3. Leseabschnitt: Teil DREI (Seite 161 bis 227)

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
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Essen
In Teil Drei ist der Nationalsozialismus kein herauf dräuendes Phänomen mehr. Er ist da. Und Lud hat ein gespaltenes Verhältnis dazu, das sehr stark auf die Stimmung der Zeit aufsetzt:
Die revolutionäre Umformung des deutschen Volkes auch im Geistigen schreitet fort. Ich muss die Unabweisbarkeit dieser Entwicklung einsehen, aber ich kann nicht mitmachen. Fühle die Unmöglichkeit zu einem heroischen Leben. Ich bin also zur absoluten Resignation verurteilt, somit überflüssig. Selbstmord erwogen.

Die Wohngemeinschaft ist auseinandergebrochen. Das tut allen Beteiligten nicht gut. Lud ist in Münster und macht dort eine immerwährende Gradwanderung bei der Forschung rund um Giftstoffe. Dient er damit dem Krieg oder arbeitet er ihm entgegen? Er weiß es selbst nicht so genau. Will er es genau wissen??? Gut oder böse? Zu was dient das, woran er forscht. Die Grenzen sind nicht klar zu ziehen. Aber Forschung ist unweigerlich politisch, das muss er hier auch genau erkennen. Etwa als sein Kollege Domagk den Nobelpreis nicht annehmen darf, weil der Nobelpreis allgemein als nicht regimekonform eingestuft wird.
Lavierend läuft er durchs Leben und seine Arbeit und man nimmt ihm diese Haltung irgendwie ab, da es insgesamt in seinem Wesen liegt, als Einzelgänger und einsame Gestalt durchs Leben zu ziehen.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Und vorbei ist es mit der Freiheit. Die Nazis haben die Macht übernommen. Lud geht nach Münster und zu meinem Schrecken fängt der Kriegs- und Nazigegner mit der Giftgasforschung an. Und er redet sich damit raus, dass er ja an Behandlungsmethoden oder Gegenmitteln forscht. Hm. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Alma bleibt in Leipzig und hat Gelegenheitsjobs inne. Sie schläft mit Männern, die ihr irgendwie so über den Weg laufen. Binden will sie sich nicht. Ich glaube, sie wünscht sich immer noch Lud.
Wilhelm ist begeisterter Nazi und Deutscher und er ist der Vorzeigesohn, mit Frau und Kindern. Die Brüder haben nicht viel miteinander zu tun.
Die Verbindungen zwischen den einzelnen Personen wirken brüchig.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Hm. Worum geht es dem Autor?

Die Fast-Familie soll eigentlich im Vordergrund stehen. Ludwigs Verhältnis zur Mutter wird immer schwächer. Er fühlt sich dem Bruder gegenüber, der das stromlinienförmigere Leben (Frau, Kind, Parteizugehörigkeit) führt, wahrscheinlich zurückgesetzt und unverstanden.

Allein geht er nach Münster. Alma bleibt zurück und tröstet sich mit anderen Liebhabern. Schwanger wird sie nicht. Es wundert mich, dass sie während der Wirtschaftskrise finanziell über die Runden gekommen ist.
Mich wundert ehrlich gesagt, dass sich Alma und Ludwig in diesen Zeiten so sehr mit ihren eigenen philosophischen Befindlichkeiten aufhalten können. Sie scheinen mir doch sehr bewusst literarisch erhöht zu sein.

Gesellschaftliche Trends finden Eingang ins Buch. Z.B. der Erziehungsratgeber, nach dem Schreien die Lungen kräftigt. Auch dass Kollege Domagk gezwungen wurde, den Nobelpreis abzulehnen, wird bestimmt verbrieft sein.

Große Anteile hat Ludwigs Forschung, die mich ehrlich gesagt nicht so sehr fesselt. Ich habe keinen medizinischen Background. Was bleibt ist, dass Ludwig unwillentlich das Vernichtungsgas für die Gaskammern mitentwickelt.

Sprachlich bin ich recht angetan. Aber ansonsten fesselt mich die Lektüre nur mäßig. Wie ergeht es euch? Aus euren Beiträgen kann ich wenig herauslesen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Da mir nun bewusst ist, dass der Autor die Geschichte seines Großonkels hier aufzeichnet, frage ich mich weniger, was das soll. Er stützt sich dabei auf Aufzeichnungen seines Verwandten. Der lebte tatsächlich mit seinem Patenkind und einer Angestellten in einer „ Art Familie“. Sein beruflicher Werdegang ist authentisch. Er war kein Nazi , hat aber trotzdem für die Abwehr gearbeitet.
Es wundert mich, dass sie während der Wirtschaftskrise finanziell über die Runden gekommen ist.
Ludwig hat sie ja weiterhin unterstützt.
Gesellschaftliche Trends finden Eingang ins Buch. Z.B. der Erziehungsratgeber, nach dem Schreien die Lungen kräftigt.
Von diesem Buch habe ich schon anderweitig gehört. Es war noch lange nach der Nazi- Zeit ein anerkannter Erziehungsratgeber. Die Folgen dieser Erziehung sind noch heute zu spüren.

Der Roman fällt nach „ Dunkelblum“ zwar ab, doch ich lese gerne weiter.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Sprachlich bin ich recht angetan. Aber ansonsten fesselt mich die Lektüre nur mäßig. Wie ergeht es euch?

Wenn sich der Autor tatsächlich auf Tagebuchaufzeichnungen bezieht, sind diese vermutlich auch eher beschreibend. Und so kommt mir das Buch auch vor. Es zieht mich nicht in den Bann, kommt für mich aber authentisch rüber.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Hm. Worum geht es dem Autor?
Das frage ich mich auch. Will er „nur“ die Familiengeschichte erzählen? Die dunklen Seiten, die Zusammenarbeit mit den Nazis, in die Lud unweigerlich verfällt, als er beginnt mit Giftgas zu forschen. Nach wie vor fehlt mir eine klare Erzähllinie, der Roman plätschert dahin…
Was bleibt ist, dass Ludwig unwillentlich das Vernichtungsgas für die Gaskammern mitentwickelt.
Tabun wurde nicht in den Gaskammern eingesetzt, sondern Cyanwasserstoff, Zyklon B genannt. Allerdings hat er eindeutig mit Nervengiften experimentiert - im Auftrag der Wehrmacht.
Mich packt der Roman nicht, auch wenn mich aus chemischer Sicht die Gifte und Gegengifte interessieren. Der Fall Fritz Haber ist sehr gut im folgenden Roman geschildert, zu dem es auch eine sehr gute Verfilmung gibt:

Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
, darin wird die Geschichte der Frau Fritz Habers erzählt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Lendle schreibt sehr lakonisch, erzählt zwar immer wieder interessante Episoden, auch über andere Figuren, aber er macht das ohne jeglichen Spannungsaufbau. Doch vielleicht entspricht das dem Wesen von Ludwig und Alma, die oft das Gefühl haben, das Leben geht ohne sie weiter. Es fehlen auch die großen Emotionen. Ludwig kann sie nicht zeigen oder empfindet sie nicht und Alma fehlt das richtige Objekt.
Die Begegnungen im Wald dienen v.a. der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse. Das befremdet uns, weil wir das von Frauen zu dieser Zeit nicht kannten. Bei einem Mann käme uns das nicht sehr sonderbar vor.
Allerdings waren die Zwanziger Jahre bekannt für Ausschweifungen, insbesondere in den Städten.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Mein Klagen wurde prompt erhört und Luds Forschungen werden hier ein wenig mehr in den Vordergrund gestellt.
Große Anteile hat Ludwigs Forschung, die mich ehrlich gesagt nicht so sehr fesselt.

Mich hats dann auch erstaunlich kalt gelassen, aber! Ich habe mich an diesem Nebensatz, dass Hitler für den Friedensnobelpreis nominiert war, aufgehängt. Und tatsächlich hat Erik Brandt ihn 1939 in Stockholm vorgeschlagen!?! Wenn man aber weiterschaut, hat er ihn aus Protest, dass Neville Chamberlain nominiert wurde, ins Spiel gebracht und einen Brief voller Ironie ans Komitee geschickt.

So, und jetzt muss ich wieder an dieses unsägliche Buch "Der Berg" von Dan Simmons denken, wo dann zum Schluss.... aber das gehört jetzt nicht hierher, nur soviel, dass das Ende mir jetzt nicht mehr soooo abstrus erscheint, wie seinerzeit!
Lendle schreibt sehr lakonisch, erzählt zwar immer wieder interessante Episoden, auch über andere Figuren, aber er macht das ohne jeglichen Spannungsaufbau.

So empfinde ich das auch und erzielt bei mir den Effekt, dass meine Gedanken abschweifen, s.o..
Das befremdet uns, weil wir das von Frauen zu dieser Zeit nicht kannten.

Nicht nur, dass Alma offensichtlich nicht einmal schwanger wird, sondern dieses Thema auch außen vor gelassen wird, zeigt den "männlichen" Autor (will ich meinen).
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
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Mich wundert ehrlich gesagt, dass sich Alma und Ludwig in diesen Zeiten so sehr mit ihren eigenen philosophischen Befindlichkeiten aufhalten können. Sie scheinen mir doch sehr bewusst literarisch erhöht zu sein.

Literarisch überhöht, oder aber wirklich in anderen Sphären schwebend, nicht ahnend, dass es "unten" sehr viel prekärer zugeht.
Auch dass Luds Mutter Alma Geld schickt, zeugt doch davon, dass sie keine wirtschaftlichen Probleme hatten.
 

Literaturhexle

Moderator
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2. April 2017
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Auch dass Luds Mutter Alma Geld schickt, zeugt doch davon, dass sie keine wirtschaftlichen Probleme hatten.
Das stimmt. Aber Lud scheint nicht viel zu verdienen, Alma sowieso nicht. Jetzt kommt die Wirtschaftskrise, Inflation, in den Städten Elend und Hunger... und die beiden Kreisen nur um sich selbst.
Ich werde mit dem Buch nicht warm. Mir geht es wie dir, Ems: die Gedanken schweifen ab. Andererseits ist das nicht zu schlimm, weil sich die Handlung in Episödchen abspielt, die wenig Zusammenhang haben.

Bei diesem Buch ist es eine Hilfe zu wissen, dass der Autor sie Geschichte seines Großonkels anhand von gefundenen Notizheften erzählt. Danke auch RuLeka, dass du mich mit der Nase auf die (eigentlich offensichtliche) Bedeutung der Fast-Familie gestoßen hast;)

Zum Glück liest es sich schnell.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Sprachlich bin ich recht angetan. Aber ansonsten fesselt mich die Lektüre nur mäßig. Wie ergeht es euch? Aus euren Beiträgen kann ich wenig herauslesen.

Nach wie vor fehlt mir eine klare Erzähllinie, der Roman plätschert dahin…

Lendle schreibt sehr lakonisch, erzählt zwar immer wieder interessante Episoden, auch über andere Figuren, aber er macht das ohne jeglichen Spannungsaufbau. Es fehlen auch die großen Emotionen.

Ich werde mit dem Buch nicht warm. Mir geht es wie dir, Ems: die Gedanken schweifen ab. Andererseits ist das nicht zu schlimm, weil sich die Handlung in Episödchen abspielt, die wenig Zusammenhang haben.

Das entspricht auch meinen Leseeindrücken. Ich denke, ich habe schon verstanden, was der Hintergrund des Buches ist. Ich finde es in sprachlicher Hinsicht auch nicht schlecht. Aber inhaltlich ist der Roman recht öde, finde ich. Schade. Vielleicht waren meine Erwartungen auch einfach zu hoch.

Mir erschließt sich bisher jedenfalls nicht, warum es das Buch auf diese Liste geschafft hat:

 
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