält - nein, ich kann die Geschichte nicht als realistisch betrachten. Nun will ich es etwas begründen, auch wenn ich mich wohl wiederhole.

Eine 14-jährige, die auf ein öffentliches Gymnasium geht, KANN nicht so hinterwäldlerisch sein. Oder sie würde schrecklich gemobbt und ausgeschlossen, wäre verdruckst und unglücklich. Mit 14 opponiert man gewöhnlich gegen das Elternhaus. Dieses Mädchen übernimmt Papas Meinung 1 zu 1. Strange.

Die Suche verläuft märchenhaft, das habt ihr schon erläutert.

Wie kommt Kaspar darauf, sein Vermögen dermaßen zu verpfänden? Hätte er massig Geld auf dem Konto - okay. Aber er muss schon für die erste "Rate" einen Kredit bemühen.... Schlechtes Gewissen hin oder her: Dieses Geld kommt in keiner Weise Sigrun zu Gute, noch nicht einmal Svenja, sondern dem bekloppten Vater! Warum 25.000 Euro? 5.000 hätten ihren Zweck in diesen Verhältnissen auch erfüllt. Märchenhaft!

Die Auskunftsfreude, die unterdrückte Svenja, die ihren Poltergeist zu nehmen weiß und ihm beruhigend den Arm auflegt, sich aber ihr Geld vorenthalten lässt und die Tochter zu einem fremden Mann schickt...
Eine völkische Mutter, die nicht kochen kann - gibt es das?

Die lange Fahrt nach Bonn. Hanebüchen! Raul hat längst innere Distanz zu Svenja und hätte telefonisch Auskunft gegeben. (Allerdings hätten wir dann auf die tiefschürfenden Gedanken während der Reise verzichten müssen: Die Tropfen, die sich sammeln und so).

Die Bekehrungsversuche sind niedlich. Erstaunlich, wie schnell Sigrun Vertrauen zu ihrem "Opa" fasst, wie schnell sie den Haushalt erkundet, wie wiss- und kulturbegierig sie ist (nicht jede 14-jährige liebt die Oper). Eine musterhafte Märchen-Enkelin (auch wenn sie das N-Wort benutzt:eek:)!

Ich freue mich für jeden, den die omnipräsenten Klischees nicht stören. Mir stoßen sie allüberall auf. Leo ist das sozialistische Vatermonster. Die böse Svenja, die sich von der Erziehungsanstalt nicht brechen lässt, zu den Rechten stößt (sie vermöbelte aktiv mit!) und nun ihrem Gatten als stilles Hascherl hörig ist. Die Gemeindeschwester, die besser als ein Arzt praktiziert. Sowas wird es geben, aber hier sind die wundersamen Figuren geballt abgebildet, viele wurden von euch schon genannt. Märchenhaft eben.

Auch die Geschichte um das Erbe: Svenja wurde adoptiert. Demnach hat sie m.E. gar keine Ansprüche auf Birgits Hinterlassenschaft. Die Forderungen Björns sind zunächst also haltlos (erst das erfundene Testament begründet Ansprüche), er wird unglaublich dummdreist dargestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine aufgeweckte 14-jährige Gymnasiastin einem solchen Vater aus der Hand frisst.

Ich lese es ab jetzt als Weihnachtsmärchen:)
Schade eigentlich. Der erste Teil hat mich noch deutlich mehr überzeugt. Da konnte ich mich noch in die Protas einfinden, ihre Handlung nachvollziehen. Hier wird mir jetzt die Intention des Autors allzu deutlich.
Ein interessantes Thema - doch etwas zu konventionell (trivial mag ich noch nicht sagen) aufbereitet.
 

Literaturhexle

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Auf Seite 141 heißt er dann Detlef - oder ist das jemand anderer? Ich bin verwirrt.
Ich verstehe es wie du. Auch das ist doch nicht realistisch: Dass man seinen begabten Sohn, der in der Welt forscht und überall tolle Jobangebote bekommt, an die elterliche Scholle hängen will? Ja, das gibt es. Und ja, Mutter Paula räumt auch ein, dass es nicht richtig ist. Es lebe der ostdeutsche Landarzt!
Sehr einleuchtend finde ich die Geschichte von Svenja, die ja wohl behütet aufwächst, aber tief in sich spürt, nicht in diese Familie zu gehören.
Stimmt. Und dazu dieser verblendete Vater, der die Tochter nur über ihre sozialistischen Erfolge und Abzeichen bewertet und ihr keine Freiheiten lässt. Das passt zunächst gut. Nur als erwachsene Figur finde ich sie nicht mehr stimmig.
 
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Reaktionen: RuLeka und Barbara62

RuLeka

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30. Januar 2018
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dass Schlink den Hintergrund gut recherchiert hat,
Das Positive an diesem Buch ist, dass Schlink hier den Fokus auf ein gesellschaftliches Problem legt, das nicht im Bewusstsein der Allgemeinheit liegt. Man kennt die Positionen der AFD, man sieht die Spinner, die gegen die Corona- Diktatur auf den Straßen rumschreien, aber die völkische Bewegung war mir nur am Rande ein Begriff.
Allerdings verpackt er seine Botschaft in eine arg konstruierte Geschichte.
Schlink hat ein Weihnachtsmärchen geschrieben! Deshalb ist das auch so schön kurzfristig vor dem Fest erschienen:D
Ich glaube nicht, dass das in seiner Absicht lag.
Wie kommt Kaspar darauf, sein Vermögen dermaßen zu verpfänden? Hätte er massig Geld auf dem Konto - okay. Aber er muss schon für die erste "Rate" einen Kredit bemühen
Da merkt man , dass der Autor ein anderes Verhältnis zu Geld hat als der Normalbürger. Wahrscheinlich erscheint ihm die Summe garnicht so hoch.
Die Bekehrungsversuche sind niedlich
Unrealistisch! Eine 14jährige, der als Gute- Nacht- Geschichte der Inhalt der „ Zauberflöte“ erzählt wird…
Schlink hat, so weit mir bekannt ist, selbst keine Kinder und kennt sicherlich auch nur Jugendliche aus gutbürgerlichem Hause.
Jeder Lehrer schüttelt vermutlich den Kopf über den Gedanken, man könne fehlgeleitete junge Menschen so einfach „ bekehren“.

Der Roman hat gute Ansätze, aber die Figuren sind allesamt unglaubwürdig und die Geschichte arg zusammengeschraubt.
 

Literaturhexle

Moderator
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2. April 2017
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Das meinte ich übrigens auch mit "Erwartungen nach unten und berieseln lassen." Dann geht's. ;)
Nur so geht´s!

Allerdings verpackt er seine Botschaft in eine arg konstruierte Geschichte
Das ist der Punkt. Die Grundthematik ist durchaus interessant.
Ich glaube nicht, dass das in seiner Absicht lag.
Ich auch nicht. Aber ich finde einige Elemente, die etwas Weihnachtsmärchenhaftes verströmen...