3. Leseabschnitt: Teil III (Seite 151 bis Ende)

petraellen

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Ungeziefer zählen zur langen Liste der Tiere, die zur Verunglimpfung von lästigen, unbeliebten oder angeblich gefährlichen Menschen herhalten. Zumindest in der Literatur. Spontan fällt mir dazu Kafka „Die Verwandlung ein“. In „Eine Liebe“ sehe ich es für die Dorfbewohner, für Andreas, der in Nat eindringt und sie sich dadurch verändert. Das marode Haus mit Rissen, wo besonders bei Regen Insekten mit eingespült werden. Andreas findet ersten Zugang durch den Regen. Die Ameisen auf dem Berg oder im Haus. Der Vermieter, der wie ein lästiges Insekt auftritt. So sehe ich das Cover.
 

Literaturhexle

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Ungeziefer zählen zur langen Liste der Tiere, die zur Verunglimpfung von lästigen, unbeliebten oder angeblich gefährlichen Menschen herhalten. Zum
Oha! Ich kann mir abgesehen von den Ameisen gar keinen Reim auf das Cover machen. Aber deine Interpretation gefällt mir ausgesprochen gut!
Der Einband hat dann das hoffnungsfrohe Grün, was man auf das Ende projizieren könnte...
Doch warum muss ich davon lesen? Welche „ Botschaft“ steckt dahinter?
Das Problem haben wir ja bei fast jedem Buch: den einen packt es, den anderen nicht.
Ich denke da immer an meine VHS Literaturkursleiterin: Große Literatur handelt meist von beschädigten Figuren. Warum müssen wir von Stoner lesen, den wir beide so sehr geschätzt haben?

Mich hat Nats Innenleben irgendwie interessiert. Ihre Zerrissenheit, Bedürftigkeit und Unsicherheit. Dazu diese eingefleischten Dörfler in ihrem Mikrokosmos. Das ist aus meiner Sicht literarisch gut umgesetzt. Das Ende könnte etwas klarer sein, aber so bleibt es zur Figur passend vage und realistisch.
 

Literaturhexle

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Wie findet ihr eigentlich das falsche Verhalten der Nachbarin, als sie Nat auf einen Tee hereinbittet? Ich wunderte mich ehrlich gesagt wegen der versöhnlichen Geste....

Und dann gibt sie ihr noch richtig einen mit: wir KÖNNTEN dich fertig machen...
Das fand ich schon herbe.
Ebenso wie das Teegeschenk, als Nat in Liebeskummer versank: mit den Worten: du würdest das auch tun, wir müssen zusammenhalten. Das klang für mich, als wollten sie Nat für die Zukunft in die Pflicht nehmen. Also Sympathieträger sind die Eltern des Kindes auch nicht.

Der Hundebiss ist ganz furchtbar. Man ist auf dem Land, da scheint viel Getier herumzulaufen. Man muss auch seinen Kindern Grenzen in Bezug auf fremde Tiere und Grundstücke beibringen. Die Schuld liegt hier nicht nur auf einer Seite. Ich würde voll verstehen, wenn die Nachbarin keinen Kontakt mehr zu Nat gaben wollte. Aber diese Scheinheiligkeit ist auch nicht in Ordnung und zeugt von Rachegelüsten.
 

GAIA

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Wir haben selbst einen Hund, sehr lieb, freundlich, mit Kindern die zu Besuch kommen, lasse ich ihn trotzdem nicht allein, weil man nie weiß was passiert.
Genauso handhaben wir es auch! Und das sollten alle verantwortungsvollen Hundebsitzer tun!
Wir haben drei Hunde. Insgesamt haben wir sechs verschiedene Hunde (mit verschiedenen Vorerfahrungen und Temperament) in den letzten 10 Jahren gehabt und nie, selbst beim Liebsten von allen, hätten wir Kinder mit ihnen allein gelassen. Und selbst wenn man dabei ist, kann etwas passieren. Als mein jüngster Neffe 2 Jahre alt war, habe ich mich neben ihn gehockt und mit ihm gemeinsam seine rechte Hand geführt, um ausschließlich zusammen (!) einen unserer Hunde zu streicheln. In einem Sekundenbruchteil hebt der Junge die linke Hand und sticht mit dem Zeigefinger ins Auge des Hundes, wie er es vielleicht bei einem Kuschtier gemacht hätte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Zum Glück war unser Hund einfach nur erschrocken und ist weggerannt. Aber hätte mir jemand vorab die Situation geschildert und gefragt, wie der Hund reagieren wird. Ich hätte geantwortet, er würde wahrscheinlich zuschnappen. Kinder agieren oft unvorhersehbar sowohl für Erwachsene als auch und noch mehr für Hunde. Die hantieren dann z.B. mit den Tieren wie mit Kuscheltieren und allein das kann schon den Hund bedrängen und einen Biss zur Folge haben.
 

petraellen

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Oha! Ich kann mir abgesehen von den Ameisen gar keinen Reim auf das Cover machen. Aber deine Interpretation gefällt mir ausgesprochen gut!
Der Einband hat dann das hoffnungsfrohe Grün, was man auf das Ende projizieren könnte...
Ameisen werden auch bekämpft. Wer hat schon gerne Ameisen im Haus oder Terrasse Garten etc. Hier im Buch tanzt eine Ameise am Berg Glauco aus der Reihe (S.187) . S. 19 Insekten, Spinnen, Ameisen, etc im Haus. Auf S.119 hören beide das Summen der Insekten. Insekten sind eine Metapher im Roman. Der Einband läßt an den Berg Glauco erinnerne, das Graugrüne S. 18
 

Literaturhexle

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Nun muss man dazu sagen, dass sich die Bewusstheit Tieren gegenüber in den letzten Jahren hier bei uns extrem geändert hat. Hunde sind Familienmitglieder geworden. Früher hatten sie eher Wachhundfunktion, niemand hätte Geld für eine Hundeschule ausgegeben. Wenn der Hund nicht funktioniert, wird er erschossen. Klatschbum.
In dieser ländlichen spanischen Welt ist das eben noch immer so. Absolut nachvollziehbar.
 

GAIA

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Und dann gibt sie ihr noch richtig einen mit: wir KÖNNTEN dich fertig machen...
Das fand ich auch heftig. Es kommt ja schon vor, dass etwas subtil angedeutet wird, sie hätte provozierend sagen können: "Du kannst froh sein, dass wir dich nicht angezeigt haben." (oder so) Aber sie spricht eindeutig mit "fertigmachen" eine Bedrohung darüber hinaus aus. Ich könnte mir vorstellen, dass sie Nachbarin generell sich über Nat erhaben fühlt, so wie sich Nat über die Dorfbewohner erhaben gefühlt hat. Die Nachbarin ist eine Städterin, die nur am Wochenende mal kurz vorbeikommt und nciht immer im Ort leben muss. Damit fühlt sie sich vielleicht mächtiger als Nat. Aber das sind Vermutungen, leider gibt der Text nicht viel her zur Begründung dieses krassen Verhaltens.
 

GAIA

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In dieser ländlichen spanischen Welt ist das eben noch immer so.
Auch ist es dort noch so, wie beschrieben beim Vermieter. Viele Hunde werden "benutzt" und dann "ausrangiert", wenn nicht mehr gebraucht. Bei Jagdhunden ist das in Spanien wohl ganz häufig so. Sie werden zwei max. drei Saisons für die Jagd genutzt und weil sie "alt" und "unfit" werden, dann aussortiert und einfach auf der Straße aus dem Auto geworfen. Da geben sich viele gar nicht erst die "Mühe" sie zu erschießen. Sie werden zum Verhungern ausgesetzt. :sad
 

Christian1977

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Wie findet ihr eigentlich das falsche Verhalten der Nachbarin, als sie Nat auf einen Tee hereinbittet? Ich wunderte mich ehrlich gesagt wegen der versöhnlichen Geste....

Und dann gibt sie ihr noch richtig einen mit: wir KÖNNTEN dich fertig machen...
Das ist eine der Szenen, die ich wirklich furchtbar fand. Überall diese Negativität! Erst bei den Schlangen im Garten, jetzt hier. Ich glaube, diese Überdrüssigkeit meinerseits hat dazu beigetragen, dass ich den Roman irgendwann nicht mehr so mochte...
 

ulrikerabe

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Die Nachbarin ist eine Städterin, die nur am Wochenende mal kurz vorbeikommt und nciht immer im Ort leben muss. Damit fühlt sie sich vielleicht mächtiger als Nat.
Aber Nat muss doch auch nicht dort leben. Sie hat keine Verpflichtungen, keine Familie, kein wirtschaftliches Interesse. Das Haus ist zur Miete und äußerst unwohnlich. Sie mag es dort nicht und niemand mag sie dort. La Escapa ist nicht nur Flucht sondern Strafe für sie. Meine Güte, diese Frau ist so leidensfähig, dass es fast fremdwehtut. Vielleicht gibt das doch einen Punkt mehr, dass ich dieses Gefühl dazu habe. immerhin ist es mir nicht ganz egal. :)
 

Literaturhexle

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Aber Nat muss doch auch nicht dort leben. Sie hat keine Verpflichtungen, keine Familie, kein wirtschaftliches Interesse.
Du unterschlägst, dass sie kein Geld hat. Das beschränkt die eigenen Möglichkeiten immens. Sie ist vor was auch immer geflohen (Scham, Überdruss, Dorflust,...) und hier gelandet. Außerdem ist sie alles andere als ein Packan. Man darf sie schon bewundern, dass sie ein paar Tage ihrer Energie verwandt hat, um das Haus auf Vordermann zu bringen. Sie ist ein ganz anderer Charakter als du, sei gewiss;). Man muss sich komplett auf sie einlassen.
 

GAIA

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Aber Nat muss doch auch nicht dort leben.
Es geht ja aber um die Nachbarin und was sie zu Nat sagt. D.h. die Nachbarin bezieht ja nicht all die Sachen, die du danach zu Nat gesagt hast (und die ich alle richtig finde!) mit ein. Also was ich meine: Meine Argumentation ging jetzt nur von den möglichen Gedanken und Bewertungen der Nachbarin aus.
 
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Reaktionen: Irisblatt und RuLeka

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Sie zahlt Miete. Sie kann woanders auch Miete zahlen. Was sie letztendlich auch tut.
Ich finde auch, dass es wichtig ist zu betonen, dass sie durchaus Geld hat. Nicht viel, aber es reicht für das Haus (übrigens keine Wohnung! Man könnte vermuten, dass doch bestimmt auch in Spanien z.B. Einliegerwohnungen günstiger sind als ein ganzes Haus, oder?), die ganzen Tierarztgeschichten für den Hund, sie hat ein Auto usw.

Ich bin ebenso der Meinung, dass Nat ganz schön vor sich hin leidet und durchaus die Möglichkeit schon früher gehabt hätte, etwas zu ändern, nicht erst ganz am Schluss. Aber das ist ein anderes Thema. :p
 

Literaturhexle

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Aber das ist ein anderes Thema. :p
Und dann wäre es ein anderes Buch;)
Ich finde das Verhalten der Protagonistin glaubwürdig und schlüssig. Es passt zur Anlage der Figur. Mich hat sie nicht genervt, auch wenn ich vieles anders gemacht hätte und gewiss kein Verständnis im engeren Sinne habe.

Es wird ja deutlich, dass der Vermieter sie auch beim Preis für die Bruchbude über den Tisch gezogen hat. Das neue Haus ist ja besser und günstiger. Nat ist keine Macherin, keine Geschäftsfrau. Sie ist, was sie ist.
 

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Vermutlich sollte der Einband vom Stil her lediglich zum Einband des Vorgängerromans passen - also eine rein ästhetische Entscheidung.
Ich denke schon, dass dies ein zentrales Kriterium war. Trotzdem sollte es einen Minimalbezug zur Geschichte geben, den ich aber keicer auch nicht wirklich erkennen kann.
Mir scheint, der Vermieter hat ihr hier ein Ei ins Nest gelegt. Ich habe herausgehört, dass dieser Hund bereits eine "Vorgeschichte" hatte. Ein gestörtes Tier kann man nicht geschwind mal umerziehen, zumal wenn einem die Kompetenz dafür fehlt.
Ja das stimmt wohl. Tiere haben ein sehr gutes Gedächtnis - im Positiven wie im Negativen. Wurde dem Tier einmal Leid zugefügt, wird es wohl immer etwas misstrauisch und vorsichtig bleiben. Da hilft allerhöchstens gaaaaanz viel Liebe.
Das vermisse ich schon auch. Ich habe viele Fragezeichen. Ich wüsste gerne etwas über Nats Vergangenheit, wüsste gern, warum sie so alleine ist.
Aber manchmal gibt es gar keinen konkreten Grund. Manche Menschen sind einfach Einzelgänger. Logischerweise lernen sie auch wenig über Miteinander und Empathie.
Ich würde Dir in Beidem zustimmen. Für einen Roman finde ich es aber schon schwach, wenn zu viele interessante Fragen ungeklärt bleiben - es sei denn, dies steht irgendwie im Zusammenhang zur Thematik des Romans.
Das könnte etwas mehr sein. Aber dann wäre es ein anderes Buch. Es gibt eben nicht immer logische Lösungen, warum sich jemand so oder so verhält. Nat ist verschroben und verkorkst. Man muss sie mit ihren Eigenschaften annehmen. Wenn man das tut, finde ich die Geschichte einigermaßen schlüssig.
Ja auch hier kann ich zustimmen. Allerdings ist es für Leser oft sehr anstrengend, nur von Negativität umgeben zu sein. Ich fidne das Buch eigentlich auch ganz gut, sehe aber schon auch Schwächen. Und die größte darunter ist für mich eine auch hier anzutreffende Schwarzmalerei. Keiner mag mich, keiner versteht mich, alle wollen mir Böses. Anstrengend! Man erwartet dann denke ich zunehmend, zumindest durch plausible Erklärungen "entschädigt" zu werden.
Ungeziefer zählen zur langen Liste der Tiere, die zur Verunglimpfung von lästigen, unbeliebten oder angeblich gefährlichen Menschen herhalten. Zumindest in der Literatur. Spontan fällt mir dazu Kafka „Die Verwandlung ein“. In „Eine Liebe“ sehe ich es für die Dorfbewohner, für Andreas, der in Nat eindringt und sie sich dadurch verändert. Das marode Haus mit Rissen, wo besonders bei Regen Insekten mit eingespült werden. Andreas findet ersten Zugang durch den Regen. Die Ameisen auf dem Berg oder im Haus. Der Vermieter, der wie ein lästiges Insekt auftritt. So sehe ich das Cover.
Sehr gelungene Interpretationen!
Das ist eine der Szenen, die ich wirklich furchtbar fand. Überall diese Negativität!
In diesem Fall kann ich deinen Unmut auch sehr gut nachvollziehen. Mich beginnt es immer dann zu nerven, wenn es zu schwarz-weiß wird sowie Erklärungen fehlen oder unzureichend sind.
 

Literaturhexle

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Solche Menschen nerven mich schon in der Realität.
Wen nicht, liebe RuLeka:grinning!
Und kennen tun wir sie alle. Die Krankheit ist weit verbreitet. Im realen Leben eine Zumutung, aber hier in diesem Buch hat es mir gefallen:). Ich habe es wirklich gerne gelesen und gefalle mir nicht in der Rolle der "Quotenfrau".