3. Leseabschnitt: Seite 100 bis 148

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
836
3.350
44
Ich hangele mich irgendwie an der "Balladen"-Idee entlang. Für mich läuft die Erzählung in Spiralen - immer wieder kommt Loschütz auf etwas zurück, dass er schon mal angerissen hatte.

Richtig gut gefallen haben mir hier einmal die "Heimat"-Metaphern als der Erzähler auf S. 109 über die Gegenstände philosophiert, die in dem grauen Ort im Westen keinen rechten Platz finden.

Bei der Traumsequenz mit den Kindern hatte ich den Gedanken, dass hier alles brennt, weil sozusagen die Brücken in die Vergangenheit abgebrannt werden müssen (ähnlich wie die Vase, die runtergeworfen wird, nachdem die Mutter gestorben ist). Gleichzeitig hatte ich irgendwie aber auch "Maikäfer, flieg" im Ohr...

Und die Frauen...was soll ich dazu sagen. Schweres Bindungsthema trifft es wohl.

Der Erzähler ist einer, dem seine Einsamkeit wichtiger ist als jede Bindung. Statt der Geliebten zu sagen, er möchte in Ruhe irgendwo draußen sitzen, lässt er sie im Glauben, er betrüge sie. Nur um mit Niemanden etwas zu teilen.

Die Geliebte kann nicht die Geliebte bleiben, denn das Herz gehört der Heimat, seinen Wurzeln, die er mit niemandem teilen will. Seine tatsächliche Geliebte ist die Heimat oder die Erinnerung daran, er schleicht sich zu ihr, regelmäßig, und will dabei nicht beobachtet werden. Dieses Fleckchen Land ist ihm so wichtig, dass er lieber den Bruch mit der menschlichen Geliebten riskiert und eine Affäre vortäuscht, als dass sie ihm auf die Schliche kommt.

Mariam, zu der er sich wohl zugehörig fühlt, weil auch sie ihre Heimat verloren hat. Über allem schwebt einfach diese Entwurzelung der Kindheit...

Das Intermezzo mit Mariam lese ich auch als das Treffen zweier Entwurzelter, vor allem in dem Augenblick, in dem sie beide am Fenster stehen und zusammen auf den Platz blicken. Da wird wieder ganz deutlich das Außenseitertum und die Ausgrenzung der beiden unterstrichen - sie gehören nicht dazu und dürfen nur beobachten, aber nicht teilhaben.

So viele Leute aus einem Ort werden doch nicht umgebracht? Ist das seine Phantasie, erklärt mit dem Satz: "Ich ging wie ein Messer durch die Stadt." 134
Die Mordserie hat mich auch stark irritiert. Zunächst dachte ich, jetzt geht's aber los - auf Krampf noch eine Krimiepisode, aber der Messer-Satz deutet dann doch deutlich darauf hin, dass es Leute sind, die er persönlich gerne los wäre. Ich finde es allerdings außerordentlich, dass er sich genau Gedanken macht, wie man sich dieser Personen entledigen könnte.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.406
23.956
49
66
Ich hangele mich irgendwie an der "Balladen"-Idee entlang. Für mich läuft die Erzählung in Spiralen - immer wieder kommt Loschütz auf etwas zurück, dass er schon mal angerissen hatte.

Richtig gut gefallen haben mir hier einmal die "Heimat"-Metaphern als der Erzähler auf S. 109 über die Gegenstände philosophiert, die in dem grauen Ort im Westen keinen rechten Platz finden.

Bei der Traumsequenz mit den Kindern hatte ich den Gedanken, dass hier alles brennt, weil sozusagen die Brücken in die Vergangenheit abgebrannt werden müssen (ähnlich wie die Vase, die runtergeworfen wird, nachdem die Mutter gestorben ist). Gleichzeitig hatte ich irgendwie aber auch "Maikäfer, flieg" im Ohr...

Und die Frauen...was soll ich dazu sagen. Schweres Bindungsthema trifft es wohl.



Die Geliebte kann nicht die Geliebte bleiben, denn das Herz gehört der Heimat, seinen Wurzeln, die er mit niemandem teilen will. Seine tatsächliche Geliebte ist die Heimat oder die Erinnerung daran, er schleicht sich zu ihr, regelmäßig, und will dabei nicht beobachtet werden. Dieses Fleckchen Land ist ihm so wichtig, dass er lieber den Bruch mit der menschlichen Geliebten riskiert und eine Affäre vortäuscht, als dass sie ihm auf die Schliche kommt.



Das Intermezzo mit Mariam lese ich auch als das Treffen zweier Entwurzelter, vor allem in dem Augenblick, in dem sie beide am Fenster stehen und zusammen auf den Platz blicken. Da wird wieder ganz deutlich das Außenseitertum und die Ausgrenzung der beiden unterstrichen - sie gehören nicht dazu und dürfen nur beobachten, aber nicht teilhaben.


Die Mordserie hat mich auch stark irritiert. Zunächst dachte ich, jetzt geht's aber los - auf Krampf noch eine Krimiepisode, aber der Messer-Satz deutet dann doch deutlich darauf hin, dass es Leute sind, die er persönlich gerne los wäre. Ich finde es allerdings außerordentlich, dass er sich genau Gedanken macht, wie man sich dieser Personen entledigen könnte.
Sehr gut analysiert! Das Buch bietet viel Interpretationsraum, da profitiert jeder hier von den Gedanken der anderen.
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Ich muss gestehen, dass die Geschichte wirklich gut komponiert ist, zumindest dieses Verschachtelte. Wie ein Zopf, in dem Strähnen mal verschwinden, dann wieder sichtbar werden und dabei immer weiter geführt werden. Es ist schon geschickt gemacht.

Aber leider packt mich die Geschichte inhaltlich immer noch null. Ich muss mich zwingen, weiterzulesen. Der Tod der Mutter ist noch recht eindringlich, aber auch das berührt mich einfach überhaupt nicht.

Aber mit dem Protagonisten kann ich wenig anfangen. Der bleibt mir sehr fremd.

Das geht mir ebenso. Ich bewundere die Sprache und die erzählerische Dichte, die der Autor schafft, trotzdem lese ich distanziert, weil mir dieser Protagonist fremd ist. Die Figur selbst authentisch, aber sein Festhalten an der alten Heimat und nicht ankommen zu wollen in der neuen Stadt befremdet mich.

Für mich ist der Protagonist ein großes Manko. Einerseits ist er für mich ein A*loch. Er betrügt, lügt, behandelt andere schlecht und ist auf unangenehme Weise seltsam. Andererseits nervt mich sein Selbstmitleid und dieses Weinerliche. So empfinde ich es zumindest.
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.245
18.657
49
48
Ich muss gestehen, dass die Geschichte wirklich gut komponiert ist, zumindest dieses Verschachtelte. Wie ein Zopf, in dem Strähnen mal verschwinden, dann wieder sichtbar werden und dabei immer weiter geführt werden. Es ist schon geschickt gemacht.

Aber leider packt mich die Geschichte inhaltlich immer noch null. Ich muss mich zwingen, weiterzulesen. Der Tod der Mutter ist noch recht eindringlich, aber auch das berührt mich einfach überhaupt nicht.





Für mich ist der Protagonist ein großes Manko. Einerseits ist er für mich ein A*loch. Er betrügt, lügt, behandelt andere schlecht und ist auf unangenehme Weise seltsam. Andererseits nervt mich sein Selbstmitleid und dieses Weinerliche. So empfinde ich es zumindest.
Da zeigen Männer einmal Gefühle :rolleyes: :p:D...