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Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Bei der Dauer des An—und Auskleidens blieb denen ja auch nicht mehr viel Zeit um den Männern ins Handwerk zu pfuschen.
Wenn man sich historische Filme über diese Zeit anschaut, den wunderbaren Zweiteiler über Moliére zum Beispiel, kann man sehen, dass auch die Männerkleidung zum Teil sehr aufwendig war. Die Hemden waren derart pludrig weit, dass man mit den Ärmeln ständig hängenblieb und sie mit Spitzenbändern festbinden musste, und die Hosen wurden mit Schnüren an den Westen (oder "Wämsern" festgemacht. Dazu noch ein gigantischer Spitzenkragen, Spitzenmanschetten und eine turmhohe Perücke ...
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Wann wurden die Hosenträger erfunden, der Gürtel?
Es ist wie mit den systemrelevanten Berufen. Man erkennt auch die systemrelevanten Accessoires erst mit etwas Abstand.
Um noch anzufügen: Eine Kleidermode wie die damalige musste natürlich alsbald aus zwei Gründen aufgegeben werden: Erstens kostete das An- und Ausziehen zu viel Zeit und Aufwand, und zweitens war die Anfertigung irgendwann nicht mehr zu bezahlen. Das ist ein Punkt, über den ich mir oft Gedanken mache. Die Demokratisierung ist natürlich begrüßenswert, aber ich finde es schade, dass ein gigantischer Schatz an Wissen und Know-how in bezug auf die Kleiderfertigung verloren gegangen ist (und weiterhin verloren geht), weil sich niemand mehr leisten kann und will, derartigen Aufwand zu betreiben. Betrachtet man zum Beispiel in einem Textilmuseum venezianische Nadelspitzenarbeiten, dürfte heute kaum noch jemand wissen - allenfalls in grober Theorie -, wie diese gefertigt wurden. Um größere Klöppelarbeiten zu verwirklichen, muss man heute schon ziemlich nerdig sein und am besten auch finanziell unabhängig - während in früheren Zeiten ein bedauernswertes Prekariat an Frauen bereitstand, Kunst zu schaffen, auf die man sich heute kaum noch versteht ...

"... von hier aus streckte sich eine einzige lange Straße von weinumrankten Logierhäusern in die Wiesen hinaus. An ihrem Ende drängten sich die verfallenen Hütten der einheimischen Bevölkerung. Dort saßen hagere Frauen und hustende Mädchen Tag aus, Tag ein über das Klöppelbrett gebeugt und warfen die kleinen Holzpflöcke mit fieberhafter Eile durch das zarte und kostbare Spitzengewebe, das unter ihren Fingern entstand."
(aus: "Aus guter Familie" von Gabriele Reuter)
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Schaut mal hier: Männermode ab 1750 , da gibt es ein paar Bilder dazu. Der von mir erwähnte Film über Moliére ist, wie ich eben gesehen habe, nicht beispielhaft, da er in einer früheren Zeit spielt. Zu Zeiten d'Eons war die Mode vergleichsweise wieder etwas praktischer, jedenfalls die für Männer.
Sehr hübsch. Heute trauen sich die Mannsleut nimmer an Farbe. Das gilt als weibisch.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
@Die Häsin . Also ich brauche so ne Spitze nicht. Kann ruhig verlorengehen das Wissen. Bedenke: in einigen Milliarden Jahren wird die Sonne ein roter Riese ...
:D

Mir gehts ganz anders; ich bin jedem Menschen dankbar, der sich mit der Durchdringung und dem Erhalt dieser alten Techniken befasst.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
:D

Mir gehts ganz anders; ich bin jedem Menschen dankbar, der sich mit der Durchdringung und dem Erhalt dieser alten Techniken befasst.
Bedenke: in einigen Milliarden Jahren wird die Sonne ein roter Riese ...
Aber: Reetdachhäuser decken können sollte man beibehalten. (Der Mensch ist herrlich inkonsequent).
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Herr Hase war früher mal Endzeitgläubiger, deshalb haben wir ein Buch zum Thema Überlebenstechniken zu Hause. Ist sehr interessant. Da sind Ratschläge zum Bunkerbau drin und mir hat natürlich besonders gefallen, was für Bücher man in den Bunker mitnehmen soll: Am besten fünf pro Person. Ein Buch mit Noten, am besten auch ein dazu passendes Musikinstrument. Sollte man gläubig sein, natürlich ein Gebetbuch, Bibel, Koran oder was immer passt. Zwei oder drei Lieblingsbücher Belletristik und mindestens ein Buch über eine Handwerkstechnik, zum Beispiel Dachdecken, aber Stricken ist auch erlaubt.
 

Bartie

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12. Juni 2021
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Zurück in Frankreich lebt unser Chevalier als Chevalière. Die totale Umstellung fällt nicht leicht, besonders die vielen Einschränkungen eines Frauenlebens sind schwer zu ertragen. Ganz besonders ist hier die Rechtlosigkeit vor Gericht zu benennen. Als man seinen Besitz in England verkauft, kann er als Frau keine Rechtsmittel einlegen.
Wie hirnverbrannt ist das denn!
In der Bundesrepublik Deutschland trat 1958 das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Bis dahin verwaltete der Man das Vermögen seiner Frau, die ab jetzt auch ohne sein Erlaubnis arbeiten und ein eigenes Konto eröffnen dürfte.

Frauen mussten sich ihre Rechte eben hart erkämpfen. Und der Kampf geht noch weiter: Frauen dürfen beim Fischertag Forellen fangen :D
 

Bartie

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12. Juni 2021
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Absolut interessant ist in meinen Augen seine Familie, seine Herkunft. Der Chevalier schreibt seine Mutter kennt ihn nicht. Obwohl sie ihn geboren hat. Nur Pierre kennt ihn. Das finde ich interessant und so aufschlussreich, wie es Fragen aufwirft!
Das mit der Mutter hat mich auch gewundert. Aber die Sache mit Pierre hat er ganz deutlich zum Schluss zu verstehen gegeben.
 

Bartie

Aktives Mitglied
12. Juni 2021
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Sehr gewundert hat es mich, dass d`Eon nach Frankreich zurückgeht und die vom König gestellten Auflagen erfüllen will. Hoffte er auf diese Art und Weise Pierre Caron wieder für sich zu gewinnen? Dabei schwor er Rache und es gab am Anfang einen heftigen hässlichen Schlagabtausch zwischen den beiden.

Interessant fand ich d`Eons Bemerkung über die Frauen bei der Beschreibung der königlichen Schneiderin Madame Bertin:
„Frauen können mit Macht nie spielerisch umgehen, weil sie immer befürchten müssen, sie wieder zu verlieren“.

Hat er sich schon mit dieser Aussage ein bisschen verraten? Mehr Anzeichen dafür gibt es bei seiner Erzählung über seinen „Übungsgang“ in „voller Kostümierung“. Und als er erzählt, wie er eine Dame begrüßt und seine Perücke mit dem Helm verwechselt, da konnte ich nur laut lachen.

Sehr interessant fand ich d`Eons Treffen mit Voltaire und später mit Benjamin Franklin. Ich hoffe sehr, dass die Autorin diese Fakten belegen kann und hier nur so wenig wie möglich ihrer Fantasie entspringt.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
In der Bundesrepublik Deutschland trat 1958 das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Bis dahin verwaltete der Man das Vermögen seiner Frau, die ab jetzt auch ohne sein Erlaubnis arbeiten und ein eigenes Konto eröffnen dürfte.
Die Ehefrau durfte bis 1977 nur mit Erlaubnis ihres Mannes einer Erwerbsarbeit nachgehen.
Ich kann mich an einen Film von Fassbinder erinnern, "Martha", in dem der Ehemann, gespielt von Karlheinz Böhm, das Arbeitsverhältnis seiner Frau - während ihres Urlaubs nach der Hochzeit - einfach kündigte. Er sagte es ihr nicht mal. Die Frau erschien nach dem Urlaub ganz normal bei der Arbeit und alle starrten sie verständnislos an, weil ihre Stelle inzwischen anderweitig besetzt war. Dieser Film stammt von 1974.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Um noch anzufügen: Eine Kleidermode wie die damalige musste natürlich alsbald aus zwei Gründen aufgegeben werden: Erstens kostete das An- und Ausziehen zu viel Zeit und Aufwand, und zweitens war die Anfertigung irgendwann nicht mehr zu bezahlen.

Spätestens nach der Revolution, als man sich nicht mehr als Adel zu erkennen geben mochte und/oder arbeiten und in den Krieg ziehen musste, war ein Kleiderwechsel dringend nötig.
Also ich brauche so ne Spitze nicht.

Ich brauche auch keine Spitze, aber allein die handwerkliche Kunst und was sich daraus entwickelt hat, ist doch eine erstaunliche und anschauungswürdige Sache. (Oder warum Basteln Kinder in Kindergärten und Schulen?)
Heute trauen sich die Mannsleut nimmer an Farbe.

Kommt alles wieder, ich sehe eine Menge Männer die in Pink laufen.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich brauche auch keine Spitze, aber allein die handwerkliche Kunst und was sich daraus entwickelt hat, ist doch eine erstaunliche und anschauungswürdige Sache.
Ja schon. Aber man kann halt nicht alles am Leben halten. Für Manches ist eine Zeit und die ist dann vorbei. Is so. Ich freu mich auch, wenn in südlichen Ländern antike Steine in Häuser verbaut werden. Tempi passati. Man muss nicht jede alte Scherbe aufbewahren.