3. Leseabschnitt: Seite 143 bis 215

Literaturhexle

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2. April 2017
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Hier diskutieren wir "Ted Garner 1. November" bis einschließlich Jean-Baptiste LeRoux 6. November", also die Seiten 143 bis 215.
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Ich sehe schon, ich presche hier vor ;) Aber das Buch liest sich wirklich gut und wenn es die Leserunde hier nicht gäbe, wäre ich vermutlich schon damit durch.
Diesmal liegt der Schwerpunkt bei Leon, dem Cousin der ermordeten Jeanette. Voller Selbstvorwürfe ihr nicht geholfen zu haben, macht er sich selbst auf die Suche nach dem Mörder. Und wie zu erwarten erhält er deutlich mehr Informationen als die Polizei und hat tatsächlich bald eine Spur.
Währenddessen verfolgen die beiden Polizisten eine andere Spur knapp 1000 km entfernt von Montreal, dieses Mal allerdings mit einer Spur im Gepäck, die tatsächlich deutlicher wird
Überdeutlich wird hier die gegenseitige Abneigung der Indigenen und der Weißen, wobei ich mich frage, ob sie tatsächlich in dieser Extremform besteht. Ich bezweifle nicht im Geringsten, dass es noch immer zu massiven Diskriminierungen der indigenen Bevölkerung kommt und Rassismus weit verbreitet ist. Aber was hier geschildert wird, erinnert mich fast an Clan-Strukturen, wo nicht nur ohne sondern auch gegen die Polizei gearbeitet wird. Es wirkt fast wie offener Hass, der hier gegen die Weißen besteht.
Auch wenn mit dem Ende dieses Abschnittes der Falls scheinbar gelöst scheint - da sind noch zu viele Seiten übrig. Und Leon ist ja auch noch unterwegs ;) Es kommt also noch was - schön :D
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Leon macht sich auf den Weg, seine Cousine zu rächen. Ich muss mir wieder ins Gedächtnis rufen, wie jung Jeanette war, grade mal 15 Jahre alt. Sie wollte aus der Familie raus und kam vom Regen in die Traufe, die falschen Leute, die sie auch nur ausnutzten, sie zu Rauschgift verführten und dann sitzen ließen. Wenn ich an den schmierigen Musiker denke, graust es mir.

Leon macht sich Vorwürfe, weil er dem Hilferuf nicht nachkam. Die Wut über das gestohlene Geld war doch noch zu frisch. Aber klar, er bekommt sehr viel mehr raus, als die Beamten, denen kein Vertrauen entgegen gebracht wird und denen man offensichtlich jede Information vorenthält.

Lorraines Ermordung hat meiner Ansicht nichts mit Jeanettes Tod zu tun. Sie wurde ganz gezielt umgebracht weil der Bruder des Officers eine Anzeige verhindern wollte. Wenn man überlegt, wie mit Beschwerden und Anzeigen von Prostituierten und Indigenen umgegangen wird, wäre der Mord doch gar nicht notwendig gewesen. Derek kam mit einer PTBS und einer schwerwiegenden Verletzung zurück. Das erklärt auch die Morde an den Prostitutierten, an denen er seinen Frust abarbeitet. Er könnte gut für eine Reihe von Morden entlang des Highways verantwortlich sein. Garner hat sehr geschickt die Schlüsse gezogen und Spuren gefunden, wird aber schwer verwundet, als er Derek ansprach.

LeRoux vermasselt wieder mal ein paar Zeugenaussagen, weil er halt bei einer Frau nur an das Eine denken kann. Mich wundert wirklich, warum ihn seine Frau nicht schon längst vor die Tür gesetzt hat. Er ist eine Figur, mit der ich nicht viel anfangen kann.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Diesmal liegt der Schwerpunkt bei Leon, dem Cousin der ermordeten Jeanette. Voller Selbstvorwürfe ihr nicht geholfen zu haben, macht er sich selbst auf die Suche nach dem Mörder. Und wie zu erwarten erhält er deutlich mehr Informationen als die Polizei und hat tatsächlich bald eine Spur.

Diese Perspektive gefällt mir auch sehr gut, auch weil ich sein persönliches Motiv gut nachvollziehen kann.


Aber was hier geschildert wird, erinnert mich fast an Clan-Strukturen, wo nicht nur ohne sondern auch gegen die Polizei gearbeitet wird. Es wirkt fast wie offener Hass, der hier gegen die Weißen besteht.

In der extremen Ausprägung hätte ich es nicht erwartet, aber jahrzehntelanges Misstrauen kann man nicht einfach zu aufbrechen und ich könnte mir schon vorstellen, dass der strukturelle Rassismus zu einer Parallelgesellschaft führte.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
An dem Strang mit dem Afghanistan-Veteranen kommt mir einiges etwas merkwürdig vor : Zum einen meint Ted Garner, nachdem er von Barker einen Bericht über die Begegnung mit Lorraine Buffalo gehört hat, sogleich "eine Spur" zu haben. Ich finde den Gedankensprung etwas bemüht - der Bruder Barkers, der zusammen mit Barker Lorraine vor die Tür gesetzt hat, ist Afghanistan-Veteran und allein deshalb prompt ein Verdächtiger?
Und zweitens marschiert Ted Garner forsch ins Traumazentrum, stellt sich als "Dr. Garner" vor und bekommt prompt Auskunft über einen Patienten - ist so etwas wirklich vorstellbar? Vielleicht mache ich mir als Deutsche auch ein falsches Bild von den dortigen Verhältnissen ...

Wie auch immer. Ich finde die Geschichte nach wie vor spannend und interessant. Es wird tatsächlich ermittelt, wenn auch nach dem Prinzip "mühsam nährt sich das Eichhörnchen".
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Zum einen meint Ted Garner, nachdem er von Barker einen Bericht über die Begegnung mit Lorraine Buffalo gehört hat, sogleich "eine Spur" zu haben. Ich finde den Gedankensprung etwas bemüht

Ja, das schoss mir auch durch den Kopf. Im Nachhinein denke ich aber, dass das ein typisches Klischee ist, mit dem viele Romane arbeiten: alle Afghanistan-Veteranen sind gestört..... deswegen auch meine Bemerkung "... echt jetzt, Afghanistan?!"
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Und zweitens marschiert Ted Garner forsch ins Traumazentrum, stellt sich als "Dr. Garner" vor und bekommt prompt Auskunft über einen Patienten - ist so etwas wirklich vorstellbar?

Ich denke, das war nur möglich weil er die behandelnde Ärztin von früher kannte und sie glaubte, dass er als praktizierender Therapeut ein Kollege ist. Ich könnte mir schon vorstellen, dass es mit dieser Konstellation auch bei uns denkbar ist, dass eigentlich vertrauliche Details ausgetauscht werden.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich denke, das war nur möglich weil er die behandelnde Ärztin von früher kannte und sie glaubte, dass er als praktizierender Therapeut ein Kollege ist. Ich könnte mir schon vorstellen, dass es mit dieser Konstellation auch bei uns denkbar ist, dass eigentlich vertrauliche Details ausgetauscht werden.

Nein, diejenige, die "Dr. Garner" zuerst die Auskunft gibt, dass Derek Barker stationär in der Klinik war, ist eine Empfangsdame (Seite 194). Die Ärztin Dr. Alliston, die Garner kennt, kommt erst später dazu.

Ich will dem auch keine allzu große Bedeutung beimessen, es hat mich nur verwundert.
 
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wal.li

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1. Mai 2014
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Leon hat es bei seinen Nachforschungen einfacher als die Polizei. Die Meisten, die Jeanette getroffen hat, waren auch von den Cree oder anderen Stämmen. Natürlich geben sie Leon bereitwilliger Auskunft.

JB stümpert sich so durch. Und wieder lässt er sich mit einer Prostituierten ein. Wie er seine Frau gewinnen will, sehe ich nicht. Zwar ist mir JB nicht völlig unsympathisch, aber verstehen kann ich Sophie schon.

Die Militärspur hat mich etwas überrascht. Sie wirkt ein wenig wie ein Fremdkörper in dem Buch. Oder soll sie deutlich machen, dass auch die Weißen manchmal sehr zu leiden haben?
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Nein, diejenige, die "Dr. Garner" zuerst die Auskunft gibt, dass Derek Barker stationär in der Klinik war, ist eine Empfangsdame (Seite 194). Die Ärztin Dr. Alliston, die Garner kennt, kommt erst später dazu.

Ich will dem auch keine allzu große Bedeutung beimessen, es hat mich nur verwundert.

Stimmt!
 

Yolande

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13. Februar 2020
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Ein ereignisreicher Abschnitt, in dem einige meiner früheren Fragen geklärt werden. Das Verhältnis von Jean-Baptiste zu Ted Garner ist durch die Begegnung mit Sophie natürlich nicht besser geworden. Allerdings finde ich Jean-Baptiste ist als Polizist eine völlige Null. Da fährt er zu der Befragung in den Massagesalon und anstatt Chantal zuvernehmen, lässt er sich er einmal einen blasen, geht's noch?? Also ehrlich, Depression oder auch Desillusionierung hin oder her, das ist ja völlig daneben.
Leon sucht ebenfalls den Mörder seiner Cousine und hat den Vorteil, dass er auch Auskünfte erhält. Mir gefällt es, dass er so traditionsbewusst ist, befürchte aber, dass es in der heutigen Zeit unheimlich schwer wird, nach den alten Traditionen zu leben.
Die Geschichte mit dem Veteranen ging mir jetzt etwas zu schnell, kaum war er auf der Bildfläche ist er praktisch schon überführt und begeht Selbstmord. Sehr merkwürdig, es mag ja sein, dass er für einige Morde verantwortlich ist, aber ich denke, bei Jeanette war es ein anderer Täter. Sie war ja auch noch schwanger.
Dass Garner jetzt so schwer verletzt ist, ist natürlich dramatisch. Hoffentlich überlebt er, ich mag es gar nicht wenn Hauptprotagonisten so einfach wegsterben, das gibt dann Punktabzug ;):confused:
 

Bibliomarie

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Also ehrlich, Depression oder auch Desillusionierung hin oder her, das ist ja völlig daneben.

Finde ich auch, mit J B kann ich mich nicht anfreunden:(

Leon sucht ebenfalls den Mörder seiner Cousine und hat den Vorteil, dass er auch Auskünfte erhält. Mir gefällt es, dass er so traditionsbewusst ist, befürchte aber, dass es in der heutigen Zeit unheimlich schwer wird, nach den alten Traditionen zu leben.

Aber vielleicht ein Weg in Würde und in Einklang mit der Tradition zu leben. Das müsste nur in die heutige Zeit übertragen werden, also mit Zugang zu Schulen und Unis und ausreichenden Arbeitsmöglichkeiten. Der Alkoholismus in den Reservaten hängt ja auch u.a. mit der Perspektivlosigkeit zusammen.
Ist aber wohl Sozialromantik von mir.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Die Militärspur hat mich etwas überrascht. Sie wirkt ein wenig wie ein Fremdkörper in dem Buch. Oder soll sie deutlich machen, dass auch die Weißen manchmal sehr zu leiden haben?
Den Afghanistanbezug fand ich auch ein wenig bemüht.
Allerdings kann isch versthen, dass es Ermittlern nicht leicht fällt am Image eines "hochdekorierten Kriegshelden" zu kratzen.
Dass Barker aber gleich schießt, wenn er angesprochen wird und sich dann selbst tötet, kam mir zu zusammenhanglos. Das kann nicht des Rätsels Lösung sein.
 

Literaturhexle

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Aber klar, er bekommt sehr viel mehr raus, als die Beamten, denen kein Vertrauen entgegen gebracht wird und denen man offensichtlich jede Information vorenthält.
Allerdings erscheinen mir manche Wendungen auch recht gewollt. Leon hatte keine Ahnung, wohin er sich in Montreal wenden soll, aber er spürt "eine Erregung, ein Zittern und Prickeln". Er folgt einem inneren Kompass, der ihn just zu ebenjenem Reunion Center führt, wo man seine Kusine kannte... Da muss man schon an Geister glauben, ansonsten ist es des Zufalls ein bisschen viel.
Wenn man überlegt, wie mit Beschwerden und Anzeigen von Prostituierten und Indigenen umgegangen wird, wäre der Mord doch gar nicht notwendig gewesen.
Der Typ hat Dreck am Stecken. Das steht fest und wenn man erst mit Morden angefangen hat, macht der nächste Tote den Kohl auch nicht mehr fett.
LeRoux vermasselt wieder mal ein paar Zeugenaussagen, weil er halt bei einer Frau nur an das Eine denken kann. Mich wundert wirklich, warum ihn seine Frau nicht schon längst vor die Tür gesetzt hat. Er ist eine Figur, mit der ich nicht viel anfangen kann.
Le Roux ist ein mächtig plakativer, stereotyper Charakter. Für meinen Geschmack etwas too much. Er ist ein Macho, wie er im Buch steht. Auf der einen Seite (154) verspürt er eine Sehnsucht nach seiner Frau, auf der nächsten (155) lässt er sich mit einer Nutte ein und schmeißt ihr den Lohn noch in Gönnermiene aufs Bett. Pfui!
Ich glaube irgendwie nicht, dass der Bruder der Täter war. Er hatte auch ein schlimmes Schicksal.
Nein, Jeannette wird er nicht getötet haben. Aber mit den Morden an Prostituierten hat er gewiss was zu tun.
Allerdings finde ich Jean-Baptiste ist als Polizist eine völlige Null. Da fährt er zu der Befragung in den Massagesalon und anstatt Chantal zuvernehmen, lässt er sich er einmal einen blasen, geht's noch?? Also
Ja. Das liest sich zwar ganz amüsant. Hat aber mit realistischer Ermittlungsarbeit wenig zu tun. Die Figur ist mir wie gesagt zu krass.
 

Literaturhexle

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Insgesamt fühle ich mich noch immer gut unterhalten. Man darf einen Kriminalroman nicht mit literarischen Ansprüchen messen. Manche Zufälle sind schon arg zufällig und manche Ergebnisse fliegen den Ermittelnden zu. Leon wird von den Geistern geführt. Er lehnt Alkohol ab, raucht aber einen Joint nach dem anderen.
Über JB wurde oben schon viel gesagt. Seine Gattin will gar nicht zu diesem schwanzgesteuerten Klotz passen. Jeannette ist arg schnell auf die schiefe Bahn gekommen. Nicht ganz logisch, dass sie das geklaute Geld auf den Kopf gehauen hat. Aber mit 15 macht man dumme Sachen...

Für mich liegt die Stärke nach wie vor in der Beschreibung der Milieus und der Unterschiede zwischen dem Leben der Einwanderer und der Ureinwohner, wobei es auf beiden Seiten Gute und Schlechte zu geben scheint, was es glaubwürdiger macht.

Jetzt lese ich mal den Rest;)
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Da fährt er zu der Befragung in den Massagesalon und anstatt Chantal zuvernehmen, lässt er sich er einmal einen blasen, geht's noch?? Also ehrlich, Depression oder auch Desillusionierung hin oder her, das ist ja völlig daneben.
Das ist auch ein Trend in der Kriminalliteratur. Der Polizist ist nicht nur im Privatleben eine gebrochene Figur, auch die Grenzen zwischen den Guten ( Polizei ) und den Bösen ( Verbrecher ) verschwinden zusehends.
kaum war er auf der Bildfläche ist er praktisch schon überführt und begeht Selbstmord
So langsam und ergebnislos der Anfang, so rasant gewinnt die Geschichte hier an Tempo. Dass der Veteran Selbstmord begeht, klingt plausibel. Er musste ja befürchten, dass die Polizei seine Verbrechen aufgedeckt hat und selbstmordgefährdet war er seit seiner Rückkehr aus Afghanistan.
aber echt jetzt, Afghanistan
Das zeigt nur, dass das Thema „ Afghanistan-Einsatz“ ein weltweites Thema ist und dass es überall Traumatisierte hinterlässt.
Da muss man schon an Geister glauben, ansonsten ist es des Zufalls ein bisschen viel.
Die Cree glauben an Geister.
Er lehnt Alkohol ab, raucht aber einen Joint nach dem anderen.
Das ist für mich glaubwürdig. Alkohol hat auf indigene Völker verheerende Auswirkungen, ( sie vertragen einfach weniger), das hat Leon ja in seiner eigenen Familie vor Augen; andere Drogen haben sie schon immer konsumiert.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Die Cree glauben an Geister
Das weiß ich doch;)
Aber ich als Leserin nicht. Insofern ist es schon ein Zufall, dass ihn der Zufall ans richtig Ende der großen Stadt spült. Auch der Verstand hätte ihn zu diesem Zentrum führen können, weil dort offensichtlich viele gestrandete Indigene angespült werden. Das hätte mir besser gefallen, auch wenn das Ergebnis dasselbe ist.